BVerfG, Urteil vom 03.12.1985 - 1 BvL 15/84
Fundstelle
openJur 2011, 92299
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 146 Ds 141 Js 710/82
Tenor

§ 353 d Nummer 3 des Strafgesetzbuches (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (Bundesgesetzbl. I S. 1) ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit die in dieser Bestimmung unter Strafe gestellte wörtliche öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke ohne oder gegen den Willen des von der Berichterstattung Betroffenen erfolgt ist.

Gründe

A.

Das Verfahren betrifft die Frage, ob § 353 d Nr. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

Durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469) wurde § 353 d StGB vollständig umgestaltet. Er enthält jetzt eine zusammenfassende Strafvorschrift für eine Anzahl von Verboten, die bis dahin an verschiedenen Stellen geregelt waren.

Die Bestimmung lautet in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (BGBl. I S. 1):

§ 353 d
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird
bestraft, wer
1. ...
2. ...
3. die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.

Eine ähnliche Regelung hatte bereits § 17 des Reichspressegesetzes vom 7. Mai 1874 enthalten, nach dem die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafprozesses durch die Presse nicht veröffentlicht werden durften, bevor sie in öffentlicher Verhandlung kundgegeben waren oder das Verfahren sein Ende erreicht hatte. Inhaltlich im wesentlichen übereinstimmende Regelungen hatten die heutigen Landespressegesetze - mit Ausnahme des bayerischen und das hessischen Gesetzes - getroffen.

Bei der Übernahme dieser landesgesetzlichen Regelungen in das Strafgesetzbuch wurde das Verbot auf alle Arten der Veröffentlichung, nicht nur diejenige durch die Presse oder den Rundfunk, ausgedehnt. Die Vorschrift sollte dadurch den Charakter eines Sondergesetzes für die Presse verlieren (Begründung der Bundesregierung, BTDrucks. 7/550 S. 283). Andererseits wurde die Strafbarkeit dahin eingeschränkt, daß § 353 d Nr. 3 StGB lediglich Veröffentlichungen "im Wortlaut" unter Strafe stellt. Aufgabe dieser Regelung ist es, die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, namentlich von Laienrichtern und Zeugen, zu sichern (BTDrucks. 7/550 S. 283, 284). Ferner soll sie den von einem Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren Betroffenen vor einer vorzeitigen Bloßstellung schützen (so der Erste Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrucks. 7/ 1261 S. 23). Unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung der Strafbarkeit auf eine wörtliche Wiedergabe ist die Vorschrift in Literatur und Rechtsprechung lebhafter Kritik begegnet. Es wird beanstandet, daß hierdurch der Schutzzweck der Norm kaum noch erreicht werden könne; die straffreie inhaltliche Wiedergabe amtlicher Schriftstücke könne die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten nachhaltiger beeinträchtigen und den vom Verfahren Betroffenen eher bloßstellen als eine wörtliche Wiedergabe.

II.

1. Die Hamburger Illustrierte "stern" berichtete in drei Ausgaben zwischen dem 9. Dezember 1982 und dem 9. Juni 1983 über die Ermittlungen der Bonner Staatsanwaltschaft in der "Flick-Spendenaffäre". In diesen Berichten wurden unter anderem Auszüge aus den Protokollen über die Vernehmung eines Beschuldigten und zweier Zeugen im Wortlaut veröffentlicht. Ferner enthielt ein Bericht wörtliche Zitate aus Schutzschriften der Verteidiger zweier anderer Beschuldigter. In allen Fällen waren die zitierten Auszüge aus den Ermittlungsakten zum Zeitpunkt der Veröffentlichungen noch nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert worden.

Die Staatsanwaltschaft erhob daraufhin gegen fünf für die Berichte verantwortliche Autoren oder Redakteure Anklage und legte ihnen zur Last, sie hätten als Verantwortliche im Sinne des Pressegesetzes amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens in wesentlichen Teilen im Wortlaut öffentlich mitgeteilt, bevor diese in öffentlicher Verhandlung erörtert worden seien und bevor das Verfahren abgeschlossen worden sei.

2. Das Amtsgericht hat nach Durchführung der Hauptverhandlung beschlossen, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 353 d Nr. 3 StGB gegen das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit und gegen das Willkürverbot verstößt.

Zur Begründung führt es aus:

a) Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung hätten sich die Angeklagten jeweils nach § 353 d Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen seien in allen Fällen erfüllt. Auf Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe könnten die Angeklagten sich nicht berufen. Die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung hänge daher von der Beantwortung der Vorlagefrage ab.

b) § 353 d Nr. 3 StGB sei verfassungswidrig, weil er in die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechte eingreife, jedoch nicht geeignet sei, den Rechtsgüterschutz, dem er diene, zu gewährleisten. Ein wirksamer Schutz der Betroffenen werde durch die jetzige Fassung der Vorschrift eher verhindert als gefördert. Den Betroffenen selbst sei es untersagt, entlastendes Material im Wortlaut zu veröffentlichen. Die an der Verfahrensberichterstattung interessierten Personen seien gezwungen, ihre Erkenntnisse lediglich inhaltlich, jedoch nicht im Wortlaut zu veröffentlichen; dabei seien Entstellungen des maßgeblichen Sachverhalts nicht ausgeschlossen, diese würden sogar gefördert. Ebensowenig sei die Strafbestimmung geeignet, Laienrichter und Zeugen vor vorzeitiger Beeinflussung zu schützen. Wichtige Gerichtszweige wie etwa die Arbeits- und Verwaltungsgerichtsbarkeit, in der ebenfalls Laienrichter beteiligt seien, aber auch die Berufungsinstanz im Strafverfahren, fielen nicht in den Schutzbereich der Norm. Auch sei eine nichtöffentliche Bekanntmachung wichtiger Akteninhalte gegenüber Schöffen und Zeugen straffrei. Die nicht strafbare inhaltliche Wiedergabe der Verfahrenserkenntnisse wirke auf Laienrichter und Zeugen möglicherweise suggestiver, als dies bei einer wortgetreuen Darstellung des Verfahrensstandes der Fall wäre. Diese Mängel der Strafbestimmung hätte der Gesetzgeber bereits bei Erlaß der Vorschrift erkennen können und müssen.

Weitere Bedenken gegen § 353 d Nr. 3 StGB leitet das vorlegende Gericht aus der kurzen presserechtlichen Verjährung und aus dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG her. Es gäbe vielfältige straffreie Möglichkeiten der Berichterstattung über Straf-, Bußgeld- und Disziplinarverfahren; dabei sei nicht zu erkennen, daß die in § 353 d Nr. 3 StGB unter Strafe gestellte Art der Berichterstattung gegenüber den straffreien Formen der Berichterstattung wesentlich gefährlicher sei.

III.

Zu der Vorlage haben sich die Bundesregierung, die Bayerische Staatsregierung, der Bundesgerichtshof, der Deutsche Journalisten- Verband sowie der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger geäußert.

1. Der Bundesminister der Justiz, der für die Bundesregierung Stellung genommen hat, hält § 353 d Nr. 3 StGB für mit dem Grundgesetz vereinbar.

Die Pressefreiheit sei nicht schrankenlos gewährleistet. Sie finde ihre Begrenzung gemäß Art. 5 Abs. 2 GG in den allgemeinen Gesetzen. Diese müßten ihrerseits im Lichte der Bedeutung des Grundrechtes gesehen werden. Es bedürfe mithin einer Zuordnung der durch das Grundrecht und der durch ein allgemeines Gesetz geschützten Rechtsgüter. Hierbei sei auch die Intensität der Grundrechtsbeschränkung zu berücksichtigen. Soweit die Zwecktauglichkeit von Gesetzen zu beurteilen sei, habe das Bundesverfassungsgericht stets Zurückhaltung gewahrt und jeweils nur geprüft, ob das eingesetzte Mittel objektiv untauglich, objektiv ungeeignet oder schlechthin ungeeignet sei. Danach lasse sich die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Maßnahme nur selten und nur in besonders gelagerten Fällen feststellen.

Nach diesen Maßstäben führe § 353 d Nr. 3 StGB nicht zu einer unzulässigen Beschränkung der Pressefreiheit. Die Vorschrift sei nicht schlechthin und objektiv ungeeignet, ihre Ziele zu erreichen. Das könne namentlich nicht aus dem begrenzten Anwendungsbereich der Norm gefolgert werden. Dieser sei vielmehr dadurch bedingt, daß in Abwägung zwischen dem Grundrecht der Pressefreiheit und den zu schützenden Rechtsgütern nicht jede, sondern nur eine klar abgegrenzte und die Schutzgüter besonders gefährdende Verhaltensweise unter Strafe gestellt werden solle. Gerade die Veröffentlichung einer Anklageschrift oder anderer amtlicher Dokumente im Wortlaut sei besonders geeignet, die Unbefangenheit der an einem Verfahren beteiligten Laienrichter und Zeugen zu beeinträchtigen und den Betroffenen in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Anders als eine sinngemäße Wiedergabe lege die Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke im Wortlaut den Eindruck nahe, die in den Schriftstücken niedergelegten Vorgänge oder Aussagen stünden bereits "amtlich" fest und bedürften keiner weiteren Überprüfung.

§ 353 d Nr. 3 StGB führe auch nicht zu einer gravierenden Einschränkung. Die Strafbarkeit sei sachlich auf Veröffentlichungen im Wortlaut und zeitlich auf Veröffentlichungen bis zur Erörterung des betroffenen Schriftstückes in öffentlicher Verhandlung, längstens bis zum Abschluß des Verfahrens, beschränkt. Es werde damit nur eine bestimmte Form der Berichterstattung während eines begrenzten Zeitraums untersagt.

2. Auch die Bayerische Staatsregierung hält § 353 d Nr. 3 StGB für verfassungsmäßig.

Die Vorschrift schränke als allgemeines Gesetz die in Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Grundrechte in verfassungsrechtlich zulässiger Weise ein. Sie sei nicht ungeeignet, den von ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Zwar lasse sie die sinngemäße Veröffentlichung der in ihr genannten Schriftstücke straflos; eine unter Umständen gesteigerte Beeinträchtigung, beispielsweise durch sinnentstellende Wiedergabe, werde nicht verhindert. Ein auch derartige Veröffentlichungen umfassendes Verbot würde jedoch die Presse- und Informationsfreiheit unangemessen einschränken. Die Ausdehnung des § 353 d Nr. 3 StGB auf weitere Veröffentlichungen, etwa die "sinngemäße" Wiedergabe, würde zudem im Hinblick auf das Gebot der Bestimmtheit gesetzlicher Vorschriften Schwierigkeiten begegnen. Es erscheine daher verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und der Schutz der Betroffenen vor vorzeitiger Bloßstellung wenigstens dadurch gesichert würden, daß die eindeutig ausgrenzbare wörtliche Wiedergabe amtlicher Schriftstücke verboten werde. Durch diese erhalte eine Veröffentlichung den Anschein amtlicher Authentizität; sie sei dadurch in besonderem Maße geeignet, die von § 353 d Nr. 3 StGB geschützten Rechtsgüter zu verletzen. Deshalb verstoße die Regelung auch nicht gegen das Willkürverbot.

3. Der Präsident des Bundesgerichtshofs hat mitgeteilt, daß die Strafsenate § 353 d Nr. 3 StGB noch nicht angewandt hätten und damit zusammenhängende Rechtsfragen nicht zur Entscheidung anstünden.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hält die Vorschrift nicht für verfassungswidrig. Zwar umfasse Art. 5 GG grundsätzlich auch die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie ein Gedanke zu formulieren sei. Die besondere Bedeutung dieses Grundrechtes liege jedoch vor allem in dem Schutz, den es dem substantiellen Gehalt von Gedankenaussagen gewähre. Durch § 353 d Nr. 3 StGB werde die Presse nicht gehindert, die Öffentlichkeit durch eine nichtwörtliche Wiedergabe ihrer Erkenntnisse zu informieren. Die Vorschrift sei auch nicht schlechterdings ungeeignet, den bezweckten Rechtsgüterschutz zu gewährleisten. Der Schutz der Unbefangenheit von Verfahrensbeteiligten und der Schutz des vom Verfahren Betroffenen vor vorzeitiger Bloßstellung könnten durch die Ausgestaltung des § 353 d Nr. 3 StGB zwar nur unvollkommen erreicht werden. Die Vorschrift gewährleiste jedoch wenigstens einen gewissen Schutz. Gerade in der verbotenen wörtlichen Wiedergabe von Aktenteilen liege die besondere Gefährlichkeit für die von § 353 d Nr. 3 StGB geschützten Rechtsgüter. Die Vorschrift biete damit einen sinnvollen, wenn auch beschränkten Schutz der am Verfahren Beteiligten vor unsachlicher Beeinflussung und des Betroffenen vor öffentlicher Bloßstellung. Im übrigen enthalte sie wegen ihrer Beschränkung auf das Verbot der wörtlichen Wiedergabe von Aktenteilen nur einen geringfügigen Eingriff in das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1 GG. Die Bestimmung verstoße auch nicht gegen das Willkürverbot; es stehe im Ermessen des Gesetzgebers, welche der denkbaren Möglichkeiten einer Verfahrensbeeinflussung durch öffentliche Berichterstattung er durch eine Strafnorm unterbinde.

4. Der Deutsche Journalisten-Verband und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger haben sich der Auffassung des vorlegenden Gerichtes angeschlossen und hervorgehoben, daß das Verbot wörtlicher Wiedergabe von Aktenteilen eine wahrheitsgemäße Berichterstattung erschwere, auch die redlichste Inhaltsbeschreibung verliere gegenüber dem wörtlichen Zitat an Wahrheit.

IV.

Die Zuständigkeit des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts für dieses Verfahren beruht auf einem Beschluß des Ausschusses gemäß § 14 Abs. 5 BVerfGG vom 6. Juni 1984 (vgl. § 46 GOBVerfG).

B.

Die Vorlage ist zulässig.

Nach der Begründung des Vorlagebeschlusses hängt die Entscheidung im Ausgangsverfahren davon ab, ob § 353 d Nr. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dabei ergibt sich allerdings kein Anhaltspunkt für die Annahme, die den Gegenstand der Anklage bildenden Veröffentlichungen seien mit dem Willen der von der Berichterstattung Betroffenen erfolgt. Hierzu bedarf es mithin im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG keiner Entscheidung; die Prüfung ist auf die Gültigkeit der Vorschrift zu beschränken, soweit diese Veröffentlichungen ohne oder gegen den Willen der Betroffenen voraussetzt.

C.

In dem damit bezeichneten Umfang ist § 353 d Nr. 3 StGB mit dem Grundgesetz vereinbar.

I.

Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG. Durch das Verbot öffentlicher wörtlicher Mitteilung des Inhalts der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke werden zwar das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und -verbreitung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz GG), die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingeschränkt. Doch ist diese Einschränkung durch Art. 5 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich gedeckt.

1. Nach Art. 5 Abs. 2 GG finden die in Abs. 1 des Artikels gewährleisteten Rechte unter anderem ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Darunter sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Gesetze zu verstehen, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen (BVerfGE 59, 231 (263 f.) - Freie Rundfunkmitarbeiter; 62, 230 (243 f.) - Boykott). Mit dem Erfordernis der Allgemeinheit soll Sonderrecht gegen den Prozeß freier Meinungsbildung ausgeschlossen werden, das die geistige Wirkung von Meinungsäußerungen zu unterbinden sucht (vgl. BVerfGE 7, 198 (210) - Lüth).

Die aus allgemeinen Gesetzen sich ergebenden Grenzen der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG müssen ihrerseits im Licht dieser Grundrechte gesehen werden; die allgemeinen Gesetze sind aus der Erkenntnis der Bedeutung der Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer diese Grundrechte beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken (vgl. BVerfGE 7, 198 (208 f.); st. Rspr.). Es bedarf mithin einer verfassungsmäßigen Zuordnung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Freiheiten und der durch § 353 d Nr. 3 StGB geschützten Rechtsgüter: Die Einschränkung jener Freiheiten, die in dem befristeten Verbot der wörtlichen Wiedergabe der in der Vorschrift bezeichneten amtlichen Schriftstücke liegt, muß geeignet und erforderlich sein, den Schutz zu bewirken, den die Vorschrift sichern soll; das, was mit ihr erreicht wird, muß in angemessenem Verhältnis zu den Einbußen stehen, welche die Beschränkung für die Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG mit sich bringt (vgl. BVerfGE 59, 231 (265)).

2. Ob § 353 d Nr. 3 StGB in dem dargelegten Sinne "allgemeines Gesetz" ist, erscheint nicht gänzlich zweifelsfrei. Das Bedenken, es handele sich um ein Sondergesetz für die Presse, dem die Vorläufer der Bestimmung unterlegen haben, ist zwar durch die Neufassung insoweit behoben, als die Vorschrift nunmehr für jedermann gilt (vgl. dazu BTDrucks. 7/550 S. 283). Doch ändert eine Ausdehnung des Adressatenkreises von Sonderrecht noch nichts an einem Mangel sachlicher Allgemeinheit. Im Falle des § 353 d Nr. 3 StGB werden weiterhin bestimmte Berichte über den Inhalt amtlicher Schriftstücke unmittelbar verboten. Dieses Verbot richtet sich indessen weder gegen eine bestimmte Meinung noch gegen den Prozeß freier Meinungsbildung und gegen freie Information als solche; es dient dem Schutz anderer, ohne Rücksicht auf bestimmte Meinungen zu schützender Rechtsgüter. Die Vorschrift, die das Verbot enthält, kann deshalb als "allgemeines Gesetz" angesehen werden.

3. Auch unter dem Gesichtspunkt der weiteren Anforderungen an eine zulässige Beschränkung der Grundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG kann § 353 d Nr. 3 StGB verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden.

a) Dies gilt zunächst für die Eignung der Vorschrift, den Schutz der Rechtsgüter zu bewirken, welchem sie dient.

aa) Bei der verfassungsgerichtlichen Kontrolle der Zwecktauglichkeit von Gesetzen gebietet die Funktionenteilung zwischen gesetzgebender und rechtsprechender Gewalt Zurückhaltung. Das Bundesverfassungsgericht hat stets betont, daß es prinzipiell Aufgabe des Gesetzgebers sei zu entscheiden, mit welchen Mitteln der von einer Regelung verfolgte Zweck zu erreichen sei. Das Bundesverfassungsgericht könne die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen und Wertungen nicht beanstanden, solange nicht eindeutig erwiesen sei, daß sie von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgingen oder mit der Verfassung in Widerspruch stünden (BVerfGE 13, 97 (113) - Befähigungsnachweis für das Handwerk). Demgemäß hat das Gericht namentlich die Eignung von Gesetzen wirtschafts- oder verkehrspolitischen Inhalts nur einer beschränkten Kontrolle unterzogen und lediglich geprüft, ob das eingesetzte Mittel "objektiv" oder "schlechthin" ungeeignet sei (vgl. BVerfGE 30, 250 (263 f.) m. w. N. - Absicherungsgesetz). Den gleichen Grundsätzen ist es bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Eignung von Strafgesetzen gefolgt (BVerfGE 47, 109 (117) - § 184 Abs. 1 Nr. 7 StGB; 50, 142 (163) - § 170 b StGB; vgl. auch 61, 291 (313 f.) - Tierpräparatoren). Unter dem Gesichtspunkt der Zwecktauglichkeit müßte sich hiernach klar erweisen lassen, daß § 353 d Nr. 3 StGB und die mit dieser Vorschrift verbundene Grundrechtseinschränkung zum Schutz der Rechtsgüter, dem sie dienen, schlechthin ungeeignet sind.

bb) Das ist nicht der Fall. Der gegenteiligen Auffassung des vorlegenden Gerichts kann nicht gefolgt werden.

Wenn der Gesetzgeber lediglich die öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke "im Wortlaut" verboten hat, so ist er offenbar davon ausgegangen, daß solche Veröffentlichungen eine größere Gefahr für die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und für den vom Verfahren Betroffenen bilden als eine lediglich inhaltlich berichtende Veröffentlichung in nichtwörtlicher Rede. Für diese Einschätzung spricht der Vergleich mit einem Zitat. Die als solche kenntlich gemachte wörtliche Wiedergabe von Äußerungen ist eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf. Gegenüber der erkennbaren Meinungsäußerung kommt dem Zitat die besondere Überzeugungs- und Beweiskraft des Faktums zu (vgl. BVerfGE 54, 208 (217) - Böll). Dies gilt nicht nur für die wörtliche Wiedergabe fremder Meinungsäußerungen, sondern auch für die wörtliche Wiedergabe von Tatsachenmitteilungen. Eine wortgetreue Wiedergabe von Aktenteilen erweckt - zu Recht - den Eindruck amtlicher Authentizität und bezweckt dies auch. Sie wird deshalb in der Regel weitergehende Wirkung haben als die bloße Mitteilung eines Dritten, etwa der Presse oder des Rundfunks, in der über den Inhalt amtlicher Akten berichtet wird. Bei einer solchen ist nicht ausgeschlossen, daß sie (bewußt) unvollständig gehalten oder nicht korrekt ist; in keinem Falle kann sie als authentisch betrachtet werden.

Dieser graduelle Unterschied hat Bedeutung zunächst für den Schutz des vom Verfahren Betroffenen. Die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK), aber auch sein Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) gebieten Zurückhaltung auch in der Berichterstattung. In diese Richtung zielt das Verbot des § 353 d Nr. 3 StGB. Es vermag dem vom Verfahren Betroffenen jedenfalls einen gewissen Schutz vor vorzeitiger Bloßstellung zu gewähren.

Auch für den Schutz der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten ist der dargelegte Unterschied nicht unwesentlich. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß Laienrichter, welche der Presse bereits vor Prozeßbeginn den Inhalt von Teilen der Akten im Wortlaut haben entnehmen können, ihr Urteil nicht mehr allein auf der Grundlage der Hauptverhandlung bilden, wie die Strafprozeßordnung das im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrens voraussetzt. Ebenso kann die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen unter vorzeitiger Unterrichtung leiden. Diese Gefahr besteht namentlich dann, wenn der öffentlichen Mitteilung das Gewicht amtlicher Authentizität zukommt.

Läßt sich damit der zur Prüfung gestellten Vorschrift die Eignung zu dem mit ihr angestrebten Rechtsgüterschutz nicht schlechthin absprechen, so ist doch nicht zu verkennen, daß sie diesen Schutz nur in begrenztem Umfang gewährleisten kann. Daraus lassen sich indessen verfassungsrechtliche Einwände nicht herleiten. Das sachlich und zeitlich begrenzte Verbot mag nicht unbedingt den gefährlichsten Bereich der Berichterstattung betreffen; insbesondere sind - möglicherweise entstellende - nichtwörtliche Berichte durch § 353 d Nr. 3 StGB nicht verboten, sondern allenfalls als üble Nachrede (§ 186 StGB) oder Verleumdung (§ 187 StGB) strafbar. Daraus sich ergebende Möglichkeiten einer "Umgehung" des Tatbestandes sind Folge der Verpflichtung des Strafgesetzgebers, die Voraussetzungen der Strafbarkeit durch konkrete Umschreibung der Tatbestandsmerkmale möglichst präzise zu bestimmen (Art. 103 Abs. 2 GG); ein Verhalten, das die tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, bleibt ungeahndet. Erfüllt das Gesetz aber im übrigen weitgehend seinen Zweck, so kann seine generelle Geeignetheit nicht verneint werden (BVerfGE 47, 109 (118 f.)). Dies ist, wie gezeigt, für den verbotenen Bereich wörtlicher Berichterstattung der Fall. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er eine andere, möglicherweise bessere oder gerechtere Regelung treffen will. Für die insoweit anzustellenden rechtspolitischen Erwägungen mag der durchgängige Einwand der Kritik an § 353 d Nr. 3 StGB bedeutsam sein, daß die Vorschrift "zu wenig" verbiete, weil sie die nichtwörtliche Wiedergabe des Inhalts von Aktenteilen straflos lasse. Verfassungsrechtlich kann dieser Einwand entgegen der Auffassung des Vorlagebeschlusses nicht als ausschlaggebend angesehen werden: Dies liefe darauf hinaus, daß ein Grundrechtseingriff verfassungswidrig wäre, weil er die Freiheit der Meinungsäußerung, die Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit in geringerem Umfang beschränkt als ein anderes, zur Beschränkung tauglicheres Mittel. Nicht daß der Gesetzgeber im Übermaß grundrechtliche Freiheit beschränkt habe, würde ihm zum Vorwurf gemacht, sondern daß er ein "Übermaß" grundrechtlicher Freiheit aufrechterhalte. Dies zu beanstanden kann nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts sein.

b) Die zur Prüfung gestellte Vorschrift erscheint auch im dargelegten Sinne erforderlich, ihre Zwecke zu erreichen. Der Gesetzgeber hat sich auf ein befristetes Verbot öffentlicher Mitteilungen im Wortlaut beschränkt. Es ist nicht ersichtlich, welches mildere Mittel in gleicher Weise geeignet sein könnte, den Schutz der Unbefangenheit von Verfahrensbeteiligten und den Schutz des Verfahrensbetroffenen vor Bloßstellung zu bewirken.

c) Schließlich führt auch die hier vorzunehmende Zuordnung oder Gesamtabwägung (vgl. etwa BVerfGE 68, 193 (219)) nicht zu einem Ergebnis, das als verfassungswidrig anzusehen wäre. Maßgebend hierfür sind die Bedeutung der durch den Grundrechtseingriff zu schützenden und der grundrechtlich geschützten Rechtsgüter, die Wirksamkeit des mit der zur Prüfung gestellten Vorschrift angestrebten Rechtsgüterschutzes und das Ausmaß der zu diesem Zweck normierten Grundrechtsbeschränkung.

aa) Die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten, deren Schutz § 353 d Nr. 3 StGB dient, gehört zu den Voraussetzungen der Unvoreingenommenheit der Gerichte und damit auch des Vertrauens von Rechtsuchenden und Öffentlichkeit in deren Rechtsprechung. Hierbei handelt es sich um ein wichtiges Rechtsgut; dies wird schon daran deutlich, daß das Grundgesetz selbst in Art. 97 und 101 Grundvoraussetzungen unparteilicher und sachlicher Rechtsprechung gewährleistet.

Erhöhte Bedeutung kommt dem Schutz der von einem Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahren Betroffenen vor vorzeitiger Bloßstellung zu; denn eine solche kann das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzen oder gefährden. Das gilt namentlich bei Berichten über Straftaten. Eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat, die unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters erfolgt, wird in der Regel dessen Persönlichkeitsbereich erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekanntmacht, seine Person in den Augen der Leser oder Hörer von vornherein negativ qualifiziert und damit eine Prangerwirkung entfaltet (vgl. BVerfGE 35, 202 (226) - Lebach).

Allerdings ist, wie gezeigt, der Schutz dieser Güter durch § 353 d Nr. 3 StGB unvollkommen. Die Vorschrift richtet sich nur gegen die wörtliche öffentliche Mitteilung der in ihr bezeichneten Aktenstücke; das hat zwar den Vorzug tatbestandlich klarer Abgrenzung für sich, wie sie durch das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gefordert ist, bedeutet aber, daß die Bestimmung nur gegen solche Mitteilungen schützt, die sich durch wörtliche Wiedergabe das Gewicht amtlicher Authentizität beilegen, während sie im übrigen keinerlei Schutz bewirken kann. Der Erfolg, der sich mit ihr erreichen läßt, ist also gering.

bb) Auf der anderen Seite kommt auch der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Meinungsäußerung, der Presse- und der Rundfunkfreiheit ein hoher Rang zu. Dies hat das Bundesverfassungsgericht seit jeher betont (BVerfGE 7, 198 (208); 10, 118 (121); 35, 202 (221 f.); st. Rspr.). Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung umfassender und wahrheitsgemäßer Information der Bürger, welche namentlich der Presse und dem Rundfunk obliegt und Grundvoraussetzung des Prozesses demokratischer Meinungs- und Willensbildung ist. Informations- und Meinungsfreiheit gewinnen bei einem Konflikt mit anderen Rechtsgütern besonderes Gewicht, wenn sie Angelegenheiten betreffen, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühren (vgl. BVerfGE 7, 198 (212), st. Rspr., etwa noch BVerfGE 60, 234 (240) - Kredithaie). Anderes kann gelten, wenn ein solcher Öffentlichkeitsbezug fehlt und lediglich der Sensation wegen berichtet wird oder Angelegenheiten aus der Privatsphäre eines Betroffenen ans Licht gezogen werden (vgl. BVerfGE 34, 269 (283) - Soraya); dies wird von der ratio der besonderen Bedeutung der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG nicht umfaßt.

Die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten werden indes durch die zur Prüfung gestellte Vorschrift nur in geringem Ausmaß beschränkt, weil diese lediglich die wörtliche Wiedergabe des Inhalts der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke verbietet. Zwar wird es dem Berichtenden verwehrt, die Darstellungsform des Zitats zu wählen, der auch bei Tatsachenmitteilungen eine eigene Bedeutung zukommt (oben a bb). Dies setzt jedoch voraus, daß der Inhalt der Aktenteile dem Berichtenden im Wortlaut bekannt ist. Das wird selten der Fall sein, da derartige Informationen sich nicht allgemein zugänglichen Quellen entnehmen lassen. Das strafrechtliche Verfahren etwa ist bis zur Hauptverhandlung nichtöffentlich. Presse und Rundfunk sind bis dahin in aller Regel auf Informationen von dritter Seite angewiesen. Diese werden zumeist keine Erkenntnisse gerade über den Wortlaut der Anklageschrift oder amtlicher Schriftstücke ergeben. Selbst wenn das der Fall ist, ist niemand an einer inhaltlichen Wiedergabe der Informationen gehindert. Insgesamt werden mithin die durch Art. 5 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheiten durch die zur Prüfung gestellte Vorschrift nicht wesentlich beeinträchtigt.

cc) Hiernach steht die Einschränkung der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG nicht außer Verhältnis zu dem, was mit ihr erreicht wird: dem - freilich wenig wirksamen - Schutz der Rechtsgüter des § 353 d Nr. 3 StGB. Jedenfalls hat das bei Angelegenheiten ohne Öffentlichkeitsinteresse zu gelten. Der strafrechtliche Rechtsgüterschutz vermag die Einschränkung der Freiheiten des Art. 5 Abs. 1 GG aber auch dann zu rechtfertigen, wenn, wie im Ausgangsverfahren, über Verfahren von hoher oder gar höchster öffentlicher Bedeutung berichtet worden ist. Denn es handelt sich auch in Fällen dieser Art nicht darum, Mißstände aufzudecken oder einer Verschleierung von Mißständen entgegenzutreten, so daß die Kontrollaufgabe der Presse ins Spiel käme; die - mutmaßlichen - Mißstände sind vielmehr gerade von den zuständigen staatlichen Organen aufgegriffen, und die Verantwortlichkeiten werden geklärt. Es geht daher lediglich um öffentliche Information über diese Tätigkeit der Justiz. Insoweit ist die Berichterstattung stets erlaubt. Der Öffentlichkeit werden keine Informationen vorenthalten. Daß der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Prozeß freier Meinungsbildung und zureichende Information als dessen Voraussetzung zumindest in Fällen solch hoher öffentlicher Bedeutung einer Angelegenheit durch das Verbot wörtlicher Wiedergabe der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke des Verfahrens nennenswert behindert würden, ist nicht erkennbar.

II.

Die Abgrenzung, die § 353 d Nr. 3 StGB zwischen strafbaren und nicht strafbaren Formen öffentlicher Mitteilungen vornimmt, verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

1. Unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes kann dem Gesetzgeber auch im Bereich des Strafrechts nicht entgegengehalten werden, daß eine andere Regelung möglicherweise zweckmäßiger oder gerechter wäre; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nur vor, wenn sich für eine tatbestandliche Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund nicht finden läßt (BVerfGE 4, 352 (355 f.); 47, 109 (124 f.)). Im übrigen ist es Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, mit welcher Ausgestaltung des Tatbestandes einer Strafnorm er die von ihm verfolgten Zwecke durchzusetzen sucht. Durch Art. 3 Abs. 1 GG ist er dabei nur insoweit gebunden, als die gewählte Tatbestandsfassung durch sachliche Erwägungen hinreichend begründet sein muß (BVerfGE 45, 187 (268) - Lebenslange Freiheitsstrafe).

2. Für die Differenzierung zwischen den in § 353 d Nr. 3 StGB verbotenen öffentlichen Mitteilungen im Wortlaut und straffreien nichtwörtlichen Mitteilungen lassen sich zwei sachliche Gründe aufweisen. Zum einen sind der oben (I 3 a bb) dargelegte graduelle Unterschied der verschiedenen Arten der Berichterstattung und dessen Bedeutung für die beiden Schutzzwecke des § 353 d Nr. 3 StGB maßgebend: Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, daß Veröffentlichungen im Wortlaut eine größere Gefahr für die Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten und den vom Verfahren Betroffenen enthalten als eine lediglich inhaltlich berichtende Veröffentlichung in nichtwörtlicher Rede. Zum anderen dient die gegenüber früheren Strafbestimmungen geänderte Tatbestandsfassung der Rechtsklarheit. Nach den früheren Bestimmungen machte sich auch strafbar, wer durch die Presse amtliche Schriftstücke aus dem Verfahren nur sinngemäß öffentlich wiedergab. Das führte in der Rechtsprechung zu Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen - straffreien - Berichten über die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat und - strafbaren - Berichten über amtliche Schriftstücke eines Strafprozesses (vgl. hierzu Träger in: Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 353 d Rdnr. 57). Diese sind durch die Beschränkung auf das Verbot öffentlicher Mitteilungen im Wortlaut beseitigt.

3. Wenn § 353 d Nr. 3 StGB ferner nur die öffentliche Mitteilung amtlicher Schriftstücke eines Straf-, Bußgeld- oder eines Disziplinarverfahrens, nicht hingegen eines Verfahrens etwa der Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit verbietet, so besteht auch für diese Differenzierung ein sachlich einleuchtender Grund. Die von der Strafnorm umfaßten Verfahrensarten betreffen Verfehlungen einzelner Mitbürger, so daß der Schutz des Verfahrensbetroffenen vor Bloßstellung ungleich bedeutsamer ist als in anderen Verfahren. Davon abgesehen richtet sich gerade in Strafverfahren das Interesse der Öffentlichkeit erfahrungsgemäß nicht allein auf die jeweilige Tat, sondern auch auf die Person des Täters. Demgegenüber wird sich die Öffentlichkeit in aller Regel für die Person einer Prozeßpartei aus anderen Gerichtsbarkeiten weniger interessieren.

4. Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt schließlich darin, daß die zu prüfende Norm nur öffentliche Mitteilungen erfaßt, während nichtöffentliche Mitteilungen straffrei bleiben. Auch diese Differenzierung erscheint sachlich begründet. Durch nichtöffentliche Mitteilungen wird die Person des Verfahrensbetroffenen weniger bloßgestellt als durch öffentliche Berichte etwa in der Presse. Zudem läßt sich auf diesem Wege ungleich schwieriger auf Verfahrensbeteiligte Einfluß nehmen, so daß die Wahrscheinlichkeit einer solchen Einflußnahme äußerst gering sein dürfte.

III.

Der Gültigkeit des § 353 d Nr. 3 StGB steht endlich nicht der von dem vorlegenden Gericht hervorgehobene Umstand entgegen, daß es im Hinblick auf die kurze presserechtliche Verjährung gezwungen gewesen sei, selbst die von den Angeklagten verbotenerweise im Wortlaut veröffentlichten Aktenauszüge als Beweismittel in der Verhandlung wörtlich zu verlesen und zu erörtern. Darin mag in der Tat eine gewisse Ungereimtheit liegen, die allerdings nicht die Regel ist, sondern sich nur aus einer besonderen prozessualen Situation ergeben hat. Verfassungsrechtliche Einwände gegen die zur Prüfung gestellte Vorschrift lassen sich daraus nicht herleiten.