OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.11.1999 - 19 B 1599/98
Fundstelle
openJur 2011, 79713
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 L 815/98
Tenor

Der angefochtene Beschluß wird teilweise geändert.

Den Antragstellern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozeßkostenhilfe unter Auferlegung von Ratenzahlungen in Höhe von monatlich 90,-- DM bewilligt und Rechtsanwalt W. -L. in B. D. beigeordnet.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 1998 wird angeordnet, soweit der Antragstellerin zu 2. die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina angedroht wird.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, die Antragsteller zu 1., 3. und 4. abzuschieben.

Im übrigen wird die Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 16.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt W. -L. in B. D. ist begründet. Die Antragsteller können die Kosten der Prozeßführung erster Instanz nur in Raten von monatlich 90,-- DM aufbringen, weil sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß § 166 VwGO iVm § 115 ZPO nur über einzusetzendes Einkommen in Höhe von monatlich 272,50 DM verfügten. Darüber hinaus bietet die Rechtsverfolgung die gemäß § 166 VwGO iVm § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zwar nur teilweise begründet. Dies rechtfertigt jedoch nicht, auch den Prozeßkostenhilfeantrag teilweise abzulehnen, weil, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, der Teil des Streitgegenstandes, hinsichtlich dessen die Antragsteller unterliegen, unter Kostengesichtspunkten nicht von Belang ist.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die sinngemäß gestellten Anträge der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die an die Antragstellerin zu 2. gerichtete Abschiebungsandrohung und auf Gewährung von Abschiebungsschutz für die Antragsteller zu 1., 3. und 4. abgelehnt hat.

Der Antrag der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen die an die Antragstellerin zu 2. gerichtete Abschiebungsandrohung in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 14. April 1998 ist begründet, weil das private Interesse der Antragsteller an einem vorläufigen weiteren Verbleib der Antragstellerin zu 2. im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsandrohung überwiegt.

Diese Interessenabwägung ergibt sich allerdings nicht aus den Erfolgsaussichten des Widerspruchs der Antragsteller. Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist vielmehr offen, ob der Widerspruch Erfolg haben wird. Ein der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung entgegenstehendes Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG liegt bei einer Erkrankung des Ausländers dann vor, wenn im Falle der Rückkehr in sein Heimatland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit besteht, weil sich sein Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524 (525).

Der Ausgang des laufenden Widerspruchsverfahrens hängt deshalb davon ab, ob sich die Erkrankung der Antragstellerin zu 2. im Falle ihrer Rückkehr angesichts fehlender oder unzureichender Behandlungsmöglichkeiten in Bosnien-Herzegowina wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Dazu bedarf es der Einholung weiterer Auskünfte, etwa des Auswärtigen Amtes oder der Deutschen Botschaft in Sarajewo. Die Einholung solcher Auskünfte muß aber dem laufenden Widerspruchsverfahren vorbehalten bleiben, weil hierfür im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kein Raum ist.

Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 29. Juni 1999 ausgeführt, daß die Antragstellerin zu 2. nach den von ihr vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Gutachten an einer behandlungsbedürftigen Traumatisierung infolge schwerer Mißhandlungen und Vergewaltigungen durch serbische Soldaten leidet und daß sie auch nach der amtsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 28. September 1998 wegen einer psychischen Erkrankung behandlungsbedürftig ist. Dieses Krankheitsbild, daß nach den ärztlichen Bescheinigungen von Dr. A. vom 11. Mai 1998 und Dr. R. vom 24. Juli 1998 sowie dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. (YU) M. vom 12. Oktober 1998 die Gefahr einer Selbsttötung begründet, hat sich nach der aktuellen fachärztlichen Bescheinigung von Dr. R. vom 12. Juli 1999 bislang nicht durchgreifend gebessert. Nach der Einschätzung von Dr. R. , der die Antragstellerin zu 2. seit dem 23. Juli 1998 regelmäßig behandelt, ist ihre psychische Verfassung noch immer instabil und eine Fortsetzung der psychotherapeutischen und medikamentösen Therapie erforderlich. Diese Einschätzung wird durch die vom Antragsgegner vorgelegte Stellungnahme des stellvertretenden Amtsarztes Dr. W. vom 11. August 1999 nicht in Frage gestellt. Seine Auffassung, die (nur) einmal im Monat stattfindende psychotherapeutische Behandlung der Antragstellerin zu 2. "deute" darauf hin, daß ihr Krankheitsbild weniger stark ausgeprägt sei, ist eine bloße Vermutung, weil nichts dafür ersichtlich und auch nicht vorgetragen ist, daß Dr. W. vor Abgabe seiner Stellungnahme vom 11. August 1999 die Antragstellerin zu 2. untersucht hat. Deshalb vermag auch die Auffassung von Dr. W. , die durchgeführte Behandlung sei ausreichend, nicht zu überzeugen.

Es spricht auch einiges dafür, daß die in der Stellungnahme vom 11. August 1999 erneut vertretene Auffassung von Dr. W. , die Antragstellerin zu 2. könne in Bosnien-Herzegowina behandelt werden, den tatsächlichen Gegebenheiten in Bosnien-Herzegowina widerspricht. Der Senat hat in seinem Beschluß vom 29. Juni 1999 ausgeführt, daß nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 11. September 1998 und 12. Mai 1999 die Behandlung von traumatisierten Personen und Opfern sexueller Gewalt in Bosnien-Herzegowina zwar grundsätzlich möglich ist, aber schon für die derzeit in Bosnien-Herzegowina lebenden Personen die erforderlichen Kapazitäten fehlen. Diese Einschätzung wird durch die vom Antragsgegner eingeholten Auskünfte der Deutschen Botschaft in Sarajewo vom 30. August und 4. Oktober 1999 nicht derart in Frage gestellt, daß die gegenüber der Antragstellerin zu 2. erlassene Abschiebungsandrohung offensichtlich rechtmäßig wäre.

Die Auskunft vom 30. August 1999 bestätigt lediglich, daß die psychotherapeutische Behandlung von sexuell mißbrauchten (traumatisierten) Frauen in Bosnien-Herzegowina "in der Regel" möglich ist. Demgegenüber läßt sich der Auskunft nicht entnehmen, ob die Antragstellerin zu 2. in Bosnien-Herzegowina tatsächlich behandelt werden kann, weil die vorhandenen Kapazitäten entgegen der Einschätzung des Auswärtigen Amtes nicht ausgeschöpft sind.

In der Auskunft vom 4. Oktober 1999 werden zwar unter Hinweis auf einen ständigen Anstieg der Zahl der Einrichtungen zur Behandlung von Traumatisierten in Bosnien-Herzegowina die dort vorhandenen Kapazitäten als ausreichend bezeichnet. Konkrete Zahlen, die dem Senat eine Überprüfung dieser Aussage ermöglichen würden, werden jedoch nicht genannt. Darüber hinaus wird auch keine konkrete Einrichtung angegeben, in der die Antragstellerin zu 2. tatsächlich behandelt werden könnte.

Im übrigen begründet die Auskunft vom 4. Oktober 1999 auch Zweifel an der fachlichen Kompetenz der in den Einrichtungen zur Behandlung von Traumatisierten tätigen Ärzte. Hierbei handelt es sich nach der Auskunft vom 4. Oktober 1999 um Fachärzte für "Neuropsychiatrie", weil Neurologie und Psychiatrie in Bosnien- Herzegowina nicht als getrennte Fachbereiche betrachtet werden. "Einzelne" dieser Ärzte sind nach der Auskunft der Deutschen Botschaft "eher" in Richtung Neurologie spezialisiert und deshalb wahrscheinlich nicht in der Lage, die Antragstellerin zu 2. hinreichend psychotherapeutisch zu behandeln. Sollte die Antragstellerin zu 2. in Bosnien-Herzegowina behandelt werden können, ist deshalb in dem laufenden Widerspruchsverfahren weiter aufzuklären, ob die erforderliche psychotherapeutische Behandlung der Antragstellerin zu 2. durch einen Facharzt für Neuropsychiatrie mit einer Spezialisierung in Richtung Psychiatrie sichergestellt ist.

Spricht danach auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes einiges dafür, daß sich im Falle einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina die Erkrankung der Antragstellerin zu 2. mangels vorhandener oder ausreichender Behandlungsmöglichkeiten in ihrem Heimatland verschlimmern und die fachärztlich festgestellte Suizidgefahr verwirklichen könnte, so fällt die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller aus. Angesichts der nicht sicher abzuschätzenden Gefahren für Leben und Gesundheit der Antragstellerin zu 2. ist es sachgerecht, ihr den vorläufigen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu gestatten.

Einer Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin zu 2. steht auch nicht, wie der Antragsgegner meint, die "Sperrwirkung" des § 56 Abs. 6 Satz 2 AuslG entgegen. Nach dieser Vorschrift werden Gefahren im Abschiebezielstaat, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Entscheidungen nach § 54 AuslG berücksichtigt. Trotz bestehender konkreter erheblicher Gefahr kann sich der Ausländer deshalb nicht mit Erfolg auf ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berufen, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 -, NVwZ 1998, 973 (973 f.), vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, NVwZ 1998, 524 (525), und vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 (199 f.).

Hier würde jedoch die nicht auszuschließende Lebens- und Gesundheitsgefahr nur der Antragstellerin zu 2. individuell wegen ihrer psychischen Erkrankung drohen, wobei die Erkrankung, selbst wenn sie entsprechend den von der Antragstellerin zu 2. vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen allein eine Folge der Kriegsereignisse in Bosnien-Herzegowina sein sollte, aufgrund individueller Kriegserlebnisse hervorgerufen wurde. Personen, die als Folge individueller Kriegserlebnisse traumatisiert sind, sind mit anderen Worten keine "Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört," im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, a. a. O.: Personen, die an einem angeborenen Herzfehler leiden, sind keine "Bevölkerungsgruppe" im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG.

Im übrigen greift die "Sperrwirkung" des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG selbst bei Bevölkerungsgruppen im Sinne dieser Vorschrift nicht ein, wenn für den Ausländer im Falle seiner Abschiebung eine extreme Gefahrenlage droht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 -, a.a.O., (974), und Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, a.a.O., (200).

Das läßt sich hier angesichts der fortbestehenden Suizidgefährdung der Antragstellerin zu 2. und der zumindest ungeklärten Behandlungsmöglichkeiten in Bosnien-Herzegowina nicht ausschließen.

Das Verwaltungsgericht hat auch den sinngemäß gestellten Antrag der Antragsteller, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig die Abschiebung der Antragsteller zu 1., 3. und 4. zu untersagen, zu Unrecht abgelehnt. Die Antragsteller können sich angesichts der vom Antragsgegner beabsichtigten Abschiebung auf den für den Erlaß einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund berufen. Sie haben darüber hinaus einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil sie mit Blick auf Art. 6 GG einen Anspruch darauf haben, daß die Antragsteller zu 1., 3. und 4. vorläufig nicht nach Bosnien- Herzegowina abgeschoben werden.

Art. 6 GG, dessen Schutzbereich sich nicht auf Deutsche beschränkt, gewährt zwar unmittelbar keinen Anspruch auf Aufenthalt im Bundesgebiet.

Vgl. nur BVerwG, Urteile vom 9. Dezember 1997 - 1 C 16.96 -, InfAuslR 1998, 272 (273 f.), und Urteil vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19.96 -, NVwZ 1998, 742 (743), jeweils m.w.N..

Das gilt erst recht, wenn - wie hier - kein Familienmitglied ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet hat. Art. 6 GG verpflichtet aber als wertentscheidende Grundsatznorm die zuständigen Behörden und Gerichte, bei der Entscheidung über den weiteren Aufenthalt eines Ausländers die bestehenden ehelichen und familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen in einer Weise zu berücksichtigen, die der großen Bedeutung entspricht, welche das Grundgesetz in seinem Art. 6 dem Schutz von Ehe und Familie beimißt.

BVerfG, Beschlüsse vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81 (93), und vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 -, BVerfGE 76, 1 (49 f.).

Art. 6 GG als wertentscheidende Grundsatznorm ist deshalb auch bei der Entscheidung zu berücksichtigen, ob ein Familienmitglied abgeschoben werden darf, während ein anderes Familienmitglied - wenn auch nur vorübergehend - im Bundesgebiet bleiben darf. In diesen Fällen hat die verfassungsrechtliche Pflicht, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, allerdings ein geringeres Gewicht als in den Fällen, in denen sich ein Familienmitglied aufgrund einer ihm erteilten Aufenthaltsgenehmigung berechtigt im Bundesgebiet aufhält.

OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluß vom 26. Januar 1998 - 3 M 111/97 -, InfAuslR 1998, 343 (346 f.).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist den Antragstellern zu 1., 3. und 4 vorübergehender Abschiebungsschutz zu gewähren. Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht Überwiegendes dafür, daß derzeit eine Abschiebung der Antragsteller zu 1., 3. und 4. mit Art. 6 GG als wertentscheidende Grundsatznorm nicht zu vereinbaren ist. Aufgrund der Erkrankung der Antragstellerin zu 2. und der zumindest ungeklärten Behandlungsmöglichkeiten in Bosnien-Herzegowina überwiegt das Interesse der Antragsteller an der Aufrechterhaltung der ehelichen und familiären Beistandsgemeinschaft im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht der Antragsteller zu 1., 3. und 4. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine - wenn auch nur vorübergehende - Auflösung der bisherigen Beistandsgemeinschaft zwischen der Antragstellerin zu 2., ihrem Ehemann und den zwei minderjährigen Kindern mit unkalkulierbaren Risiken für Leben und Gesundheit der Antragstellerin zu 2. verbunden wäre. Nach der aktuellen fachärztlichen Bescheinigung von Dr. R. vom 12. Juli 1999 ist ihre psychische Verfassung noch immer instabil. Vor diesem Hintergrund und angesichts der bestehenden Suizidgefahr spricht vorbehaltlich einer näheren Aufklärung, die dem laufenden Widerspruchsverfahren vorbehalten bleiben muß, vieles dafür, daß derzeit eine Trennung der Antragsteller erhebliche Gefahren für Leben und Gesundheit der Antragstellerin zu 2. begründet. Die Antragsteller zu 1., 3. und 4. sind nämlich für sie wichtige Bezugspersonen. Das bestätigt insbesondere das nervenärztliche Gutachten von Dr. (YU) M. vom 12. Oktober 1998. Dort heißt es u. a., die Antragstellerin zu 2. lebe auch für ihre zwei Kinder, die ihr in ihrer Situation als einzige neben deren Ehemann Trost gäben.

Die Antragsteller können demgegenüber einen Anspruch der Antragsteller zu 1., 3. und 4. auf weiteren Verbleib im Bundesgebiet nicht aus Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - herleiten. Der Anspruch auf Schutz des Familienlebens im Bundesgebiet gemäß Art. 8 EMRK setzt voraus, daß das Familienleben der Antragsteller im Bundesgebiet fest verankert ist.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1997 - 1 C 18.96 -, NVwZ 1998, 189 (189), m.w.N..

Das erfordert ein gesichertes Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen, mit dem der Ausländer sein Familienleben im Bundesgebiet fortsetzen möchte. Davon kann keine Rede sein, solange es an einer bestandskräftigen Entscheidung über das Aufenthaltsrecht des Familienangehörigen fehlt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, NVwZ 1998, 526 (527).

Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin zu 2. kann sich nicht auf ein bestandskräftig zuerkanntes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet berufen.

Der Senat hat von einer möglichen Befristung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die an die Antragstellerin zu 2. gerichtete Abschiebungsandrohung und der einstweiligen Anordnung zugunsten der Antragsteller zu 1., 3. und 4. abgesehen, weil nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen offen ist, wann die psychotherapeutische Behandlung der Antragstellerin zu 2. erfolgreich abgeschlossen ist und wann möglicherweise eine Besserung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin zu 2. gegeben sein könnte, die es rechtfertigen könnte, den Antragstellern eine getrennte Ausreise zuzumuten. Es bleibt dem Antragsgegner unbenommen, der Antragstellerin zu 2. unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflicht gemäß § 70 Abs. 1 AuslG aufzugeben, die erforderliche psychotherapeutische Behandlung möglichst schnell durchführen zu lassen.

Die Beschwerde der Antragsteller im übrigen ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die weitergehenden Anträge zu Recht abgelehnt.

Der Antrag der Antragsteller gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die an die Antragsteller zu 1., 3. und 4. gerichtete Abschiebungsandrohung ist unbegründet, weil die Abschiebungsandrohung insoweit offensichtlich rechtmäßig ist. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß des Verwaltungsgerichts verwiesen und ergänzend ausgeführt, daß die Antragsteller zu 1., 3. und 4. aus dem Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG kein der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung entgegenstehendes Abschiebungshindernis herleiten können.

Der Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung stehen nur solche Abschiebungshindernisse entgegen, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen (sog. zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse). Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil anderenfalls ein Schutz des Rechtsgut im Bundesgebiet verletzt würde (sog. inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse), berühren demgegenüber die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsandrohung nicht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1997 - 9 C 13.96 -, a.a.O., (526); OVG NRW, Beschluß vom 17. September 1999 - 19 B 1201/98 -.

Hier ergibt sich aus Art. 6 GG allein ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis. Die sich aus einer (vorübergehenden) Trennung der Antragsteller ergebenden Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Antragstellerin zu 2. wirken sich allein im Bundesgebiet aus, weil die Antragstellerin zu 2., wie ausgeführt, derzeit nicht nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden kann.

Einer Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO Duldungen zu erteilen, steht entgegen, daß eine solche Anordnung auf eine im Verfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufen würde.

Ebenso VGH Kassel, Beschluß vom 18. Februar 1993 - 13 TG 2743/92 -, NVwZ-RR 1993, 666 (666 f.); anderer Ansicht: VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 3. November 1995 - 13 S 2185/95 -, DVBl. 1996, 209 (210).

Dem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller am vorläufigen weiteren Verbleib im Bundesgebiet wird bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, daß die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die an die Antragstellerin zu 2. gerichtete Abschiebungsandrohung angeordnet und dem Antragsgegner vorläufig untersagt wird, die Antragsteller zu 1., 3. und 4. abzuschieben.

Soweit auch für die Antragstellerin zu 2. beantragt sein sollte, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, sie abzuschieben, fehlt für diesen Antrag ebenfalls ein Rechtsschutzbedürfnis. Mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die an die Antragstellerin zu 2. gerichtete Abschiebungsandrohung ist der Antragsgegner zur Zeit gehindert, die Antragstellerin zu 2. abzuschieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Das ist hier der Fall. Die Antragsteller sind im Sinne des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO nur zu einem geringen Teil unterlegen, weil sie mit ihrem Rechtsschutzziel, vorläufig im Bundesgebiet bleiben zu können, Erfolg haben. Daß sie in diesem Zusammenhang mehrere Anträge gestellt haben und mit einem Teil der Anträge unterlegen sind, ist unter Kostengesichtspunkten nicht von Belang. Denn der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung,

vgl. nur OVG NRW, Beschluß vom 23. Februar 1999 - 19 E 94/99 -,

in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die den weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet betreffen, den Streitwert für jeden Antragsteller unabhängig von den von ihm gestellten Anträgen auf jeweils 4.000,-- DM fest. Demgemäß wirkt sich das Stellen mehrerer Anträge nicht streitwerterhöhend und damit auch kostenrechtlich nicht aus.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1, 14 GKG.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).