BVerfG, Beschluss vom 24.03.2002 - 2 BvR 2175/01
Fundstelle
openJur 2011, 118745
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Neuregelung der Entlohnung von Strafgefangenen für Pflichtarbeit im Strafvollzug.

1. Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1998 (BVerfGE 98, 169) die Höhe von 5 % der Bezugsgröße gemäß § 200 Abs. 1 StVollzG (1992) mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Resozialisierung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG für nicht vereinbar erklärt hat, ist durch das 5. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 27. Dezember 2000 zum 1. Januar 2001 eine Neuregelung der §§ 43 und 200 StVollzG in Kraft getreten (BGBl I 2000, S. 2043). Die Pflichtarbeit des Gefangenen wird nunmehr durch ein erhöhtes Arbeitsentgelt und durch Freistellung von der Arbeit entlohnt.

§ 43 StVollzG wurde wie folgt neu gefasst:

(1) Die Arbeit des Gefangenen wird anerkannt durch Arbeitsentgelt und eine Freistellung von der Arbeit, die auch als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann.

(2) Übt der Gefangene eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschäftigung oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 aus, so erhält er ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts ist der in § 200 bestimmte Satz der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.

(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung des Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 vom Hundert der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistungen des Gefangenen den Mindestanforderungen nicht genügen.

(4) Übt ein Gefangener zugewiesene arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, erhält er ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art seiner Beschäftigung und seiner Arbeitsleistung entspricht.

(5) Das Arbeitsentgelt ist dem Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.

(6) Hat der Gefangene zwei Monate lang zusammenhängend eine zugewiesene Tätigkeit nach § 37 oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2 ausgeübt, so wird er auf seinen Antrag hin einen Werktag von der Arbeit freigestellt. Die Regelung des § 42 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen der Gefangene ohne sein Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonstige nicht von ihm zu vertretende Gründe an der Arbeitsleistung gehindert ist, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.

(7) Der Gefangene kann beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 6 in Form von Urlaub aus der Haft gewährt wird (Arbeitsurlaub). § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 bis 5 und § 14 gelten entsprechend.

(8) § 42 Abs. 3 gilt entsprechend.

(9) Stellt der Gefangene keinen Antrag nach Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 oder kann die Freistellung nach Maßgabe der Regelung des Absatzes 7 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 von der Anstalt auf den Entlassungszeitpunkt des Gefangenen angerechnet.

(10) Eine Anrechnung nach Absatz 9 ist ausgeschlossen,

1. soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung verbüßt wird und ein Entlassungszeitpunkt noch nicht bestimmt ist,

2. bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder bei einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,

3. wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung die Lebensverhältnisse des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,

4. wenn nach § 456a Abs. 1 der Strafprozessordnung von der Vollstreckung abgesehen wird,

5. wenn der Gefangene im Gnadenwege aus der Haft entlassen wird.

(11) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 10 ausgeschlossen ist, erhält der Gefangene bei seiner Entlassung für seine Tätigkeit nach Absatz 2 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 vom Hundert des ihm nach den Absätzen 2 und 3 gewährten Entgelts oder der ihm nach § 44 gewährten Ausbildungsbeihilfe. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich. Einem Gefangenen, bei dem eine Anrechnung nach Absatz 10 Nr. 1 ausgeschlossen ist, wird die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld (§ 52) gutgeschrieben, soweit er nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen wird; § 57 Abs. 4 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend.

In § 200 StVollzG wurde unter Aufhebung von Absatz 2 der Bestimmung die Bezugsgröße von 5 % auf 9 % erhöht. Außerdem wurde die Regelung über das Hausgeld (§ 47 StVollzG) geändert. Der Gefangene darf von seinen im Strafvollzugsgesetz geregelten Bezügen nicht mehr 2/3, sondern nur noch 3/7 monatlich für den Einkauf oder anderweitig verwenden.

2. Der Beschwerdeführer verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Aachen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung. Seit dem 5. Juni 2000 arbeitet er in der Küche. Er ist der Auffassung, das Arbeitsentgelt werde auch nach der gesetzlichen Neuregelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

Der Beschwerdeführer beantragte bei der Anstaltsleitung ein angemessenes Arbeitsentgelt, welches 40 % der in § 43 Abs. 1 Satz 2 StVollzG genannten Bezugsgröße nicht unterschreiten dürfe. Gegen die ablehnende Entscheidung der Justizvollzugsanstalt legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein, der vom Präsidenten des Justizvollzugsamts als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 109 ff. StVollzG wurde vom Landgericht verworfen. Das Gericht hielt die Regelungen der §§ 43, 200 StVollzG für verfassungsgemäß. Die Neufassung entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Bei der Erhöhung des Prozentsatzes der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße von 5 % auf 9 % sei das Arbeitsentgelt um 80 % erhöht worden und damit nahezu eine Verdopplung des Arbeitslohns des Gefangenen eingetreten. Es handele sich nicht lediglich um einen Inflationsausgleich, da dieser durch die regelmäßige jährliche Anpassung der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße berücksichtigt werde. Im Übrigen werde die Arbeit des Gefangenen durch die Neuregelung nicht nur durch das Arbeitsentgelt, sondern auch durch Freistellung von der Arbeit anerkannt, die als Urlaub aus der Haft (Arbeitsurlaub) genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden könne. Damit werde die Arbeit des Gefangenen angemessen berücksichtigt.

Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom Oberlandesgericht unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung verworfen. Die monetäre Erhöhung des Arbeitsentgelts in Verbindung mit vorgesehenen "Gutzeiten" stelle eine angemessene Anerkennung der geleisteten Arbeit entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts dar. Eine höhere finanzielle Bewertung der erbrachten Leistung sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Anknüpfungspunkt für die Angemessenheit sei zunächst der Wert der Leistung. Die Produktivität der Gefangenen bleibe hinter der in Betrieben der gewerblichen Wirtschaft zurück. Die Anhebung der Arbeitsentlohnung auf 9 % sei daher angemessen. Ein weiterer Anstieg der Arbeitskosten bei gleich bleibend niedriger Produktivität würde Arbeitsplätze gefährden, da ein Anstieg der Arbeitskosten die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe in Frage stellen würde. Ein Rückgang der Beschäftigungsquote widerspreche der resozialisierenden Wirkung der Arbeit im Strafvollzug.

Schließlich sehe das Gesetz neben der Erhöhung auf 9 % der Bezugsgröße auch eine nicht monetäre Gegenleistung in Form von Freistellung von der Arbeit vor. Eine derartige Form der Anerkennung von Pflichtarbeit sei vom Bundesverfassungsgericht gerade ausdrücklich gebilligt worden. Angesichts der Bedeutung des Rechtsguts der persönlichen Freiheit seien Hafturlaub und Haftverkürzung ein Vorteil, der dem Gefangenen den Sinn der Erwerbsarbeit bewusst mache.

3. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde, mit der der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG rügt.

Wenn auch die Produktivität der Gefangenenarbeit hinter der in den Betrieben der gewerblichen Wirtschaft zurückbleibe, so entfalte die Wettbewerbsfähigkeit der Justizvollzugsanstalten keine limitierende Funktion. Auch unter Berücksichtigung der wenigen Arbeit in den Justizvollzugsanstalten müsse dem Aspekt der Resozialisierung Rechnung getragen werden. Die Kosten der Arbeit im Behandlungsvollzug ließen sich durch die Produktion ohnehin nicht wieder hereinholen. Effizienzhindernisse der Gefangenenarbeit seien systemimmanent.

Mit der jetzigen Regelung werde die Gefangenenarbeit noch nicht angemessen entlohnt. 5 % der Bezugsgröße sei 1977 als Basiswert für die Anfangszeit des Strafvollzugsgesetzes eingeführt worden und sollte bis 1986 in Stufen auf 40 % angehoben werden. Nur eine Erhöhung von 20 % wäre derzeit angemessen.

Die jetzige Regelung führe zur Refinanzierung des Justizfiskus über den Gefangenenlohn. Der Mehrverdienst des Gefangenen werde pfändbar, sobald das Überbrückungsgeld angespart sei. Das Ziel des Resozialisierungsgebots werde aber nicht erreicht, wenn das Arbeitsentgelt im Wesentlichen der Schuldentilgung diene.

Die nicht monetären Elemente der Anerkennung seien keine greifbaren oder erlebbaren Vorteile für den Gefangenen. Die Freistellung von der Arbeit werde unter den Rahmenbedingungen der Unfreiheit kaum als Gegenwert für die geleistete Arbeit empfunden. Daran änderten auch die gering angesetzte Menge von weiteren sechs ansparfähigen Freistellungstagen und eine entsprechende Haftzeitverkürzung nichts. Arbeitsurlaub außerhalb der Vollzugsanstalt könne nur von wenigen Gefangenen in Anspruch genommen werden, da dies nur bei einer geringen Gefahr von Flucht oder Missbrauch möglich sei. Die Arbeitsurlaubsregelung komme dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht zu gute. Der hierfür geschaffene Ausgleich sei keine eigenständige Anerkennung von Arbeitsleistung.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>). Sie ist unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich. Die mittelbar angegriffenen §§ 43 und 200 StVollzG sind noch verfassungsgemäß.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Höhe des für Gefangenenarbeit im Strafvollzug gewährten Entgelts in seiner Entscheidung vom 1. Juli 1998 (BVerfGE 98, 169) geklärt. Der Verfassungsbeschwerde lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, von den dort entwickelten Grundsätzen abzuweichen.

Arbeit im Strafvollzug, die dem Gefangenen als Pflichtarbeit zugewiesen wird, ist nur dann ein wirksames Resozialisierungsmittel und entspricht damit dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG, wenn die geleistete Arbeit angemessene Anerkennung findet. Diese Anerkennung muss nicht notwendig finanzieller Art sein. Sie muss freilich geeignet sein, dem Gefangenen den Wert regelmäßiger Arbeit für ein künftiges eigenverantwortetes und straffreies Leben in Gestalt eines für ihn greifbaren Vorteils vor Augen zu führen. Nur wenn der Gefangene eine solchermaßen als sinnvoll erlebbare Arbeitsleistung erbringen kann, darf der Gesetzgeber davon ausgehen, dass durch die Verpflichtung zur Arbeit einer weiteren Desozialisation des Gefangenen entgegengewirkt wird und dieser sich bei der Entwicklung beruflicher Fähigkeiten sowie bei der Entfaltung seiner Persönlichkeit auf ein positives Verhältnis zur Arbeit zu stützen vermag (BVerfGE 98, 169 <201>).

Die Arbeit im Strafvollzug bereitet vor allem dann auf das Erwerbsleben in Freiheit vor, wenn sie durch ein Entgelt anerkannt wird. Allerdings kann der Vorteil für die erbrachte Leistung auch in anderer Weise zum Ausdruck kommen. Anerkennung kann nicht nur durch ein monetäres Konzept erfolgen. Die Anerkennung muss angemessen sein.

Im Strafvollzug kommen neben oder anstelle eines Lohns in Geld etwa auch der Aufbau einer sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaft oder Hilfen zur Schuldentilgung in Betracht. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, eine angemessene Anerkennung von Arbeit dadurch vorzusehen, dass der Gefangene - sofern general- oder spezialpräventive Gründe nicht entgegen stehen - durch Arbeit seine Haftzeit verkürzen ("good time") oder sonst erleichtern kann (vgl. BVerfGE 98, 169 <202>).

Art. 1 Abs. 1 GG gebietet es weder unmittelbar noch in Verbindung mit Art. 12 Abs. 3 GG, Arbeit allein durch ein finanzielles Arbeitsentgelt anzuerkennen. Arbeit dient der Entfaltung der Persönlichkeit. Durch Arbeit erfährt der Einzelne Achtung und Selbstachtung. Gesetzliche Entgeltvorgaben können damit auch dem Ziel von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 100, 271 <284>). Daraus folgt jedoch nicht, dass eine bestimmte Art der Arbeitsentlohnung von Verfassungs wegen vorgegeben ist. Auch im freien Arbeitsmarkt werden neben dem Entgelt nicht-finanzielle Gegenleistungen für die geleistete Arbeit vereinbart.

Ein gesetzliches Konzept der Resozialisierung durch Pflichtarbeit, die nur oder hauptsächlich finanziell entgolten wird (vgl. § 43 StVollzG), kann zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung nur beitragen, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewusst gemacht werden kann, dass Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist. Allerdings kann der Gesetzgeber bei der Regelung dessen, was angemessen ist, die typischen Bedingungen des Strafvollzugs, insbesondere auch dessen Marktferne, in Rechnung stellen. Auch spielen die Kosten der Gefangenenarbeit für die Unternehmer und die Konkurrenz durch andere Produktionsmöglichkeiten auf dem Hintergrund des jeweiligen Arbeitsmarkts eine Rolle. Deshalb hat der Gesetzgeber hier einen weiten Einschätzungsraum (BVerfGE 98, 169 <202 f.>).

2. Die Entscheidungen des Gesetzgebers, auf welche Art und in welchem Umfang die Pflichtarbeit von Gefangenen entlohnt wird, können vom Bundesverfassungsgericht nur eingeschränkt überprüft werden. Die Verfassung gebietet zwar, den Strafvollzug auf das Ziel der Resozialisierung der Gefangenen hin auszurichten. Das Resozialisierungsgebot legt den Gesetzgeber jedoch nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept fest, sondern eröffnet ihm für die Entwicklung eines wirksamen Konzepts einen weiten Gestaltungsraum. Für die Wahl zwischen mehreren geeigneten Wegen zum Regelungsziel besitzt der Gesetzgeber die Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative. Er kann unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse zu einer Regelung gelangen, die - auch unter Berücksichtigung von Kostenfolgen - mit dem Rang und der Dringlichkeit anderer Staatsaufgaben im Einklang steht (vgl. BVerfGE 98, 169 <201> m.w.N.).

Bei der Entscheidung darüber, auf welche Art und in welcher Höhe die Pflichtarbeit von Gefangenen angemessen anzuerkennen ist, kann das Bundesverfassungsgericht erst eingreifen, wenn das gewählte Regelungskonzept nicht zur verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung beiträgt. Ob die einzelnen Arten der Anerkennung der Arbeit des Gefangenen diese Funktion erfüllen, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen. Die Höhe des Arbeitsentgelts ist erst dann von Verfassungs wegen zu beanstanden, wenn es zusammen mit den anderen Vorteilen, die für die Gefangenenarbeit gewährt werden, offensichtlich nicht geeignet ist, den Gefangenen im gebotenen Mindestmaß davon zu überzeugen, dass Erwerbstätigkeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinnvoll ist. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, darüber zu entscheiden, ob aus vollzugspolitischer Sicht eine Erhöhung des Arbeitsentgelts geboten ist.

3. Ausgehend von diesem Maßstab entspricht die Neuregelung der §§ 43, 200 StVollzG dem verfassungsrechtlichen Resozialisierungsgebot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 1 GG. Die vom Gesetzgeber geregelte Entlohnung in Gestalt einer Kombination von monetärer und nicht monetärer Leistung ist nicht derart unangemessen, dass sie nicht mehr zur Resozialisierung beizutragen vermag. Zusammen mit der maßvollen Erhöhung des Arbeitsentgelts sind auch die nicht monetären Leistungen in Gestalt einer differenzierten Freistellungsregelung mit der Möglichkeit der Anrechnung auf den Entlassungszeitpunkt zu berücksichtigen.

a) Eine konkrete verfassungsrechtliche Vorgabe für die Erhöhung der Bezugsgröße gibt es nicht. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 98, 169 <213>) hat bei der Begründung der zu niedrigen Bezugsgröße von 5 % allein darauf hingewiesen, dass die Bemessungsgrundlage nach den Vorstellungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform stufenweise bis 1. Januar 1986 auf 40 % der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße angehoben werden sollte (vgl. § 182 des Entwurfs des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform - BTDrucks 7/3998, S. 130 f.). Es hat diese Bezugsgröße nicht zum verfassungsrechtlichen Gebot erklärt. Vielmehr hätte der Gesetzgeber mit der geplanten Erhöhung der Bemessungsgrundlage die verfassungsrechtlichen Forderungen eines auf Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzugs nicht nur in dem gebotenen Mindestmaß, sondern sogar in großzügiger Weise umgesetzt (vgl. BVerfGE 98, 169 <207 f.>).

Ohne Bestimmung einer konkreten verfassungsrechtlich gebotenen Zielgröße hat das Gericht dem Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsraum eingeräumt (vgl. BVerfGE 98, 169 <203>). Verfassungsrechtliche Vorgabe ist allein, dass entgegen der ursprünglichen Vorstellung des Gesetzgebers im Rahmen einer Neuregelung eine deutliche Erhöhung und keine stufenweise Anpassung zu erfolgen hat (vgl. BVerfGE 98, 169 <215>).

b) Der Gesetzgeber hat die äußerste Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Bezugsgröße noch gewahrt. Dabei wird der Gestaltungsraum des Gesetzgebers einerseits durch die Ziele der Resozialisierung und andererseits - wie üblicherweise bei der Gewährung staatlicher Leistungen - durch die wirtschaftliche Lage geprägt. Angesichts der durch die maßvolle Erhöhung der Bezugsgröße bereits entstehenden Mehrkosten einerseits, der aber gleichwohl deutlichen Verbesserung für die Gefangenen andererseits ist die äußerste Grenze einer verfassungsrechtlich zulässigen Bezugsgröße noch nicht überschritten. Der Gesetzgeber bleibt aber aufgefordert, die Bezugsgröße nicht festzuschreiben, sondern einer steten Prüfung zu unterziehen.

aa) Die Entlohnung soll den Gefangenen in die Lage versetzen, ihm den Sinn seiner Arbeit vor Augen zu führen. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn die Entlohnung monetärer Art ist und dem Gefangenen ermöglicht, seine Schulden zu tilgen, seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Angehörigen zu entsprechen, die Wiedergutmachung des durch die Straftat angerichteten Schadens anzustreben sowie ausreichend Zukunftsvorsorge zu betreiben.

Die Entscheidung des Gesetzgebers erweist sich als derzeit noch vertretbar. Wegen der weiter verschlechterten Produktivität von Gefangenenarbeit, die mit der allgemeinen, von hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung gekennzeichneten wirtschaftlichen Lage am Arbeitsmarkt einhergeht, wird der Abwägungsspielraum des Gesetzgebers eingeschränkt. Angesichts der strukturell bedingten niedrigen Produktivität der Gefangenenarbeit sowie der weiteren Verschlechterung der Beschäftigungssituation von Gefangenen in den neunziger Jahren besteht die Gefahr, dass bei einer weiteren Erhöhung des Arbeitsentgelts eine Gefährdung der Gefangenenarbeitsplätze eintritt (vgl. dazu Neu, NK 2001, S. 22 ff.). Es droht bei weiter abnehmender Produktivität durch ein Ungleichgewicht von Lohnkosten und Ertrag die Schließung von Anstaltsbetrieben (vgl. Neu, NK 2001, S. 22, 25; Landau/Kunze/Poseck, NJW 2001, S. 2611, 2612 f.; Radtke, ZfStrVo 2001, S. 4, 11). Dieser Effekt einer Erhöhung der Bezugsgröße liefe dem Resozialisierungskonzept gerade zuwider.

Weiterhin darf der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarkts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 98, 169 <202 f.>). Da der durch die Neuregelung erforderlich gewordene Mehraufwand von etwa 70 bis 80 Millionen DM, was einem Mehraufwand der Länderhaushalte für den Aufgabenbereich des Strafvollzugs von gut 2 % entspricht (vgl. Neu, NK 2001, S. 22, 25), bei hoher Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung bereits eine erhebliche Belastung bedeutet, ist der Gestaltungsraum für weiter gehende Maßnahmen des Gesetzgebers beschränkt.

bb) Der Gesetzgeber hat sich mit der Neuregelung für eine verfassungsrechtlich zulässige gleichmäßige Verteilung der Entlohnungsarten entschieden. Dies ergibt sich aus § 43 Abs. 1 StVollzG, der die monetären und nicht monetären Aspekte der Entlohnung gesetzessystematisch in einer Vorschrift regelt (vgl. BTDrucks 14/4452, S. 10 f.). Die Erhöhung von 5 % auf 9 % der Bezugsgröße ist angesichts der - bei ausschließlich monetärer Entlohnung - in der Literatur vielfach geforderten Größe von etwa 20 bis 25 % (vgl. Ullenbruch, ZRP 2000, S. 177, 181; Wrage, ZRP 1997, S. 435, 436) und der gleichwertigen Gewährung ausreichender nicht monetärer Leistungen noch verfassungsgemäß.

Das Arbeitsentgelt ist gegenüber der früheren gesetzlichen Regelung deutlich angehoben worden. Mit der Erhöhung auf 9 % der Bezugsgröße wird das Arbeitsentgelt um 80 % aufgestockt. Dies ist für den Gefangenen eine spürbare Verbesserung, bei der es sich nicht lediglich um einen Inflationsausgleich handelt. Diesem wird durch die Anpassung der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße Rechnung getragen.

Die Ausgestaltung der nicht monetären Leistung ist in Art und Umfang so geregelt, dass der Gefangene diesen Teil der Entlohnung nach objektiven Maßstäben neben dem Arbeitsentgelt als gleichwertigen Anteil und damit insgesamt als angemessen erfahren kann. Der Gesetzgeber hat dies mit einer differenzierten Regelung erreicht. Die Freistellung kann auf Antrag durch Hafturlaub oder Haftverkürzung gewährt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Mehrzahl der Gefangenen sich für die Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt entscheidet (BTDrucks 14/4452, S. 11).

Gerade die Gewährung von Freistellung in Abhängigkeit zur geleisteten Arbeit (für zwei Monate zusammenhängend geleisteter Arbeit ein Tag) wird dem Resozialisierungsgebot gerecht. Der Umfang der gewährten Freistellung ist derzeit noch angemessen. Dies gilt selbst dann, wenn die Zwei-Monatsfrist gemäß § 43 Abs. 6 Satz 3 StVollzG durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonstigen nicht von ihm zu vertretenden Gründen gehemmt wird. Angesichts der pro Kalenderjahr aber nur geringfügig zu erzielenden Freistellungstage bleibt der Gesetzgeber aufgefordert, den Umfang der nicht monetären Leistung einer ständigen Überprüfung zu unterziehen.

Selbst wenn die Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt gemäß § 43 Abs. 9 StVollzG um wenige Tage bei jahrelanger Haft unter finanziellen Aspekten subjektiv nur als wenig vorteilhaft empfunden wird, ist sie bei objektiver Betrachtung geeignet, als wirksame Anerkennung von Gefangenenarbeit zu dienen. Dabei besteht zwischen der vorzeitig wiedergewonnenen Freiheit und dem Resozialisierungsgebot kein Spannungsverhältnis. Vielmehr wird mit der Aussicht auf eine vorzeitig gewährte Freiheit im Hinblick auf berufliche Entfaltungsmöglichkeiten und Verdienstaussichten dem Resozialisierungsgebot entsprochen. Die Aussicht, vorzeitig die Freiheit wieder zu erlangen, ist für einen Gefangenen von derart hoher Bedeutung, dass sie als Mittel der Entlohnung geeignet ist, das Resozialisierungsgebot umzusetzen.

Für diejenigen, die aus spezial- oder generalpräventiven Gründen von der Anrechnung ausgeschlossen sind, bleibt gemäß § 43 Abs. 11 StVollzG die Arbeit sinnvoll erlebbar, da der nicht gewährte Vorteil finanziell ausgeglichen wird. Damit wird dem Gleichheitsgrundsatz entsprochen. Alle Gefangenen, auch diejenigen, die nicht in den Genuss nicht monetärer Leistungen kommen, erhalten eine angemessene Entlohnung. Die Freistellungsgewährung wird finanziell substituiert. Sie bleibt, wenn auch zeitlich versetzt, erlebbarer Vorteil und Ausgleich für geleistete Arbeit.

Von einer weiter gehenden Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.