BGH, Beschluss vom 09.11.2004 - X ZA 5/04
Fundstelle
openJur 2012, 57683
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Beklagten, ihm für das Rechtsbeschwerdeverfahren gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 27.05.2004 -20 S 5103/04 -Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I. Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 1.629,76 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung der Berufung endete mit Ablauf des 10.05.2004. Die per Telefax eingereichte Berufungsbegründung erreichte das Landgericht München I am 11.05.2004 um 0:26 Uhr. Der Beklagte hat wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und geltend gemacht, die verspätete Übermittlung des Schriftsatzes sei auf eine plötzliche und unerwartete Fehlfunktion der Telefonanlage seines Prozeßbevollmächtigten zurückzuführen, die erst durch einen Neustart der Anlage habe behoben werden können. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zurückgewiesen. Der Beklagte beabsichtigt, gegen diesen Beschluß Rechtsbeschwerde einzulegen und beantragt, ihm für die Durchführung dieses Verfahrens Prozeßkostenhilfe zu gewähren.

II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 114 ZPO.

Der Beklagte wendet sich gegen die Auffassung des Landgerichts München I, es sei schuldhaft, mit der Übersendung einer Berufungsbegründungsschrift im Vertrauen darauf, das Faxgerät werde rechtzeitig 7 Seiten einer Berufungsbegründungsschrift übersenden, bis ca. 5 Minuten vor Fristablauf zuzuwarten, weil eine kurzfristige Funktionsstörung einer Faxanlage häufig und vorhersehbar sei. Dies stellt nach Auffassung des Beklagten eine Aushöhlung des Grundsatzes dar, daß Fristen ausgenutzt werden können.

Dem kann nicht gefolgt werden. Der Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verbietet es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr gerechtfertigter Weise zu erschweren. Deshalb entspricht es der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs, daß die Versäumung einer Frist wegen einer Verzögerung bei der Übermittlung eines Telefaxes der Partei dann nicht angerechnet werden kann, wenn sie mit der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegerätes und der korrekten Eingabe der Sendenummer alles zur Fristwahrung Erforderliche getan hat, und wenn so rechtzeitig mit der Übermittlung begonnen wurde, daß unter normalen Umständen mit deren Abschluß bis 24 Uhr gerechnet werden kann (Sen.Beschl. v. 30.09.2003 -X ZR 48/02, NJW-RR 2004, 216 f.; BGH, Beschl. v. 01.02.2001 -V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916). Dies ist bei der Übermittlung von Schriftsätzen per Telefax dann der Fall, wenn etwaige Fristversäumnisse auf der Verzögerung der Entgegennahme durch das Gericht aufgrund eines Defekts des (gerichtlichen) Empfangsgerätes oder auf Leitungsstörungen beruhen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.01.1996 -BvR 121/95, NJW-RR 1996, 2857 f., m.w.N.). Allerdings muß die Partei Verzögerungen einplanen, mit denen üblicherweise zu rechnen ist. Ein Fristversäumnis kann deshalb verschuldet sein, wenn die Partei mit der Versendung eines Telefaxes erst wenige Minuten vor Fristablauf beginnt und die Übermittlung bis 24 Uhr daran scheitert, daß das gerichtliche Empfangsgerät durch eine andere Sendung belegt ist (BVerfG, Beschl. v. 19.11.1999 -2 BvR 565/98, NJW 2000, 574).

Daraus folgt, daß eine laufende Frist nur in dem Umfang ausgeschöpft werden darf, daß die bis zum Fristablauf verbleibende Zeit ausreicht, um die Übermittlung des Schriftsatzes sicherzustellen. Deshalb fehlt es an einer hinreichend rechtzeitigen Absendung, wenn mit der Übermittlung eines Schriftsatzes per Telefax so spät begonnen wird, daß eine nicht ungewöhnliche Störung des Übertragungsvorgangs wie ein Papierstau, der nach der anwaltlichen Versicherung des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten durch Neustart des im übrigen voll funktionsfähigen Faxgerätes sofort behebbar war, zur Fristversäumnis führt. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten darauf vertrauen durfte, der Übertragungsvorgang werde auch ohne einen eventuell erforderlichen Neustart seines Faxgerätes sofort und reibungslos ausgeführt, sind weder dargetan noch glaubhaft gemacht.

Da sich der Beklagte die verspätete Absendung des Schriftsatzes durch seinen Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO), hat das Berufungsgericht zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.

Melullis Keukenschrijver Ambrosius Asendorf Kirchhoff