BVerfG, Beschluss vom 13.04.2000 - 1 BvR 150/98
Fundstelle
openJur 2011, 24848
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerden betreffen Fragen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Wortberichterstattung der Presse. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen Verurteilungen zur Unterlassung von Äußerungen über eine bevorstehende Vermählung der Kläger der beiden Ausgangsverfahren.

Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihnen kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Die von ihnen aufgeworfenen Fragen zur Reichweite des Persönlichkeitsschutzes und der Pressefreiheit sind im Grundsätzlichen mit dem Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 - geklärt worden. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall einschließlich der Zuordnung kollidierender Grundrechte im Zuge einer Abwägung ist eine Aufgabe der Fachgerichte. Eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung folgt nicht allein aus dem Interesse an weiteren Konkretisierungen, und zwar auch nicht insoweit als die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen Klärungen Spielräume bei der Anwendung und Abwägung im Einzelfall belassen.

Die Annahme der Verfassungsbeschwerden gegen die Entscheidungen des Fachgerichts ist auch nicht nach § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Dies wäre der Fall, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten besonderes Gewicht hätte oder die Beschwerdeführerin in existentieller Weise beträfe. Besonders gewichtig ist eine Grundrechtsverletzung, die auf eine generelle Vernachlässigung von Grundrechten hindeutet oder wegen ihrer Wirkung geeignet ist, von der Ausübung von Grundrechten abzuhalten. Eine geltend gemachte Verletzung hat ferner dann besonderes Gewicht, wenn sie auf einer groben Verkennung des durch ein Grundrecht gewährten Schutzes oder einem geradezu leichtfertigen Umgang mit grundrechtlich geschützten Positionen beruht (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).

Das Oberlandesgericht hat die Pressefreiheit, die es bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften ebenso berücksichtigen muss wie den grundrechtlichen Persönlichkeitsschutz, weder verkannt noch im Verhältnis zu diesem fehlerhaft gewichtet.

Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dessen Ausstrahlungswirkung das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht verstärken kann, vermittelt entgegen dem Eindruck, der in der einleitenden Passage der angegriffenen Entscheidungen erweckt wird, zwar kein allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person (vgl. das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S. 28 f.). Das Grundrecht erfordert es daher nicht, Unterlassungsansprüche hinsichtlich einer Wortberichterstattung nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog in rechtsdogmatischer Hinsicht ähnlich zu strukturieren oder gar genauso zu behandeln wie die nach §§ 22, 23 KUG zu beurteilende Bildberichterstattung. Andererseits hängt die Reichweite des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Berichterstattung durch Presse nicht davon ab, wodurch das Persönlichkeitsrecht verletzt wird. Unhaltbar in ihrer Pauschalität ist daher die These der Beschwerdeführerin, Wortberichterstattung müsse bei vergleichbaren Themen in weiterem Umfang zulässig sein als Bildberichterstattung.

Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt, worauf das Oberlandesgericht ebenfalls zurückgreift, unter anderem die Privatsphäre. Dieser Schutz erfasst zum einen in thematischer Hinsicht Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst. Er erstreckt sich zum anderen auf einen räumlich bestimmten Bereich, in dem der Einzelne die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, und in dem er zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann (vgl. das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S. 31 ff.). Für den Schutzbereich kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die Darstellung sich negativ oder positiv auf das Erscheinungsbild der Betroffenen auswirkt.

Unter Berücksichtigung dieser grundrechtlichen Maßstäbe ist die vom Oberlandesgericht im Anschluss an die landgerichtlichen Entscheidungen vorgenommene Beurteilung der streitgegenständlichen Aussagen und deren Zuordnung zur Privatsphäre im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere begegnet die Annahme keinen Einwänden, die mit zahlreichen prominenten Gästen gefeierte Hochzeit führe nicht dazu, dass der Schutz der Privatsphäre für damit nicht im Zusammenhang stehende Angaben über den Kläger und die Klägerin der Ausgangsverfahren entfiele. Ebenso wenig lässt die weitere Beurteilung grundsätzliche verfassungsrechtliche Fehler erkennen, dass beispielsweise die Angaben über die Umstände, wie sich der Kläger und die Klägerin kennen gelernt und verlobt haben, über die jeweiligen Vermögensverhältnisse oder über bestimmte persönliche Vorlieben zu den privaten Belangen zählten.

Der im Rahmen der weiteren Tatbestandsmerkmale des Unterlassungsanspruchs vorgenommenen Bewertung und Gewichtung des Berichterstattungs- und Unterhaltungsinteresses steht die Pressefreiheit nicht entgegen. Auch wenn die bloße Unterhaltung ebenfalls in den Grundrechtsschutz einbezogen ist und sie in mehr oder weniger weit reichendem Umfang meinungsbildende Funktion haben kann, darf im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden (vgl. das Urteil des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999 - 1 BvR 653/96 -, Umdruck S. 41 ff.).

Ob die Beurteilungen im Einzelfall auch anders hätten ausfallen können, spielt für die Frage der Annahme der Verfassungsbeschwerden keine Rolle. Die Auslegung und Anwendung der Verfassungsrechtsnormen beruht nicht auf einer groben Verkennung ihrer Bedeutung und Tragweite. Auch trifft die Pflicht zur Unterlassung der Äußerungen die Beschwerdeführerin nicht in existentieller Weise.

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.