BGH, Beschluss vom 21.04.2010 - GSSt 1/09
Fundstelle
openJur 2011, 39283
  • Rkr:
Tenor

1. Die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist kein Teil der Vernehmung im Sinne von § 247 StPO.

2. Die fortdauernde Abwesenheit eines nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet regelmäßig den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

Gründe

A.

Die Vorlage des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs an den Großen Senat für Strafsachen betrifft die Frage, ob die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts bedeutet, die einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 338 Nr. 5 StPO begründet.

I. In einem beim 5. Strafsenat anhängigen Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er erhebt neben der Sachrüge eine Verfahrensrüge, mit der er insbesondere seine fortdauernde Abwesenheit während der Verhandlung über die Entlassung der gemäß § 247 Satz 2 StPO in seiner Abwesenheit zeugenschaftlich vernommenen Nebenklägerin beanstandet.

Der 5. Strafsenat möchte diese Verfahrensrüge, auf die es nach seiner Auffassung für seine Entscheidung ankommt und die er für zulässig erhoben hält, als unbegründet verwerfen. Er rechnet in Abkehr von bisheriger Rechtsprechung (BGHR StPO § 247 Abwesenheit 1, 14, 15; § 338 Nr. 5 Angeklagter 23; BGH NStZ 2007, 352) die Verhandlung über die Entlassung eines nach § 247 StPO in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen zu dessen Vernehmung und sieht demnach die Abwesenheit des Angeklagten in diesem Verfahrensabschnitt als von § 247 StPO gedeckt an, so dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO nicht vorliege. Die Rechte des Angeklagten, in dessen Abwesenheit über die Entlassung verhandelt wird, sieht er durch einen relativen Revisionsgrund wegen Verletzung des Rechts auf effektive Ausübung seines Fragerechts hinreichend gesichert.

Dementsprechend zu entscheiden, sieht sich der 5. Strafsenat indes nach dem Ergebnis des gemäß § 132 Abs. 2 GVG durchgeführten Anfrageverfahrens gehindert. Lediglich der 1. Strafsenat ist unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung der Auffassung des 5. Strafsenats beigetreten. Hingegen haben der 2., 3. und 4. Strafsenat an ihrer jeweiligen entgegenstehenden Rechtsprechung festgehalten. Daraufhin hat der 5. Strafsenat mit Beschluss vom 11. November 2009 - 5 StR 460/08 - (NJW 2010, 1012) dem Großen Senat für Strafsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

Begründet die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO?

II. Der Generalbundesanwalt hält die Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO durch den 5. Strafsenat für vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt und tritt dessen Rechtsauffassung bei. Er hat beantragt zu beschließen:

Die fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 StPO während einer Zeugenvernehmung entfernten Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen begründet nicht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO. B.

Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die Vorlegungsfrage auf die zulässige Vorlage gemäß § 132 Abs. 2 GVG wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

I. Die Abwesenheit des gemäß § 247 StPO für die Dauer der Vernehmung eines Zeugen ausgeschlossenen Angeklagten während der anschließenden Verhandlung über die Entlassung des Zeugen stellt eine Verletzung seines Anwesenheitsrechts dar.

1. Der Anwesenheit des Angeklagten kommt im deutschen Strafprozess ein hoher Stellenwert zu. Seine Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung, namentlich während der Beweisaufnahme, ist nicht nur für die Wahrheitsfindung, sondern ebenso für den Angeklagten und seine Verteidigung von erheblicher Bedeutung (BGHSt 3, 187, 190; 26, 84, 90; Frister in SK-StPO [2009] § 247 Rdn. 2; Bung HRRS 2010, 50). Das Anwesenheitsrecht soll dem Angeklagten vor allem die Möglichkeit allseitiger und uneingeschränkter Verteidigung sichern und sein rechtliches Gehör im wichtigsten Abschnitt des Verfahrens gewährleisten.

Deshalb bestimmt § 230 Abs. 1 StPO, dass gegen einen ausgebliebenen Angeklagten keine Hauptverhandlung stattfindet. Der Angeklagte hat nicht nur das Recht, sondern - wie sich aus § 230 Abs. 2, § 231 Abs. 1 StPO ergibt - auch die Pflicht zur Anwesenheit (BGH NStZ 1991, 246; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 230 Rdn. 1; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 230 Rdn. 3). Seine ununterbrochene Präsenz während der Hauptverhandlung wird wegen ihrer zentralen Bedeutung für das Verfahren rechtlich durch den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gesichert.

2. Das Anwesenheitsrecht des Angeklagten kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, in denen andere gewichtige Belange entgegenstehen und eine Einschränkung seiner grundsätzlich zu gewährleistenden Anwesenheit verlangen, durchbrochen werden.

a) Solche Ausnahmen enthält § 247 StPO. Diese Vorschrift gestattet in Satz 1 eine Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer während der Vernehmung eines Zeugen, wenn zu befürchten ist, der Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Gleiches gilt nach § 247 Satz 2 StPO im Interesse unmittelbaren Zeugenschutzes bei gesundheitlicher Gefährdung durch Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten.

b) Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung i. S. d. § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Aus der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien ergeben sich keine konkreten Hinweise zur Reichweite und Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO (Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 3 Abt. 1, 2. Aufl., S. 192 f., 852 ff.; 1583 f.; BT-Drs. 7/649 S. 3; BT-Drs. 10/6124 S. 13 f.; BT-Drs. 16/12098 S. 40 f., zu § 247 Satz 3 StPO: BT-Drs. 1/3713 S. 52).

3. Die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen wird vom Begriff der Vernehmung i. S. d. § 247 Satz 1 und 2 StPO nicht erfasst.

a) Dieser Begriff ist im Regelungszusammenhang der §§ 247 und 248 StPO aufgrund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessene Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garantiert wird, restriktiv auszulegen (BGHSt 15, 194, 195; 22, 18, 20; BGH NJW 1957, 1161; 1976, 1108; so auch schon RGSt 29, 30, 31; Becker aaO § 247 Rdn. 6; Diemer in KK StPO 6. Aufl. § 247 Rdn. 2; Frister aaO § 247 Rdn. 3).

b) Das Anwesenheitsrecht des Angeklagten ist mit den Interessen der Allgemeinheit an einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts, die durch die möglicherweise nicht wahrheitsgemäße Aussage eines sich vor dem Angeklagten fürchtenden Zeugen gefährdet werden (§ 247 Satz 1 StPO), sowie mit dem Schutz der Zeugen selbst (§ 247 Satz 2 StPO) in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (BGHSt 26, 218, 220; Diemer aaO § 247 Rdn. 1; Pfeiffer, StPO 5. Aufl. § 247 Rdn. 1). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist der mit einem Ausschluss zwangsläufig verbundene Eingriff in die Autonomie des Angeklagten (Hassemer JuS 1986, 25, 28) auf solche Verfahrenshandlungen zu beschränken, bei denen der jeweilige Schutzzweck den Ausschluss unbedingt erfordert (BGHSt 3, 384, 386; Frister aaO § 247 Rdn. 11; Paulus in KMR § 247 Rdn. 2; Meyer-Goßner in FS Pfeiffer [1988], S. 311, 319; Gollwitzer in FS Tröndle [1989], S. 456, 457; Eisenberg/Schlüter JR 2001, 341, 342; vgl. auch EGMR NJW 2003, 2893, 2894). Die Erstreckung des Ausschlusses auf die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen ist mit Rücksicht auf den Normzweck des § 247 Satz 1 und 2 StPO nicht geboten. Ein Ausschluss des Angeklagten von der Entlassungsverhandlung ist weder aus Gründen der Wahrheitserforschung (§ 247 Satz 1 StPO) erforderlich, noch zum Schutz des Zeugen (§ 247 Satz 2 StPO) stets unerlässlich.

c) Auch Gründe des Zeugen- und Opferschutzes gebieten keine Erstreckung des Vernehmungsbegriffs auf die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen.

aa) Zwar stünde ein solches weites Verständnis mit den Belangen des Zeugenschutzes durchaus im Einklang. § 247 Satz 2 StPO dient aber nicht allein dem Schutz gefährdeter Zeugen, sondern eben auch dem Ausgleich zwischen den Interessen gefährdeter Zeugen und dem u. a. durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garantierten Verteidigungsrecht des Angeklagten. § 247 Satz 2 StPO sichert somit letztlich die Grundsätze eines fairen Verfahrens (vgl. EGMR NJW 2003, 2893, 2894).

bb) Den Belangen des Zeugen- und Opferschutzes kann auch in den Grenzen der bisherigen Auslegung des Vernehmungsbegriffs in § 247 StPO hinreichend Rechnung getragen werden. Es ist nicht notwendig, den Angeklagten auch während der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen auszuschließen, um jede Begegnung zwischen Angeklagtem und Zeugen zu vermeiden. Stattdessen kann das Gericht dem Zeugen erlauben, sich aus dem Sitzungssaal zu entfernen, solange der Angeklagte über die Zeugenaussage unterrichtet und über die Entlassung des Zeugen verhandelt wird. Während der Mitteilung der Entlassungsverfügung an den wieder im Sitzungssaal anwesenden Zeugen bzw. während dessen weiterer Befragung kann der Angeklagte erneut aus dem Sitzungssaal fern gehalten werden (BGHSt 22, 2889, 296; BGH Beschluss vom 15. Dezember 1999 - 1 StR 614/99; zur Vereidigung: BGH NJW 2004, 1187 - in BGHSt 49, 25 insoweit nicht abgedruckt; einschränkend: NStZ 1986, 133 Nr. 21). Die mit einem Prozedieren in wechselseitiger Abwesenheit zwangsläufig verbundenen Umständlichkeiten sind vor dem Hintergrund der in Ausgleich zu bringenden Schutzgüter hinzunehmen (BGH NStZ 2000, 440, 441; Hanack JR 1989, 255, 256; Meyer-Goßner in FS Pfeiffer [1988], S. 311, 322; Frister aaO § 247 Rdn. 77) und können zudem in den Fällen des § 247 Satz 2 StPO durch eine Verfahrensweise nach § 247a StPO begrenzt werden (Frister aaO § 247 Rdn. 46).

II. Die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen ist grundsätzlich ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHSt 26, 84, 91; BGH NJW 1986, 267). Die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder 2 StPO entfernten Angeklagten ist deshalb regelmäßig geeignet, den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO zu begründen.

1. Hierfür spricht bereits § 248 Satz 2 StPO. Diese Vorschrift regelt ausdrücklich die Pflicht des Vorsitzenden, die Staatsanwaltschaft und den Angeklagten vor der Entlassung der vernommenen Sachverständigen und Zeugen zu hören. Schon diese Hervorhebung in einer eigenen Vorschrift belegt, dass das Gesetz der Verhandlung über die Entlassung und dem Entlassungsvorgang besondere Bedeutung - auch für das weitere Verfahren - beimisst.

2. Im Übrigen bestimmt sich die Frage, ob ein Verfahrensteil als wesentlich einzuordnen ist, nach dem Zweck der jeweils betroffenen Vorschriften sowie danach, in welchem Umfang ihre sachliche Bedeutung betroffen sein kann (BGHSt 15, 263, 264; Frister aaO § 247 Rdn. 83; Frisch in SK-StPO [2005] § 338 Rdn. 104). Nach dem Zweck der betroffenen Vorschriften ist die Entlassungsverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten grundsätzlich als wesentlich einzuordnen. Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezwecken auch, dem Angeklagten eine allseitige und uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere durch Vornahme von Verfahrenshandlungen auf Grund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung (RGSt 49, 40, 43; BGHSt 3, 187, 190; 15, 194, 195 und 263, 264; BGH NStZ 2007, 352 f.; Strate NJW 1979, 909). Das wird dem Angeklagten durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen können.

3. Der Einwand, bei der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen handele es sich um einen Vorgang von eher organisatorischem bzw. rein formalem Charakter, der nicht unmittelbar der Urteilsfindung diene (so BGHR StPO § 247 Abwesenheit 20), steht ihrer Einordnung als wesentlicher Verfahrensteil nicht entgegen. Die Zeugenentlassung hat nicht unerhebliche Auswirkungen für den Angeklagten und die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte in der Hauptverhandlung (Frister aaO § 247 Rdn. 86; Pfeiffer aaO § 247 Rdn. 1). Denn mit der Entlassung endet das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO (Schneider in KK 6. Aufl. § 240 Rdn. 10; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 240 Rdn. 8; Frister aaO § 248 Rdn. 4). Als Konsequenz hieraus muss das Gericht einem Antrag des Angeklagten auf erneute bzw. ergänzende Vernehmung des Zeugen zum selben Beweisthema nur nach Maßgabe seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nachkommen, ohne an die Ablehnungsgründe des § 244 Abs. 3 StPO gebunden zu sein (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 32; Fischer in KK 6. Aufl. § 244 Rdn. 7; jeweils m. w. N.).

4. Zwischen der Annahme eines absoluten Revisionsgrundes im Falle der verfahrenswidrigen Abwesenheit des Angeklagten während der Entlassungsverhandlung und der Einordnung eines Verstoßes gegen die Unterrichtungsvorschrift des § 247 Satz 4 StPO als (lediglich) relativen Revisionsgrund (BGH NStZ 1995, 557; siehe auch BVerfG - Kammer - NJW 2002, 814) besteht kein Wertungswiderspruch. Beim Verstoß gegen die (rechtzeitige) Unterrichtungspflicht des § 247 Abs. 4 StPO handelt es sich nicht um eine Verletzung der durch § 338 Nr. 5 StPO gesicherten Anwesenheitsrechte und -pflichten des Angeklagten, sondern um einen nur gelegentlich oder mittelbar als Folge des Ausschlusses unterlaufenen Verfahrensfehler. Dieser Fehler betrifft zwar ebenfalls das Informations- und Fragerecht des Angeklagten, nicht aber sein nach § 230 Abs. 1 StPO vorgeschriebenes und während der gesamten Hauptverhandlung geltendes Anwesenheitsrecht.

5. Der mit einem fortgesetzten Ausschluss des Angeklagten während der Entlassungsverhandlung regelmäßig verbundene Eingriff in seine Verteidigungsrechte kann entgegen der Auffassung des vorlegenden Senats (vgl. dazu BGHR StPO § 247 Abwesenheit 18, 20; Basdorf in FS Salger [1995], S. 203; einschränkend: BGHR StPO § 247 Abwesenheit 19) nicht dadurch kompensiert werden, dass auf sein Verlangen der verfahrensfehlerhaft entlassene Zeuge erneut vorzuladen und eine Verweigerung der erneuten Vorladung über den relativen Revisionsgrund der Verletzung des Fragerechts zu rügen ist.

III. Es besteht allerdings Anlass zu dem Hinweis, dass ein Verstoß gegen das Anwesenheitsrecht des Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung mit der Folge, dass der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO entfällt, geheilt werden kann. Eine Heilung liegt etwa bereits darin, dass der Angeklagte bei seiner Unterrichtung nach § 247 Satz 4 StPO mitteilt, keine Fragen mehr an den Zeugen stellen zu wollen (BGHR StPO Abwesenheit 18, 19; BGH NStZ 2000, 440; StV 2000, 240). Das Gleiche gilt, wenn er auf Befragen die entsprechende Erklärung abgibt, nachdem die zu frühe Entlassung des Zeugen bemerkt wurde. Wenn jedoch der Angeklagte in dieser Situation den Zeugen weiter zu befragen wünscht, so ist eine Heilung durch Ladung des Zeugen und ergänzende Befragung möglich (vgl. BGHSt 30, 74, 76; 48, 221, 231; Frister aaO § 247 Rdn. 60). Bleibt der Fehler allerdings unbemerkt oderkonnte der Zeuge nicht mehr herbeigeschafft werden, muss der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO bei entsprechender Verfahrensrüge durchgreifen.

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