OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.01.2000 - 15 A 290/00
Fundstelle
openJur 2011, 78818
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 K 1756/99
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 14.821,71 DM festgesetzt.

Gründe

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe zum Teil nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO), zum Teil nicht vorliegen.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegt nicht vor, weil nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Berufung in einem durchzuführenden Berufungsverfahren aus den dargelegten Gründen Erfolg hätte.

An der Rechtsauffassung, dass das Entstehen der Beitragspflicht gemäß § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG NRW nicht die Berechenbarkeit des Beitrags in Folge Eingangs der letzten Unternehmerrechnung erfordert,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. September 1977 - II A 5/76 -, OVGE 33, 117,

wäre auch in einem Berufungsverfahren festzuhalten. Die dagegen ins Feld geführten Einwände des Beklagten rechtfertigen kein Abgehen von dieser Rechtsprechung.

§ 8 Abs. 7 Satz 1 KAG NRW knüpft mit der Festlegung des Zeitpunkts des Entstehens der (abstrakten) Beitragspflicht durch die endgültige Herstellung der Einrichtung oder Anlage an einen Zeitpunkt an, in dem die vorteilsrelevante Leistung durch Gewährung der Möglichkeit der Inanspruchnahme regelmäßig erbracht ist. Das ist im Allgemeinen der Zeitpunkt der vollständigen Verwirklichung des Bauprogramms mit Abnahme des Werks. Nur dann, wenn ausnahmsweise in diesem Zeitpunkt der beitragsrechtlich erforderliche wirtschaftliche Vorteil noch nicht gewährt wird, kann das ein späterer Zeitpunkt sein.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 1995 - 15 A 3907/92 -, NWVBl. 1996, 62 ff.

Demgegenüber verknüpft die Forderung nach der Berechenbarkeit (Feststellbarkeit) des Beitrags in sachlich nicht begründeter Weise die Frage des Entstehens der abstrakten Beitragspflicht mit dem im Festsetzungsverfahren zu ermittelnden und festzusetzenden Beitrag, durch den die persönliche Beitragspflicht begründet wird. Tatsächliche Ungewissheiten (hier: die Höhe des beitragsfähigen Aufwands) hindern nicht das Entstehen des abstrakten Abgabeanspruchs mit Tatbestandsverwirklichung (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 38 AO), sondern allenfalls die Festsetzung der entstandenen Abgabe (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Die vom Beklagten angeführten Schwierigkeiten bei der Beitragsfestsetzung und die Gefahr des Verstreichens der Festsetzungsfrist mit Ablauf des vierten Jahres nach dem Kalenderjahr des Entstehens der abstrakten Beitragspflicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. §§ 169 Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO) hat der Gesetzgeber gesehen und deshalb den Gemeinden die Möglichkeit vorläufiger Beitragsfestsetzung (also Festsetzung des gewiss entstandenen Beitrags unter dem Vorbehalt der weiteren Festsetzung nach Beseitigung der Ungewissheit) oder der Aussetzung der Beitragsfestsetzung (vorläufiges Absehen von der Beitragsfestsetzung, wenn die Höhe des Aufwands im Ganzen noch ungewiss ist) nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 165 Abs. 1 und 2 AO eingeräumt mit der verjährungsrechtlichen Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Gemeinde hiervon Kenntnis erhalten hat, abläuft (§ 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 171 Abs. 8 Satz 1 AO). Gegen die Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Falle der Ungewissheit über die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes bestehen entgegen der Auffassung des Beklagten keine Bedenken.

Damit hat der Gesetzgeber eine u.a. auch auf den Fall fehlender Berechenbarkeit der Abgabe zugeschnittene spezifische Lösung gefunden, die einerseits im Interesse der Rechtssicherheit die vom Gesetz vorgesehene zügige Geltendmachung des entstandenen Beitrags durch Verwaltungsakt sicherstellt, ohne andererseits von der Gemeinde Unmögliches zu verlangen. Sie muss entweder durch endgültigen Beitragsbescheid oder durch vorläufigen Bescheid, der auch im Hinblick auf die für seinen Erlass erforderlichen Voraussetzungen anfechtbar ist, handeln, um den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hindern.

Mit dieser Lösung wird gleichzeitig dem Gebot der Rechtssicherheit, das Datum der Entstehung der Beitragspflicht möglichst genau zu fixieren,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. August 1995 - 15 A 3907/92 -, NWVBl. 1996, 62,

Rechnung getragen. Dies vernachlässigt die gegenteilige Auffassung, die das Entstehen der abstrakten Beitragspflicht mit all den daran geknüpften Rechtsfolgen - neben dem von Privatpersonen abhängigen Umstand des Eingangs der letzten Unternehmerrechnung - von weiteren Unwägbarkeiten abhängig machen will, etwa der Mitteilung der endgültigen Höhe eines Zuschusses für die Ausbaumaßnahme oder der Feststellbarkeit der Fremdfinanzierungskosten hinsichtlich der Fremdfinanzierungsquote und des Durchschnittszinssatzes mit Ablauf des Haushaltsjahres.

Vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung (Stand: September 1999), § 8 Rdnr. 490 c.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor, weil auch bei der im Zulassungsverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung die vorgenannte Rechtsfrage nicht offen, sondern wie oben ausgeführt zu entscheiden ist.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Die aufgeworfene Frage ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch das genannte Urteil des beschließenden Gerichts vom 7. September 1977 geklärt ist und neue Gesichtspunkte ohne weiteres entsprechend den vorstehenden Ausführungen im Sinne der Beibehaltung der bisherigen Rechtsprechung beantwortet werden können.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Abweichung des Urteils von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt, weil die vom Beklagten genannten voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätze nicht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt worden sind, nämlich in Anwendung einerseits des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG NRW und andererseits des § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB bzw. der Vorgängervorschrift.

Vgl. zu dem Erfordernis derselben Rechtsvorschrift OVG NRW, Beschluss vom 22. März 1999 - 15 A 1047/99 -, S. 9 des amtlichen Umdrucks.

Die bloße Wortgleichheit der Normen, von der der Beklagte zu Unrecht auf eine Inhaltsgleichheit schließt, reicht nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.