LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.10.1998 - L 11 KA 74/98
Fundstelle
openJur 2011, 83726
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. S 19 Ka 13/95
  • nachfolgend: Az. B 6 KA 1/99 R
Tenor

Die Berufungen der Klägerin zu 1), der Klägerin zu 2) und des Beigeladenen zu 7) gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.03.1998 werden zurückgewiesen. Die Klägerinnen zu 1) und 2) und der Beigeladene zu 7) haben die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachfolgebesetzung eines Vertragsarztsitzes für Radiologie in K. (§ 103 Abs. 4 SGB V).

Der Zulassungsausschuß für Ärzte D. ließ den Beigeladenen zu 8) als Arzt für Radiologische Diagnostik mit Beschluss vom 16.09.1992 zum 01.10.1992 als Vertragsarzt für den Vertragsarztsitz H., K., zur vertragsärztlichen Versorgung zu. Dieser Vertragsarztsitz ist mit der Praxisanschrift des Beigeladenen zu 7) identisch. Der Beigeladene zu 8) war in dieser Praxis zuvor vom 01.04.1992 bis zum 30.09.1992 zur Absolvierung der Vorbereitungszeit tätig. Ab dem 01.10.1992 führte er mit dem Beigeladenen zu 7) eine genehmigte "Gemeinschaftspraxis". Ein schriftlicher Gemeinschaftsvertrag existiert nicht. Nachdem der Beigeladene 8) zu Beginn des 4. Quartals 1992 erkrankte, schied er aus der "Gemeinschaftspraxis" aus, deren Ende der Zulassungsausschuß mit Beschluss vom 09.12.1992 zum 31.12.1992 feststellte. Als Vertreter für den Beigeladenen zu 8) war zunächst der Arzt für Radiologie B. in der Praxis des Beigeladenen zu 7) tätig.

Dieser erhielt im 1. Quartal 1993 eine eigene Zulassung und führte mit dem Beigeladenen zu 7) eine Gemeinschaftspraxis bis zu deren Auflösung zum 01.01.1997.

Dem Antrag des Beigeladenen zu 8) vom 16.11.1992, seine Zulassung zum 01.01.1993 für ein Jahr ruhend zu stellen, gab der Zulassungsausschuß mit Beschluss vom 01.12.1992 statt. Der Beigeladene zu 8) übernahm zum 01.04.1993 eine Tätigkeit als Oberarzt der Radiologisch-Nuklearmedizinischen Abteilung des SB-Hospitals in KL. Im November 1993 beantragte er, das Ruhen der Zulassung um sechs Monate zu verlängern. Gleichzeitig erstrebte er die Erteilung einer Ermächtigung. Mit Beschluss vom 012.1993 lehnte der Zulassungsausschuß den Ruhensantrag ab; die Aufnahme einer vertragsärztlichen Tätigkeit in angemessener Frist sei nicht zu erwarten. Mit Beschluss vom 05.01.1994 stellte der Zulassungsausschuß das Ende der Zulassung des Beigeladenen zu 8) zum 31.12.1993 fest. Im Januar 1994 beantragte der Beigeladene zu 8) seine Zulassung als Vertragsarzt für den Vertragsarztsitz KL die ihm zum 01.07.1994 erteilt wurde. Zugleich verzichtete er am 17.01.1994 gegenüber dem Zulassungsausschuß rückwirkend zum 31.12.1993 auf seine Zulassung als Vertragsarzt in K. Mit Schreiben vom 17.03.1994 bat er die Klägerin zu 1), seinen Vertragsarztsitz in K. für eine Neubesetzung auszuschreiben.

Die Klägerin zu 1) schrieb den ehemals dem Beigeladenen zu 7) zugewiesenen Vertragsarztsitz im Rheinischen Ärzteblatt vom 26.04.1994 mit dem Text "Kreis K. - Arzt für Radiologie" aus. Hierauf bewarben sich drei Fachärzte für Radiologie, nämlich die Klägerin zu 2), Dr. S. und Herr M ... Letzterer zog seine Bewerbung am 09.01.1995 zurück. Mit Beschluss vom 11.01.1995 erteilte der Zulassungsausschuß Dr. S. "die Zulassung auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz für Radiologie des Herrn Dr. med. O. in K." Gleichzeitig lehnte der Zulassungsausschuß den Antrag der Klägerin zu 2) ab. Für die Auswahl des Dr. S. sei entscheidend gewesen, daß er die qualifiziertere radiologische Weiterbildung habe und insbesondere Kenntnisse in der Computertomographie und Kernspintomographie vorweisen könne. Im Rahmen der Ermessensausübung sei auch berücksichtigt worden, daß es sich um einen Einstieg in eine Gemeinschaftspraxis handele, die Praxisinhaber Dr. W./B. mit der Aufnahme des Dr. S. einverstanden seien und mit ihm die Praxis um den Bereich Kernspintomographie erweitert werden könne.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch hat die Klägerin zu 2) geltend gemacht, der Zulassungsausschuß habe sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie verfüge über das höhere Approbationsalter, sei länger ärztlich tätig und bereits länger in die Warteliste eingetragen. Es gehe nicht um die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in eine Gemeinschaftspraxis, sondern um die Nachbesetzung einer radiologischen Einzelpraxis. Der Beigeladene zu 8) sei bereits Ende 1992 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden.

Durch Beschluss vom 07.06.19995 hob der Beklagte den Beschluss des Zulassungsausschusses auf und wies die Anträge der Klägerin zu 2) und des Dr. S. auf Zulassung als Nachfolger für den früheren Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 8) zurück. Der Planungsbereich K. sei seit dem02.09.1993 für Radiologen gesperrt. Die Vorschrift des § 103 Abs. 4 SGB V ermögliche die Zulassung nicht. Denn hiermit würde die Wiederbesetzung von Vertragsartzsitzen in gesperrten Planungsregionen geregelt, um den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen zur Konkretisierung des sozialpflichtigen Eigentums Rechnung tragen. Ratio des Gesetzes sei die Werterhaltung der freiberuflichen Praxis durch eine öffentlichrechtlich regulierte Nachfolge der Zulassung. Demgemäß knüpfe die Vorschrift nicht allein an das Ende der Zulassung eines Vertragsarztes an, sondern verlange weiter, daß "die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt" werde. Allein die öffentlichrechtliche Zulassung sei keine fortzuführende Praxis. Es finde sich im Gesetz und den Materialien keinerlei Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber die öffentlichrechtliche Zulassung zu einem Handelsobjekt habe machen wollen. Die Durchbrechung der Zulassungssperre rechtfertige sich vielmehr allein daraus, daß der aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausscheidende Arzt im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit eine Praxis aufgebaut und eingerichtet habe, die einen Vermögenswert habe, der mit der Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht verloren gehen solle. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses am 11.01.1995 habe eine Praxis des Beigeladenen zu 8), um deren Werterhaltung es nur gehen könne, nicht bestanden. Der Beigeladene zu 8) sei bereits seit dem 31.12.1992 nicht mehr Partner der zu diesem Zeitpunkt aufgelösten Gemeinschaftspraxis gewesen. Er habe auch keine Einzelpraxis betrieben, sondern sei aufgrund des genehmigten Ruhens überhaupt nicht mehr vertragsärztlich tätig gewesen. Auch als er mit Schreiben vom 17.03.1994 die Ausschreibung seines "ehemaligen Vertragsarztsitzes" in K. für die Neubesetzung beantragt habe, sei er mehr als 14 Monate nicht mehr Mitglied der Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 7) gewesen; dieser habe längst einen neuen Partner aufgenommen. Der Beigeladene zu 8) habe die Praxis, die durch einen Nachfolger hätte fortgeführt werden können, nicht mehr besessen. Ohnehin könne durch die Ausschreibung kein Wert der früheren Praxis in K. erhalten werden, denn der Beigeladene zu 8) habe mitgeteilt, daß er am Praxisvermögen des Beigeladenen zu 7) zu keiner Zeit beteiligt gewesen sei. Es dränge sich der Verdacht auf, daß der Beigeladene zu 8) zu keinem Zeitpunkt daran interessiert gewesen sei, zur Wahrung eigener wirtschaftlicher Interessen von der gesetzlichen Möglichkeit der Nachfolgebesetzung Gebrauch zu machen, er dieses Verfahren vielmehr ausschließlich im Interesse seines früheren Partners der längst beendeten Gemeinschaftspraxis betreibe.

Hiergegen hat die Klägerin zu 1) Klage erhoben und vorgetragen: Der Radiologe Dr. S. sei zuzulassen. Das Ausschreibungsverfahren sei zu Recht durchgeführt worden. Der Zulassungsausschuß habe zutreffend entschieden. § 103 Abs. 4 SGB V verlange lediglich, daß eine Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden solle. Zum Zeitpunkt der Ausschreibung müsse eine Praxis betrieben werden. Im Fall einer Gemeinschaftspraxis werde ein Praxisbetrieb auch dann fortgeführt, wenn einer der Partner zeitweilig nicht mehr tätig sei. Das treffe hier zu, denn die Gemeinschaftspraxis zwischen den Beigeladenen zu 8) und 7) sei vom Beigeladenen zu 8) nicht ausdrücklich beendet worden.

Die Klägerin zu 1) hat beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 07.06.1995 aufzuheben und diesen zu verpflichten, über den Widerspruch der Klägerin zu 2) gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte D. vom 11.01.1995 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Klägerin zu 2) hat beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 07.06.1995 insoweit aufzuheben, als der Antrag der Klägerin zu 2) auf Zulassung für den Vertragsarztsitz für Radiologie, K., abgelehnt worden ist, und den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu 2) als Vertragsärztin für Radiologie in K. zuzulassen, hilfsweise, den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Neubescheidung ihres Widerspruchs gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte D. vom 11.01.1995 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Sie hat geltend gemacht: Für die Zulassung eines Bewerbers im Nachbesetzungsverfahren seien nur zwei Voraussetzungen zu erfüllen, nämlich das Ende der Zulassung des Vertragsarztes sowie der Antrag auf Ausschreibung durch den bisherigen Vertragsarzt oder dessen Erben. Beide Voraussetzungen seien erfüllt. Nunmehr hätten die Zulassungsgremien unter den Bewerbern nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Auswahl müsse zu ihren Gunsten ausfallen. Dies gelte umsomehr, als der einzig verbliebene Mitbewerber Dr. S. mit Schreiben vom 24.11.1995 an den Zulassungsausschuß seinen Antrag auf Zulassung zurückgenommen habe, weil er seit dem 06.12.1995 in Niedersachsen zugelassen ist. Andere Bewerber gebe es nicht.

Das Sozialgericht Duisburg hat die Klagen mit Urteil vom 18.03.1998 abgewiesen. Es hat die Rechtsauffassung des Beklagten bestätigt.Eine Praxis des Beigeladenen zu 8), die hätte fortgeführt werden können, habe zum Zeitpunkt der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens nicht mehr existiert. Die Weitergabe allein einer öffentlichrechtlichen Zulassung bzw. eines öffentlichrechtlichen Vertragssitzes sei gesetzeswidrig. Überdies müsse zwischen dem Ende der Zulassung und der Absicht, die Praxis fortzuführen, ein zeitlicher Zusammenhang bestehen. Die Zulassung erlösche, wenn bei Zulassungsende kein Antrag auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes gestellt worden sei.

Hiergegen haben die Klägerin zu 1), die Klägerin zu 2) und der Beigeladene zu 7) Berufung eingelegt.

Die Klägerin zu 1) trägt vor: Die vom Beklagten vertretene Rechtsansicht sei fehlerhaft, denn er habe nicht berücksichtigt, daß die Praxis des Beigeladenen zu 8) nicht als Einzelpraxis geführt worden, vielmehr in die Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 7) integriert gewesen sei. Allein deswegen habe ein wirtschaftlicher Wert bestanden, der dem Schutzzweck des § 103 Abs. 4 SGB V unterliege. Die Praxis sei einseitig fortgeführt worden. Auch nach Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 21.08.1997 - L 5 Ka 27/96 - diene § 103 Abs. 4 SGB V nicht ausschließlich dem Schutz von Vermögensinteressen des ausscheidenden Partners, sondern auch dem Schutz der Kooperation im Sinne eines praktischen Fortbestandes einer Gemeinschaftspraxis. Das LSG Rheinland-Pfalz habe die Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes für rechtmäßig erklärt, obgleich im Entscheidungszeitpunkt die Praxisinhaberin seit 1 1/2 Jahren nicht mehr vertragsärztlich tätig gewesen sei und die Zulassung zum Zeitpunkt der Ausschreibung geruht habe. Schutzzweck des § 103 Abs. 4 SGB V sei neben dem wirtschaftlichen Verwertungsinteresse des Vertragsarztsitzinhabers auch die Fortführung der Gemeinschaftspraxis und die Versorgung der dort befindlichen Patienten.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.03.1998 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 07.06.1995 aufzuheben und den Widerspruch der Klägerin zu 2) zurückzuweisen.

Die Klägerin zu 2) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 18.03.1998 abzuändern, den Bescheid des Beklagten vom 076.06.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin zu 2) als Vertragsärztin für Radiologie in K. zuzulassen.

Sie führt aus: Die Berufung der Klägerin zu 1) sei mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig. Sie - die Klägerin zu 2) - habe sich gegen die Zulassung des Mitbewerbers Dr. S. gewandt. Nachdem dieser seinen Antrag zurückgezogen habe, könne der Beklagte nur die Erledigung feststellen. Nunmehr sei nur noch über den Antrag der Klägerin zu entscheiden. Damit sei das Rechtsschutzinteresse der Klägerin zu 1) zu verneinen. Im übrigen sei die Berufung der Klägerin zu 1) unbegründet. Die Praxis des Beigeladenen zu 8) sei nicht fortgeführt worden. Das Ende der Gemeinschaftspraxis sei zum 31.12.1992 festgestellt worden. Der Beigeladene zu 8) sei Vertragsarzt in K. geblieben, wenngleich seine Zulassung geruht habe. Folgerichtig sei der Vertragsarztsitz sodann ohne Bindung an eine Gemeinschaftspraxis ausgeschrieben worden. Ihre Berufung sei begründet, denn im Gegensatz zur Auffassung des SG Duisburg sei es für die Zulassungsfähigkeit des Bewerbers ausreichend, wenn dieser zur Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit anstelle des bisherigen Vertragsarztes bereit sei. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, daß die Verflüchtigung des immateriellen Wertes der Praxis Dr. O. zu einer Reduzierung des Verkehrswertes der Praxis, hingegen nicht zum Ausschluß der Nachbesetzung des bisherigen Vertragsarztsitzes führen könne. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende der Zulassung und der Absicht, die Praxis von einem Nachfolger fortführen zu lassen, müsse nicht bestehen. Die Voraussetzungen für eine Zulassung im sog. Nachbesetzungsverfahren seien erfüllt, nachdem der einzige verbliebene Mitbewerber seinen Antrag zurückgezogen habe.

Der Beigeladene zu 7) trägt vor: Das Antragsrecht für die Ausschreibung stehe jedem Partner der Gemeinschaftspraxis zu. § 106 Abs. 6 SGB V ordne die angemessene Berücksichtigung der Interessen der anderen Ärzte bei der Wiederbesetzung des Vertragsarztsitzes im Rahmen der Gemeinschaftspraxis nicht nur an, sondern verschaffe ihnen einen vorrangigen Stellenwert. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts komme es im Rahmen des § 103 Abs. 6 SGB V nicht entscheidend auf den Patientenstamm und den Vermögensanteil am Gesamthandvermögen an. Maßgebend sei vielmehr die ärztliche Tätigkeit zur Erzielung eines auch zur Kostendeckung bestimmten Umsatzes im Rahmen der Gemeinschaftspraxis. Daß es unwesentlich sei, ob der Arzt zum Zeitpunkt des Antrages auf Ausschreibung noch eine Praxis betreibe, zeige § 103 Abs. 4 SGB V. Mit dem Tode des Arztes erlösche dessen Praxistätigkeit. Dennoch könnten die Erben den Antrag auf Ausschreibung stellen. Die Klägerin u 2) wolle sich nicht in der Gemeinschaftspraxis niederlassen. Ihr gehe es nur darum, mittels einer Zulassung in Verbindung mit dem Krankenhaus Vertragsarztsitze von der Gemeinschaftspraxis abzuziehen.

Der Beigeladene zu 7) beantragt,

Die Berufungsführer beantragen im übrigen wechselseitig,

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge der Klägerin zu 1) und des Zulassungsausschusses zu den Ausschreibungsverfahren Dr. O. und Dr. S. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässigen Berufungen sind unbegründet.

1. Die Berufung der Klägerin zu 1) ist zulässig.

Es fehlt nicht an der für eine Nachprüfung des Berufungsurteils im Rechtsmittelzug erforderlichen rechtlichen Beschwer (vgl. dazu BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 9 S. 27 ff m.w.N.). Die Belange der Klägerin zu 1) werden durch die Entscheidung des Berufungsausschusses vordergründig zwar nicht berührt. Das Gesetz gesteht den Kassenärztlichen Vereinigungen aber wegen ihrer Aufgabenstellung ein umfassendes rechtlich geschütztes Interesse an der Regelung von Zulassungsangelegenheiten zu, was darin zum Ausdruck kommt, daß ihnen neben Antrags- und Beteiligungsrechten im Verwaltungsverfahren (vgl. u.a. §§ 27 S. 2,37 Abs. 2 , 45 Abs. 3 Ärzte-ZV) in § 96 Abs. 4 S 1 SGB V ein selbständiges Anfechtungsrecht gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse eingeräumt wird. Im Unterschied zu den Krankenkassen und ihren Verbänden (hierzu BSGE 29, 65, 66 = SozR Nr. 32 zu § 368a RVO und SozR 3-2500 § 106 Nr. 18 S. 97 ff) sind Kassenärztliche Vereinigungen jedoch aufgrund der ihnen übertragenen Verantwortung für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs. 1 SGB V) durch Entscheidungen der Zulassungs- und Berufungsausschüsse stets und unmittelbar in eigenen Rechten betroffen. Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall im Prozeß geltend zu machen (so BSG SozR 3-2500 § 119 SGB V Nr. 1 und BSG SozR 3-2500 § 3 11 SGB V Nr. 4 - Beiladung -).

Die Berufung der Klägerin zu 1) ist auch nicht deswegen unzulässig, weil sich die Hauptsache vor Einlegung des Rechtsmittels erledigt hätte (hierzu LAG Köln vom 29.07.1992 - 7 Ssa 335/92 - in MDR 1993, 578). Die Klägerin zu 1) hatte schriftsätzlich den Antrag angekündigt, unter Abänderung des sozialgerichtlichen Urteiles den Beschluss des Beklagten vom 07.06.1995 aufzuheben und diesen zu verpflichten, über den Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Die Klägerin zu 2) verweist zutreffend darauf, daß dieser Antrag unzulässig war. Widerspruchsführerin war allein die Klägerin zu 2). Mit der Erledigung des Zulassungsantrags des Mitbewerbers Dr. S. konnte der Beklagte auf den Widerspruch der Klägerin zu 2) nur noch über deren Zulassung entscheiden. Damit war ein von der formellen Beschwer unabhängiges Rechtschutzinteresse (hierzu Senatsurteil vom17.06.1998 - L 11 KA 125/98 -) nicht mehr ersichtlich. Die Klägerin zu 1) hat ihren Antrag in der mündlichen Verhandlung umgestellt. Sie begehrt nunmehr, daß der Widerspruch der Klägerin zu 2) unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zurückgewiesen werden möge. Dies ist zulässig; eine Klageänderung im Sinn der §§ 99 Abs. 1, 153 Abs. 1 SGG liegt hierin wegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGG nicht. Die Zurückweisung des Widerspruchs der Klägerin zu 2) hätte zur Folge, daß der ausgeschriebene Vertragsarztsitz nicht besetzt werden kann und nunmehr erneut ausgeschrieben werden müßte. Dies entspricht dem Interesse der Klägerin zu 1), wenn sie - entsprechend ihrem bisherigen prozessualen Verhalten - die Zulassung der Klägerin zu 2) verhindern will.

2. Die Berufungen der Klägerin zu 1) und der Klägerin zu 2) sind unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Zutreffend hat der Beklagte den Beschluss des Zulassungausschusses, durch den Dr. S. zugelassen wurde, auf den Widerspruch der Klägerin zu 2) aufgehoben und die Zulassungsanträge der Klägerin zu 2) und des Dr. S. zurückgewiesen.

a) Der Planungsbereich K. ist jedenfalls seit dem 02.09.1993 für Zulassungen von Radiologen gesperrt. Demgemäß kommt eine Zulassung der Klägerin zu 2) nur nach Maßgabe des § 103 Abs. 4 SGB V in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind indessen nicht erfüllt. Nach § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben diesen Vertragsarztsitz unverzüglich auszuschreiben, wenn

- die Zulassung des Vertragsarztes in einem gesperrten Planungsbereich durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet und - die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll.

aa) Erstgenannte Voraussetzung liegt vor. die Zulassung des Beigeladenen zu 8) endete zum 31.12.1993 (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 05.01.1994). Da der Beigeladene zu 8) seine vertragsärztliche Tätigkeit zum 01.01.1994 nicht wieder aufgenommen hat, konnte der Zulassungsausschuß von Amts wegen die Zulassung entziehen (§ 27 Ärzte-ZV i.V.m. § 95 Abs. 6 SGB V). Ob der Beigeladene zu 8) bei dieser Sachlage noch unter dem 17.01.1994 rechtswirksam erklären konnte, auf die Zulassung zum 31.12.1993 zu verzichten, kann hier dahinstehen. Welcher der Beendigungstatbestände des § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V den Weg in die Anwendung der Nachfolgeregelung eröffnet, ist unbeachtlich, solange nur einer dieser Tatbestände vorliegt.

bb) Die Praxis kann indessen nicht von einem Nachfolger fortgeführt werden. Eine fortzuführende Praxis existiert nicht. Eine Arztpraxis ist die Gesamtheit all dessen, was die gegenständliche und personelle Grundlage der Tätigkeit des in freier Praxis tätigen Arztes bei der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben bildet "(Rieger, Lexikon des Arztrechts, 1984, Stichwort, "Arztpraxis", Preißler, MedR 1994, 2423, 243; ders. in Praxis der Fortführung von Arztpraxen, 1. Auflage 1998, Rdn. 26). Hierzu rechnet auch der Patientenstamm (BGH NJW 1980, 2000) sowie der Privatpraxisanteil (Preißler a.a.O. Rdn. 26). Diese Arztpraxis ist als Vermögensgesamtheit übertragbar (vgl. Kuhn/Uhenbruck, Konkursordnung, 11 Auflage, 1994, § 1 Rdn. 78a m.w.N.; Hencke, SGB V, § 103 Rdn. 1 m.w.N.; BGH NJW 1992, 737 ff; hierzu ausführlich Senatsbeschluß vom 12.03.1997 NJW 1997, 2422 ff) und hat einen einheitlichen Verkehrswert (Cramer, MedR 1992, 313; Preißler a.a.O.).

Eine solchermaßen definierte Arztpraxis des Beigeladenen zu 8) bestand nie, nämlich weder zum Zeitpunkt

- seines Ausscheidens aus der "Gemeinschaftspraxis" mit dem Beigeladenen zu 7) noch - der Ausschreibung durch die Klägerin zu 1) im Rheinischen Ärzteblatt vom 26.04.1994 noch - der Entscheidung des Zulassungsausschusses am 11.01.1995 oder - später.

Zwar hat der Zulassungsausschuß die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit des Beigeladenen zu 8) mit dem Beigeladenen zu 7) zum 01.10.1992 gem. § 33 Abs. 2 Ärzte-ZV durch Beschluss vom 16.09.1992 genehmigt. Hieraus folgt allerdings nicht, daß die Beigeladenen zu 7) und 8) eine Gemeinschaftspraxis tatsächlich gegründet und ausgeübt haben. Die Genehmigung ist insoweit nicht konstitutiv. Sie ist lediglich die Grundlage dafür, daß eine bürgerlichrechtlich vereinbarte Gemeinschaftspraxis mit öffentlichrechtlichen Wirkungen betrieben werden darf. Zur Überzeugung des Senats ist eine Gemeinschaftspraxis zwischen den Beigeladenen zu 7) und 8) nicht gegründet worden. Einen schriftlichen Vertrag konnten die Beteiligten und insbesondere der Beigeladene zu 7) nicht vorlegen. Denn ein solcher ist - schriftlich - nach übereinstimmender Erklärung der Beigeladenen zu 7) und 8) nicht zustandegekommen. Schriftform ist allerdings nicht vorgeschrieben. Mutet es schon befremdlich an, daß der Gesellschaftsvertrag einer radiologischen Gemeinschaftspraxis nur mündliche geschlossen worden sein soll, belegt das Schreiben des Beigeladenen zu 8) vom 19.10.1998 unmißverständlich, daß es auch zu einem mündlichen Vertragsschluß niemals gekommen ist. Der Beigeladene zu 8) hat ausdrücklich erklärt, daß er mit dem Beigeladenen zu 7) längere Zeit verhandelt habe, eine Einigung indessen nicht (!!) zustandegekommen und er deshalb zum 31.12.1992 ausgeschieden sei. Vor dem Sozialgericht hat er zudem darauf hingewiesen, am Praxisvermögen des Beigeladenen zu 7) niemals beteiligt gewesen zu sein. Dem entspricht, daß der Beigeladene zu 7) in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.1998 ausgeführt hat, es sei eine langfristige paritätische Gemeinschaftspraxis geplant (!) gewesen. Das Schreiben der Beigeladenen zu 7) und 8) vom 12.11.1992 ändert an dieser Beurteilung nichts. Zwar teilen beide mit, dieGemeinschaftspraxis werde zum 01.01.1993 einvernehmlich aufgelöst. Hieraus indes kann nicht gefolgert werden, daß die Beigeladenen zu 7) und 8) eine Gemeinschaftspraxis betrieben haben. Der Inhalt dieses an die KV Nordrhein gerichteten Schreibens belegt nur, daß beide die genehmigte "Gemeinschaftspraxis" jedenfalls zum Jahresende öffentlichrechtlich beendet wissen wollten.

Ist sonach eine Gemeinschaftspraxis nicht zustandegekommen, fehlt es an jeglichem Substrat, daß als Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden könnte.

Der Beigeladene zu 8) hatte daneben - was allein noch in Betracht kommen könnte - auch keine Einzelpraxis. Er leistete in der Praxis des Beigeladenen zu 7) vom 01.04.1992 bis 30.09.1992 seine Vorbereitungszeit ab und wurde mit Beschluss des Zulassungsauschusses vom 16.09.1992 zum 01.10.1992 zugelassen. Schon am 12.11.1992 hat er mitgeteilt, daß die Gemeinschaftspraxis aufgelöst werde; am 16.11.1992 hat er das Ruhen der Zulassung ab 01.01.1993 beantragt. Im Zeitraum vom 01.10.1992 bis 31.12.1992 hat sich angesichts dieser zeitlichen Abläufe schwerlich ein "Praxis" im oben definierten Sinn gebildet. Vollends zu verneinen ist dies, weil der Beigeladene zu 8) nach Gründung der vorgeblichen Gemeinschaftspraxis zum 01.10.1992 sogleich "zu Beginn des vierten Quartal 1992 erkrankte und eine längerfristige Arbeitsunfähigkeit absehbar war", wie der Beigeladene zu 7) vor dem Senat ausgeführt hat.

Selbst wenn der Senat unterstellt, daß eine Gemeinschaftspraxis bestanden oder der Beigeladene zu 8) sonst eine Praxis hatte, ändert sich nichts. Denn jedenfalls als die Praxis am 26.04.1994 ausgeschrieben wurde, existierte sie lange nicht mehr. Der Beigeladene zu 8) ist angesichts der zeitlichen Zusammenhänge allenfalls kurz Inhaber eines Gemeinschaftspraxisanteils gewesen. Daß er in dieser Zeit nachhaltig und dauerhaft übertragbare Vermögenswerte einschließlich eines Patientenstammes geschaffen haben könnte, ist nicht feststellbar. Daß er es tatsächlich getan hat, ist nicht einmal vorgetragen. Insbesondere ein etwa vorhandener Patientenstamm des Beigeladenen zu 8) hat sich bis zum 26.04.1994 "verflüchtigt". Näherer Feststellungen hierzu bedarf es nicht. Denn die Annahme, der Beigeladene zu 8) habe sich in seiner Vorbereitungszeit vom 01.04 bis 30.09.1992 einen beständigen Patientenstamm geschaffen, der noch sieben Monate später vorhanden gewesen sein soll, obgleich er in der vorgeblichen Gemeinschaftspraxis ab dem 01.10.1992 nicht mehr tätig war, ist ersichtlich abwegig. Letztlich kann auch dies offen bleiben. Denn daß ein "Praxiswert" zum Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses am 11.01.1995 noch vorhanden war, ist nicht ansatzweise erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt bestand seine "Praxis" schon zwei Jahre nicht mehr. Die vorgebliche Gemeinschaftspraxis ist zum 31.12.1992 aufgelöst worden. Eine Einzelpraxis hat der Beigeladene zu 8) nie betrieben. Infolge des genehmigten Ruhens ist er insoweit überhaupt nicht mehr vertragsärztlich tätig gewesen.

Selbst wenn - weiterhin unterstellt - der Beigeladene zu 8) einen eigenen privatrechtlich vermögenswerten Gemeinschaftspraxisanteil erworben haben sollte, ist in diesen als Nachfolger auch i.S.d. § 103 Abs. 4 SGB V der Arzt Bartoldus eingetreten. Denn dieser hat noch im 4. Quartal 1992 zunächst als Vertreter den für den Beigeladenen zu 8 vorgesehenen Bereich der Nuklearmedizin fortgeführt und aufgebaut und nach seiner eigenen Zulassung übernommen, wie der Beigeladene zu 7) vorgetragen hat.

Fehlt es sonach zu jedem denkbarerweise rechtserheblichen Zeitpunkt an einem noch verbliebenen oder auch nur jemals vorhandenen Praxissubstrat, kann die "Praxis" denklogisch nicht von einem Nachfolger fortgeführt werden.

b) Daß die Klägerin zu 1) den Vertragsarztsitz "Kreis K., Arzt für Radiologie" ausgeschrieben hat, ändert hieran nichts. Die Ausschreibung selbst begründet und ändert (selbstverständlich) keinen Vertragsarztsitz, setzt einen solchen vielmehr voraus.

c) Auf die Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz kann sich die Klägerin zu 1) nicht stützen. Selbst wenn § 103 Abs. 4 SGB V auch dem Schutz der Kooperation im Sinne des Fortbestandes einer Gemeinschaftspraxis dienen würde, würde dies die Berufung der Klägerin zu 1) nicht tragen. Eine nach diesem Ansatz schutzwürdige Gemeinschaftspraxis des Beigeladenen zu 7) mit dem Beigeladenen zu 8) hat entgegen der Behauptung des Beigeladenen zu 7) niemals bestanden. Zudem war der Beigeladene zu 8) bereits Ende 1992 aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden. Sein Ruhensantrag datiert vom 16.11.1992. Die Ausschreibung des Vertragsarztsitzes erfolgte hingegen erst im Rheinischen Ärzteblatt vom 26.04.1994. Bei dieser zeitlichen Abfolge kann der Gesichtspunkt des Fortbestandes einer Gemeinschaftspraxis" nicht herangezogen werden. Sie existierte seit nahezu 1 1/2 Jahren nicht mehr.

d) Soweit die Klägerin zu 2) in der Berufung die Auffassung vertritt, der Gesetzgeber verwende in § 103 Abs. 4 SGBV die Begriffe "Vertragsarztsitz" und "Praxis" synonym, so daß es für die Zulassungfähigkeit des Bewerbers ausreiche, wenn dieser zur Fortsetzung der vertragsärztlichen Tätigkeit des bisherigen Vertragsarztes bereits sei, folgt der Senat dem nicht. Daß beide Begriffe einen unterschiedlichen Inhalt haben, folgt schon aus allgemeinem Sprachgebrauch, denn der Terminus "Vertragsarztsitz" hat im Gegensatz zu "Praxis" mit seinem letzten Wortteil einen örtlichen Bezug. Deswegen ist schwerlich anzunehmen, daß der Gesetzgeber beide Begriffe synonym benutzt hat. Dies wird durch weitere Überlegungen gestützt. Durch welche Umstände der Vertragsarztsitz bestimmt wird, hat der Senat im Beschluss vom 12.03.1997 - L 11 SKa 85/97 - in NJW 1997, 2422 ff dargelegt und im Urteil vom 07.10.1998 - L 11 KA 62/98 - vertieft. Der Senat ist nach Abwägung aller denkbaren Alternativen zu dem rechtlichen Ergebnis gelangt, daß der Vertragsarztsitz (=Ort der Niederlassung) mit der konkreten Praxisanschrift identisch ist (vgl. auch BSG vom 20.12.1995 - 6 RKa 55/94 - MedR 1996, 473, 474). Zutreffend wird der Vertragsarztsitz in der Literatur auch als "örtlich konkretisierte Planstelle " bezeichnet (Hesral in "Praxis der Fortführung von Arztpraxen", 1. Auflage, 1998, Kapital 3, Rdn. 28, 29, 63). Daß der solchermaßen definierte und auszuschreibende Vertragsarztsitz an die Praxis gebunden ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V (arg. diesen Vertragsarztsitz; so auch Schiller, MedR 1997, 103, 105) und wird vollends deutlich anhand des § 103 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Danach hat der Zulassungsausschuß unter mehreren Bewerbern den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Grundvoraussetzung für die Teilnahme am Auswahlverfahren ist dabei nach Satz 3, daß der Bewerber die Praxis als Nachfolger fortführen will. Ist das zu verneinen, scheidet dieser Bewerber von vornherein aus dem Auswahlverfahren aus. Auch das Ermessenskriterium "Eignung" in Satz 4 ist nicht als umfassende medizinische Ausbildung zu verstehen (vgl. Hesral a.a.O. Rdn. 130 ff m.w.N.), sondern in dem Sinn, daß das Eignungsprofil des Bewerbers mit dem Anforderungsprofil der Praxis möglichst deckungsgleich sein muß. Das Bewerbungsverfahren hat sich daher an der konkreten Praxis zu orientieren. § 103 Abs. 4 SGB V bezweckt nicht, daß Zulassungen zu einem Handelsgut verkommen, sondern will, daß die konkrete Praxis fortgeführt wird. Scheitert dies letztlich daran, daß der derzeitige Praxisinhaber bzw. seine Erben sich mit dem vom Zulassungsausschuß ausgewählten Bewerber zivilrechtlich nicht einig werden, erlischt der Vertragsarztsitz.

Auch historisch ist belegt, daß "Vertragsarztsitz" und "Praxis" nicht gleichzusetzen sind. Der "Vertragsarztsitz" hat im Gegensatz zur "Praxis" rechtlich keinen Vermögenswert. Die durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20.12.1988 zum 01.01.1989 in das SGB V als § 103 eingeführte Vorschrift schließt an den früheren § 368t Abs. 5 bis 9 RVO an. Eine dem jetzigen Absatz 4 vergleichbare Regelung war weder in der RVO noch in § 103 SGB V vorhanden. Allerdings ist durch das GRG die Vorschrift des § 16c Ärzte-ZV eingeführt worden. Die derzeitige Fassung des § 103 Abs. 4 SGB V ist zum 01.01.1993 mit dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21.12.1992 in Kraft getreten. Gleichzeitig wurde § 16c Ärzte-ZV durch Art. 9 und 10 GSG aufgehoben. Durch § 103 Abs. 4 SGB V sind über § 16c Ärzte-ZV hinaus zusätzliche Kriterien geschaffen worden, die wegen der verschärften Bedarfsplanung an die Bewerberauswahl stärkere Anforderungen stellen. Abweichend von § 16c Ärzte-ZV a.F. sind z.B. nun auch Ehegatten, Kinder und bisherige Praxispartner in das Auswahlverfahren einzubeziehen. Zudem finden die wirtschaftlichen Interessen des Praxisveräußerers nur noch bis zur Höhe des Verkehrswertes der Praxis Berücksichtigung. Schließlich zeigen auch die Gesetzesmaterialien auf, daß der Vertragsarztsitz keinen Vermögenswert hat und damit mit der "Praxis" nicht identisch ist. In BT-Drucks. 12/3937 heißt es, trotz Überversorgung in einem bestimmten Gebiet ermögliche es die Vorschrift, eine Kassenpraxis zum Verkehrswert zu veräußern; es müsse aber berücksichtigt werden, daß das Eigentum an einer Kassenarztpraxis maßgeblich von der öffentlichrechtlichen Zulassung geprägt werde; der Gesetzgeber sei nicht gehalten, wertsteigernde oder wertbegründende Entscheidungen des Staates dem Inhaber des Eigentumsrechts als eigenen Verdienst zuzurechnen; Diese Regelung stelle eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht des niedergelassenen Arztes und seiner Erben vor dem Hintergrund eines gesperrten Bezirk dar. Hieraus wird deutlich, daß es im Gesetzgebungsverfahren nicht darum ging, dem Vertragsarztsitz einen - wie auch immer gearteten - Vermögenswert beizumessen. Im Gegenteil belegen die Materialien insoweit, daß genau dies verhindert werden sollte. Nur aus Gründen des Eigentumsschutzes der zivilrechtlichen materiellen und immateriellen Praxisbestandteile, die weitgehend entwertet würden, wenn der öffentlichrechtliche Vertragsarztsitz völlig unabhängig von den Interessen der Erben neu besetzt würde, hat der Gesetzgeber den Erben eine eingeschränkte Einflußmöglichkeit auf die Wahl des Nachfolgers eingeräumt. Ausgehend hiervon unterliegen mangels Vermögenswert (§ 1 KO) weder die Zulassung noch der Vertragsarztsitz der Beschlagnahme (eingehend hierzu Senatsbeschluß vom 12.03.1997 - L 11 SKa 85/97 - a.a.O. und Senatsurteil vom 07.10.1998 - L 11 KA 62/98 -). Daß ein Vertragsarzt seine Zulassung oder seinen Vertragsarztsitz einem anderen Arzt schlicht überläßt, ist im übrigen rechtlich ausgeschlossen. Hierdurch würde sowohl jegliche Bedarfsplanung (§§ 99 ff SGB V) unterlaufen als auch die in §§ 20, 21 Ärzte-ZV aufgeführten (negativen) Eignungsvoraussetzungen hinfällig.

e) Ob dem Begehren der Klägerin zu 2) schließlich auch entgegensteht, daß zwischen dem Ende der Zulassung und der Absicht, die Praxis von einem Nachfolger fortführen zu lassen, ein zeitlicher Zusammenhang bestehen muß, kann im Ergebnis dahinstehen. Daß das Antragsrecht nach Zulassungsende nicht zeitlich unbegrenzt bestehen kann, ergibt sich auch aus dem Wesen der Bedarfsplanung (Möller in MedR 1994, 218, 220). Um planungsrechtlich eindeutige Verhältnisse zu haben, liegt es nahe, daß die Zulassung erlischt, wenn bei Zulassungsende kein Antrag auf Ausschreibung gestellt worden ist (vgl. Hess in Kasseler Kommentar, § 103 SGV Rdn. 23). Andererseits wird die Auffassung vertreten, daß dem abgebenden Vertragsarzt in Anlehnung an § 19 Abs. 3 Ärzte-ZV eine Dreimonatsfrist eingeräumt werden sollte (Hesral a.a.O. Rdn. 101, Seinhilper in MedR 1994, 227, 228). Der Senat entscheidet diese Rechtsfrage nicht; sie ist nicht entscheidungserheblich, weil schon keine fortzuführende "Praxis" mehr vorhanden ist und eine Ausschreibung demgemäß leer läuft.

Die Berufung der Klägerin zu 1) konnte sonach keinen Erfolg haben, weil eine einem Nachfolger zu übertragende und von ihm fortzuführende Praxis nicht mehr vorhanden war, mithin der Beklagte die Zulassungsanträge der Klägerin zu 2) und des Dr. S. zu Recht zurückgewiesen hat. Die Berufung der Klägerin zu 2) konnte aus demselben Grund keinen Erfolg haben. Zudem besteht eine Zulassungssperre.

3. Die Berufung des Beigeladenen zu 7) ist zulässig. Als Grundsatz gilt, daß alle Beigeladenen Rechtsmittel einlegen können, soweit sie durch das Urteil materiell beschwert sind. Eine solche Beschwer ergibt sich allerdings weder allein aus der Stellung als Beteiligter eines Verfahrens noch aus der damit verknüpften Bindung an ein über den Streitgegenstand erlassenes rechtskräftigesUrteil (vgl.: BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 9 m.w.N.; BVerwGE 87, 332, 337). Sie setzt vielmehr voraus, daß die angefochtene Entscheidung in eigene Rechtspositionen des Beigeladenen eingreift (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 12). Das ist hier indessen der Fall, weil nach § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V die Interessen des in der Praxis verbliebenen Vertragsarztes bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen sind. Voraussetzung ist allerdings nach Satz 1, daß die Zulassung eines Vertragsarztes endet, der die Praxis bisher mit einem oder mehreren Vertragsärzten gemeinschaftlich ausgeübt hat. Das ist hier zur Überzeugung des Senates zu verneinen. Dennoch scheitert die Berufung des Beigeladenen zu 7) nicht hieran. Denn für deren Zulässigkeit reicht es aus, wenn er behauptet, eine Gemeinschaftspraxis mit dem Beigeladenen zu 8) ausgeübt zu haben. Dem steht nicht entgegen, daß § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V sich darauf beschränkt, zusätzlich zu den in den Absätzen 5 und 6 genannten Kriterien für die Auswahlentscheidung ein weiteres Ermessenskriterium vorzugeben. Dieses Ermessenskriterium ist nicht neutral, es hat vielmehr einen konkreten personalen Bezug. Es beschränkt sich damit nicht auf einen objektiven Gehalt im Sinne eines Ordnungskriteriums, sondern will einen Ausgleich dafür schaffen, daß der verbliebene Gemeinschaftspraxisinhaber den Nachfolger des ausscheidenden Mitinhabers nicht mehr frei aussuchen kann. Diese Funktion des § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V wird aber nur dann sichergestellt, wenn der verbliebene Praxisinhaber einen Anspruch darauf hat, daß seine Interessen angemessen berücksichtigt werden, ihm mithin insoweit eine durchsetzbare Rechtsposition eingeräumt wird.

Der Senat merkt an: Das Sozialgericht hat den Beigeladenen zu 7) zum gerichtlichen Verfahren beigeladen, weil der Beigeladene zu 8) ihm mit Schreiben vom 27.05.1994 die Verfahrensrechte bezüglich der Ausschreibung seines Vertragsarztsitzes Dr. O. "übertragen" hat. Ungeachtet des höchstpersönlichen Charakters der Zulassung sowie deren öffentlichrechtlicher Natur (hierzu Senatsurteil vom 07.10.1998 - L 11 KA 62/98 -) kann die Erklärung des Beigeladenen zu 8) im Schreiben vom 27.05.1994 auch als gewillkürte Prozeßstandschaft verstanden werden. Diese ist zulässig, wenn der Prozeßführende vom Rechtsinhaber zu dieser Art der Prozeßführung ermächtigt worden ist, und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat (BGH NJW-RR 88, 126; vgl. auch BGH NJW 1987, 2018: schutzwürdiges Eigeninteresse). Das ist angesichts der Regelung des § 103 Abs. 6 Satz 2 SGB V zu bejahen.

Die Berufung des Beigeladenen zu 7) ist allerdings unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten kann nicht aufgehoben werden, weil er - wie ausgeführt - rechtmäßig ist.

Die Berufungen der Klägerin zu 1), der Klägerin zu 2) und des Beigeladenen zu 7) mußten nach alledem erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183 und 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor. Der Rechtsstreit hat grundsätzliche Bedeutung.