BGH, Beschluss vom 21.07.2011 - IX ZB 218/10
Fundstelle
openJur 2011, 94871
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 5. Oktober 2010 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 300 Abs. 3 Satz 2, §§ 4, 6, 7 InsO, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft, sie ist jedoch gemäß § 574 Abs. 2 ZPO im Übrigen unzulässig. Sie deckt keinen Zulässigkeitsgrund auf. Weder weicht das Beschwerdegericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ab noch verletzt sie verfassungsmäßige Rechte des Schuldners.

1. Nach gefestigter Rechtsprechung dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Dies gilt ins-1 besondere für Störungen des Empfangsgeräts des Gerichts. In diesem Fall liegt die entscheidende Ursache für die Fristsäumnis in der Sphäre des Gerichts (BVerfG, NJW 2001, 3473 f; BGH, Beschluss vom 6. März 1995 - II ZB 1/95, NJW 1995, 1431, 1432 f; vom 30. September 2003 - X ZB 48/02, NJW-RR 2004, 283, 284). Auch vorliegend lag die Übermittlungsstörung in der Sphäre des Insolvenzgerichts, weil nach den Feststellungen der angefochtenen Entscheidung das angewählte Faxgerät auf der Insolvenzgeschäftsstelle des Amtsgerichts Nordenham am 2. September 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht anwählbar war. Dies befreit den Bevollmächtigten eines Verfahrensbeteiligten indessen nicht davon, alle noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich herausstellt, dass aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen wegen einer technischen Störung eine Telefaxverbindung nicht zustande kommt (BGH, Beschluss vom 6. März 1995 aaO). Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass die Möglichkeit bestanden hätte, die Beschwerde an das einsatzbereite Hauptfaxgerät des Amtsgerichts Nordenham zu versenden oder aber an das Faxgerät des Landgerichts Oldenburg.

Mit dieser Bewertung setzt sich das Beschwerdegericht nicht in Widerspruch zu dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. Februar 2003 (V ZB 60/02, VersR 2004, 492), wie die Rechtsbeschwerdebegründung meint. Der Bundesgerichtshof ist in dieser Entscheidung nur der Auffassung des Berufungsgerichts entgegengetreten, der Rechtsanwalt habe ein Blitztelegramm aufgeben, einen Kurierdienst mit 24 Stunden-Service oder ein am Sitz des Berufungsgerichts residierendes Rechtsanwaltsbüro beauftragen müssen, den Schriftsatz in den Nachtbriefkasten des Berufungsgerichts einzuwerfen, oder aber selbst mit dem Auto zum Berufungsgericht fahren müssen. Er hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass anders zu entscheiden wäre, wenn der 3 fristwahrende Schriftsatz einer anderen Stelle des Rechtsmittelgerichts per Fax hätte übermittelt werden können.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858) steht dem nicht entgegen. Nach ihr kann von einem Rechtsanwalt, der sich darauf eingerichtet hat, einen Schriftsatz durch Fax zu übermitteln, beim Scheitern der gewählten Übermittlung infolge eines Defekts des Empfangsgeräts nicht verlangt werden, dass er innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte, vom Gericht offiziell eröffnete Zugangsart sicherstellt. Das Beschwerdegericht hat jedoch vom Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners nicht verlangt, eine andere als die von ihm gewählte Telefaxübermittlung zu wählen, es hat von ihm nur gefordert, das Hauptfaxgerät des Amtsgerichts Nordenham anzuwählen. Dies ist einem Verfahrensbevollmächtigten auch von Verfassungs wegen zumutbar. Denn er soll nicht unter erheblichem Zeit- und Kostenaufwand alle nur denkbaren Anstrengungen unternehmen, um einen fristgerechten Eingang beim Gericht doch noch sicherzustellen, sondern nur einen naheliegenden, kaum zusätzlicher Mühe erfordernden Übermittlungsversuch. Deswegen kann auch nicht gesagt werden, dass eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte vorliege, weil ein Rechtsanwalt, der seinen Schriftsatz erst kurz vor Fristablauf fertige, ohne weiteres Wiedereinsetzung erhalte, sofern er nur einen fehlgeschlagenen Übermittlungsversuch so zeitig begonnen habe, dass er unter normalen Umständen bis 24 Uhr abgeschlossen worden wäre (vgl. BVerfG, NJW 1996, 2857, 2858).

2. Der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners hätte auch bemerken müssen, dass der Übermittlungsversuch des Schriftsatzes durch Telefax erfolglos war, wenn er die erforderliche Ausgangskontrolle vorgenommen hätte (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2006 - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 15; 4 vom 14. Mai 2008 - XII ZB 34/07, NJW 2008, 2508 Rn. 11 f; vom 7. Juli 2010 - XII ZB 59/10, NJW-RR 2010, 1648 Rn. 12; vom 22. September 2010 - XII ZB 117/10, NJW-RR 2011, 138 Rn. 11). Die Ausgangskontrolle anhand des Sendeberichts dient nicht nur dazu, Fehler bei der Übermittlung auszuschließen. Vielmehr soll damit ebenso die Feststellung ermöglicht werden, ob der Schriftsatz überhaupt übermittelt worden ist (BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010, aaO Rn. 14).

3. Selbst wenn den Rechtsbeschwerdeführer an der Versäumung der Beschwerdefrist kein Verschulden träfe, wäre die angefochtene Entscheidung im Ergebnis dennoch richtig, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners die Wiedereinsetzungsfrist (§ 238 Abs. 2 ZPO) nicht gewahrt hat. Er hätte innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist spätestens bis zum 17. September 2010 Wiedereinsetzung beantragen müssen (BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2004

- X ZB 3/03, NJW-RR 2005, 923; vom 23. November 2004 - XI ZB 4/04, MDR 2005, 526, 527). Demgegenüber ist der Antrag auf Wiedereinsetzung beim Amtsgericht erst am 21. September 2010 eingegangen.

Kayser Raebel Pape Grupp Möhring Vorinstanzen:

AG Nordenham, Entscheidung vom 16.08.2010 - 6 IN 15/04 -

LG Oldenburg, Entscheidung vom 05.10.2010 - 6 T 756/10 -