LG Essen, Beschluss vom 08.12.2009 - 7 T 470/08
Fundstelle
openJur 2011, 70419
  • Rkr:

Zwangsvollstreckung, unzumutbare Härte, Suizidgefahr

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 175.000,-- €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Schuldner, die 63 Jahre bzw. 61 Jahre alt sind, sind Eigentümer des von der Zwangsversteigerung betroffenen Grundstücks. Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bewohnt, in welchem die Schuldner wohnen. Über das Vermögen beider Schuldner wurde am 18. 09. 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter in beiden Verfahren ist der Beteiligte zu 3).

Das Amtsgericht C ordnete die Zwangsversteigerung des hier betroffenen Grundstücks mit Beschluss vom 10. 06. 2005 aufgrund eines Antrages einer persönlichen Gläubigerin (N GmbH) an. Nunmehr betreiben die Beteiligten zu 4) und 5) aus dinglichen Rechten die Zwangsversteigerung des Grundstücks.

Die Schuldner stellten mit Schreiben vom 27. 03. 2006 erstmals einen Antrag auf Vollstreckungsschutz gem. § 765 a ZPO. In diesem Schreiben heißt es unter anderem:

"In unserem speziellen Fall, der unverschuldet in Not Geratenen, erscheint uns jedoch die bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahme als nicht hinzunehmende Härte.

Wie wir Ihnen bereits mitgeteilt haben, stehen wir seit mehr als zwei Jahren unter einer erheblichen psychischen und physischen Dauerbelastung, die durch Kompetenzträger der Stadt H verursacht wurde.

Wir haben in unseren Schreiben darauf hingewiesen, dass zur Zeit einige Strafermittlungsverfahren (Betrug, Prozessbetrug, Betrug zum Nachteil der Bezirksregierung, Nötigung, Erpressung, etc.) gegen entsprechende Kompetenzträger der Stadt H laufen und eine zivilrechtliche Klage vor dem Landgericht Essen anhängig ist, die alsbald terminiert werden soll.

Aufgrund der enormen zeitlichen Belastung in den Strafverfahren, Zivilverfahren, waren wir noch nicht einmal in der Lage, entsprechende ärztliche Hilfe in unserem stark angeschlagenen Gesundheitszustand in Anspruch zu nehmen. Gerne sind wir bereit, zeitnah Bescheinigungen über unsere derzeitige psychische und physische Situation nachzureichen.

Da es sich bei dem o.a. Objekt um unser privat genutztes Haus handelt, in dem wir schon seit über 20 Jahren wohnen, besteht bei einer Zwangsversteigerung darüber hinaus die erhebliche Gefahr, und das nicht nur aufgrund unseres Alters, für unsere Gesundheit".

Diesen Antrag wies das Amtsgericht C im Hinblick auf das zwischenzeitlich eröffnete Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldner mit Beschluss vom 18. 01. 2007 als unzulässig zurück.

In einem weiteren Vollstreckungsschutzantrag vom 28. 01. 2008 tragen die Schuldner zur Begründung Folgendes vor:

"Seit mehr als über 4 Jahren stehen wir unter einer erheblichen psychischen und physischen Dauerbelastung, die durch Kompetenzträger der Stadt H verursacht wurde.

Grund dafür sind die seit über 3 Jahren anhängigen Strafermittlungsverfahren (Betrug, Prozessbetrug, Betrug zum Nachteil der Bezirksregierung, Nötigung, Erpressung, etc.) gegen diverse Kompetenzträger der Stadt H, die nunmehr der Generalstaatsanwaltschaft Hamm zur abschließenden Prüfung vorliegen.

Der mögliche Betrugsschaden beläuft sich auf über 6.000.000,-- €.

Aufgrund enormer zeitlicher Belastungen in den Strafverfahren waren wir nicht in der Lage, entsprechende ärztliche Hilfen in unserem stark angeschlagenen labilen Gesundheitszustand in Anspruch zu nehmen. Sollte das Gericht es für erforderlich halten, sind wir selbstverständlich bereit, zeitnah Bescheinigungen über unsere derzeitige psychische und physisch bedrohliche Situation nachzureichen".

In einem am 29. 01. 2008 durchgeführten Versteigerungstermin blieb die Beteiligte 7) mit einem Gebot von 175.000,-- € Meistbietende. In dem Termin bewilligte der Terminsvertreter der Beteiligten zu 5) die Einstellung des Verfahrens. Das Amtsgericht versagte daraufhin den Zuschlag auf das Meistgebot der Beteiligten zu 7). Nach einem in der Akte befindlichen Vermerk des Rechtspflegers des Amtsgerichtes C vom 09. 01. 2008 äußerte sich der Schuldner nach Durchführung des Termins in einem persönlichen Gespräch mit dem Rechtspfleger dahingehend, dass es, falls er heute eine Waffe bei sich gehabt hätte, sechs Tote gegeben hätte.

Die Fortsetzung des Verfahrens erfolgte auf entsprechenden Antrag der Beteiligten zu 5) mit Beschluss des Amtsgerichts vom 03. 03. 2008.

Mit Schreiben vom 11. 07. 2008 stellten die Schuldner im Hinblick auf den für den 15. 07. 2008 angesetzten Versteigerungstermin erneut einen Antrag auf Vollstreckungsschutz gem. § 765 a ZPO. Sie legten nochmals dar, dass sie seit mehr als 4 Jahren unter "bestialischen, unmenschlichen und unerträglichen psychischen und physischen Dauerbelastungen" stünden, die durch die Kompetenzträger der Stadt H, den ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt H und den jetzigen NRW-Landesminister für Bauen und Verkehr, Herrn X, sowie div. skrupellose Behördenwillkür verursacht seien. Sie hätten vier Jahre lang keine Nacht durchschlafen können. Schweißgebadet die Schlafanzüge wechseln, fast alle Sozialkontakte und die Selbstachtung zu verlieren, ausgegrenzt zu sein durch Bonitätsverluste und an der Armutsgrenze zu leben, das sei für sie Realität. Ihre Immobilie auf T und die Lebensversicherungen seien ihnen bereits durch die Beteiligte zu 5) genommen worden. Für die weiteren Immobilien stünden ebenfalls durch die Beteiligte zu 5) betriebene, kurzfristige Zwangsversteigerungstermine an. Sie sollten dadurch nunmehr endgültig entsorgt und mundtot gemacht werden. Falls ihnen alle Immobilien genommen würden, bliebe ihnen für den Lebensabend eine monatliche Rente in Höhe von 517,-- € weit unter Sozialsatz.

Am Ende des Schriftsatzes führen die Schuldner aus:

"Abschließend weisen wir in aller Deutlichkeit noch einmal darauf hin, sofern uns unser Privathaus durch diese Zwangsversteigerung genommen wird, so wird uns gleichzeitig auch unsere letzte Kraft und die Basis für unsere weiteren Aktivitäten genommen.

Das würde für uns bedeuten, dass es für uns nur noch einen letzten Weg gibt, der dann für uns wegen fehlender Lebensperspektiven den Freitod bedeutet".

In einem Faxschreiben an den Beteiligten zu 3) vom 22. 01. 2008, das die Schuldner auch dem Amtsgericht per Fax übersandt hatten und in dem sie beanstanden, dass sie erst durch die Zeitung von dem für den 29. 01. 2008 angesetzten Versteigerungstermin erfahren haben, heißt es dagegen:

"Sofern sich für uns nach den Überprüfungen durch Generalstaatsanwaltschaft und Petitionsausschuss keine rechtliche Lösung abzeichnet, wären wir sofort zu einem freien Verkauf unseres Hauses bereit.

Dieser Verkauf würde gegenüber der Zwangsversteigerung für die Gläubiger wesentlich höhere Erträge zur Tilgung unserer Schulden erbringen".

Aus einem von den Schuldnern vorgelegten ärztlichen Gutachten des behandelnden Hausarztes Dr. med. F vom 14. 07. 2008 ergab sich, dass die Schuldner von diesem seit ca. 20 Jahren hausärztlich betreut werden. In den vergangenen ca. 5 Jahren seien massive physische und besonders psychische Veränderungen aufgetreten. Die Schuldnerin habe Schlafstörungen, intermittierendes Herzjagen, Nachtschweiß, Blutdruckschwankungen, Gedankenflut und Nervosität im Sinne von allgemeiner Unruhe und Ratlosigkeit. Letztendlich hätten alle Symptome in suizidale Gedanken und Absichten geführt. Er nehme als Hausarzt die Äußerungen ernst und betreue die Schuldnerin gesprächsintensiv. Bei dem Schuldner liege eine schwere Depression mit Autoaggressionstendenz vor. Durch die anstehende Zwangsversteigerung ihres Privathauses/des gesamten Besitzes seien die Beteiligten zu 1) und 2) offensichtlich derartig unter Druck geraten, dass ihr Lebenswerk und Lebenssinn gänzlich zerstört seien, wenn sie ihr Haus verlassen müssten. Unter Berücksichtigung der außerordentlichen Situation, insbesondere der psychischen Belastung, rate er daher dringend, die Schuldner in ihrem Haus zu belassen.

In dem Versteigerungstermin am 15. 07. 2008 blieb die Beteiligte zu 7) mit einem Gebot von 175.000,-- € erneut Meistbietende. In dem Termin erklärten die Schuldner, dass sie bereits seit dem letzten Termin ihren Hausarzt mehrfach konsultiert hätten. Dieser habe versucht, sie in dieser Angelegenheit ärztlich zu behandeln. Für den Fall, dass zuschlagsfähige Gebote abgegeben würden, machte das Gericht den Schuldnern zur Auflage, bis zum 15. 08. 2008 ein schriftliches amtsärztliches Gutachten einzureichen. Am Ende des Termins setzte das Gericht einen Termin zur Entscheidung über den Zuschlag für den 19. 08. 2008 fest.

Mit Verfügung vom 15. 07. 2008 übermittelte das Vollstreckungsgericht der Vormundschaftsabteilung des Amtsgerichts unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Terminsprotokoll mit der Bitte um Prüfung, ob Maßnahmen zum Schutz der Schuldner für notwendig erachtet werden.

Die Schuldner legten mit Schreiben vom 01. 08. 2008 ein Schreiben des Gesundheitsamts der Stadt C, Sozialpsychiatrischer Dienst, vom 31. 07. 2008 vor, aus dem sich ergab, dass die zuständige Dipl.-Psychologin sie gerne persönlich gesprochen hätte, und zwar am 09. 09. 2008. Ein früherer Termin sei leider nicht möglich. Ferner legten die Schuldner ärztliche Bescheinigungen des Facharztes für Nervenheilkunde N vom 07. 08. 2008 vor, in denen jeweils bescheinigt wird, dass sich die Schuldner seit dem 24. 07. 2008 wegen einer schweren seelischen Erkrankung in dessen fachärztlicher Behandlung befänden.

Durch Beschluss vom 19. 08. 2008, die Schuldner waren zu dem Verkündungstermin erschienen, erteilte das Amtsgericht der Beteiligten zu 7) auf das Meistgebot von 175.000,-- € den Zuschlag. Gegen die Erteilung des Zuschlages legten die Schuldner mit Schreiben vom 29. 08. 2008, Eingang bei Gericht 30. 08. 2008, Zuschlagsbeschwerde ein. Sie beanstandeten zunächst, dass das Amtsgericht eine Entscheidung vor dem für den 09. 09. 2008 angesetzten Termin beim Gesundheitsamt C getroffen hat. Sie verwiesen ferner darauf, dass ihr Hausarzt Dr. F in seinem Gutachten vom 14. 07. 2008 bereits die erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den anstehenden Verlust ihres Besitzes bestätigt habe.

Das Amtsgericht half der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 01. 09. 2008 nicht ab und legte die Akten der Kammer zur Entscheidung über die Beschwerde vor.

Das Amtsgericht C - Vormundschaftsabteilung - leitete unter dem Aktenzeichen 2 AR M 62/08 ein Verfahren ein, um zu prüfen, ob betreuungsrechtliche bzw. unterbringungsrechtliche Maßnahmen erforderlich sind. Aus einer Mitteilung der Betreuungsstelle für Erwachsene der Stadt C vom 19. 09. 2008 an das Amtsgericht ergibt sich, dass der zuständige Sachbearbeiter der Betreuungsstelle für Erwachsene zusammen mit der Dipl.-Psychologin S vom Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt C am 09. 09. 2008 einen Hausbesuch bei den Schuldnern durchgeführt hat. Abschließend heißt es in der Mitteilung, dass kein weiterer Beratungsbedarf gesehen werde. Im Übrigen wird auf den Bericht des Gesundheitsamtes verwiesen. In einem Schreiben des Gesundheitsamtes der Stadt C an das Amtsgericht C vom 15. 09. 2008, das unterzeichnet ist von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. E, wird darauf verwiesen, dass die Schuldner zum Zeitpunkt des Hausbesuches am 09. 09. 2008 deutliche depressive Symptome gezeigt hätten. Nach eigenen Aussagen seien sie aber noch kämpferisch, da sie Hoffnung hätten, dass der von ihnen eingeschaltete Petitionsausschuss des Landes oder der ebenfalls inzwischen involvierte Europäische Gerichtshof die Sachlage für sie verändern und damit auch eine Zwangsräumung verhindern könnten. In dem Schreiben heißt es dann weiter:

"Aus psychiatrischer Sicht liegt im Moment kein Anhaltspunkt für eine Eigen- oder Fremdgefährdung vor. Auch die Indikation für eine Betreuung ist nicht gegeben, wie Ihnen Herr Q sicher schon mitgeteilt hat.

Sollte es zu einer Zwangsräumung des Hauses ..... kommen, kann eine suizidale Handlung des Ehepaares N nicht ausgeschlossen werden".

Auch das Ordnungsamt der Stadt C teilte dem Gericht mit Schreiben vom 15. 09. 2008 mit, dass aufgrund der Kontaktaufnahme des Gesundheitsamtes kein zwingender Grund einer Unterbringung nach dem PsychKG bestehe.

Die Kammer wies durch Beschluss vom 02. 10. 2008 die von den Schuldnern eingelegte Beschwerde als unzulässig zurück. Das Amtsgericht stellte mit Beschluss vom 07. 10. 2008 die von der Beteiligten zu 7) betriebene Zwangsvollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss einstweilen ein. Durch Beschluss vom 22. 01. 2009 hob der Bundesgerichtshof (V ZB 181/08) den Beschluss der Kammer auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an die Kammer zurück. Zugleich stellte der Bundesgerichtshof die Vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss bis zur erneuten Entscheidung über die Beschwerde der Schuldner ein.

Die Kammer gab den Schuldnern mit Beweisbeschluss vom 16. 03. 2009 auf, Atteste des Facharztes für Nervenheilkunde N und des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F bzw. der behandelnden Ärzte vorzulegen, aus denen sich ihre aktuelle gesundheitliche Verfassung ergibt, und im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen, welche medizinischen einschließlich psychiatrischen Behandlungen und sonstige Maßnahmen zur Bekämpfung der dargelegten Suizidgefahr durchgeführt worden sind bzw. noch erfolgen sollen. Ferner sollten nach dem Beweisbeschluss Auskünfte des Gesundheitsamtes der Stadt C über Inhalt und Ergebnis der Besprechung am 09. 09. 2008 und des Amtsgerichts C hinsichtlich betreuungsrechtlicher Maßnahmen eingeholt werden. Das Gesundheitsamt der Stadt C teilte in einem Schreiben vom 14. 04. 2009 mit, dass sich bei dem Gespräch in der Wohnung der Schuldner kein Hinweis auf Suizidalität zu dem damaligen Zeitpunkt ergeben hätte. Am 18. 11. 2008 habe der Gerichtsvollzieher mitgeteilt, dass er den Schuldnern den Zeitpunkt der Zwangsräumung bekannt machen wolle. Insoweit sei ein gemeinsames Vorgehen im Gesundheitsamt abgesprochen worden. Mitarbeiter des Gesundheitsamtes bzw. des Sozialpsychiatrischen Dienstes, des Ordnungsamtes seien vor Ort gewesen. Der Schuldner habe die Tür nicht geöffnet. Auch weitere Versuche, einen Kontakt zu den Schuldnern herzustellen, seien gescheitert. Eine Nachfrage in der Praxis von Dr. N habe erbracht, dass die Schuldnerin nur ein einziges Mal in dessen Praxis gewesen sei. Im Hinblick auf die Information, dass die Eingabe der Schuldner bei der übergeordneten Rechtsinstanz Erfolg gehabt habe, habe man einen weiteren Handlungsbedarf für den Sozialpsychiatrischen Dienst nicht mehr gesehen. Ausdrücklich heißt es in dem Schreiben dann weiter:

"Zu Ihren Fragen möchte ich ausführen, dass bei Herrn und Frau N eine Gefahr, sich aufgrund des Zwangsversteigerungsverfahrens selbst zu töten, nicht ausgeschlossen werden kann. Bei Herrn N wurde eine hohe narzisstische Kränkbarkeit deutlich, bei Frau N waren eher depressive Symptome im Vordergrund.

Maßnahmen zum Schutz der Eheleute konnten aus den oben beschriebenen Gründen nicht eingeleitet werden".

Unterzeichnet ist das Schreiben von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E und der Dipl.-Psychologin S.

Die Kammer teilte den Beteiligten aufgrund dieses Schreibens mit Schreiben vom 30. 04. 2009 mit, dass den Darlegungen des Gesundheitsamtes keine so konkrete Suizidgefährdung entnommen werden könne, die es erfordere, mit Vollstreckungsmaßnahmen zu warten, bis eine Unterbringung durch die zuständigen Gerichte und Behörden durchgeführt ist.

Die Schuldner legten mit Schreiben vom 18. 05. 2009 unter anderem ärztliche Gutachten der Ärzte Dr. F und Dr. med. P, Fachärzte für Allgemeinmedizin, vom 30. 04. 2009 vor:

In dem Gutachten betreffend die Beteiligte zu 2) wird aufgeführt, dass sich diese in psychiatrischer Mitbehandlung bei Herrn Dr. N in H (Neurologie und Psychiatrie) befände. Bei der Schuldnerin seien die Zeichen der emotionalen Belastung intermittierend auf den Darmtrakt geschlagen. Sie leide an colitisähnlichen Symptomen. Bei Extrembelastungen könne es auch zur Darmperforation kommen. Dies sei ein lebensbedrohlicher Zustand. Zur Vermeidung sei aus medizinisch psychosozialen Gründen angezeigt, die Schuldnerin ohne Belastung irgendwelcher Art in häuslicher/familiärer Umgebung zu belassen.

Hinsichtlich des Schuldners ergibt sich aus dem ärztlichen Gutachten vom 30. 04. 2009, dass auch dieser in Kooperation mit Herrn Dr. N kontinuierlich weiter behandelt werde. Die Symptome der Unruhe und Ratlosigkeit hätten nachgelassen. Es habe jedoch eine "Conversion hin zu angina pectoris und art. Hypertonie stattgefunden". Die Bedrohung eines Herzinfarktes sei bei dem Schuldner durch das Verfahren bedingt hoch. Aufgeführt wird, dass Behandlungen am 18. 07., 30. 08., 01. 09. 2008 wegen Depression stattgefunden haben, am 02. 03. 2009 wegen Asthmoider Bronchitis, allergisch, am 06. 04. 2009 wegen arterieller Hypertonie, psychogen ausgelöst, am 30. 04. 2009 wegen angina pectoris bei reaktiver Depression und arterieller Hypertonie. Abschließend heißt es in dem ärztlichen Gutachten:

"Zur Stabilisierung von Physis und Psyche scheint es dringend angebracht, die häuslichen Verhältnisse auf unabsehbare Zeit unangetastet zu belassen."

Mit Schreiben vom 29. 05. 2009, unterzeichnet von der Dipl.-Psychologin S, widersprach diese der Sichtweise der Kammer und wies darauf hin, dass der Sachverhalt so nicht richtig wiedergegeben sei. Der Sozialpsychiatrische Dienst habe nur die Möglichkeit gehabt, die Schuldner zu einem Zeitpunkt zu sprechen (09. 09. 2008), als diese noch Hoffnung hegten, in ihrem Haus wohnen bleiben zu können. Als die Situation für sie bedrohlicher wurde (bei und nach der Überbringung des Räumungsbescheides durch den Gerichtsvollzieher am 18. 11. 2008), hätten diese den Zutritt ins Haus verweigert und eine Kontaktaufnahme bzw. Begutachtung verhindert. Es sei so nicht möglich gewesen, eine eventuell vorhandene Suizidalität festzustellen. Später habe man vom Ordnungsamt Nachricht erhalten, dass die Eingabe der Schuldner beim Bundesgerichtshof erfolgreich gewesen sei und kein Handlungsbedarf mehr bestünde. Abschließend heißt es in dem Schreiben:

"Falls die Notwendigkeit einer Abklärung von Suizidalität weiterhin besteht, müssten Sie uns erneut einen Auftrag erteilen".

Die Kammer wies mit Schreiben vom 03. 06. 2009 nochmals darauf hin, dass nach dem Schreiben der Stadt C eine Suizidgefährdung nicht auszuschließen sei. Die Suizidgefährdung werde jedoch nach dem Inhalt der Schreiben von den zuständigen Behörden der Stadt C nicht so eingestuft, dass die Behörden sich in eigener Verantwortung veranlasst sähen, weitere Maßnahmen zum Schutz der Schuldner zu ergreifen.

Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes durch Beschluss vom 23. 06. 2009 sowie Einsichtnahme in die umfangreiche Akte durch den beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten erfolgte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 17. 09. 2009 eine weitere Stellungnahme der Schuldner. In diesem Schriftsatz wird ausdrücklich erklärt, dass für die Beteiligte zu 2) auch nach ärztlicher Einschätzung nicht die Gefahr besteht, dass diese durch den Verlust des eigenen Hauses in den Freitod getrieben werden könnte. Anders sei die Situation gegenwärtig noch bei dem Beteiligten zu 1) zu sehen. Insoweit bestünde noch eine akute Suizid-Gefahr, die nach ärztlicher Ansicht allerdings in einigen Monaten, vielleicht in gut einem halben Jahr überwunden sein könnte. Auch der Schuldner nehme seine eigene Erkrankung sehr ernst und befände sich, ebenso wie seine Ehefrau, in steter intensiver ärztlicher Behandlung bei Dr. F. Hinzu komme bei den Schuldnern eine Behandlung bei Dr. N in H. Als Zeugen werden die Ärzte angegeben. Ferner ist in dem Schriftsatz ausgeführt, dass im vorliegenden Verfahren der Hintergrund der Vermögensverschlechterung der Schuldner nicht unberücksichtigt bleiben könne. Es wird nochmals im Einzelnen dargelegt, dass durch die "Machenschaften" der Stadt H die Schuldner alles verloren haben, was sie sich im Laufe ihres Lebens aufgebaut haben.

Die Beteiligte zu 7) wies in einer Stellungnahme vom 02. 10. 2009 zu diesem Schriftsatz unter anderem darauf hin, dass ihr aus wirtschaftlichen Gründen eine weitere Verzögerung nicht zumutbar sei. Auch sei im ganzen Verfahren seit etwa 1,5 Jahren eine real existierende unmittelbare Suizidgefahr nicht nachgewiesen worden.

Die Beteiligte zu 5) wies in einer Stellungnahme vom 15. 10. 2009 zu dem Schriftsatz der Schuldner darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes der Schuldner nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung gelöst werden könne und deshalb die Zwangsvollstreckung entsprechend dem Hinweis der Kammer vom 30. 04. 2009 fortzusetzen sei, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz der Schuldner nicht für notwendig erachteten. In dem Gutachten des Arztes Dr. F vom 30. 04. 2009 fänden sich keine Ausführungen zum Bestehen einer Suizidgefahr. Dem Schreiben der Schuldner vom 17. 09. 2009 seien keine ärztlichen Berichte beigefügt worden, die einen entsprechenden Nachweis zu den Ausführungen über den Gesundheitszustand der Schuldner enthielten. Für die Frage, ob eine sittenwidrige Härte nach § 765 a ZPO vorliege, seien die Ausführungen zum Hintergrund der Vermögensverschlechterung unerheblich. Unrichtig sei die weitere Argumentation in dem Schriftsatz vom 17. 09. 2009, dass dem Meistbietenden kein wirtschaftlicher Schaden entstünde.

Im Zuge des weiteren Verfahrens vertrat die Beteiligte zu 7) weiterhin die Auffassung, dass ihr durch die Verzögerung des Verfahrens ein erheblicher Schaden bereits entstanden sei, der sich ständig vergrößere. Dies wird von den Schuldnern angegriffen. Diese wiesen nochmals mit Schreiben vom 04. 11. 2009 darauf hin, dass der entscheidungserhebliche Sachverhalt vom Gericht festgestellt werden müsse. Sie boten noch einmal Beweis durch Sachverständigengutachten dafür an, dass die geschilderte Gefahr einer Selbsttötung im Falle der Zwangsräumung bestehe.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gem. § 95 ZVG statthafte sofortige Beschwerde der Schuldner ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet.

Gemäß § 100 ZVG kann die Zuschlagsbeschwerde nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85 a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist. Die in § 83 Nr. 6, 7 ZVG bezeichneten Versagungsgründe hat das Beschwerdegericht gem. § 100 Abs. 3 ZVG von Amts wegen zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Verfahren stützen die Schuldner ihre Beschwerde darauf, dass das Vollstreckungsgericht den Zuschlag gem. § 765 a ZPO im Hinblick auf die geltend gemachte Suizidgefahr hätte versagen müssen. Sie machen insoweit einen Versagungsgrund geltend, der gem. § 83 Nr. 6 ZVG auch von Amts wegen zu prüfen ist.

Auf Antrag des Schuldners kann das Vollstreckungsgericht gem. § 765 a ZPO eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.

Nach dieser Vorschrift, die auch im Zwangsversteigerungsverfahren anwendbar ist (Stöber, ZVG, 18. Auflage, Einleitung Rdnr. 52), kann das Vollstreckungsgericht eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen. § 765 a ZPO ist eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist. Nur in besonders gelagerten Fällen, nämlich dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde, ist eine Aufhebung oder Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gerechtfertigt (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Auflage, § 765 a Rdnr. 5). Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765 a ZPO sind die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Abzuwägen ist zwischen den dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechten und den gewichtigen Interessen des Vollstreckungsgläubigers aus Artikel 14 Abs. 1 GG. Drohen dem Schuldner schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen, so ist das Vollstreckungsgericht verpflichtet, diesem Vorbringen besonders sorgfältig nachzugehen. Eine Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht. Vom Schuldner kann jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden (vgl. zu allem Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. 06. 2005 (1 BvR 224/05)).

Die ernsthafte Gefahr einer Selbsttötung des Schuldners wegen der Zwangsversteigerung seines Grundstückes ist im gesamten Verfahren zu beachten (BGH, Beschluss vom 24. 11. 2005, V ZB 99/05).

Die staatliche Aufgabe des Lebensschutzes des Schuldners kann nicht durch eine dauerhafte Einstellung der Zwangsvollstreckung gelöst werden. Die Zwangsvollstreckung ist daher fortzusetzen, wenn die für den Lebensschutz primär zuständigen Stellen Maßnahmen zum Schutz des Schuldners nicht für notwendig erachten (BGH, Beschluss vom 14. 06. 2007, V ZB 28/07).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Amtsgerichtes, den Zuschlag zu erteilen und die Anträge der Schuldner auf Vollstreckungsschutz zurückzuweisen, nicht zu beanstanden.

Entsprechend den Darlegungen in dem Beschluss vom 19. 08. 2008 ist im vorliegenden Fall eine konkrete Suizidgefahr nicht erkennbar.

Hinsichtlich der Schuldnerin wird in dem Schriftsatz vom 17. 09. 2009 ausdrücklich mitgeteilt, dass sich deren Zustand weiter verbessert hat und dass der Verlust des eigenen Hauses nach ärztlicher Auskunft diese nicht mehr in den Freitod treiben wird.

Soweit in diesem Schriftsatz hinsichtlich des Schuldners noch auf eine akute Suizidgefahr verwiesen wird, vermag sich die Kammer dieser Einschätzung der Schuldner nicht anzuschließen. Eine konkrete Suizidgefahr, die die Versagung des Zuschlages rechtfertigt und eine Aufhebung bzw. einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens erfordert, liegt nicht vor.

Hinsichtlich des Schuldners ergibt sich aus dem zunächst vorgelegten Gutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. Reinhard F vom 14. 07. 2008, dass eine schwere Depression mit Autoaggressionstendenz vorliege. Abschließend rät der Arzt dazu, die Schuldner in ihrem Haus zu belassen, ohne dass konkret die Gefahr eines Suizides angesprochen wird. Der ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychotherapie N vom 07. 08. 2008 ist lediglich zu entnehmen, dass sich der Schuldner wegen einer schweren seelischen Erkrankung in dessen fachärztlicher Behandlung befindet. Auch in dieser Bescheinigung wird also nicht auf die Frage einer Suizidgefahr eingegangen. Aus Sicht der Kammer konnte deshalb das Amtsgericht bei der Entscheidung über den Zuschlag am 19. 08. 2008 davon ausgehen, dass eine konkrete Suizidgefahr nicht vorlag.

Zu Recht beanstanden die Schuldner jedoch insoweit, dass das Amtsgericht die Entscheidung getroffen hat, ohne dass sie Gelegenheit hatten, ein amtsärztliches Gutachten entsprechend der Auflage einzureichen, die das Amtsgericht ihnen in dem Versteigerungstermin am 15. 07. 2008 gemacht hatte. Die Schuldner hatten durch die Vorlage der Mitteilung des Gesundheitsamtes der Stadt C nachgewiesen, dass erst am 09. 09. 2008 ein Termin zu einem Gespräch mit dem Amtsarzt zur Verfügung stand. Allein dies spricht allerdings dafür, dass aus Sicht der für den Gesundheitszustand mitverantwortlichen Behörde eine akute Gefährdung nicht bestand.

Auch der weitere Ablauf des Verfahrens spricht gegen eine konkrete Suizidgefahr für den Schuldner.

Aus den Schreiben der Ordnungsbehörde vom 15. 09. und 15. 10. 2008 ergibt sich, dass nach dem jeweiligen damaligen Verfahrensstand keine Notwendigkeit für eine Unterbringung nach dem PsychKG gesehen wurde. In dem Schreiben des Gesundheitsamtes der Stadt C, Sozialpsychiatrischer Dienst, vom 15. 09. 2008 heißt es ausdrücklich, dass aus psychiatrischer Sicht im Moment kein Anhaltspunkt für eine Eigen- oder Fremdgefährdung vorliege. Entsprechend hat die Betreuungsstelle für Erwachsene gemäß dem Schreiben vom 09. 09. 2008 keinen Handlungsbedarf gesehen.

Aus der ergänzenden Stellungnahme des Gesundheitsamtes der Stadt C, amtsärztlicher Untersuchungsdienst, vom 29. 05. 2009, die die Kammer im Beschwerdeverfahren eingeholt hat, ergibt sich darüber hinaus, dass die Schuldner selbst in der akuten Räumungsphase am 18. 11. 2008, als der Gerichtsvollzieher den Räumungsbescheid überbrachte, den Zutritt in ihr Haus verweigerten und eine Kontaktaufnahme bzw. Begutachtung verhinderten. Es sei schon aus diesem Grund nicht möglich gewesen, eine eventuell vorhandene Suizidalität festzustellen.

Die Kammer hat in den Schreiben vom 30. 04. 2009 und 03. 06. 2009 darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf diesen Sachstand eine konkrete Suizidgefährdung nicht festzustellen ist.

Soweit nunmehr mit dem Schriftsatz vom 17. 09. 2009 geltend gemacht wird, dass bei dem Schuldner immer noch eine akute Suizidgefahr bestehe, die nach ärztlicher Ansicht allerdings in einigen Monaten, vielleicht in gut einem halben Jahr überwunden sein kann, gibt es für die Richtigkeit dieses Vorbringens keine Anhaltspunkte. Weitere Ermittlungen sind deshalb abzulehnen.

Schon dem ärztlichen Gutachten vom 30. 04. 2009 ist nicht zu entnehmen, dass aufgrund der dort unter anderer gestellter Diagnose einer reaktiven Depression eine akute Suizidgefährdung des Schuldners besteht. Angeführt wird, dass die Bedrohung eines Herzinfarktes bei dem Schuldner durch das Verfahren bedingt hoch sei. Zu Recht wird deshalb in dem Schriftsatz der Beteiligten zu 5) vom 15. 10. 2009 darauf hingewiesen, dass das Vorbringen zu der Suizidgefährdung nicht auf ärztliche Berichte gestützt wird.

Auch wenn gemäß den vorstehenden Ausführungen eine akute bzw. konkrete Suizidgefahr nicht feststellbar ist, verkennt die Kammer nicht, dass die Erteilung des Zuschlages und damit der endgültige Verlust des Eigentums an dem Haus ein Umstand ist, der für die Gesundheit der Schuldner nachteilige Folgen haben kann und dass bei einer Depression krankheitsbedingt immer ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko besteht. Im Rahmen der Güterabwägung, die zu treffen ist, rechtfertigt dies jedoch nicht die Versagung des Zuschlages und eine Einstellung des Verfahrens.

Die Schuldner haben bereits in ihrem ersten Antrag auf Vollstreckungsschutz gem. § 765 a ZPO vom 27. 03. 2006 darauf hingewiesen, dass sie im Hinblick auf die Auseinandersetzungen mit der Stadt H, deren Kompetenzträger sie für ihre erlittenen Vermögensverluste verantwortlich machen, in einem "stark angeschlagenen" Gesundheitszustand befänden. Nach den weiteren Ausführungen der Schuldner, die sich im späteren Verfahren wiederholen, waren sie im Hinblick auf die enormen zeitlichen Belastungen in dem Strafverfahren, Zivilverfahren nicht einmal in der Lage, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Für die Abwägung im vorliegenden Fall zwischen dem Vollstreckungsanspruch der Gläubiger und der drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung, die nach dem Vorbringen der Schuldner durch die Erteilung des Zuschlags entstehen soll, ergibt sich Sicht der Kammer aufgrund dieses Verhaltens der Gläubiger Folgendes:

Es ist offensichtlich und bedarf keiner näheren Belastung, dass die Schuldner im Hinblick auf den eingetretenen Verlust ihres Vermögens durch das Insolvenzverfahren und das vorliegende Zwangsversteigerungsverfahren in erheblicher Weise in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden. Diese Beeinträchtigung ist jedoch unvermeidbar, da alle Bemühungen der Schuldner, ihre finanzielle Lage wieder zu stabilisieren, ohne Erfolg geblieben sind. Es kommt hinzu, dass nach dem von den Schuldnern vorgelegten Attest der Ärzte Dr. med. F und Dr. med. P vom 30. 04. 2009 zur Stabilisierung der Physis und Psyche des Schuldners die häuslichen Verhältnisse auf unabsehbare Zeit unangetastet bleiben sollten. Dem Attest ist also zu entnehmen, dass gesundheitliche Gefährdungen nur dann auszuschließen sind, wenn der Schuldner dauerhaft in seinem Haus verbleiben könnte. Unter Berücksichtigung des Alters des Schuldners, des dokumentierten Gesundheitszustands des Schuldners und der bisherigen Verfahrensdauer ist im Hinblick auf die Belange der Gläubiger die Einstellung nicht zu rechtfertigen, da nicht ansatzweise erkennbar ist, dass sich an dieser grundsätzlichen Situation etwas ändern könnte.

Aus Sicht der Kammer rechtfertigt allein das erhöhte Selbsttötungsrisiko bei Vorliegen einer Depressionserkrankung nicht die einstweilige oder dauerhafte Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens gem. § 765 a ZPO. Dargelegt und nachgewiesen werden muss vielmehr entsprechend der obergerichtlichen Rechtsprechung eine konkrete Suizidgefahr, die im vorliegenden Fall entsprechend den vorstehenden Ausführungen nicht ersichtlich ist.

Die Kammer verkennt nicht, dass die Schuldner, also auch der Schuldner, in dem Schriftsatz vom 11. 07. 2008 mit dem Freitod gedroht haben, indem sie darauf hingewiesen haben, dass bei Verlust des Privathauses es für sie nur noch einen letzten Weg gibt, der bei fehlender Lebensperspektive den Freitod bedeutet.

Aus Sicht der Kammer kann eine solche Drohung mit dem Freitod nicht zur Aufhebung oder Einstellung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme führen, wenn erkennbar ist, dass der Schuldner im Hinblick auf seine aus seiner Sicht aussichtslose wirtschaftliche und persönliche Lage den Freitod wählt, wenn also die Entscheidung für den Suizid auf einem freien von einer Krankheit unbeeinflussten Willen beruht.

Bei einer solchen Drohung ist ferner zu berücksichtigen, dass die Berufung auf den grundrechtlichen Schutz von Leben und Gesundheit nicht selten rechtsmissbräuchlich ist (vgl. Fischer, Juris-Praxisreport, Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 22. 11. 2007, 1, I ZB 140/06). Auffällig ist, dass die Zahl der Fälle, in denen sich Schuldner gegen die Zuschlagsentscheidung mit dem Hinweis auf eine Gefahr für Leib und/oder Leben wenden zunimmt. Allein vor der Kammer sind zurzeit vier Verfahren mit dieser Problematik anhängig.

Im vorliegenden Fall spricht viel wenn nicht alles dafür, dass die Schuldner zur Durchsetzung ihres verfahrensrechtlichen Zieles, Erhaltung ihres Grundbesitzes, die nicht auszuschließende Suizidgefahr instrumentalisieren, zumal sie nur ca. ein halbes Jahr vor dieser Drohung sich ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, dass sie bei einem Misserfolg ihrer Bemühungen um Schadensersatz an einer freihändigen Veräußerung ihres Grundbesitzes mitwirken würden.

Es kommt hinzu, dass die Schuldner nach eigenem Vorbringen im vorliegenden Fall die Auseinandersetzung mit der Stadt H und deren Kompetenzträgern ohne Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand geführt haben. Auch wenn verständlich ist, dass die Schuldner den jetzt drohenden Verlust ihres Haus als besonders schwere Beeinträchtigung empfinden, erscheint bei dieser Sachlage der Hinweis auf die Suizidgefahr nicht nachvollziehbar, zumal sie eine Hilfeleistung durch den sozialpsychiatrischen Dienst im Ergebnis nicht zugelassen haben

Unter Abwägung aller Gesichtspunkte ist deshalb im vorliegenden Fall dem Anspruch der Beteiligten zu 4) und 5) auf Realisierung der ihnen eingeräumten Sicherheiten Vorrang einzuräumen.

Das Amtsgericht hat die Vorschriften des § 43 Abs. 1 ZVG über die Bekanntmachung des Termins beachtet und eingehalten ebenso wie die Vorschrift des § 73 Abs. 1 ZVG über die Bietzeit. Im Ergebnis war daher der Zuschlag nicht gem. § 33 ZVG zu versagen und das Zwangsvollstreckungsverfahren einzustellen bzw. aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung auch hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1), Gerichtskosten zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz; eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet bei Beschwerden in Zwangsversteigerungssachen grundsätzlich nicht statt.

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Im Hinblick auf den von den Schuldnern geltend gemachten Eingriff in ihr Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit liegt eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung vor. Schon aus diesem Grund ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, zumal im Übrigen das Verfahren der Vollstreckungsgerichte so durchzuführen ist, dass den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten Genüge getan wird (Bundesverfassungsgericht a.a.O.), wozu aus Sicht der Kammer auch gehört, dass die Schuldner Gelegenheit erhalten, den Rechtsweg auszuschöpfen.