OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.06.2000 - 11 A 1045/97
Fundstelle
openJur 2011, 78018
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 14 K 6880/94
Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung des Klägers zu 2. wird im Óbrigen der angefochtene Gerichtsbescheid teilweise geändert:

Es wird festgestellt, dass der vor dem Haus S. straße 143 in B. -W. auf dem Grundstück Gemarkung W. Flur 4 Flurstück 28 liegende Gehweg keine öffentliche Wegefläche ist.

Die Beklagte und der Kläger zu 2. tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Verfahrenskosten der Klägerin zu 1. sowie zur Hälfte ihre eigenen außergerichtlichen Verfahrenskosten. Der Kläger zu 2. trägt seine außergerichtlichen Verfahrenskosten und die Hälfte der außergerichtlichen Verfahrenskosten der Beklagten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Gehweg vor dem Haus mit der Straßenbezeichnung S. straße 143 in B. -W. Bestandteil der öffentlichen Wegefläche ist.

Die S. straße ist eine zweispurig ausgebaute innerstädtische Straße, an deren nördlichen bzw. südlichen Fahrbahn sich in dem hier fraglichen Abschnitt jeweils Gehwege befinden. Mit Ausnahme unter anderem der Gehwegfläche vor den Haus S. straße 143 gehört der Bürgersteig am südlichen Fahrbahnrand zur Wegeparzelle der S. straße.

Die Anlegung der S. straße wurde erstmals 1898 vom damaligen Amt W. als Verbindung zwischen W. und E. angeregt. Zunächst wurde ein erster Abschnitt zwischen der K. straße und der R. straße (jetzt: B. straße) im Jahr 1901 in der Form einer aschenbefestigten Wegefläche gebaut. Sodann - ein Jahr später - wurde die S. straße in einem zweiten Abschnitt ohne Pflasterrinnen und Bordsteinanlagen bis nach E. ausgebaut. 1907 wurde die Fahrbahn des ersten Bauabschnitts mit einer chaussierten Decke (Packlage und Kleinschlag) versehen. Im Jahr 1926 erfolgte die Eingemeindung von W. nach B. . Ausweislich der schriftlichen Angaben älterer, früherer Bewohner der Häuser S. straße 145 und 148 soll der Bürgersteig vor dem Haus S. straße 143 seit 1929/30 begehbar gewesen sein. 1951/52 wurde die S. straße mit einer Asphaltbetondecke versehen. Anliegerbeiträge für den Ausbau der S. straße als "erste Einrichtung ohne Bürgersteige" (Fahrbahn) wurden 1954 erhoben. Im gleichen Zeitraum wurden - ohne deren endgültige Fertigstellung im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinn - Arbeiten an den Gehwegen ausgeführt, unter anderem auch vor dem Haus S. straße 143. Der streitige Gehweg ist nach einem Vermerk des Tiefbauamtes der Beklagten vom 6. Februar 1991 seit ca. 30 Jahren ausgebaut. Einem weiteren Vermerk vom Juli 1993 des gleichen Amtes zufolge wird er seit über 20 Jahren von der Beklagten unterhalten. Derzeit ist der Gehweg vor dem Haus S. straße 143 mit einer Asphaltdecke versehen.

Der Gehweg vor dem Haus S. straße 143 ist Bestandteil des Grundstücks Gemarkung W. Flur 4 Flurstück 28 - früher: 212/60 - (Grundbuch von W. , Grundbuchblatt 1629). Das dort befindliche Wohnhaus wurde im Jahr 1903 errichtet. Dieses Grundstück steht in ungeteilter Erbengemeinschaft im Miteigentum der Herren Reinhard Hans Jürgen B. und Jörg Udo B. . Die Gehwegfläche vor dem Haus S. straße 143 ist nicht förmlich gewidmet worden.

Für den betroffenen Ortsbereich liegt weder ein Bebauungsplan vor noch bestehen planerische Festsetzungen nach altem Recht.

Wegen des Abstellens von zum Teil nicht zum Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen und Anhängern auf dem Gehweg vor dem Haus S. straße 143 bzw. wegen einer sonstigen privatnützigen Inanspruchnahme dieser Fläche (Aufstellen eines Gerüstes) kam es seit dem Jahr 1987 zu mehrfachem ordnungsbehördlichen Einschreiten des damaligen Oberstadtdirektors der Stadt B. gegen einzelne Mitglieder der Familie B. und nachfolgend zu gerichtlichen Verfahren (u.a. 14 L 592/91 VG Gelsenkirchen = 13 B 934/91 OVG NRW und 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen = 8 A 2540/96 OVG NRW). Im Übrigen kam es zwischen weiteren Anwohnern der S. straße und einem Eigentümer des Grundstücks S. straße 143 auch zu zivilrechtlichen Auseinandersetzungen wegen der Benutzung des Bürgersteigs.

Am 4. Oktober 1994 haben die Kläger die vorliegende Feststellungsklage erhoben und im Wesentlichen geltend gemacht: Es sei ihnen verwehrt, den Gehweg vor dem Haus S. straße 143 nach Belieben zu nutzen. Wegen dieser Nutzung sei es bereits zu ordnungsbehördlichem Einschreiten und zivilrechtlichen Auseinandersetzungen gekommen.

Die Kläger haben schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,

festzustellen, dass die befestigte Fläche auf dem Grundstück S. straße 143 in B. zwischen dem Wohnhaus und der Fahrbahn keine öffentliche Verkehrsfläche ist und der Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigte darüber gemäß § 903 BGB verfügen kann.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat insbesondere vorgetragen: Bei dem streitigen Gehweg handele es sich unbeschadet des Fehlens einer förmlichen Widmung um einen öffentlichen Weg, da eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung eingetreten sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 1996, auf den Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.

Gegen den ihnen am 31. Dezember 1996 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger - der Kläger zu 2. vertreten durch die mit schriftlicher Vollmacht versehene Klägerin zu 1. - am 31. Januar 1997 Berufung eingelegt.

Im Verlauf des Berufungsverfahrens, am 23. Januar 1998, ist der Kläger zu 2. verstorben.

Die Kläger machen geltend: Die Schützenstraße sei nicht förmlich gewidmet. Eine Widmung kraft unvordenklicher Verjährung sei nicht gegeben. Ein besonderes Feststellungsinteresse ergebe sich auf Grund des unberechtigten ordnungsbehördlichen Einschreitens gegen auch ihnen zuzuordnende und auf dem streitigen Gehweg abgestellte Kraftfahrzeuge und hieraus entstandener Schäden.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich (sinngemäß),

den angefochtenen Gerichtsbescheid zu ändern und nach ihrem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und meint, die Feststellungsklage sei mangels besonderen Feststellungsinteresses unzulässig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und in dem Verfahren 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen sowie auf die jeweils beigezogenen Gerichtsakten, Verwaltungsvorgänge, Karten und sonstige Unterlagen.

Gründe

Der Senat konnte ungeachtet des Ausbleibens der Klägerin zu 1. im Termin zur mündlichen Verhandlung ohne sie verhandeln und entscheiden, da diese Klägerin ordnungsgemäß und unter Hinweis auf § 102 Abs. 2 VwGO geladen worden ist.

Ferner ist der Senat an einer Sachentscheidung über die Berufung nicht dadurch gehindert, dass der Kläger zu 2. während des Berufungsverfahrens verstorben ist. Eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß den §§ 173 VwGO, 239 Abs. 1 ZPO ist hierdurch nicht eingetreten. Im Zeitpunkt des Todes des Klägers zu 2. fand eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten - die Klägerin zu 1. - statt (§§ 173 VwGO, 246 Abs. 1 ZPO); ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde nicht gestellt.

1. Die Berufung der Klägerin zu 1. ist nach früherem Recht zulässig (Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 des 6. VwGOÄndG vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626). Die Vorschrift über die Prozessvertretung des § 67 VwGO n. F. findet hier keine Anwendung (Art. 10 Abs. 3 des 6. VwGOÄndG).

Die Berufung des Klägers zu 2. ist hingegen unzulässig. Für den Rechtsnachfolger des verstorbenen Herrn Lothar B. fehlt es an dem notwendigen Feststellungsinteresse nach § 43 Abs. 1 VwGO. Dieses Interesse ist eine Sachurteilsvoraussetzung. Sie muss in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senates (weiterhin) gegeben sein. Fällt das Interesse während des Rechtsstreits weg, muss der Kläger die Hauptsache für erledigt erklären, um eine Klageabweisung zu vermeiden.

Vgl. etwa Redeker/von Oertzen, VwGO, Kommentar, 12. Aufl. (1997), § 43 Rdnr. 19.

Das Fehlen des erforderlichen Feststellungsinteresses ergibt sich daraus, dass weder vorgetragen wurde noch ersichtlich ist, dass der unbekannte Rechtsnachfolger nach Lothar B. Besitzer bzw. Anlieger oder gar Eigentümer des Grundstücks S. straße 143 in B. ist. Nur auf Grund einer solcher Rechtsposition wäre ein Feststellungsinteresse gegeben; hierauf wird noch im Einzelnen sogleich näher einzugehen sein.

2. Die Berufung der Klägerin zu 1. hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit zu Unrecht abgewiesen. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist deshalb teilweise zu ändern.

a) Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.

Das Verwaltungsgericht hat ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu 1. unzutreffend mit der Begründung abgelehnt, diese sei an der streitigen Wegefläche nicht eigentumsberechtigt, im straßenrechtlichen Nutzungskonflikt werde das Grundstück aber durch den Eigentümer vertreten. Die insofern zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur fehlenden Klagebefugnis eines Nichteigentümers in planfeststellungsrechtlichen Verfahren

- BVerwG, Beschluss vom 26. Juli 1990 - 4 B 235.89 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 99 -

ist hinsichtlich der hier in Rede stehenden Problematik nicht einschlägig und hinsichtlich der Klagebefugnis des Pächters überholt.

BVerwG, Urteil vom 1. September 1997 - 4 A 36.96 -, BVerwGE 105, 178 (179 ff.).

Zum nordrheinwestfälischen Straßenrecht entspricht es überdies seit jeher der ständigen und gefestigten Rechtsprechung aller mit diesem Sachgebiet befassten Senate des erkennenden Gerichts, dass neben dem Eigentümer auch der Besitzer bzw. Anlieger die Feststellung der Öffentlichkeit einer Wegefläche klageweise begehren kann.

Dies gilt sowohl für die Entscheidungspraxis des früher zuständigen IV. Senats

- OVG NRW, Urteile vom 29. Oktober 1953 - IV A 1159/52 -, OVGE 9, 32 (34), vom 15. Mai 1957 - IV A 1001/54 -, DÖV 1959, 876 (877), und vom 4. Mai 1960 - IV A 1253/58 -, OVGE 15, 294 (295 f.) -

als auch für diejenige des später zuständigen 9. Senates

- OVG NRW, Urteil vom 15. März 1984 - 9 A 2263/81 -, Urteilsabdruck (UA) S. 6 -

und schließlich für die Rechtsprechung des nunmehr mit der Materie befassten (vormals 23.) Senates.

OVG NRW, Urteil vom 11. Oktober 1991 - 23 A 2372/88 -, UA S. 7 (inzident).

Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlass. Der durch § 14a Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - StrWG NRW - in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1995 (GV. NRW. S. 1208; berichtigt GV. NRW. 1996 S. 81, 141, 216) gewährleistete Straßenanliegergebrauch steht ausdrücklich den Eigentümern und Besitzern von Grundstücken zu, die an einer öffentlichen Straße gelegen sind (Straßenanlieger). Zwischen den Anliegern und der Straßenbehörde bestehen somit unmittelbare Rechtsbeziehungen öffentlicher Art, die einerseits den Anlieger berechtigen, angrenzende öffentliche Wegeflächen im Rahmen des Anliegergebrauchs zu nutzen, andererseits die zuständige Behörde etwa gemäß § 22 StrWG NRW in die Lage versetzen, gegen unerlaubte Benutzungen der öffentlichen Straße - auch durch Besitzer angrenzender Grundstücke - einzuschreiten. In dem einen wie in dem anderen Fall ist logische Voraussetzung, dass es sich bei dem fraglichen Grundstück um ein solches handelt, dessen rechtliche Qualität als öffentliche Straße feststeht.

b) Ein berechtigtes Interesse der Klägerin zu 1. an einer baldigen Feststellung der Nichtöffentlichkeit der streitigen Gehwegfläche ist ebenfalls gegeben. Eigentümer oder Besitzer von Grundflächen, deren Eigenschaft als öffentlicher Weg streitig ist, können nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts in Bezug auf die Frage der Öffentlichkeit dieser Wegeparzellen sowohl eine negative Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung der Nichtöffentlichkeit einer Wegefläche erheben als auch im Rahmen einer positive Feststellungsklage die Feststellung der Öffentlichkeit einer solchen Fläche begehren.

Zur negativen Feststellungsklage: OVG NRW, Urteil vom 29. Oktober 1953 - IV A 1159/52 -, a.a.O. (34 f.), und vom 16. Juni 1986 - 9 A 877/84 -, UA S. 6; zur positiven Feststellungsklage: OVG NRW, Urteil vom 15. Mai 1957 - IV A 1001/54 -, a.a.O.

c) Einem Feststellungsinteresse der Klägerin zu 1. steht nicht § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO entgegen, wonach die Feststellung nicht begehrt werden kann, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

Zwar trifft es im konkreten Fall zu, dass etwa Ordnungsverfügungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des streitigen Gehweges - wie in der Vergangenheit bereits geschehen - im Wege des Widerspruchs und gegebenenfalls der Anfechtungsklage angegriffen werden können. Abgesehen davon, dass in solchen Klageverfahren die Frage der Öffentlichkeit des streitigen Gehweges im straßenrechtlichen Sinn möglicherweise gar nicht entscheidungserheblich sein mag, kann mit einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren die Öffentlichkeit des Gehweges, wenn auch nicht mit Rechtskraft für alle Fälle oder mit allgemeiner Wirkung, so doch aber mit einer gewissen präjudiziellen Wirkung geklärt und mithin weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden.

Vgl. etwa - z. T. inzident - OVG NRW, Urteile vom 16. Juni 1986 - 9 A 877/84 -, UA S. 6, vom 11. Oktober 1991 - 23 A 2372/88 -, UA S. 7, und vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 9.

d) Das Recht der Klägerin zu 1., im Wege einer verwaltungsgerichtlichen Klage die Feststellung der Nichtöffentlichkeit des Gehweges vor dem Haus Schützenstraße 143 zu verlangen, kann schließlich nicht mit Blick auf das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 11. August 1993 in dem Zivilrechtsstreit 43 C 552/92 (= 9 S 267/93 Landgericht Bochum) zwischen weiteren Anliegern der S. straße und einem der Miteigentümer des Grundstücks S. straße 143, Herrn Jörg B. , verneint werden. Zwar hat das Amtsgericht Bochum in diesem Verfahren die Klage betreffend die Benutzung des streitigen Bürgersteigs rechtskräftig abgewiesen, weil die dortigen Kläger nicht bewiesen hatten, dass der Gehweg als öffentliche Wegefläche dem Gemeingebrauch unterliegt. In diesem Zivilrechtsstreit ist auch der Stadt Bochum von Seiten der Kläger jenes Verfahrens gemäß § 72 ZPO der Streit verkündet worden (Schriftsatz vom 1. Dezember 1992, Bl. 13 der Beiakte Heft 1 zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/94 VG Gelsenkirchen; Zustellung Bl. 23, a.a.O.). Unbeschadet dessen, ob diese Streitverkündung nach den §§ 72 ff. ZPO überhaupt wirksam war, treten die Interventionswirkungen nach den §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO jedenfalls dann nicht ein, wenn dadurch - wie hier - eine Bindung des Streitverkündeten in einem späteren Verfahren herbeigeführt würde, für welches ein anderer Rechtsweg gegeben ist.

BGH, Urteil vom 16. Juni 1993 - VIII ZR 222/92 -, BGHZ 123, 44 (48 f.), zur fehlenden Interventionswirkung für einen arbeitsgerichtlichen Folgeprozess.

3. Die mithin zulässige Feststellungsklage der Klägerin zu 1. hat auch in der Sache Erfolg. Der Gehweg vor dem Haus S. straße 143 in B. -W. ist keine öffentliche Wegefläche.

a) Öffentliche Straßen sind gemäß § 2 Abs. 1 StrWG NRW diejenigen Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW ist eine Widmung die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Eine förmliche Verfügung in diesem Sinne, durch welche die hier fragliche Wegefläche die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten hätte, ist seit der Geltung des nordrhein- westfälischen Straßenrechts mit Inkrafttreten des Straßengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - Landesstraßengesetz - LStrG - vom 28. November 1961 (GV. NRW. S. 305; in Kraft getreten gemäß § 71 LStrG am 1. Januar 1962) nicht erfolgt. Diese Tatsache ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

b) Allerdings sind öffentliche Straßen gemäß § 60 Satz 1, erster Halbsatz StrWG NRW - eine wortgleiche Bestimmung enthielt bereits § 60 Abs. 2 Satz 1, erster Halbsatz LStrG - auch diejenigen Straßen, Wege und Plätze, welche nach bisherigem Recht die Eigenschaft einer öffentlichen Straße besitzen.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht es aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit zur Überzeugung des Senats fest, dass die streitige Wegfläche bereits vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes eine öffentliche Straße war. Wegen der mit der Öffentlichkeit eines Weges verbundenen weit reichenden Einschränkungen des Privateigentums und mit Rücksicht auf den Grundsatz des § 903 Satz 1 BGB, wonach der Eigentümer einer Sache mit dieser nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann, geht die Nichterweislichkeit der Öffentlichkeit eines Weges zu Lasten desjenigen, der sich auf dessen Öffentlichkeit beruft. Dies ist hier die Beklagte.

So schon PrOVG; Urteil vom 21. März 1904 - Rep. IV. B. 94/03 -, PrOVGE 45, 247 (249); vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 10, 12 und 16.

aa) Für nicht förmlich nach nordrheinwestfälischem Straßenrecht gewidmete Straßen ist bezüglich der Frage der Öffentlichkeit einer Straße oder eines Weges, der vor dem 1. Januar 1962 vorhanden war, auf das Wegerecht abzustellen, unter dessen Geltung der Weg entstanden ist.

OVG NRW, ständige Rechtsprechung; vgl. etwa das vorstehend zitierte Urteil, UA S. 10 ff.

Die S. straße als solche ist - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts erstmalig angelegt worden. Demgegenüber ist der genaue Zeitpunkt der Entstehung einer Wegefläche vor dem Haus S. straße 143 mit der Funktion eines Gehweges unklar. Den in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten enthaltenen schriftlichen Angaben älterer früherer Bewohner der Häuser S. straße 145 und 148 zufolge soll ein Bürgersteig vor dem Haus S. straße 143 bereits seit 1929/30 begehbar gewesen sein (Bl. 126 der Beiakte Heft 3 zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen). Ferner sollen nach der Auskunft der Beklagten vom 1. Juni 1993 an das Amtsgericht Bochum in dem Zivilrechtsstreit 43 C 552/92 (Bl. 49 f. der Beiakte Heft 1 zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen) Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts im Zuge der Neueindeckung der S. straße Arbeiten an den Gehwegen ausgeführt worden sein, unter anderem vor dem Haus S. straße 143. Ausweislich weiterer Aktenvermerke des Tiefbauamtes der Beklagten sei der streitige Gehweg seit ca. 30 Jahren ausgebaut (Vermerk vom 6. Februar 1991, Bl. 83 der Beiakte Heft 3 zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen) und werde seit über 20 Jahren von der Beklagten unterhalten (Vermerk vom Juli 1993 in der Beiakte Heft 4 zum vorliegenden Verfahren).

Unabhängig von gewissen Zweifeln ist jedenfalls festzuhalten, dass sowohl die S. straße als auch der streitige Gehweg zwar noch vor Inkrafttreten des nordrhein- westfälischen Straßenrechts, aber unter Geltung des früheren preußischen Wegerechts entstanden sind, das bis zum Inkrafttreten des nordrheinwestfälischen Straßenrechts in dem hier fraglichen Bereich Anwendung fand.

Die Gebietskörperschaften B. und W. gehörten ebenso wie die unmittelbar angrenzende Gemeinde W. früher zunächst zum Großherzogtum B. und waren später Teil des französischen Arrondissements D. im Ruhrdepartement. Mit Ende der französischen Herrschaft und der Gründung der Provinz Westfalen wurde das Gebiet ab 1815 preußisch.

Bochumer Stadtrecht, Loseblatt- Ausgabe (Stand: Juni 1996), Stadtgeschichte in Stichworten, S. 2; Vollmer, Westfälische Stadtbilder (1963), Stichwort: "Bochum", S. 71; Wisplinghoff u.a., Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalen (1973), S. 120 f. (mit Karte); Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Karte der Straßenbauverwaltung (Stand: Juni 1996), Stichwort: "Ge- schichte und Entwicklung des Straßenbaus in Westfalen-Lippe" (mit Karte).

bb) Öffentliche Wege entstanden unter Geltung des preußischen Wegerechts nach der in Ermangelung einschlägiger konkreter Rechtsnormen maßgeblichen Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts durch Widmung seitens der drei Rechtsbeteiligten, nämlich der Wegeaufsichts-/polizeibehörde, des Wegeunterhaltungspflichtigen und des Wegeeigentümers. Diese Widmungstheorie des Preußischen Oberverwaltungsgerichts ist vorliegend auch anwendbar, da es sich nicht um einen vor der Geltung preußischen Wegerechts entstandenen "alten Weg" handelt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 -, OVGE 19, 175 (180 f.), m.w.N.; Treffer, Alte Wege in Nordrhein-Westfalen, NWVBl. 1996, 124 f.

Ausdrückliche Erklärungen seitens eines der drei Rechtsbeteiligten zu der Frage der Öffentlichkeit des Gehwegteilstücks liegen nicht vor. Eine so genannte konkludente, stillschweigende Widmung durch die hierzu berufenen Personen steht zur Überzeugung des Senates ebenfalls nicht fest.

Eine stillschweigende Widmung setzt immer tatsächliche Vorgänge voraus, welche den zur Zeit dieser Vorgänge vorhandenen Widmungswillen erkennen lassen. Ein mögliches, nur duldendes Verhalten des jeweiligen privaten Eigentümers lässt nicht den Schluss auf eine konkludente Widmung zu. Dies gilt unabhängig davon, ob über längere Zeit hinweg ein vom Eigentümer nicht gehinderter Verkehr über den Gehweg stattgefunden hat. Aus einem solchen Verhalten des Grundstückseigentümers kann nicht ohne weitere Umstände, die hier fehlen, der Schluss gezogen werden, er wolle sich damit der uneingeschränkten privaten Verfügungsmacht über den Weg begeben.

So bereits PrOVG, Urteile vom 14. November 1929 - IV. C. 33.28 -, RuPrVBl. Bd. 51 (1930), 454 (455), vom 6. Februar 1930 - IV C 44/29 -, PrOVGE 86, 312 (313 f.), vom 1. Juli 1937 - IV C 145.35 - RuPrVBl. Bd. 58 (1937), 905 (906); RVG, Urteil vom 29. Januar 1942 - III. C. 26.40 -, PrOVGE Kurzausgabe, Gruppe X, Bd. 1, 532 (535 f.); siehe auch: OVG NRW, Urteile vom 16. November 1982 - 9 A 278/81 -, UA S. 8, vom 15. März 1984 - 9 A 2263/81 -, UA S. 13, vom 12. Juli 1984 - 9 A 419/82 - , UA S. 7, vom 8. November 1984 - 9 A 2235/82 -, OVGE 37, 198 (202 f.), und vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 14; Beschluss vom 13. September 1996 - 23 B 1998/96-, Beschlussabdruck S. 3.

Zunächst kann allein das etwaige Dulden eines Fussgängerverkehrs durch einen früheren Eigentümer des Grundstücks S. straße 143 auf dem Gehweg vor diesem Anwesen, der - wie ältere Personen schriftlich bezeugt haben - bereits ab 1929/30 begehbar gewesen sein soll, diesen Weg noch nicht zu einem öffentlichen Wegefläche gemacht haben. Der streitige Gehweg war, und ist es auch noch, Privateigentum. Unter der Geltung des Preußischen Gesetzes über die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883 (PrGS. S. 237) hatte kein Privatmann das Recht, Privatwege für öffentlich zu erklären oder durch Freigabe für den öffentlichen Verkehr zu öffentlichen zu machen.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 15. März 1984 - 9 A 2263/81 -, UA S. 13.

Als konkreter Nachweis des Widmungswillens des privaten Wegeeigentümers reicht ebenso wenig das bloße Dulden des Ausbaus der S. straße Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts aus, mag dieser Ausbau auch den Gehweg vor dem Haus S. straße 143 erfasst haben.

Es ist bereits unklar, ob das konkrete, hier in Rede stehende Gehwegteilstück vor dem Haus S. straße 143 bereits zu diesem Zeitpunkt mit befestigt worden ist. Nach dem Abrechnungsvermerk vom 5. Mai 1954 in den Verwaltungsvorgängen betreffend die Erschließungsbeiträge sind die Bürgersteige nur "teilweise vorläufig befestigt" worden (Bl. 4 der Beiakte Heft 5, Bd. I).

Mag auch zwischen dem Erschließungsbeitragsrecht und dem Straßenrecht insoweit zu differenzieren sein, als nach ersterem eine Erschließungsanlage (oder eine Teileinrichtung von ihr) erst abgerechnet werden darf, wenn sie im Einklang mit dem Ortsrecht endgültig hergestellt ist, weshalb die tatsächliche Benutzbarkeit der Wegefläche schon wesentlich früher eingetreten sein kann, so kann diese Vermutung nicht für die streitige Wegefläche auf dem früheren Flurstück 212/60 (Plan Bl. 3 der Beiakte Heft 5, Bd. I) gelten. Denn ausweislich der offenkundig ebenfalls im Jahr 1954 aufgestellten Liste über "Gezahlte Kosten" ist für die "Haus- Nr. 143" ein entsprechender Betrag nur unter der Spalte "Fahrbahn", nicht aber auch unter der Rubrik "Bürgersteig" verbucht worden (lfd. Nr. 37, Bl. 20 Rs. der Beiakte Heft 5, Bd. I).

Hinzu kommt, dass ein eindeutiger Wille der Beklagten, die Wegebaulast auch für diesen Abschnitt zu übernehmen, nicht eindeutig dokumentiert und von ihr selbst (später) in Frage gestellt wurde. Denn nach ihrer Stellungnahme vom 12. Februar 1991 an den Landtagsabgeordneten A. "kann (eine Widmung) bezüglich der betroffenen Gehwegfläche auch kraft alten Rechts nicht unterstellt werden" (Bl. 93 der Beiakte Heft 3 zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen).

Insbesondere wegen des zu diesem Zeitpunkt bereits geltenden Art. 14 GG ist in diesem Zusammenhang auch die verschiedentlich geäußerte Meinung der Beklagten ohne Bedeutung, die Eigentümer des Hauses S. straße 143 hätten einem Gehwegausbau nicht widersprochen (Bl. 49 f. der Beiakte Heft 1 und Bl. 126 f. der Beiakte Heft 3 jeweils zu 8 A 2540/96 OVG NRW = 14 K 692/93 VG Gelsenkirchen).

Der Nachweis der Öffentlichkeit der Gehwegfläche konnte nicht über die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu den Akten gereichten Verwaltungsvorgänge betreffend die Grundsteuer (Beiakte Heft 8) erbracht werden. Da hiernach und nach den Erläuterungen der Vertreter der Beklagten das Grundstück Schützenstraße 143 auf der Basis der Jahresrohmiete und nicht auf der Grundlage einer flächenmäßigen Berechnung besteuert wird, kann eine etwaige Steuerfreiheit der Gehwegfläche nicht als Indiz für ihre Öffentlichkeit gewertet werden.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 4. Mai 1960 - IV A 1253/58 -, a.a.O. (300), und vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 14.

Ohne Bedeutung sind die Hinweise der Beklagten in dem Vermerk vom Juli 1993 (Beiakte Heft 4 zu vorliegendem Verfahren), der Gehweg werde seit über 20 Jahren, d. h. schon vor 1973, von der Stadt unterhalten, auch werde der Gehweg, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, zwei Mal wöchentlich gereinigt. Zwar dürfte nach der Aufstellung vom 7. Juli 1969, die auch das Flurstück 28 mit der als früheren Eigentümerin vermerkten Henriette D. betrifft (Bl. 48 der Beiakte Heft 5, Bd. I), und nach einem Katasterplan mit Datumsstempel vom 13. Oktober 1969 (Bl. 51 der Beiakte Heft 5, Bd. I) der Bürgersteig auch vor dem Haus S. straße 143 zu diesem Zeitpunkt nun ausgebaut gewesen sein. Selbst wenn hierin nunmehr die endgültige faktische Übernahme der Straßenbaulast für den Bürgersteig liegen sollte, wäre dies ohne straßenrechtliche Auswirkungen. Denn bereits seit Beginn 1962 galt das nordrheinwestfälische Straßenrecht mit seinen strengen Anforderungen an die Förmlichkeit einer Widmung.

Die Öffentlichkeit des Gehwegteilstücks ergibt sich schließlich nicht aus einer grundsätzlich möglichen Erstreckung der Widmung der S. straße als solcher auf die an sie angrenzenden Gehwege. Unterstellt, der im Eigentum der Beklagten stehende Straßenkörper der S. straße habe nach preußischem Recht als gewidmet zu gelten, würde bei ihrer Verbreiterung, Begradigung, unerheblichen Verlegung oder Ergänzung der neue Straßenteil durch die Verkehrsübergabe gemäß § 6 Abs. 8 Satz 1 StrWG NRW als gewidmet gelten, sofern die Voraussetzungen des Absatzes 5 vorliegen. Diese Bestimmung wurde aber erst mit Gesetz vom 5. Juli 1983 (GV. NRW. S. 240) in das nordrheinwestfälische Landesstraßenrecht eingeführt. Für die zuvor geltende Rechtslage war es nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts anerkannt, dass bei einer unwesentlichen Erweiterung einer Straße es nach dem Grundsatz der so genannten Elastizität der Widmung keiner erneuten Widmung der neu ausgebauten und dem Verkehr übergebenen Straßenflächen bedarf.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 1999 - 3 A 3506/95 -, NWVBl. 1999, 467 ff., m.w.N.

Ob der richterrechtlich entwickelte Grundsatz der "Elastizität der Widmung" im Falle einer unerheblichen (unwesentlichen) Verbreiterung auch dann ohne weiteres gilt, wenn die bauliche Veränderung der Straße auf "externe" Flächen (Grundstücke im Eigentum Dritter) mit enteignungsgleichen Auswirkungen übergreift

- inzident wohl verneinend die vorstehend zitierte Entscheidung, a.a.O. (468) -,

mag jedenfalls unter Geltung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und den hiernach zu erfüllenden strengen Anforderungen an enteignende Maßnahmen zweifelhaft erscheinen. Das in solchen Fällen auch nach altem Recht jedenfalls erforderliche konkludente Einverständnis des betroffenen Grundeigentümers

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Januar 1980 - IX A 1361/77 -, OVGE 34, 282 (284) -

kann nach dem oben Dargelegten hier nicht zur Überzeugung des Senats erkannt werden.

c) Der Nachweis der Widmung durch die drei Rechtsbeteiligten wird auch nicht durch die Rechtsvermutung zu Gunsten der Öffentlichkeit des Weges nach dem Grundsatz der unvordenklichen Verjährung ersetzt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts ist dieser Grundsatz ein Instrument zur Beurteilung solcher Wege, deren Entstehung und ursprüngliche rechtliche Verhältnisse im Dunkeln liegen. Er besagt, dass die Öffentlichkeit eines derartigen Weges dann angenommen werden kann, wenn er seit Menschengedenken oder doch seit langer Zeit unter stillschweigender Duldung des nicht wegebau- oder - unterhaltungspflichtigen Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist.

Vgl. 0VG NRW, Urteile vom 18. Dezember 1963 - IV A 707/61 -, a. a. O. (179 f.), vom 20. August 1968 - IV A 1324/66 -, UA S. 9, vom 17. Januar 1980 - IX A 1361/77 -, UA S. 7 (insoweit n. v.), vom 16. November 1982 - 9 A 278/81 -, UA S. 7 ff., vom 23. November 1983 - 9 A 2199/81 -, UA S. 15, vom 21. April 1987 - 9 A 1078/86 -, UA S. 9, und vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 15.

Für die Anwendung des Grundsatzes der unvordenklichen Verjährung fehlt es hier bereits an der Voraussetzung, dass es sich um einen so genannten alten Weg handelt, dessen Entstehung nicht geklärt ist.

Die S. straße ist in dem Abschnitt ab der B. straße (früher: R. straße) erstmalig 1902 ohne Pflasterrinnen und Randsteine angelegt worden. Früher kann auch ein Gehweg, in welchem Bereich auch immer, nicht entstanden sein. Soweit sich - wie bereits erwähnt - ältere Anwohner daran erinnern wollen, der Bürgersteig vor dem Haus S. straße 143 sei bereits seit 1929/30 begehbar gewesen, besagt dies noch nichts darüber, dass dort schon damals ein Gehweg in einem technischfunktionalen Sinn tatsächlich vorhanden war. Hinzu kommt, dass selbst wenn 1929/1930 eine dem Fussgängerverkehr zur Verfügung stehende, von der Fahrbahn der S. straße abgegrenzte Fläche vorhanden gewesen sein sollte, das Vorhandensein einer solchen Fläche nichts über die Rechtsnatur als öffentliche oder private Wegefläche besagt. Fest steht, dass die Fläche seit jeher in Privateigentum stand. Die stillschweigende Duldung eines über einen Privatweg verlaufenden allgemeinen (Fussgänger-)Verkehrs durch den oder die Eigentümer des Privatweges reicht nicht aus, der Allgemeinheit ohne weiteres die Überzeugung zu vermitteln, dass der Weg rechtmäßigerweise als öffentlicher Weg benutzt wird.

OVG NRW, Urteil vom 16. November 1982 - 9 A 278/81 -, UA S. 8.

Schließlich steht der Anwendbarkeit des Grundsatzes der unvordenklichen Verjährung entgegen, dass der streitige Gehweg, unterstellt, er sei von der Öffentlichkeit unter stillschweigender Duldung des Privateigentümers in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden, nicht lange genug als solcher genutzt worden ist. An diesen Nachweis sind mit Rücksicht auf die erheblichen Auswirkungen auf die Rechtssphäre des Eigentümers, über dessen privaten Grund ein öffentlicher Weg verläuft, strenge Anforderungen zu stellen; im Zweifel kann nicht von der Existenz eines öffentlichen Weges ausgegangen werden. Als notwendige Dauer einer Benutzung in der vorbeschriebenen Weise ist prinzipiell ein Zeitraum von 40 Jahren zu Grunde zu legen, für den die Benutzung nachgewiesen werden muss; für die diesen 40 Jahren vorangegangenen 40 Jahre darf keine gegenteilige Erinnerung an einen anderen Rechtszustand bestehen. Zur Beurteilung der Voraussetzungen der unvordenklichen Verjährung ist demnach eine rückblickende Betrachtung notwendig, die, wie das Abstellen auf die Erinnerung noch lebender Personen ("seit Menschengedenken") zeigt, grundsätzlich von der jeweiligen Gegenwart ihren Ausgang nehmen müsste. Da seit Inkraftreten des Landesstraßengesetzes am 1. Januar 1962 Wege nur noch durch eine förmliche Verfügung - eine Widmung - die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erlangen konnten, ist als Bezugspunkt für die rückblickende Betrachtung aber stattdessen auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des nordrheinwestfälischen Straßenrechts abzustellen.

OVG NRW, Urteil vom 25. März 1993 - 23 A 991/89 -, UA S. 15 ff., m.w.N.

Für den danach zunächst in den Blick zu nehmenden Zeitraum etwa ab 1920 steht es nicht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Weg in der Überzeugung der Rechtmäßigkeit als öffentlicher Weg benutzt worden ist. Denn trotz der bereits erwähnten Restzweifel ist frühestens ab 1929/30 die Nutzung eines Gehweges vor dem Haus S. straßeP 143 bezeugt. Es fehlen somit an dem jedenfalls erforderlichen 40-jährigen Zeitraum der Nutzung der Wegefläche ungefähr 10 Jahre.

Lassen sich die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer unvordenklichen Verjährung mithin nicht feststellen, so muss es bei der Vermutung der Freiheit des Privateigentums von öffentlichen Lasten sein Bewenden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.