Brandenburgisches OLG, Urteil vom 04.04.2007 - 7 U 175/06
Fundstelle
openJur 2012, 5687
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 16. Oktober 2006 teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 165,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 9. August 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 63 % und die Beklagte zu 37 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger, der eine qualifizierte Einrichtung nach § 4 UKlaG ist, forderte unter dem 02.02.2006 die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung über die Verwendung unzulässiger Allgemeiner Geschäftsbedingungen auf. Mit Schreiben vom 24.02.2006 lehnte die Beklagte deren Abgabe ab und bot dem Kläger die Auflösung eines zwischen ihr und einem Mitarbeiter des Klägers geschlossenen Vertrags an. Der Kläger wiederholte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.03.2006 sein Begehren. Er erwirkte sodann den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 07.04.2006, Az.: 12 O 191/06, über den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.05.2006 forderte der Kläger die Beklagte zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf, die die Beklagte unter dem 08.05.2006 erteilte.

Der Kläger meint, die Beklagte habe ihm Rechtsanwaltskosten in Höhe von 142,85 € für das Schreiben vom 20.03.2006, 265,70 € für das Schreiben vom 02.05.2006 und 40,95 € für die - unstreitige - Mahnung vom 29.06.2006 zu erstatten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 449,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 08.06.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 16.10.2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, Ansprüche des Klägers aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG bestünden nicht. Für das Abmahnschreiben vom 20.03.2006 habe es einer anwaltlichen Vertretung nicht bedurft, da nach der Verweigerung der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagte im Schreiben vom 24.02.2006 eine weitere Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Für das Schreiben vom 02.05.2006 sei die Inanspruchnahme der Dienste eines Rechtsanwalts ebenfalls nicht erforderlich gewesen. Ansprüche aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 4, 677, 683 S. 1, 670 BGB bestünden nicht, da die Reichweite dieser Regelungen nicht über § 12 Abs. 1 S. 2 UWG hinausgehe. Da eine Schuld der Beklagten nicht bestehe, habe sie auch nicht die vorgerichtlichen Mahnkosten des Klägers zu erstatten.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 18.10.2006 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 24.10.2006 Berufung eingelegt und diese begründet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 16.10.2006 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 449,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 09.08.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat durch Schriftsatz vom 12.03.2007 ergänzend vorgetragen.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die infolge ihrer Zulassung durch das Landgericht nach § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG auf Zahlung der für das anwaltliche Schreiben vom 20.03.2006 entstandenen Kosten in Höhe von 142,85 €.

a) Die dafür erforderliche Begründetheit der Abmahnung, d. h. das Bestehen des mit ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruchs und die Erforderlichkeit der Abmahnung, um dem Schuldner eine Klaglosstellung des Gläubigers ohne eine Inanspruchnahme der Gerichte zu eröffnen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 UWG, Rn. 1.80; MünchKomm./Ottofülling, Lauterkeitsrecht, § 12 UWG, Rn. 137), ist gegeben. Die Beklagte stellt die Berechtigung ihrer Inanspruchnahme und des Erlasses der einstweiligen Verfügung nicht in Abrede. Nachdem sie unter dem 24.02.2006 die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung zunächst abgelehnt hat, hat es auch einer weiteren Rechtsverfolgung durch den Kläger bedurft, der durch das Schreiben vom 20.03.2006, dem - wie schon der ersten Abmahnung - ein Entwurf der begehrten Unterlassungserklärung beigefügt gewesen ist, einen geeigneten Weg zu seiner Klaglosstellung gewiesen hat.

b) Die aufgewendeten Rechtsanwaltskosten stellen sich als erforderliche Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG dar.

Die Regelung, die die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Erstattung von Abmahnkosten nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nachvollziehen soll (Hefermehl/Köhler/Bornkamm a.a.O.; MünchKomm./Ottofülling, a.a.O., § 12 UWG, § 134 f.), eröffnet die Erstattung von Rechtsanwaltkosten, wenn und soweit sie für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich sind (BGH GRUR 2004, 789; 1984, 691, 692; 1970, 189, 190). Daran fehlt es regelmäßig in einfach gelagerten Fällen (BGH GRUR 2004, 789, 790; NJW 1995, 446, 447). Die einschlägig tätigen Fachverbände sind gehalten, sich zur Erfüllung der Verbandszwecke selbst mit den notwendigen Mitteln zu versehen und typische und durchschnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsverstöße selbst abzumahnen (BGH GRUR 1984, 691; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG, Rn. 1.97; MünchKomm./Ottofülling, a.a.O., § 12, Rn. 162). Sie dürfen allerdings dann einen Rechtsanwalt beauftragen, wenn auf eine - erste - Abmahnung der andere Teil nicht oder nur unzureichend reagiert; in solchen Fällen ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe eine adäquate und im Rahmen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Folge (BGH GRUR 1970, 189, 190; MünchKomm./Ottofülling, a.a.O., § 12 UWG, Rn. 164).

Die letztgenannte Fallgestaltung liegt hier vor. Denn die Beklagte hat auf die erste Abmahnung des Klägers vom 02.02.2006 nicht die geschuldete Unterlassungserklärung abgegeben, sondern nur unzureichend reagiert, indem sie unter dem 24.2.2006 deren Abgabe verweigert und lediglich die Auflösung eines eingegangenen Vertragsverhältnisses angeboten hat. Damit hat sie eine Lage geschaffen, in der der Kläger zur Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der weiteren Verfolgung seiner Rechte berechtigt gewesen ist, weshalb sie die dadurch entstandenen Kosten zu tragen hat.

c) Dem Ansatz einer 0,65-Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 3.000,00 € in Höhe von 122,85 € nebst einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € nach §§ 2, 13 RVG, die zu berechtigten Aufwendungen des Klägers in Höhe von insgesamt 142,85 € führen, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

2. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erstattung der für das Schreiben vom 02.05.2006 entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht hingegen nicht.

a) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus §§ 5 UKlaG, 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Dabei kann dahinstehen, ob die Herbeiführung einer Abschlusserklärung, d. h. eines Prozessvertrags, durch den die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz zur endgültigen Entscheidung erhoben wird (Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 926, Rn. 4; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG, Rn. 1.78, 3.70), in analoger Anwendung dieser Regelungen (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG, Rn. 3.73; vgl. auch: BGH, Urteil vom 12.12.2006, Az.: VI ZR 188/05) oder allein nach den Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kap. 43, Rn. 30) zu behandeln ist. Denn sowohl § 12 Abs. 1 S. 2 UWG als auch §§ 683 S. 1, 670 BGB setzen voraus, dass die Aufwendungen erforderlich gewesen sind, woran es hier fehlt.

Für das Abschlussschreiben gilt ebenfalls, dass in einfach gelagerten Fällen, in denen seine Versendung ein reines Routinegeschäft ist und keine schwierigen Rechtsfragen aufwirft, der Anspruchsteller die Abfassung und Versendung selbst vorzunehmen hat und eine Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe nicht für erforderlich halten darf (BGH a.a.O.; OLG Köln WRP 2000, 226, 230; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 UWG, Rn. 3.73; Teplitzky, a.a.O., Kap. 43, Rn. 32). Den Ansichten, dass für das Abschlussschreiben die Einschaltung eines Rechtsanwalts stets (Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 58, Rn. 40) oder im Anschluss an die Durchführung eines streitigen Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung (OLG Hamburg WtR 1982, 477) als notwendig anzusehen ist, kann nicht gefolgt werden, da mit dem Abschluss eines Verfahrens über den Erlass einer einstweiligen Verfügung die Sach- und Rechtslage - zunächst – geklärt ist und es demzufolge in der Regel keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Natur mehr geben kann, die die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts rechtfertigen könnten (vgl. BGH a.a.O.).

Nach diesen Grundsätzen sind die durch das Schreiben vom 02.05.2006 (Bl. 13 f. d.A.) ausgelösten Rechtsanwaltskosten nicht erstattungsfähig. Das Schreiben stellt sich als routinemäßige Aufforderung der Beklagten zur Abgabe der Abschlusserklärung dar, die eine Behandlung von Rechtsfragen oder sonstigen Problematiken, die die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts rechtfertigen könnte, nicht enthält. Solche Problematiken sind auch nicht später entstanden; vielmehr hat die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 08.05.2006 (Bl. 15 d.A.) die erbetene Abschlusserklärung umgehend abgegeben.

b) Dem Kläger steht eine Erstattung auch nicht aus §§ 280, 286, 249 BGB zu. Der danach zu ersetzende Schaden erfasst ebenfalls nur die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und setzt voraus, dass die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (BGH NJW 2006, 1065; 2004, 444, 446; Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 249, Rn. 38 f.), was hier - wie ausgeführt - nicht erkannt werden kann. Ungeachtet dessen kommen Ansprüche aus §§ 280, 286 BGB nicht in Betracht, weil ein durchsetzbarer Anspruch des Klägers auf Abgabe der Abschlusserklärung nicht bestanden hat.

3. Mit der hilfsweisen Geltendmachung einer Kostenpauschale in Höhe von 250,00 € zuzüglich Umsatzsteuer für das erste Abmahnschreiben vom 02.02.2006 (Bl. 70 d.A.) kann der Kläger nach §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO nicht gehört werden. Denn das Vorbringen ist in der Berufung neu, nachdem er in erster Instanz (Bl. 4, 37 d.A.) lediglich die bis dahin unterbliebene Zahlung der Kostenpauschale vorgetragen hat, ohne den geltend gemachten Anspruch hilfsweise darauf zu stützen; letzteres führt dazu, dass in der Berufung ein neues Angriffsmittel in den Rechtsstreit eingeführt wird, für das ein Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht besteht, da insbesondere nichts für eine Verhinderung des Klägers an einer rechtzeitigen Geltendmachung der Kostenpauschale in der ersten Instanz ersichtlich ist.

4. Für das Mahnschreiben vom 29.06.2006 steht dem Kläger §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB die Erstattung eines Betrags in Höhe von 22,75 € zu. Die Beklagte ist dem Ansatz einer 0,65-Geschäftsgebühr nach §§ 2, 13 RVG auch hier nicht entgegengetreten. Die Gebühr bemisst sich indes nicht nach einem Gegenstandswert in Höhe von 408,55 €, sondern, da die Beklagte lediglich diesen Betrag geschuldet hat, nach einem Gegenstandswert in Höhe von - bis - 142,85 €, und stellt sich demzufolge auf (25,00 € x 0,65 =) 16,25 €. Die vom Kläger ermittelte (vgl. Bl. 6 d.A.) Auslagenpauschale verringert sich entsprechend auf 6,50 €, sodass sich für das Mahnschreiben ein Erstattungsbetrag in Höhe von (16,25 € + 6,50 € =) 22,75 € ergibt.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht angezeigt, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.12.2006, Az.: VI ZR 188/05, die einschlägig ist, da sie sich im Rahmen der Prüfung des § 249 BGB zu der Erforderlichkeit der Beauftragung eines Rechtsanwalts verhält.

Der Inhalt des Schriftsatzes vom 12.03.2007 gebietet die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO nicht.