BGH, Urteil vom 11.11.2004 - I ZR 156/02
Fundstelle
openJur 2012, 57743
  • Rkr:
Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. März 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist die Projektgesellschaft der N. , die nördlich des Flughafens S. errichtet werden soll. Am 23. September 1999 leitete sie hinsichtlich der Baumaßnahmen auf dem Messegelände mit der vorherigen Vergabebekanntmachung das Verhandlungsverfahren gemäß § 5 Abs. 1 VOF ein. Unter dem 22. Dezember 1999 und dem 4. Februar 2000 schrieb die Beklagte die Tragwerksplanung und die Planung bei der technischen Ausrüstung aus.

Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, sieht die Ausschreibung als wettbewerbswidrig an, weil ihrer Ansicht nach für die Berechnung nach der HOAI erforderliche Angaben zu den Grundlagen des Honorars für die ausgeschriebenen Ingenieurleistungen fehlen. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung sowie Zahlung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Honoraranfragen über die Höhe des Honorars für Ingenieurleistungen, für welche in der HOAI gesetzlich festgesetzte Honorarsätze geregelt sind, durchzuführen und zur Abgabe von Honorarangeboten für diese Ingenieurleistungen aufzufordern, die dem Leistungsbild der Honorartatbestände der HOAI unterfallen und zu denen in den Ausschreibungsunterlagen Angaben zu den Grundlagen des Honorars für diese Ingenieurleistungen fehlen, insbesondere in denena) Angaben zu den anrechenbaren Kosten für die verschiedenen Tragwerke bzw. Anlagengruppen der technischen Ausrüstung so gemacht werden, daß sie diesen nicht zuordenbar sind, b) Angaben zu der Honorarzone, in die die Objekte einzustufen sind, nicht gemacht werden, c) die Auftragnehmer aufgefordert werden, bei voller Leistungserbringung die gesetzlich festgesetzten v.H.-Sätze (Honorarprozentsätze) selbst anzugeben bzw. anzubieten, d) die Anzahl der Objekte offengelassen wird bzw. hierüber unzureichende Angaben gemacht werden, e) mehrere Objekte zu einem Objekt zusammengefaßt werden, f) Unterscheidungen nach den Anlagengruppen des § 68 HOAI nicht erfolgen bzw. mehrere Anlagengruppen zusammengefaßt werden, g) eine Reduzierung des Honorars für HOAI-Leistungen ohne honorarrechtlich anerkannten Grund erfolgt.

Ferner hat sie Zahlung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 315,65 DM begehrt.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, Angaben zu den Grundlagendes Honorars seien schon deshalb entbehrlich, weil die N. alsein Gebäude anzusehen sei und wegen der Höhe der zu erwartenden Gesamtbaukosten die Vertragspartner folglich das Honorar unabhängig von den Vorgaben der HOAI festlegen könnten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Unterlassungsantrag wiefolgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Honoraranfragen über die Höhe des Honorars für Ingenieurleistungen, deren Vergütung in Leistungsbildern der HOAI geregelt ist, durchzuführen und zur Abgabe von Honorarangeboten für diese Ingenieurleistungen aufzufordern, a) ohne die anrechenbaren Kosten für die verschiedenen Tragwerke und/oder Anlagen der technischen Ausrüstung, bei denen das Honorar für jedes Tragwerk und/oder für jede Anlagengruppe der technischen Ausrüstung getrennt zu ermitteln sind, anzugeben, b) ohne die Honorarzone jedes Tragwerkes und/oder jeder Anlagengruppe anzugeben, der das Tragwerk und/oder die Anlagengruppe zuzuordnen ist, c) in denen (gemeint ist: wenn) die Auftragnehmer aufgefordert werden, bei voller Leistungserbringung die gesetzlich festgesetzten v.H.-Sätze (Honorarprozentsätze) selbst anzugeben bzw. anzubieten, d) in denen (gemeint ist: wenn) eine Reduzierung des Honorars für HOAI-Leistungen ohne honorarrechtlich anerkannten Grund erfolgt.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt.

Gründe

I. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag als zum Teil unzulässig und im übrigen -wie den Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten -als unbegründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der im Berufungsverfahren unter d) gestellte Unterlassungsantrag sei nicht hinreichend bestimmt. Weder aus dem Antrag selbst noch aus dem Vortrag der Klägerin lasse sich entnehmen, was mit der Formulierung "ohne honorarrechtlich anerkannten Grund" gemeint sei. Die übrigen Klageanträge seien hinreichend bestimmt, aber unbegründet. Zwar handele es sich entgegen der Auffassung der Beklagten bei der "N. " nicht um ein einziges, sondern um mehrere Gebäude, so daß die Mindestsätze der HOAI (§ 4 Abs. 4 HOAI) gälten. Nach § 62 Abs. 1, §§ 68 f. HOAI berechne sich das Honorar für die Tragwerksplanung sowie die Planung der technischen Ausrüstung nach den anrechenbaren Kosten des Objekts, nach der jeweils einschlägigen Honorarzone sowie der Honorartafel. Hinsichtlich der Angaben zu den anrechenbaren Kosten könne schon nicht gesagt werden, daß die Normadressaten der HOAI gegen deren Abrechnungsbestimmungen verstießen, wenn sie die Tragwerksplanung gemäß der Ausschreibung abrechneten. Bei der technischen Ausrüstung läge im Falle entsprechender Abrechnung zwar unter Umständen ein Verstoß gegen die Bestimmungen der HOAI vor. Darauf könne eine wettbewerbsrechtliche Störerhaftung der Beklagten aber nicht gestützt werden. Die Beachtung des zwingenden Preisrechts der HOAI obliege in erster Linie den Architekten und Ingenieuren, nicht deren Auftraggebern. Die Beklagte könne sich darauf berufen, daß ihr im konkreten Fall eine Prüfungspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt zuzumuten sei. Eine systematische Gebührenunterschreitung stehe hier nicht in Rede.

Soweit es an der Angabe der jeweiligen Honorarzone fehle, liege darin schon deshalb kein Wettbewerbsverstoß, weil die Honorarzone frei vereinbart werden könne. Es sei nicht einzusehen, weshalb vor diesem Hintergrund der Auftraggeber als erster die Honorarzone angeben müsse. Jedenfalls handele es sich nicht um einen für den Ausschreibenden ohne weiteres erkennbaren Störungszustand. Dasselbe gelte für die Angabe der Honorarsätze.

II. Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand.

1.

Der Unterlassungsantrag zu d) ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Nach der Antragsfassung greift die Unterlassungspflicht nur ein, wenn in den Honoraranfragen oder in der Aufforderung zur Abgabe von Honorarangeboten eine Reduzierung des Honorars für HOAI-Leistungen "ohne honorarrechtlich anerkannten Grund" erfolgt. Wann im Einzelfall ein honorarrechtlich anerkannter Grund für eine Kürzung des Honorars gegeben wäre, bedarf einer häufig nicht einfachen rechtlichen Beurteilung. Daraus folgt, daß die Entscheidung darüber, was der Beklagten verboten ist, in das Vollstreckungsverfahren verlegt würde. Dies ist mit den Anforderungen an die Bestimmtheit des Unterlassungsgebots nicht vereinbar (vgl. BGH, Urt. v. 9.4.1992 -I ZR 171/90, GRUR 1992, 561, 562 -Unbestimmter Unterlassungsantrag II; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. Kap. 51 Rdn. 8a ff. m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Revision wird der Antrag zu d) auch nicht dadurch hinreichend konkretisiert, daß die Klägerin in der Berufungsinstanz unter Hinweis auf einen konkreten Teil der Leistungsbeschreibung beanstandet hat, bereits erbrachte Leistungen im Rahmen der Systemplanung würden zu Unrecht als Argument für eine Reduzierung des Honorars herangezogen. Die verallgemeinerte Fassung des Unterlassungsantrages zu d) geht über diese konkrete Fallgestaltung hinaus.

2.

Mit Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß die Beachtung des zwingenden Preisrechts der HOAI den Architekten und Ingenieuren, nicht aber deren Auftraggebern obliegt. Es hat deshalb angenommen, daß allenfalls eine Haftung der Beklagten als Störerin in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB i.V. mit § 1 UWG a.F. (jetzt §§ 3, 4 Nr. 11) in Betracht kommen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 15.5.2003 -I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP 2003, 1350 -Ausschreibung von Vermessungsleistungen). Die Voraussetzungen einer Störerhaftung nach der von ihm zugrunde gelegten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 148, 13, 17 -ambiente.de; BGH, Urt. v. 18.10.2001 -I ZR 22/99, GRUR 2002, 618, 619 = WRP 2002, 532 -Meißner Dekor, m.w.N.) hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als nicht gegeben angesehen. Auf die Frage, ob die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch in Fällen des Verhaltensunrechts allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme begründet werden sollte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 11.3.2004 -I ZR 304/01, GRUR 2004, 860, 864 = WRP 2004, 1287 -Internet-Versteigerung, m.w.N.), kommt es daher im Streitfall nicht an.

a) Die für die Bemessung des Honorars nach der HOAI maßgeblichen Faktoren hat der Architekt oder Ingenieur selbst zu ermitteln und in eigener Verantwortung seiner Berechnung zugrunde zu legen. Der Auftraggeber von Ingenieuroder Architektenleistungen ist nicht verpflichtet, bereits die Ausschreibung der Leistungen so vorzunehmen, daß sie alle für die Ermittlung der Sätze nach der HOAI erforderlichen Angaben enthält. Er kann vielmehr darauf vertrauen, daß die angesprochenen Ausschreibungsempfänger die für die Ermittlung ihres nach der HOAI zulässigen Honorars erforderlichen Grundlagen in eigener Verantwortung prüfen und ggf. um die Ergänzung in der Ausschreibung fehlender Angaben bitten (BGH GRUR 2003, 969, 971 -Ausschreibung von Vermessungsleistungen).

Mit Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, daß die Prüfung, wie die anrechenbaren Kosten sowie die jeweilige Honorarzone und der zugrundezulegende Honorarsatz im Streitfall gemäß den Berechnungsgrundsätzen der §§ 62 ff. HOAI zu ermitteln sind, in erster Linie die Ausschreibungsadressaten trifft und für die Beklagte eine weitergehende generelle, für die Bejahung einer Störerhaftung vorauszusetzende Prüfungspflicht nicht besteht.

Daß die Beklagte sich bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen der Mithilfe eines Dritten bedient hat, führt entgegen der Auffassung der Revision selbst dann nicht zu einer Erweiterung ihrer Prüfungspflichten, wenn der Dritte selbst den Regelungen der HOAI unterworfen sein sollte.

b) Eine Verantwortlichkeit der Beklagten als Störerin, weil diese die mit der Ausschreibung angesprochenen Ingenieure durch gezielte, von dem zwingenden Preisrecht der HOAI abweichende oder unvollständige Vorgaben zur Preisermittlung zu einer Unterschreitung der Mindestsätze aufgefordert hätte (vgl. BGH GRUR 2003, 969, 971 -Ausschreibung von Vermessungsleistungen), hat das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend verneint. Insbesondere ist seine Beurteilung nicht zu beanstanden, es handele sich, selbst wenn die Abrechnung der angesprochenen Ingenieure gegen die HOAI verstieße, angesichts der verschiedenen Abrechnungsvarianten, die die HOAI für Aufträge mit mehreren Tragwerken vorsehe, nicht um einen für die Beklagte ohne weiteres erkennbaren Störungszustand. Eine systematische Gebührenunterschreitung hat das Berufungsgericht verneint. Soweit die Revision vorbringt, von der eigens zur Erstellung der "N. " als eines der größten Bauwerke Baden-Württembergs gegründeten Beklagten sei die Kenntnis und Einhaltung der maßgeblichen Vorschriften zu erwarten gewesen, berücksichtigt sie nicht hinreichend, daß die angesprochenen Ingenieure ihre Honorarforderungen in einem Rahmen unterschiedlicher Honorarzonen und Honorarsätze eigenverantwortlich zu stellen haben.

Soweit die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht hat, daß die Beklagte "letztlich eine Gesellschaft der öffentlichen Hand darstellt", der die Beachtung und Einhaltung gesetzlicher Vorgaben in jedem Falle zugemutet werden könne, und sie gegen Verwaltungsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen habe, ist dieses Vorbringen -ungeachtet der Frage, inwieweit es die wettbewerbsrechtliche Beurteilung überhaupt zu beeinflussen vermag -schon als in der Revisionsinstanz unzulässiger neuer Vortrag unbeachtlich (§ 559 Abs. 1 ZPO).

3. Da eine Unterlassungspflicht der Beklagten nicht besteht, kann die Klägerin auch nicht Ersatz ihrer Abmahnkosten verlangen.

III. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ullmann Bornkamm Büscher Schaffert Bergmann