OLG Köln, Urteil vom 10.06.1998 - 26 U 3/98
Fundstelle
openJur 2011, 80725
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 13 0 345/97

Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht gibt dem Schuldner eine Einrede, die zur Zugum-Zug-Verurteilung führt. Es gibt dem Schuldner zudem ein Befriedigungsrecht nach § 371 HGB, das sich im Konkurs als ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 49 I Ziff. 4 mit dem recht der Selbstverwertung darstellt.

Der in AGB geregelte erweiterte Eigentumsvorbehalt ist nicht deshalb unwirksam, weil eine Freigaberegelung für den Fall der Óbersicherung fehlt.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Dezember 1997 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 13 0 345/97 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen

Erfolg.

1.

Der Anspruch des Klägers als Konkursverwalter über das Vermögen

der N. GmbH auf Herausgabe des Liebherr-Radladers Typ L 506 Nr. 975

scheitert schon an dem von der Beklagten geltend gemachten

kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 HGB. Nach dieser

Bestimmung hat ein Kaufmann wegen fälliger Forderungen gegen einen

anderen Kaufmann aus zwischen ihnen geschlossenen beiderseitigen

Handelsgeschäften ein Zurückbehaltungsrecht u.a. an beweglichen

Sachen des Schuldners, die mit dessen Willen durch ein

Handelsgeschäft in seinen Besitz gelangt sind und sich dort noch

befinden. Bezüglich des hier vom Kläger herausverlangten Radladers

sind diese Voraussetzungen sämtlich erfüllt.

Die Beklagte und die Gemeinschuldnerin sind als Gesellschaften

mit beschränkter Haftung Handelsgesellschaften, § 13 Abs. 3 GmbHG.

Für sie gelten die Vorschriften für Kaufleute, § 6 Abs. 1 HGB. Ihre

Geschäfte sind stets Handelsgeschäfte im Sinne von § 343 HGB, ohne

daß es auf die Art der Betätigung ankommt (vgl. Baumbach-Hueck,

GmbHG, 16. Aufl., § 13 Rz. 40). Die Beklagte hat den Besitz an dem

fraglichen Radlader auch mit Willen der Gemeinschuldnerin erlangt,

nämlich durch einen Reparaturauftrag noch vor Konkurseröffnung.

Das damit wegen der noch offenen unstreitigen Forderung der

Beklagten von 18.962,35 DM bestehende kaufmännische

Zurückbehaltungsrecht gibt der Beklagten eine Einrede mit der Folge

einer Verurteilung Zug um Zug und darüberhinaus gem. § 371 HGB ein

Befriedigungsrecht. In der jetzigen Situation nach Konkurseröffnung

stellt sich dieses Befriedigungsrecht als ein Recht auf

abgesonderte Befriedigung nach § 49 Abs. 1 Z. 4 KO dar, und zwar

mit dem Recht der Selbstverwertung gemäß § 127 Abs. 2 KO (h.M. -

vgl. Jaeger-Lent, KO, 8. Aufl., § 49 Rz. 45; Kilger-K. Schmidt,

Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 127 Anm. 5 a; Kuhn-Uhlenbruck, KO,

11. Aufl., § 49 Rz. 28; Baumbach-Hopt, HGB, 29. Aufl., § 369 Rz.

2). Es gibt damit ein Behaltensrecht im Konkurs. Dadurch

unterscheidet es sich von dem Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273

BGB, das im Konkurs nicht zu berücksichtigen ist; vielmehr muß der

Zurückhaltungsberechtigte dem Konkursverwalter die Sache zur

Verwertung herausgeben (vgl. Kuhn-Uhlenbruck, a.a.O., Rz. 24 und

27).

2.

Dem Anspruch des Klägers auf Herausgabe des von der

Gemeinschuldnerin erworbenen Radladers steht aber auch entgegen,

daß die Beklagte gemäß Ziff. 10 ihrer AGB, die dem Kaufvertrag vom

02.02.1996 zugrunde lagen, Eigentümerin des Radladers geblieben

ist, und zwar in Form des dort wirksam vereinbarten erweiterten

Eigentumsvorbehalts in der speziellen Ausgestaltung als

Kontokorrentvorbehalt (vgl. dazu Palandt-Putzo, BGB, 56. Aufl., §

455 Rz. 18). Entgegen der Auffassung des Klägers ist der in dieser

Art vereinbarte erweiterte Eigentumsvorbehalt nicht wegen Fehlens

einer ausreichenden Freigaberegelung unwirksam. Zwar enthält Ziff.

10 der AGB keine ausdrückliche Freigabeklausel und könnte die mit

125 % angegebene Deckungsgrenze unangemessen sein. Dies steht

jedoch der Wirksamkeit des erweiterten Eigentumsvorbehaltes nicht

entgegen.

Der Kläger weist selbst auf die Entscheidung des Großen Senats

des Bundesgerichtshofs vom 27.11.1997 (ZIP 1998, 235 ff = NJW 1998,

671 ff) hin, wonach bei formularmäßig bestellten revolvierenden

Globalsicherungen weder eine ausdrückliche Freigaberegelung

Wirksamkeitsvoraussetzung ist noch eine unangemessen angegebene

Deckungsgrenze zur Unwirksamkeit führt. Auf die Begründung des

Großen Senats, der sich der entscheidende Senat in vollem Umfang

anschließt, wird Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers bleibt nach der Entscheidung

des Großen Senats auch nicht ungeklärt, ob die dort aufgezeigten

Grundsätze auch auf den erweiterten Eigentumsvorbehalt anwendbar

sind. In den beiden vom Großen Senat zu entscheidenden Fällen ging

es zwar nicht um die Wirksamkeit eines erweiterten

Eigentumsvorbehalts - wie vorliegend -, sondern zum einen um die

Wirksamkeit formularmäßiger Globalabtretungen, zum anderen um die

Wirksamkeit von Sicherungsübereignungen. Die dazu aufgestellten

Grundsätze gelten jedoch für den hier gegebenen Fall des

erweiterten Eigentumsvorbehalts entsprechend.

Dies folgt zunächst aus der gleichgelagerten Rechtsstellung und

Interessenlage zwischen Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber beim

erweiterten Eigentumsvorbehalt einerseits und beim

Sicherungseigentum andererseits, die sich speziell im Rahmen eines

Konkursverfahrens verdeutlicht. Hat der Vorbehaltseigentümer zwar

grundsätzlich ein Aussonderungsrecht und der Sicherungseigentümer

lediglich ein Absonderungsrecht (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O., §

929 Rz. 57 und § 930 Rz. 25), so ändert sich dies für den

erweiterten Eigentumsvorbehalt dann, wenn die gekaufte Sache - wie

hier - bereits voll bezahlt ist. Dann nämlich gewährt der

Eigentumsvorbehalt für die Forderungen des Sicherungsnehmers im

übrigen nur noch ein Absonderungsrecht, also ebenso wie die

Sicherungsübereignung. Sicherungseigentümer und

Vorbehaltseigentümer haben dann dieselbe Rechtstellung (BGH NJW

1971, 799 = JZ 1971, 506; Kuhn-Uhlenbruck, a.a.O., § 43 Rz. 42 a).

Der Óbergang vom Aussonderungsrecht zum Absonderungsrecht beim

erweiterten Vorbehaltseigentum begründet sich darin, daß mit

Zahlung des Kaufpreises für die unter Eigentumsvorbehalt gelieferte

Sache das Vorbehaltseigentum nur noch Sicherungsfunktion hat. In

einem solchen Fall erfüllt der Eigentumsvorbehalt eben die Aufgabe,

die sonst der Sicherungsübereignung zukommt, nämlich der dinglichen

Sicherung von Forderungen, die nicht den Sicherungsgegenstand

betreffen (BGH a.a.O.; Kuhn-Uhlenbruck a.a.O.).

Die Gleichbehandlung von Sicherungseigentum und erweitertem

Vorbehaltseigentum im Zusammenhang mit Fragen von

Freigaberegelungen ergibt sich auch aus der Entscheidung des Großen

Senats selbst. Dort ist ganz grundsätzlich auf die schützenswerten

Interessen der Beteiligten bei Sicherungsverträgen schlechthin

abgestellt und auf die diesen Verträgen innewohnende Treuhandnatur,

nach der ein vertraglicher Anspruch des Sicherungsgebers auf

Rückgabe nicht mehr benötigter Sicherheiten grundsätzlich besteht,

gleich, was dazu formularmäßig vereinbart worden ist.

Eine Gleichstellung und Gleichbehandlung von Sicherungseigentum

und erweitertem Eigentumsvorbehalt ergibt sich schließlich auch

schon aus den Entscheidungen des 9. Zivilsenats des

Bundesgerichtshofs vom 13.01.1994 (ZIP 1994, 305, 307) und des 8.

Zivilsenats vom 09.02.1994 (NJW 1994, 1154, 1155).

Der in Ziff. 10 der AGB enthaltene Eigentumsvorbehalt ist auch

nicht als überraschende Klausel nach § 3 AGBG unwirksam. Es handelt

sich nicht um eine ungewöhnliche Klausel im kaufmännischen

Geschäftsverkehr (vgl. Palandt-Putzo, a.a.O., § 455 Rz. 18;

Palandt-Heinrichs, § 3 AGBG Rz. 5 - dort zum verlängerten

Eigentumsvorbehalt). Damit kommt es auf die weitere Voraussetzung

in § 3 AGBG, daß die Klausel für den Gegner auch überraschend sein

muß, nicht mehr an.

Der Kläger hat auch keinen Freigabe- oder Herausgabeanspruch

gegen die Beklagte wegen Óbersicherung. Von einer Óbersicherung am

09.02.1996 von mindestens 388 %, wie er behauptet, kann schon

deshalb nicht ausgegangen werden, weil weder dargetan noch

ersichtlich ist, daß der Mobilbagger, dessen Wert der Kläger zu

dieser Zeit mit 17.800,00 DM angibt, ebenfalls Sicherungsgut für

die Beklagte gewesen ist. Dies setzte voraus, daß sie den Bagger an

die Gemeinschuldnerin verkauft hatte und daß auch insoweit ihre AGB

galten. Schon ersteres ist nicht dargetan. Denn unstreitig ist

bezüglich des Baggers ein sogenannter Mietkaufvertrag geschlossen

worden, der über das Stadium des Mietvertrages nicht hinausgelangt

ist. Selbst wenn eine ausdrückliche Kaufoption nicht ausgeübt

werden mußte, lagen nach den eigenen Angaben des Klägers die in

Höhe von 152.000,00 DM gezahlten Mietraten noch unter dem

vereinbarten Kaufpreis für den Bagger von 169.800,00 DM netto, so

daß auch von daher von einem etwaigen automatischen Anfall als

Kaufsache nicht auszugehen ist.

Auch eine etwaige kurzfristige Óbersicherung der Beklagten per

09.02.1996, als nämlich nach Bezahlung der beiden Radlader

einerseits die offene Saldoforderung nur noch 7.765,92 DM betrug,

der erweiterte Eigentumsvorbehalt der Beklagten an den beiden

Radladern andererseits einen Wert von 20.165,21 DM umfaßte,

begründet kein anderes Ergebnis. Denn die Pflicht des

Sicherungsnehmers zur Freigabe der Sicherung besteht nur dann, wenn

sie endgültig nicht mehr benötigt wird (BGH NJW 1998, 672 und 673).

Schon Ende Februar 1996 war aber der Saldo schon wieder auf

11.887,43 DM angestiegen und stieg weiter um 4.600,00 DM monatlich

zu zahlender Mietkosten für den Bagger.

3.

Die vom Kläger in der Berufung hilfsweise gestellten

Stufenanträge, nämlich zunächst auf Auskunft und Rechnungslegung

über die durch Verwertung des hier im Streit stehenden Radladers

und des Mobilbaggers erzielten Erlöse einschließlich eventueller

Vermietungserlöse, sodann auf Zahlung stellen eine Klageänderung

dar, für die gemäß § 523 ZPO die Regeln nach §§ 263 ff ZPO gelten.

Eine Klageänderung ist nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt,

was er nicht getan hat, oder wenn das Gericht sie für sachdienlich

erachtet. Die Sachdienlichkeit ist angesichts dessen, daß über eine

solche Stufenklage derzeit noch nicht abschließend befunden werden

könnte, der Rechtsstreit aber im übrigen entscheidungsreif ist, zu

verneinen.

4.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Das Urteil weicht nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung

ab. Im Hinblick darauf, daß die Entscheidung bereits durch die

Ausführungen zu Ziffer 1 getragen wird, der Kläger mit der von ihm

angeregten Zulassung der Revision jedoch eine Klärung der zu Ziffer

2 aufgeworfenen Rechtsfrage der Óbertragbarkeit der Rechtsprechung

des Großen Senats auf den verlängerten Eigentumsvorbehalt erstrebt,

hat die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des §

546 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur

vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der

Beschwer für den Kläger: 16.000,00 DM.