FG Köln, Urteil vom 13.05.2009 - 13 K 1501/07
Fundstelle
openJur 2011, 62767
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Berechtigung des Beklagten, Vorsteuerkorrekturen gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes - UStG - zu Eingangsumsätzen der Jahre 1995 bis 1997 im Streitjahr 1998 vorzunehmen. Dabei bestehen zwischen den Beteiligten keine Streitigkeiten hinsichtlich der betragsmäßigen Zusammensetzung.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mbH. Sie ist als Automatenaufstellerin gewerblich tätig. Die Aufstellung der Geräte erfolgt im Wesentlichen in Spielhallen, in kleinerem Umfang auch in Gaststätten. Die Geräte bieten teilweise eine Geld-Gewinnmöglichkeit, teilweise dienen sie ausschließlich Unterhaltungszwecken. Alle aus der Tätigkeit erzielten Umsätze wurden in den Jahren vor dem Streitjahr der Regelbesteuerung bei der Umsatzsteuer unterworfen.

Auch für das Streitjahr 1998 wurde die Klägerin zunächst erklärungsgemäß zur Umsatzsteuer veranlagt, wobei die Umsätze aus den Geldspielgeräten und aus den Unterhaltungsgeräten als steuerpflichtige Umsätze behandelt wurden. Die Festsetzung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nachdem die Klägerin gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen der Folgejahre im Hinblick auf die aus europarechtlichen Gründen zwischenzeitlich zweifelhaft gewordene Rechtslage bei der Besteuerung von Geldspielautomaten Einspruch eingelegt hatte, beantragte sie im November 2003 die entsprechende Korrektur des Umsatzsteuerbescheides für das Streitjahr 1998. Der gegen die Ablehnung gerichtete fristgerecht abgesandte Einspruch, der aus nicht aufklärbaren Gründen den Beklagten nicht erreichte, wurde zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt. Der Beklagte gewährte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Das Einspruchsverfahren ruhte zunächst im Hinblick auf das Musterverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof - EuGH - in der Sache Linneweber. Nach der Entscheidung in dem Musterverfahren beantragte die Klägerin unter Bezugnahme auf die Feststellung, dass sich auch private Geldspielautomatenbetreiber auf Art. 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - 6. EGRL - berufen könnten, die Fortführung des Einspruchsverfahrens.

Hinsichtlich des Streitjahres wurde die Umsatzsteuer im November 2005 zunächst auf ... € herabgesetzt. Dabei wurden die Umsätze aus den Geldspielgeräten antragsgemäß steuerfrei belassen, Vorsteuerkorrekturen gemäß § 15a des Umsatzsteuergesetzes - UStG - für Anschaffungen der Jahre 1993 und 1994 vorgenommen und die Vorsteuern nach einem Umsatzschlüssel aufgeteilt. Dagegen wendete sich die Klägerin erneut mit dem Einspruch, mit dem sie die Berechnung der nicht abziehbaren Anteile der Vorsteuern nach einem abweichenden Aufteilungsschlüssel begehrte. Im Rahmen dieses Einspruchsverfahrens ordnete der Beklagte in der Folge eine Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klägerin an. Im Rahmen der Prüfung kam die Sonderprüferin zu der Feststellung, dass die berücksichtigungsfähigen Vorsteuern des Streitjahres von den bisher berücksichtigten Beträgen in Höhe von ... DM auf ... DM zu erhöhen seien. Andererseits sei der Vorsteuerberichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG von zuvor ... DM auf ... DM zu erhöhen. Der Differenzbetrag bei der Vorsteuerberichtigung betrug umgerechnet ... €.

Den erheblichen Differenzen lagen unterschiedliche Rechtsauffassungen zu Grunde. Während die Klägerin die Auffassung vertrat, dass die Gewährung der Vorsteuerabzüge in den Jahren 1995 bis 1997 auf einer Fehlbeurteilung des Beklagten beruht habe und deshalb eine Korrektur in 1998 nicht erfolgen könne, vertrat die Betriebsprüferin die Auffassung, eine derartige Fehlbeurteilung habe im Zeitpunkt des Vorsteuerabzuges nicht vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere die Feststellungen zu den Anschaffungsdaten und der Zeitpunkte der erstmaligen Nutzung der verschiedenen Geräte, Kraftfahrzeuge etc., wird auf den Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung Bezug genommen.

Der Beklagte wies die Klägerin entsprechend § 367 der Abgabenordnung - AO - darauf hin, dass die Auswertung der Ergebnisse der Umsatzsteuersonderprüfung für das Streitjahr 1998 zu einer Erhöhung der festgesetzten Umsatzsteuer um ca. ... € führen würde. Nachdem die Klägerin an ihrem Einspruch fest hielt, erließ der Beklagte unter dem 00.00.2007 den hier angefochtenen Änderungsbescheid zum Streitjahr 1998, mit dem er die Umsatzsteuer auf ... € festsetzte. Mit Einspruchsentscheidung vom 00.00.2007 wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, dass die Feststellung der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der deutschen Vorschriften über die Besteuerung von Geldspielautomaten im Rahmen des § 15a UStG genauso zu werten sei, wie eine Rechtsänderung. Es handle sich daher um einen normalen Anwendungsfall des § 15a UStG, eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse. Entgegen der Auffassung der Klägerin liege keine rechtsfehlerhafte Behandlung der Vorsteuern und Ausgangsumsätze in den Jahren 1995 bis 1997 vor. Das Finanzamt habe in diesen Jahren nach Maßgabe der deutschen Rechtsvorschriften die Vorgänge als steuerpflichtig behandeln müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Mit ihr verfolgt sie das Ziel, die nach der Auffassung des Beklagten auf die Jahre 1995 bis 1997 entfallenden Vorsteuerkorrekturbeträge gem. § 15a UStG bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für das Streitjahr unberücksichtigt zu lassen.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - zur Anwendung des § 15a UStG bei Änderung der rechtlichen Beurteilung der Verwendung im Erstjahr (z. B. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 - V R 33/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2000, 1144) dürfe die Fehlbeurteilung der tatsächlichen oder der beabsichtigten Verwendungsumsätze für den Vorsteuerabzug im Abzugsjahr in einem Folgejahr dann nach § 15a UStG korrigiert werden, wenn mit Ablauf des Folgejahres die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nicht mehr nach den Vorschriften der AO änderbar sei. Sei die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr noch korrigierbar, müsse die Fehlbeurteilung der rechtlichen Verhältnisse durch Änderung des Steuerbescheides für das Abzugsjahr korrigiert werden. Eine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a UStG für die Folgejahre sei ausgeschlossen und bleibe dies auch, wenn später eine Änderung des Abzugsjahres z. B. aus Gründen der Verjährung unmöglich werde. Daher sei für die Anwendung des § 15a UStG hinsichtlich der Abzugsbeträge aus den Jahren 1995 bis 1997 kein Raum, da die Festsetzungen für diese Jahre erst im Jahr 1999 und damit nach Ablauf des Streitjahres bestandskräftig geworden seien.

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Veranlagung der Klägerin für die Jahre 1995 bis 1997 auch rechtsfehlerhaft gewesen. Der EuGH habe mit dem Grundsatzurteil entschieden, dass der Betrieb von gewerblichen Geldspielgeräten umsatzsteuerfrei sei. Dieser Entscheidung habe sich der BFH angeschlossen. Die Umsatzsteuerfreiheit von Geldspielgeräteumsätzen gelte daher grundsätzlich und könne auch nicht auf besonderen Antrag ausgeschlossen bzw. abbedungen werden. Hieraus folge zwangsläufig, dass die in der Bundesrepublik Deutschland bis zum Ergehen des EuGH-Urteils allgemein für zutreffend angesehene Rechtsanwendungspraxis objektiv fehlerhaft gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründungsschrift, den Schriftsatz vom 00.00.2007 sowie - wegen der Berechnung des Minderungsbetrages - auf den Schriftsatz vom 00.00.2009 Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid vom 00.00.0000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 00.00.0000 dergestalt zu ändern, dass der gem. § 15a UStG zu korrigierende Vorsteuerbetrag um ... € gemindert und die Umsatzsteuer auf ... € festgesetzt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass seines Erachtens die Argumentation der Klägerin nicht zu überzeugen vermöge, da sie ihre Rechtsauffassung aus der expost Betrachtung der nach Ablauf des Streitzeitraumes ergangenen Entscheidung des EuGH ableite.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der Beklagte hat zu Recht die im vorliegenden Verfahren allein umstrittenen Vorsteuerberichtigungen nach § 15a UStG hinsichtlich der in den Jahren 1995 bis 1997 in Anspruch genommenen Vorsteuerbeträge vorgenommen.

Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG liegen vor.

Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der im Streitjahr 1998 ursprünglich geltenden Fassung war, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von 5 Jahren seit dem Beginn der Verwendung änderten, für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei der Berichtigung war für jedes Kalenderjahr der Änderung in diesen Fällen von einem Fünftel der auf das Wirtschaftsgut entfallenden Vorsteuerbeträge auszugehen (§ 15 a Abs. 2 Satz 1 UStG).

Mit den Verhältnissen, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (sog. Erstjahr) für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, waren die Umstände gemeint, unter denen der Unternehmer mit dem bezeichneten Wirtschaftsgut die Umsätze ausgeführt hatte (BFH-Urteil vom 12. Juni 1997 V R 36/95, BStBl II 1997, 589). Auf Grund dieser Umsätze war nach der damals in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Rechtsansicht gemäß § 15 Abs. 2 und 3 UStG zu entscheiden, ob der Vorsteuerabzug bei der Anschaffung oder der Herstellung des Wirtschaftsguts im Abzugsjahr ganz oder teilweise ausgeschlossen war (BFH, a.a.O.).

Nachdem der EuGH (Urteil vom 8. Juni 2000 Rs. C 396/98, Grundstücksgemeinschaft Schlossstraße, UR 2000, 336, auf Vorlagebeschluss des BFH vom 27. August 1998 - V R 77/96, BFH/NV 1999, 274 ) und ihm folgend der BFH (Urteil vom 22. Februar 2001 - V R 77/96, BStBl II 2003, 426) geklärt hatten, dass sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bereits bei Leistungsbezug über den Vorsteuerabzug abschließend zu entscheiden sei, ist § 15a UStG mit dem Steueränderungsgesetz 2001 (vgl. Begründung in Bundestagsdrucksache 14/7341, Seite 22) dahingehend geändert worden, dass dann, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern, für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen ist. Dabei unterblieb trotz des zutreffenden Hinweises des Bundesrates (vgl. Bundesratsdrucksache 399/01 - Beschluss -, Seite 44 bis 46) eine Regelung für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2002, also auch für das Streitjahr 1998. Nachdem der BFH (Beschluss vom 27. Februar 2003 - V B 166/02, BFHE 201, 561, BFH/NV 2003, 874) ernstliche Zweifel an der Schließung der entstandenen Gesetzeslücke durch Analogie geäußert hatte, wurde mit der Einfügung von § 27 Abs. 8 UStG im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2003 (vgl. dazu Bundestagsdrucksache 15/1945, Seite 14/15) geregelt, dass § 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 UStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2001 auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden ist, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt.

Der Senat kann im vorliegenden Verfahren offen lassen, ob die durch § 27 Abs. 8 UStG i. d. F. des Steueränderungsgesetzes 2003 angeordnete Rückwirkung verfassungsmäßig (so z. B. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 - V R 32/04, BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907; Wenzel in Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, UStG, § 15a Rdnr. 52) und richtlinienkonform ist (offen gelassen in BFH-Urteil vom 12. Juni 2008 - V R 22/06, BStBl II 2009, 165), da die Voraussetzungen des § 15a UStG in beiden Fassungen im Streitfall vorliegen.

Nach den zwischen den Beteiligten nicht streitigen Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung liegt die erstmalige Verwendung aller in den Jahren 1995 bis 1997 angeschafften Wirtschaftsgüter, für die der Klägerin für die entsprechenden Jahre der Vorsteuerabzug gewährt wurde, in allen Fällen vor dem Streitjahr 1998. Dies gilt auch hinsichtlich der im November/Dezember 1997 angeschafften Wirtschaftsgüter. Die Aufzeichnungen der Sonderprüfung weisen jeweils die Monate der Nutzung bis zum Jahreswechsel 1997/1998 aus. Danach liegt für alle in den drei Jahren vor dem Streitjahr erworbenen Wirtschaftsgüter eine Mindestnutzung von einem Monat in dem Zeitraum vor dem Streitjahr. Das Jahr der erstmaligen Verwendung lag daher für alle Wirtschaftsgüter, für die die Berichtigung des Vorsteuerabzugs im vorliegenden Verfahren streitig ist, vor 1998. Da insoweit zwischen den Beteiligten auch kein Streit besteht, verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen.

Da die Klägerin den Vorsteuerabzug in den Jahren 1995 bis 1997 auf Grund der von ihr erklärten Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges bzw. auf der Basis der erstmaligen Verwendung der Wirtschaftsgüter bis zum Dezember 1997 in Anspruch genommen hat, kann nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in beiden denkbar einschlägigen Fassungen eine Korrektur erfolgen, da die auf Grund der Berufung der Klägerin auf Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EGRL steuerfreie Nutzung der Geldspielautomaten etc. im Streitjahr 1998 mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt, also eine Änderung der Verhältnisse vorliegt.

Die Verhältnisse ändern sich im Sinne von § 15a Abs. 1 UStG, wenn der Unternehmer mit dem Wirtschaftsgut in den sog. Folgejahren - innerhalb des Berichtigungszeitraums - Umsätze ausführt, die für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen sind, als die Umsätze im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 13. November 1997 - V R 140/93, BStBl II 1998, 36; BStBl II 1997, 589) bzw. der bei Vornahme des Vorsteuerabzuges erklärten Verwendungsabsicht. Die Umsätze in den Folgejahren müssen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für den Vorsteuerabzug anders als im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung/der bei Vornahme des Vorsteuerabzuges bestehenden Verwendungsabsicht zu qualifizieren sein (BFH-Urteil vom 19. Februar 1997 - XI R 51/93, BStBl II 1997, 370; ebenso z. B. Heidner in Bunjes/Geist, UStG, § 15a Rdnr. 17; Schmidt/Forgách in Reiß-Kraeusel-Langer, UStG, § 15a Rdnr. 86; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rdnr. 116, 117, 125). Standardfälle der Verwendungsänderung sind daher der Wechsel von steuerpflichtigen zu steuerfreien Umsätzen und umgekehrt, insbesondere durch Verzicht oder Rückgängigmachung des Verzichts auf Steuerbefreiung (vgl. Schmidt/Forgách in Reiß-Kraeusel-Langer, UStG, § 15a Rdnr. 86; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rdnr. 125, 131, 135).

Nach der Rechtsprechung des BFH kann eine Änderung der "maßgebenden Verhältnisse" auch dadurch eintreten, dass bei tatsächlich gleich bleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zu Grunde lag, sich in einem der Folgejahre als unzutreffend erweist, wobei allerdings Voraussetzung ist, dass die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist (BFH-Urteil in BStBl II 1997, 589; vom 16. Dezember 1993 V R 93/91,- BFH/NV - 1995, 444; vom 9. Februar 1997 XI R 51/93, BStBl II 1997, 370; BFH-Beschluss vom 10. November 2003 V B 134/02, BFH/NV 2004, 381; BFH-Beschluss vom 31. August 2007 - V B 193/06, BFH/NV 2007, 2366). Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs in einem Folgejahr nach § 15a UStG wegen fehlerhafter Beurteilung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr setzt danach die Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach den Vorschriften der AO voraus. Wenn die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr nach der AO änderbar ist, muss die Fehlbeurteilung der (beabsichtigten) Verwendungsumsätze für den Vorsteuerabzug bei der Änderung dieses Steuerbescheides korrigiert werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 - V R 33/97, BFH/NV 2000, 1144 m. w. N.).

Diese Rechtsprechung des BFH wird in der Literatur zunehmend kritisch kommentiert (vgl. z. B. Heidner in Bunjes/Geist, UStG, § 15a Rdnr. 24; weitere Nachweise bei Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 15a Rdnr. 92) oder (zumindest) auf die der BFH-Rechtsprechung zu Grunde liegenden Fälle fehlerhaft beurteilter Zwischenvermietung begrenzt (vgl. Nachweise bei Schmidt/Forgách in Reiß-Kraeusel-Langer, UStG, § 15a Rdnr. 133, Fußn. 5; wohl auch Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rdnr. 149).

Der erkennende Senat kann die Streitfragen zur Rechtsprechung des BFH zur Anwendung des § 15a UStG bei fehlerhafter Beurteilung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Abzugsjahr im vorliegenden Verfahren dahingestellt sein lassen, da der Beklagte die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug in den Jahren 1995 bis 1997 nach der in den maßgeblichen Zeiträumen geltenden deutschen Rechtslage nicht fehlerhaft beurteilt hat und sich eine Änderung der Verhältnisse im Streitjahr durch die - erstmalige - Ausübung des faktischen "Optionsrechtes" der Klägerin durch Berufung auf die §§ 15, 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG a. F. entgegenstehende Regelung in Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EGRL ergibt.

Im Streitfall war die den jeweiligen Erstjahren, d. h. hier den Veranlagungszeiträumen 1995 bis 1997, zu Grunde liegende rechtliche Beurteilung des Vorsteuerabzugs für die Geldspielgeräte sowohl zutreffend als auch unzutreffend.

Nach Maßgabe des einschlägigen deutschen Rechts handelte es sich um Vorsteuerbeträge, die auf Wirtschaftsgüter entfielen, die zur Erzielung steuerpflichtiger Verwendungsumsätze erworben wurden (vgl. zur Nichtanwendbarkeit des die Anwendung des § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG herbeiführenden § 4 Nr. 9b UStG a. F. die Darlegungen in dem BFH-Urteil vom 12. Mai 2005 - V R 7/02, BStBl II 2005, 617). Nach Maßgabe der 6. EGRL stellte sich die einschlägige deutschen Vorschrift als fehlerhafte Umsetzung der Richtlinienvorgaben dar. Die Steuerpflichtigen - hier die Klägerin - konnten sich jederzeit auf die günstigere europäische Regelung berufen (BFH, BStBl II 2005, 617; Oberfinanzdirektion - OFD - Karlsruhe vom 11. April 2006 S 7316/3, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2006, 992; jeweils unter Bezugnahme auf Leitsatz 2 in dem EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005, verbundene Rs. C-453/02 und C-462/02, DStR 2005, 371). Demgegenüber waren die Finanzbehörden - hier der Beklagte - nicht berechtigt entgegen den deutschen einschlägigen Vorschriften eine - für die Klägerin ungünstigere - Umsatzsteuerfestsetzung ohne Berücksichtigung der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge (nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) vorzunehmen.

Der nach Art. 249 (früher Art. 189) des EG-Vertrages bestehende verbindliche Charakter einer Richtlinie, auf dem die Möglichkeit beruht, sich vor einem nationalen Gericht auf die Richtlinie zu berufen, besteht nur für "jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird". Daraus folgt nach der vom BVerfG (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85, Neue juristische Wochenschrift - NJW - 1988, 1459) bestätigten Rechtsprechung des EuGH, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann und dass eine Richtlinienbestimmung als solche vor einem innerstaatlichen Gericht nicht gegenüber einer derartigen Person in Anspruch genommen werden kann (vgl. z. B. EuGH-Urteil vom 8. Oktober 1987 Rs. C-80/86 - Kolpinghuis, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1988, 594; BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 - V R 9/06 unter II. 3. b.; so auch für die Besteuerung von Geldspielumsätzen: OFD Karlsruhe a. a. O.; Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 2007/2008, 572).

Da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt beantragt hat, die Umsatzsteuerfreiheit der Verwendungsumsätze bereits in den Abzugsjahren 1995 bis 1997 zu berücksichtigen, erweisen sich die Steuerfestsetzungen für diese Jahre als zwar europarechtswidrig, aber - entsprechend den vom Beklagten zu berücksichtigenden Vorschriften des UStG - gesetzmäßig.

Demgegenüber haben sich die maßgebenden Verhältnisse im Streitjahr geändert. Die nunmehr in dem Änderungsbescheid vom 00.00.2007 für das Streitjahr 1998 vorgenommene rechtliche Würdigung der Verwendungsumsätze führt - gemessen an der Entscheidung für die Erstjahre - zu einer anderen Beurteilung des Vorsteuerabzugs für das Streitjahr, weil der Beklagte in dem Änderungsbescheid die mit den Geldspielgeräten erzielten Umsätze entsprechend der Berufung der Klägerin auf die einschlägigen Vorschriften der 6. EGRL in zutreffender Weise - entgegen den einschlägigen Vorschriften des nationalen Umsatzsteuergesetzes - europarechtskonform als steuerfrei (mit der Folge des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG) beurteilt hat.

Die maßgebenden Verhältnisse für den Vorsteuerabzug haben sich daher auf Grund der Berufung der Klägerin auf das höherrangige europäische Recht geändert. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats liegt eine den Standardfällen der Verwendungsänderung durch Wechsel von steuerpflichtigen zu steuerfreien Umsätzen durch Rückgängigmachung des Verzichts auf Steuerbefreiung (vgl. Schmidt/Forgách in Reiß-Kraeusel-Langer, UStG, § 15a Rdnr. 86; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 15a Rdnr. 125, 131, 135) vergleichbare Situation im Streitfall vor. Die Berufung auf eine dem nationalen Gesetz widersprechende Steuerbefreiung nach Maßgabe des höherrangigen europäischen Richtlinienrechtes entspricht dem Verzicht auf die Ausübung eines Optionsrechtes im Sinne des § 9 UStG (ebenso Rondorf in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 15a Rdnr. 205).

Der Beklagte ist daher zutreffend von der Anwendbarkeit des § 15a UStG auf den vorliegenden Sachverhalt ausgegangen. Die rechnerische Richtigkeit der Berichtigungsbeträge gem. § 15a Abs. 2 UStG ergibt sich aus den detaillierten Aufzeichnungen der Umsatzsteuersonderprüferin und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

Die gefundene Lösung verstößt auch nicht gegen Art. 20 Abs. 1, 2 der 6. EGRL, in der die Berichtigung der Vorsteuerabzüge geregelt ist.

Nach dieser Vorschrift wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere:

a) wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war;

b) wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugs berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, ... .

Die Voraussetzungen des Art. 20 Absätze 1 und 2 der 6. EGRL sind im Streitfall erfüllt. Der erkennende Senat ist mit dem BFH (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 2009, 165 unter II. 1.c.) davon überzeugt, dass die weit gefassten Bestimmungen des Art. 20 der Richtlinie eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nicht nur bei Änderungen der Verwendungsverhältnisse, sondern für sämtliche Änderungen der für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug maßgeblichen Faktoren vorsehen. Eine solche Änderung liegt - wie oben dargestellt - vor.

Auf die nach der Auffassung der Klägerin entscheidungserhebliche Frage, ob und ggf. zu welchen Zeitpunkten die Umsatzsteuerfestsetzungen der Jahren 1995 bis 1997 noch abänderbar waren, kommt es daher bei der vorliegenden Lösung nicht an, da nach Überzeugung des erkennenden Senats die vom Beklagten vorgenommene Beurteilung des Vorsteuerabzugs in den Jahren 1995 bis 1997 nicht fehlerhaft war. Der Beklagte hat vielmehr für die Jahren 1995 bis 1997 die bei Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des EuGH, des BVerfG und des BFH - ohne eine Berufung der Klägerin auf Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EGRL - einzig gesetz- und rechtmäßige Festsetzung der Umsatzsteuer vorgenommen.

Im Übrigen hätte selbst bei einer gegenteiligen Entscheidung die weitere Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 15a UStG, nämlich die Unabänderbarkeit der Steuerfestsetzungen für die Abzugsjahre zum Ende des Streitjahres vorgelegen, weil die Umsatzsteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume 1995 bis 1997 ohne einen entsprechenden Antrag der Klägerin (der nicht gestellt worden ist) durch den Beklagten nicht geändert werden konnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er mit seiner Entscheidung von der Beurteilung eines vergleichbaren Falles durch das Finanzgericht Düsseldorf (Urteil vom 18. Oktober 2006 - 13 K 8464/99, Juris; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch BFH-Beschluss vom 31. August 2007 - V B 193/06, BFH/NV 2007, 2366) abweicht und die Frage, ob eine nach nationalem Recht gesetzmäßige - mangels entgegenstehender Berufung auf Richtlinienrecht - zwingende Umsatzsteuerveranlagung auf einer unzutreffenden rechtlichen Beurteilung beruht, für eine Vielzahl von Verfahren Bedeutung entfalten kann.