LG Bonn, Urteil vom 30.10.2008 - 18 O 80/08
Fundstelle
openJur 2011, 63345
  • Rkr:

Im Wege ergänzender Vertragsauslegung muss der Herausgeber von nicht mit einem Gültigkeitsvermerk versehenen Telefonkarten dem Inhaber der Telefonkarten das Recht einräumen, nicht mehr verwendbare Karten gegen aktuelle Karten, also nicht gesprerrte Karten einzutauschen. Dieser Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Umtausch von dieser herausgegebener Telefonkarten, die keine Laufzeitbefristung aufweisen und von der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der E , in der Zeit bis Oktober 1998 herausgegeben wurden. Diese Karten hat die Beklagte zwischenzeitlich für Telefonzwecke gesperrt.

Anfang der 90er Jahre ging die Beklagte dazu über, flächendeckend Telefonzellen dergestalt umzurüsten, dass diese nicht mehr mit Bargeld zu bedienen waren, sondern mit von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin herausgegebenen Telefonkarten. Die Verbraucher, die öffentliche Fernsprecheinrichtungen benutzen wollten, wurden hierdurch in die Lage gebracht, Telefonkarten zu erwerben. Beim Erwerb einer Telefonkarte erwarb man gegen Vorauszahlung ein bestimmtes in der Telefonkarte verkörpertes Gebührenguthaben. Dieses wurde sodann durch Benutzung der Telefonkarte abgerufen.

Die Telefonkarten wiesen zunächst keine Befristung der Gültigkeits- oder Nutzungsdauer auf. Erst ab November 1998 ging die Beklagte dazu über, nur noch Telefonkarten mit einer befristeten Dauer, während derer die Telefonkarten technisch genutzt werden konnten, herauszugeben. Die Telefonkarten der sogenannten "ersten Generation" sperrte die Beklagte zum 31.12.2001. Nicht verbrauchte Guthaben konnten nach dieser Zeit an öffentlichen Fernsprechern nicht mehr abtelefoniert werden. Grund der Sperrung war insbesondere, dass die Beklagte den um sich greifenden Fällen des Missbrauchs durch Manipulationen an Karten begegnen wollte. Bereits Mitte des Jahres 2001 hatte die Beklagte den Inhabern von entsprechenden Telefonkarten angeboten, die Karten in aktuelle Telefonkarten, welche über den Zeitraum vom 31.12.2001 hinaus gültig waren, umzutauschen. Den jeweiligen Inhabern wurden zunächst Karten aus aktueller Produktion zur Verfügung gestellt. Später ging die Beklagte dazu über, die Karten gegen spezielle Umtauschkarten zu tauschen.

Am 29.10.2007 reichte die Klägerin bei der Beklagten insgesamt 4.020 Telefonkarten ein, deren Umtausch sie begehrte. 329 Karten tauschte die Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht um. Es handelte sich insoweit um Telefonkarten, die nach Oktober 1998 herausgegeben waren und eine Gültigkeits- bzw. Nutzungsfrist aufgedruckt enthielten. Hinsichtlich der übrigen 3.691 Karten lehnte die Beklagte einen Umtausch ab. Es handelte sich insoweit ausschließlich um Telefonkarten der ersten Generation, also um solche, welche bis Oktober 1998 von der Beklagten herausgegeben worden waren. Bezüglich 3.668 Karten berief sich die Beklagte mit Schreiben vom 20.12.2007 auf die Verjährung des Umtauschsanspruchs. Im Hinblick auf 23 Karten erklärte sie zudem, ein Umtausch sei ausgeschlossen, da die Karten missbräuchlich wieder aufgeladen worden seien. Die von der Klägerin eingereichten Karten versah die Beklagte mit Aufklebern und ordnete die Karten der Bezugsnummer 1937603 zu.

In der Folgezeit weigerte sich die Beklagte weiterhin unter Hinweis auf die ihrer Ansicht nach eingetretene Verjährung, auch die weiteren 3.691 Karten der Klägerin umzutauschen. Mit Schriftsatz vom 22.08.2008 erklärte die Klägerin den Rücktritt von den Telefonkartenverträgen, welche der Begebung der jeweiligen Telefonkarten zu Grunde lagen.

Die Klägerin behauptet, sie sei Sammlerin von Telefonkarten. Die von der Beklagten nicht umgetauschten 3.691 Telefonkarten wiesen ein Gesamtguthaben von insgesamt 39.672,00 DM (20.283,00 Euro) auf. Wegen des näheren Vortrages, wie sich dieses Gesamtguthaben zusammensetzt, wird auf Seite 7 der Klageschrift vom 12.03.2008 (Bl. 7 d. A.) verwiesen. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung der Telefonkartenverträge auf Umtausch der eingereichten Telefonkarten. Dieser Anspruch ginge dahin, dass die eingereichten Karten in Karten aus aktueller Produktion mit einem Nennwert umzutauschen seien, der den einzelnen Guthaben der jeweils umzutauschenden Karten entspräche. Sie, die Klägerin, sei auch Inhaberin der streitgegenständlichen 3.961 Telefonkarten. Soweit die Beklagte die Einrede der Verjährung erhebe, stünde dies ihrem Anspruch nicht entgegen. Im Wege ergänzender Vertragsauslegung der jeweiligen Telefonkartenverträge sei die Beklagte verpflichtet, die vor Oktober 1998 herausgegebenen Telefonkarten unbefristet umzutauschen. Es handele sich insoweit um einen verhaltenen Anspruch. Die Verjährung des Umtauschanspruches beginne erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Anspruch erstmalig geltend gemacht würde. Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, die Beklagte habe auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Kundeninformationen, welche die Beklagte seit dem Jahr 2001 herausgegeben habe. Ferner verweist sie auf Internetauftritte der Beklagten und auf deren Formular, welches im Rahmen von Anträgen auf Umtausch der Telefonkarten auszufüllen ist. Jedenfalls sei es der Beklagten gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf eine mittlerweile eingetretene Verjährung zu berufen, da dies ein widersprüchliches Verhalten darstelle. In diesem Zusammenhang behauptet die Klägerin, die Beklagte habe sowohl ihr, ihrem Sohn als auch gegenüber anderen Sammlern mehrfach geäußert, Sammler müssten sich um den Umtausch alter Telefonkarten keine Gedanken machen, die Verjährung sei kein Problem. Ihr Sohn habe sich bei der Hotline der Beklagten am 28.10.2007 noch erkundigt, ob die Sammlung der Klägerin umgetauscht werden könne. Hierbei sei ihm bestätigt worden, dass ein Umtausch ohne weiteres möglich sei, dieser aber nur in 20,00-Euro-Karten erfolge. Entsprechend ihrer Mitteilungen gegenüber Sammlern und dem Sohn der Klägerin habe die Beklagte auch bis Herbst 2007 in zahlreichen Fällen Karten der ersten Generation umgetauscht. Wegen der von der Klägerin beispielhaft aufgezählten Umtauschgeschäfte wird auf die Ausführungen auf den Seiten 12 ff. des Schriftsatzes vom 27.06.2008 (Bl. 126 ff. d. A.) und Seite 19 ff. des Schriftsatzes vom 13.10.2008 (Bl. 341 ff. d. A.) Bezug genommen. Schließlich ist die Klägerin der Ansicht, die Beklagte sei nach dem erklärten Rücktritt verpflichtet, ihr den Nennwert der Restguthaben auszuzahlen. Dieser Betrag sei im Wege des Nutzungsersatzes mit 5 Prozentpunkten zu verzinsen.

Ursprünglich hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, bei dieser unter der Bezugsnummer 1937603 zum Umtausch eingereichte 3.691 Telefonkarten mit DM-Guthaben Zugum- Zug gegen Einreichung dieser Karten in entsprechende Karten aus aktueller Produktion umzutauschen.

Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 22.08.2008 den Rücktritt von den Telefonkartenverträgen, die der Begebung der Telefonkarten zu Grunde lagen, erklärt hat, beantragt sie nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.042,81 Euro = 39.672,00 DM nebst gezogener Nutzungen in Höhe von 5 Prozent p.a. hieraus seit dem 01.01.1999 Zugum-Zug gegen Herausgabe der unter der Bezugsnummer 1937603 bei ihr zum Umtausch eingereichten 3.691 Telefonkarten mit DM-Guthaben zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig, da die streitgegenständlichen Telefonkarten nicht hinreichend individualisiert seien; der Antrag der Klägerin weise keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Soweit die eingereichten Karten von ihren Mitarbeitern mit Aufklebern versehen worden seien, könnten diese Aufkleber ohne weiteres auf andere Telefonkarten geklebt werden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. In diesem Zusammenhang behauptet sie, was insoweit unstreitig ist, spätestens ab dem 01.01.2002 sei den damaligen Inhabern der streitgegenständlichen Telefonkarten bekannt gewesen, dass diese die gesperrten Karten bei der Beklagten umtauschen konnten. Sie, die Beklagte, habe auch zu keinem Zeitpunkt auf die Einrede der Verjährung gegenüber den Umtauschansprüchen der Klägerin verzichten wollen. Die von der Klägerin vorgelegten Kundeninformationen enthielten keine Erklärung dahingehend, dass sie, die Beklagte, rechtsverbindlich auf die Einrede der Verjährung verzichten wolle. Soweit die Kundeninformationen aus der Zeit vor dem 01.01.2002 stammten, hätte ein Verzicht gemäß § 225 BGB a. F. ohnehin nicht wirksam erfolgen können. Verzichtserklärungen fänden sich auch weder in den von ihr verwendeten Umtauschformularen noch auf ihrem Internetauftritt. Seit Juli 2007 werde überdies auf ihrer Internetseite auf die Einrede der Verjährung hingewiesen. Grund hierfür seien Fälle von missbräuchlich wieder aufgeladenen Telefonkarten gewesen, die zunehmend eingereicht worden seien. Gegenüber größeren Einreichungen habe man seit Sommer 2007 aus diesem Grunde die Einrede der Verjährung erhoben. Die von der Klägerin vorgelegten Kundeninformationen beträfen nicht Telefonkarten der ersten Generation. Sie, die Beklagte, habe auch nicht in einem früheren Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (3 U 113/06; Anlage B 10) darauf verwiesen, dass Telefonkarten der ersten Generation unbefristet umgetauscht würden. Vielmehr habe die Beklagte auch in diesem Zusammenhang auf die Einrede der Verjährung hingewiesen. Zudem habe die Beklagte auch zu keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf Umtausch der Karten in Karten mit bestimmten Nennwerten gehabt. Sie, die Beklagte, sei gemäß § 315 BGB berechtigt gewesen, die Gültigkeitsdauer der Karten der ersten Generation nachträglich anzupassen. Aus diesem Grunde sei sie ebenso gemäß § 315 BGB berechtigt gewesen, darüber zu entscheiden, in welcher Form die Guthaben zur Verfügung gestellt werden sollen. Insoweit entspräche es billigem Ermessen, wenn die Umtauschkarten im Nennwert von 20,00 Euro herausgegeben und verschiedene Restguthaben von umzutauschenden Telefonkarten entsprechend zusammengefasst würden. Diese Entscheidung sei i.S.v. § 315 BGB billig, was im Wesentlichen aus einem unverhältnismäßigen Kostenaufwand folge, der andernfalls für sie entstünde. Ferner behauptet die Beklagte, 23 der eingereichten Telefonkarten - welche die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.05.2008 (Seite 35 ff., Bl. 93 ff. d. A.) individualisiert hat - seien manipuliert, also rechtswidrig wieder aufgeladen worden.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 25.09.2008 verschiedene Telefonkarten in Augenschein genommen, welche mit einem Aufkleber versehen waren, der die Bezugsnummer 1937603 aufwies. Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Soweit die Klägerin von ihrem ursprünglich angekündigten Antrag, die Beklagte zum Umtausch der Telefonkarten Zugum-Zug gegen Einreichung der Telefonkarten zu verurteilen, Abstand genommen und nach erklärtem Rücktritt in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, die Beklagte zur Zahlung Zugum-Zug gegen Übereignung der Telefonkarten zu verurteilen, bestehen hiergegen keine Bedenken. Es handelt sich um eine nach § 264 Nr. 3 ZPO zulässige Klageänderung.

II.

Die Klage ist zulässig.

Die streitgegenständlichen Telefonkarten sind von der Klägerin ausreichend individualisiert worden, indem sie auf die auf Karten befindlichen Aufkleber der Beklagten mit der Bezugsnummer 1937603 Bezug genommen hat. Wie sich die Kammer durch die Inaugenscheinnahme einzelner Telefonkarten überzeugt hat, sind die Karten mit den Aufklebern hinreichend fest verbunden. Aus diesem Grunde wäre im Rahmen der Zwangsvollstreckung auch eine ausreichende Individualisierung möglich.

III.

In der Sache ist die Klage jedoch unbegründet.

Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Ansprüche scheitern daran, dass der Anspruch der Klägerin auf Umtausch der gesperrten Telefonkarten in ungesperrte bereits verjährt war, als sie gegenüber der Beklagten den Rücktritt von den Telfonkartenverträgen, die der Begebung der Telefonkarten zugrunde lagen, erklärte.

Im Einzelnen:

1.

Gemäß Art. 229 § 5 EGBGB ist das Schuldrecht in der vor dem 01.01.2002 bestehenden Fassung anwendbar; hinsichtlich des Verjährungsrechts gilt Art. 229 § 6 EGBGB.

2.

Es besteht kein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Beträge, die sie oder die vorherigen Inhaber der Telefonkarten zum Erwerb der Telefonkarten gegenüber der Beklagten oder den jeweiligen Verkäufern aufwenden mussten. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 346 S. 1 BGB a.F. Hiernach sind die Parteien eines Vertrages verpflichtet, die einander empfangenen Leistungen zurückzugewähren, wenn eine Partei von dem Vertrag zurücktritt.

Die Klägerin ist nicht wirksam von den einzelnen streitgegenständlichen Telefonkartenverträgen zurückgetreten. Mangels eines ausdrücklich vereinbarten Rücktrittsrechts konnte die Klägerin lediglich gemäß § 326 Abs. 1 S. 2 BGB zurücktreten. Dies setzte wiederum voraus, dass die Beklagte mir einer synallagmatischen Hauptleistungspflicht im Verzug war. Letzteres war jedoch nicht der Fall: Der Schuldner befindet sich im Verzug, wenn er schuldhaft trotz Fälligkeit und Mahnung nicht leistet. Die Einrede der Verjährung verhindert dabei von vornherein, dass der Schuldner in Verzug gerät, wenn die Einrede tatsächlich besteht und im Zeitpunkt der Mahnung bzw. bereits vorher geltend gemacht wird bzw. wurde.

a) Zugunsten der Klägerin unterstellt - die Beklagte bestreitet dies -, sie sei tatsächlich die Inhaberin der Telefonkarten, hätte sie gegen die Beklagte einen Anspruch auf Umtausch der mittlerweile gesperrten Telefonkarten in aktuelle Telefonkarten gehabt. Der Anspruch ergibt sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung der Telefonkartenverträge. Es ist davon auszugehen, dass sich die Parteien der vor Oktober 1998 abgeschlossenen Telefonkartenverträge dahingehend geeinigt hätten, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin entsprechend § 315 Abs. 1 BGB berechtigt sein sollte, die Gültigkeitsdauer der Telefonkarten nachträglich entsprechend der Billigkeit anzupassen, und im Gegenzug den Kunden ein Recht zum Umtausch der gesperrten Telefonkarten gegen aktuelle Telefonkarten mit gleichem Guthabenwert einzuräumen (BGH, Urteil v. 24.01.2008, Az. III ZR 79/07).

Diesen Anspruch konnte sie auch dann gegen die Beklagte geltend machen, wenn sie die Karten nicht von der Beklagten selber, sondern von Dritten - etwa über die Internet-Plattform G - erworben haben sollte. Bei einer Telefonkarte handelt es sich um ein kleines Inhaberpapier i.S.v. § 807 BGB (OLG Köln ZIP 2000, 1836; Palandt-Sprau, BGB, 67. Auflage, § 807 Rn. 3). Aus diesem Grunde stehen der Klägerin gemäß § 793 Abs. 1 S. 1 BGB als Inhaberin der Karten alle Rechte aus den Telefonkartenverträgen gegen die Beklagte zu.

b) Offen bleiben kann, ob die Klägerin in der Rechtsfolge den Umtausch der Karten in Karten aus aktueller Produktion verlangen kann oder ob es der Beklagten freisteht, mehrere Einzelguthaben bis zu einem Betrag von 20,00 € zusammenzufassen und entsprechende Umtauschkarten an die Klägerin herauszugeben. Ansprüche der Klägerin sind jedenfalls verjährt.

aa) Mangels einer ausdrücklichen Verjährungsfrist verjährt der Anspruch auf Umtausch der Telefonkarten nach der regelmäßigen Verjährungsfrist. Diese betrug bis zum 31.12.2001 30 Jahre. Mit der Änderung des Verjährungsrechts im Rahmen des SchuMoG verringerte sich diese Frist gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB i.V.m. § 195 BGB auf drei Jahre.

Diese Frist begann gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 1 EGBGB i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB in dem Moment zu laufen, in dem der Anspruch entstanden war und die Klägerin bzw. die damaligen Inhaber von den das Umtauschrecht begründen Umständen Kenntnis erlangte. Der Anspruch auf Umtausch der Karten war spätestens mit der Sperrung der Karten am 01.01.2002 entstanden. Zu diesem Zeitpunkt kannten auch die Klägerin bzw. die damaligen Inhaber der streitgegenständlichen Telefonkarten nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten diesen Anspruch. Dementsprechend trat die Verjährung der Ansprüche mit Ablauf des 31.12.2004 ein.

bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin begann die Verjährung der Ansprüche auch nicht erst in dem Moment zu laufen, als diese gegenüber der Beklagten erstmalig geltend gemacht wurden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Anspruch auf Umtausch der Telefonkarten um einen verhaltenen Anspruch handelt. Soweit sich die Klägerin auf die Regelungen der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2, 696 S. 3 BGB beruft, ist deren analoge Anwendung auf die Umtauschansprüche der Kläger abzulehnen. Eine Analogie von Gesetzen setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu entscheidende Fall mit den Fällen vergleichbar ist, die dem Gesetz zugrunde liegen. Im Hinblick auf die Regelungen der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2 696 S. 3 BGB gilt zudem zu beachten, dass es sich um Ausnahmeregelungen gegenüber der Grundnorm des § 199 BGB handelt. Eine analoge Anwendung von Ausnahmevorschriften ist jedoch grundsätzlich unzulässig (BGH NJW 1989, 460, 461). Zudem ist nach Auffassung der Kammer aus den Vorschriften der §§ 604 Abs. 5, 695 S. 2, § 696 S. 3 BGB auch kein allgemeiner Rechtsgedanke für verhaltene Ansprüche abzuleiten. Es existieren mehrere verhaltene Ansprüche, bei denen die Verjährung nicht erst in dem Moment zu laufen beginnt, in dem der Anspruch geltend gemacht wird. Beispielhaft sei der Anspruch auf Quittung nach § 368 BGB erwähnt, der verjährt, sobald der Anspruch auf die Leistung, die er bestätigen soll, verjährt ist (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl. § 368 Rn. 7). Ebenso gilt eine andere Verjährungsfrist für den Anspruch auf Herausgabe des Ersatzes nach § 285 BGB (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 285 Rn. 12).

cc) Die Kammer ist entgegen der Klägerin auch nicht der Auffassung, aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 24.01.2008 folge, dass der Anspruch auf Umtausch gesperrter Telefonkarten keiner Verjährung unterliege. Zwar hat der Bundesgerichtshof in den Gründen seiner Entscheidung ausgeführt, redliche und verständige Vertragsparteien der vor Mitte Oktober 1998 abgeschlossenen Telefonkartenverträge hätten sich dahingehend geeinigt, dass die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin entsprechend § 315 Abs. 1 BGB berechtigt sein sollte, die Gültigkeitsdauer der Telefonkarten nachträglich entsprechend der Billigkeit anzupassen, und im Gegenzug den Kunden ein unbefristetes Recht zum Umtausch der gesperrten Karten gegen aktuelle Telefonkarten mit gleichem Guthabenwert einräumen musste. Die Kammer versteht diese Ausführungen nicht dahingehend, dass der Bundesgerichtshof der Auffassung ist, der Anspruch auf Umtausch der Telefonkarten sei unverjährbar. Es ist eine allgemeiner Grundsatz des Zivilrechts, dass Ansprüche der Verjährung unterliegen. Ebenso geht die Kammer nicht davon aus, der Bundesgerichtshof habe die ergänzende Vertragsauslegung dahingehend vornehmen wollen, dass die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin im Falle einer späteren Beschränkung der Gültigkeitsdauer auf die Einrede der Verjährung gänzlich verzichten wollten. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Verständige Vertragsparteien hätten einen dauerhaften Verzicht auf die Einrede der Verjährung jedoch nicht vereinbart. Dieser Lösung stand, da die entsprechenden Telefonkartenverträge sämtlich vor November 1998 abgeschlossen wurden, die damals anwendbare Vorschrift des § 225 BGB a.F. entgegen. Die Verjährung konnte nach alter Rechtslage durch Rechtsgeschäft nicht erschwert werden.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich auch nicht feststellen, dass die Beklagte bezüglich der streitgegenständlichen Telefonkartenverträge auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat.

Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung stellt eine Willenserklärung dar. Eine Willenserklärung wiederum setzt voraus, dass der Erklärende mit Erklärungsbewusstsein bzw. Rechtsbindungswillen handelt. Sofern ein solcher Wille nicht vorhanden ist, muss sich das Verhalten für einen objektiven Dritten zumindest als Ausdruck eines bestimmten Rechtsfolgewillens darstellen (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. aufl.,Einf. v. § 116 Rn. 17).

Die Beklagte selber hat abgestritten, zu irgend einem Zeitpunkt gegenüber den Umtauschansprüchen der Klägerin auf die Verjährung verzichtet haben zu wollen. Auch aus den von der Klägerin vorgelegten Kundeninformationen ergibt sich ein solcher Wille nicht. Ein objektiver Dritter konnte die in den Kundeninformationen enthaltenen Aussagen nicht dahingehend verstehen, die Beklagte wolle rechtsverbindlich gegenüber einer nicht näher eingeschränkten Anzahl an Telefonkartenbesitzern per se auf die Einrede der Verjährung verzichten. In den vorgelegten Kundeninformationen werden lediglich Angaben zur generellen Umtauschbarkeit getroffen. Alleine aus dem Umstand, dass die Frage der Verjährung nicht angesprochen wird, lässt sich nicht ableiten, die Beklagte wolle aus diesem Grunde auf diese Einrede verzichten. Lediglich in der von der Klägerin vorgelegten Anlage 3 findet sich die Aussage, die Beklagte werde "diese Telefonkarte unbefristet gegen eine gültige Telefonkarte tauschen." Ob ein objektiver Dritter hierin einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung erblicken durfte, braucht nicht weiter entschieden zu werden. Selbst wenn dem so wäre, würde sich dieser Verzicht lediglich auf die Telefonkarten erstrecken, auf die sich die Kundeninformation bezog, also auf Karten mit den Motiven R 02/01 AGENDA 21, A 16/01 VW Käfer, A 10/01 Tiere Afrikas: Elefant, M 02/01 Happy Holiday. Dass solche Telefonkarten aber streitgegenständlich sind, behauptet die Klägerin selber nicht.

Entsprechendes gilt auch für die Umtauschformulare der Beklagten und deren Internetauftritt. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, der Internetauftritt habe die Funktion von allgemeinen Geschäftsbedingungen, aus diesem Grunde sei im Zweifel vom Vorliegen einer Verzichtserklärung auszugehen, ist dem nicht zu folgen: Die Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) ist nur auf vertragliche Klauseln, also auf Willenserklärungen anzuwenden. Nicht hingegen betrifft die Klausel auch die Frage, ob ein Verhalten überhaupt als Willenserklärung auszulegen ist. Darüber hinaus fehlt es auch an jeglicher Darlegung, dass die Aussagen im Internetauftritt, auf die sich die Klägerin bezieht, Grundlage der streitgegenständlichen Telefonkartenverträge geworden sind.

d) Schließlich ist es der Beklagten auch nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, die Einrede der Verjährung zu erheben. Ein Berechtigter handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er durch seine Erklärung oder durch sein Verhalten bewusst oder unbewusst eine Sach- bzw. Rechtslage geschaffen hat, auf die sich der andere Teil verlassen durfte und auch verlassen hat, und sich der Berechtigte jetzt mit seinen früheren Erklärungen bzw. seinem früheren Verhalten in Widerspruch setzt (BGH NJW 1960, 1522; BGH NJW 1985, 2589, 2590, BGH NJW 2006, 54, 56).

Dass durch das Verhalten der Beklagten in der Vergangenheit ein schützenswertes Vertrauen bei der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin entstanden ist, lässt sich nicht feststellen. Im Hinblick auf die eingereichten Kundeninformationen gelten obige Ausführungen, wonach sich die Kundeninformationen nicht zur Frage der Verjährung verhalten. Aus diesem Grunde konnte auch kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin entstehen. Soweit sie zahlreiche Fälle dargelegt hat, wonach diversen Telefonkartenhändlern und -sammlern noch im Jahre 2007 gesagt worden sei, Telefonkarten würden umgetauscht, bedarf es keiner weiteren Beweisaufnahme. Es ist schon nicht substantiiert vorgetragen, dass die Klägerin im Hinblick auf die behaupteten Aussagen von einem früheren Umtausch abgesehen hat. Zudem erfolgten etwaige Aussagen ohnehin erst im Jahre 2007, also mehr als 2 Jahre nach Eintritt der Verjährung. Die Klägerin hatte damit keine schützenswerte Position mehr inne, derer sie durch ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten beraubt worden wäre.

Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte auch nach dem 31.12.2007 Telefonkarten umgetauscht hat.

Aus demselben Grunde braucht auch nicht der Frage weiter nachgegangen zu werden, ob das behauptete Gespräch zwischen dem Zeugen F und dem Zeugen N am 28.10.2007 stattgefunden hat.

3.

Mangels wirksam erklärten Rücktrittes schuldet die Beklagte auch keinen Nutzungsersatz wegen der für die Telefonkarten erhaltenen Geldbeträge.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S.1 ZPO. Grundlage der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 709 S. 1, 2 ZPO.