VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.12.1996 - 1 S 1366/96
Fundstelle
openJur 2013, 10295
  • Rkr:

1. Veranlaßt die zuständige Behörde die Bestattung eines Verstorbenen, weil der Bestattungspflichtige nicht oder nicht rechtzeitig für sie sorgt, so kann sie unbeschadet der zivilrechtlichen Vorschriften über die Tragung der Beerdigungskosten den Bestattungspflichtigen zu den entstandenen Kosten heranziehen (im Anschluß an BVerwG, Beschl v 19.8.1994 - 1 B 149/94 -, Buchholz 408.1, Bestattungsrecht Nr 2).

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Inanspruchnahme für die Kosten der Bestattung seiner verstorbenen Mutter.

Die Mutter des Klägers verstarb am 19.12.1994. Nach Bekanntwerden des Todesfalls forderte die Beklagte den Kläger als Sohn der Verstorbenen auf, die Bestattung zu veranlassen. Der Kläger lehnte dies ausdrücklich, zuletzt fernmündlich am 23.12.1994, ab und teilte außerdem mit, sein Rechtsanwalt habe ihm geraten, die Erbschaft auszuschlagen.

Nachdem weitere Angehörige der Verstorbenen nicht festgestellt werden konnten und auch mit einer Bestattung durch Dritte nicht zu rechnen war, veranlaßte die Beklagte die Bestattung der Verstorbenen. Dies wurde dem Kläger unter Hinweis auf seine Kostentragungspflicht mit Schreiben vom 27.12.1994 mitgeteilt. Daraufhin erfolgt eine Feuerbestattung und eine anschließende Beisetzung in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof S.

Nach der Beisetzung forderte die Beklagte mit Bescheid vom 30.8.1995 die Erstattung der - nach Zahlung des Sterbegelds durch die Krankenkasse - noch offenen Kosten in Höhe von 2.010,-- DM vom Kläger an. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, er sei nicht zur Kostentragung verpflichtet, da er mit der Verstorbenen nie Kontakt gehabt habe, zwar habe er die Erbschaft angenommen; der Nachlaß sei jedoch überschuldet, so daß er die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhebe. Im übrigen sei es nicht erforderlich gewesen, für die Bestattungsfeier die Feierhalle zu benutzen und einen Organisten spielen zu lassen. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.1995 wies das Regierungspräsidium den Widerspruch des Klägers zurück.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Gerichtsbescheid vom 26.3.1996 statt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger als Sohn zwar verpflichtet gewesen sei, für die Bestattung der Verstorbenen zu sorgen. Die Beklagte habe jedoch übersehen, daß sie zur Anordnung bzw Veranlassung der Bestattung nur für den Fall befugt gewesen sei, daß die Leiche nicht einem anatomischen Institut zugeführt worden sei. Die Voraussetzungen für eine Zuführung der Leiche an ein anatomisches Institut seien grundsätzlich gegeben gewesen. Die Beklagte habe es jedoch versäumt, eine dahingehende Ermessensentscheidung zu treffen.

Gegen den am 15.4.1996 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 8.5.1996 Berufung eingelegt und beantragt,

den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26.03.1996 - 6 K 5230/95 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, daß ihr ein Ermessensausfall nicht vorgehalten werden könne. Ihr sei schon seit langem bekannt, daß das anatomische Institut der Universität T tote Körper nur dann übernehme, wenn eine entsprechende schriftliche letztwillige Verfügung des Verstorbenen vorliege. Entsprechende Schreiben des anatomischen Instituts könnten dies belegen. Vor diesem Hintergrund seien keine Ermessenserwägungen anzustellen gewesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und weist im übrigen auf sein erstinstanzliches Vorbringen hin.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, die Widerspruchsakten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs 2 VwGO).

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Bescheid der Beklagten vom 30.8.1995 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums vom 16.11.1995 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der Kläger wurde von der Beklagten zu Recht zur Erstattung der für die Beerdigung seiner Mutter angefallenen Kosten herangezogen.

Nach § 30 Abs 1 BestattungsG muß jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung müssen die Angehörigen sorgen (§ 31 Abs 1 S 1 BestattungsG). In Betracht kommen der Ehegatte, die volljährigen Kinder, die Eltern, die Großeltern, die volljährigen Geschwister und Enkelkinder des Verstorbenen in der genannten Reihenfolge (vgl § 21 Abs 1 Nr 1 BestattungsG). Wird durch die Angehörigen nicht oder nicht rechtzeitig für die Bestattung gesorgt, so hat die zuständige Behörde sie anzuordnen oder auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst zu veranlassen, wenn nicht die Leiche einem anatomischen Institut zugeführt wird (§ 31 Abs 2 BestattungsG). Die Bestattung muß grundsätzlich spätestens 96 Stunden nach dem Eintritt des Todes erfolgt sein (§ 37 Abs 1 BestattungsG).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben gehandelt. Sie ist zutreffend davon ausgegangen, daß nicht bzw nicht rechtzeitig für die Bestattung der Mutter des Klägers gesorgt werden würde (vgl § 31 Abs 2 BestattungsG). Nach den Ermittlungen der Beklagten war der Kläger einziger Angehöriger und daher als Sohn verpflichtet, für die Bestattung der Verstorbenen zu sorgen (vgl § 31 Abs 1, § 21 Abs 1 Nr 1 BestattungsG). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt auch kein Ermessensausfall vor. Da der Beklagten, wie sie im Berufungsverfahren belegt hat, seit Jahren bekannt war, daß das ihrem Zuständigkeitsbereich zugeordnete anatomische Institut der Universität T (vgl den Erlaß des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung über die Ablieferung von Leichen an die anatomischen Institute der Landesuniversitäten vom 16.5.1974 Ziff II Nr 2, GABl 1974, S 656) - ebenso wie andere Institute des Landes - nur noch tote Körper übernimmt, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten eine Körperspende mit dem Institut schriftlich vereinbart hat (vgl I Nr 1a des Erlasses), bestand für die Beklagte, da eine solche Vereinbarung nicht vorlag, keine Veranlassung, die Zuführung der Leiche an ein anatomisches Institut in Betracht zu ziehen. Für eine Ermessensbetätigung war bei dieser Sach- und Rechtslage kein Raum. Die Beklagte war daher berechtigt, die Bestattung zu veranlassen und vom Kläger als dem Bestattungspflichtigen Ersatz der Auslagen für die Bestattung zu verlangen.

Der Kostenforderung kann von seiten des Klägers auch nicht die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses gemäß § 1990 BGB entgegengehalten werden. Die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, ist nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch, die Beerdigungskosten zu tragen. Die zivilrechtlichen Vorschriften über die Kostentragungspflicht enthalten keine rechtliche Vorgabe für den Kreis der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflichtigen. Sie begründen einen Anspruch auf Ersatz der für die Beerdigung aufgewendeten Kosten oder auf Befreiung von zum Zwecke der Beerdigung begründeten Verbindlichkeiten. Ebenso wie die zivilrechtliche Kostentragungspflicht die von dem Bestattungspflichtigen gegenüber einem Beerdigungsunternehmer eingegangene Verpflichtung nicht berührt, schließt sie auch öffentlich-rechtliche Ansprüche, die sich aus einem ordnungsbehördlichen Einschreiten gegenüber dem Bestattungspflichtigen ergeben, nicht aus, und zwar unbeschadet eines etwaigen Ersatzanspruchs des Bestattungspflichtigen gegenüber dem zivilrechtlich zur Kostentragung Verpflichteten. Derartige öffentlich-rechtliche Ansprüche beruhen auf einem vom Zivilrecht unabhängigen, der Kompetenz des Landesgesetzgebers unterliegenden Rechtsgrund. Demgemäß kann die öffentlich-rechtliche Kostenerstattungspflicht an die Pflicht, den Verstorbenen zu bestatten, anknüpfen, ohne daß es auf eine Erbenstellung ankommt (BVerwG, Beschl v 19.8.1994 - 1 B 149.94 -, Buchholz 408.1, BestattungsR Nr 2). Falls dem Bestattungspflichtigen die Übernahme der Bestattungskosten nicht zugemutet werden kann, hat er gegebenenfalls einen Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Kosten durch den Sozialhilfeträger des Bestattungsorts (§ 15 BSHG).

Soweit die zuständige Behörde auf Kosten des Bestattungspflichtigen die Bestattung selbst veranlaßt, hat sie grundsätzlich eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewähren. Diesem Erfordernis hat die Beklagte entsprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.