LG Köln, Urteil vom 17.09.2008 - 25 O 35/08
Fundstelle
openJur 2011, 58893
  • Rkr:
Tenor

1)Die Klage wird abgewiesen.

2)Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3)Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung, insbesondere einer nicht ausreichenden Betreuung während der Schwangerschaft der Klägerin, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Die am 29.01.1991 geborene Klägerin suchte zusammen mit ihrer Mutter die gynäkologische Praxis der Beklagten am 09.11.2006 mit dem Wunsch zur Kontrazeption auf. Im Rahmen einer dabei durchgeführten Sonographie stellte die Beklagte eine Schwangerschaft der Klägerin fest. Die Mutter der Klägerin erfuhr hiervon nichts, da sie sich währenddessen im Wartezimmer aufhielt. Die Klägerin wünschte die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs. Die Beklagte vereinbarte daraufhin für die Klägerin zunächst einen Termin bei einer Beratungsstelle und überwies sie anschließend ins Krankenhaus. Im Kreiskrankenhaus H wurde am 10.11.2006 festgestellt, dass sich die Klägerin bereits in der 14. Schwangerschaftswoche befand und somit ein Abbruch im Wege der Beratungslösung nicht mehr in Frage kam. Die Beklagte wurde hierüber am 13.11.2006 von der Oberärztin des Kreiskrankenhauses H, Dr. X, unterrichtet.

Die Beklagte informierte die Eltern der Klägerin nicht, eine weitere Behandlung in Form von Kontrolluntersuchungen o. ä. fand im Folgenden zunächst nicht statt. Erst am 24.04.2007 suchte die Klägerin mit ihrer Mutter die Praxis der Beklagten erneut auf. Am 12.05.2007 brachte die Klägerin einen Jungen zur Welt.

Gegenstand der vorliegenden Klage sind Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld sowie auf Feststellung einer Schadensersatz- und Unterhaltsverpflichtung.

Die Klägerin behauptet hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs, sie sei während der Schwangerschaft einer erheblichen psychischen Belastung ausgesetzt gewesen, da sie durch die Beklagte sich selbst überlassen worden sei. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei zu einer Information der Eltern verpflichtet gewesen. Im Fall der Unterrichtung der Eltern wäre eine Unterstützung durch diese erfolgt sowie eine weitere medizinische Versorgung veranlasst worden.

Die Klägerin meint weiter, die Beklagte sei zur Zahlung von Unterhalt für das geborene Kind verpflichtet. Hierzu behauptet sie, dass es bei einem rechtmäßigen Verhalten der Beklagten zu einem Schwangerschaftsabbruch gem. § 218a Abs. 2 StGB wegen medizinischer Indikation aufgrund des Alters der Klägerin, der damit einhergehenden Unreife und der durch die Geburt entstehenden Belastung gekommen wäre.

Die Klägerin meint schließlich, die Beklagte habe den materiellen Schaden zu ersetzen, welcher aus der durch die Geburt des Kindes verzögerten Ausbildung der Klägerin entstehe.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflicht ist, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, die aus der Geburt des Kindes am 12.05.2007 entstanden sind, zu ersetzen.

festzustellen, dass die Beklagte verpflicht ist, für den Unterhalt des am 12.05.2007 geborenen Kindes der Klägerin aufzukommen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe ihr nach Feststellung der Schwangerschaft untersagt, deren Eltern zu benachrichtigen. Mit der Klägerin sei eine erneute Vorstellung vereinbart gewesen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.

Sie behauptet weiter, die Klägerin habe ihr den Eindruck vermittelt, die notwendige Einsichtsfähigkeit und Reife zu ihrem Verhalten zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

I) Ein Schmerzensgeldanspruch steht der Klägerin nicht zu.

1)

Es fehlt bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten. Es ist nämlich nicht festzustellen, dass die Beklagte eine Pflicht zur Unterrichtung der Eltern der Klägerin über die festgestellte Schwangerschaft traf.

Zu berücksichtigen ist insoweit zunächst, dass auch bei minderjährigen Patienten der Arzt grundsätzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist. Die Annahme einer Unterrichtungsverpflichtung des Arztes geht dabei über das bloße Recht der Eltern, über die Behandlung informiert zu werden, hinaus. Für die Einwilligung in die Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs ist dabei anerkannt, dass die Minderjährige zumindest auch Trägerin des Zustimmungserfordernisses wird, wenn sie nach ihrer geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag (vgl. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 339 f. m.w.N.). Inwieweit es zusätzlich der Zustimmung der Eltern bedarf, wird zwar nicht einheitlich beurteilt (vgl. Huber, in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1626 Rn. 47 f.; Peschel-Gutzeit, in: Staudinger, BGB, 2007, § 1626 Rn. 98, wonach die minderjährige Frau allein über die Austragung des Kindes oder den vorzeitigen Abbruch entscheiden könne, wenn ihre Verstandesreife und Einsichtsfähigkeit ausreichten, jeweils m.w.N.). Jedenfalls dann, wenn die Minderjährige für die Entscheidung über die Fortführung der Schwangerschaft die erforderliche Einsichtsfähigkeit vermittelt, für den medizinischen Schutz der Minderjährigen bei Fortführung der Schwangerschaft kein besonderes Risiko zu prognostizieren ist (vgl. zur Bedeutung dieses Kriteriums für den Konflikt zwischen Schweigepflicht und elterlichem Sorgerecht Rieger, Lexikon des Arztrechts, Ziff. 4740 Rn. 82) und die Minderjährige zudem eine Unterrichtung der Eltern ausdrücklich untersagt, besteht eine Verpflichtung der behandelnden Gynäkologin zur Unterrichtung der Eltern im Ergebnis nicht.

Dass sie zum Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft nicht über die in diesem Sinne erforderliche Einsichtsfähigkeit verfügte, hat die für die Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen belastete Klägerin nicht dargetan. Das Gegenteil wird hingegen durch den im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung gewonnenen Eindruck der Kammer nahegelegt. Die Klägerin hat einen für ihr Alter sehr selbständigen und reifen Eindruck vermittelt, während sie etwa über ihre derzeitige Ausbildung in E oder auch über die regelmäßigen Treffen mit dem Kindsvater berichtet hat. Die Kammer ist sich dabei durchaus bewusst, dass das aktuell vermittelte Bild nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf die damalige Situation zulässt. Für die vorhandene Einsichtsfähigkeit im Zeitpunkt der Behandlung durch die Beklagte spricht aus Sicht der Kammer aber auch, dass die Klägerin selbständig die Beratungsstelle aufsuchte und auch den Termin im Krankenhaus ohne ihre Eltern wahrnahm.

Weiterhin hat die Beklagte in Entsprechung zu den Vermerken in ihrer Patientenkartei ("keine Mitteilung an Eltern"; "will selbst mit Eltern reden") bestätigt, dass ihr die Klägerin eine Unterrichtung der Eltern untersagte. Der Klägerin selbst war eine solche Aufforderung zwar nicht erinnerlich; sie hat eine solche Bitte gegenüber der Beklagten aber auch nicht ausdrücklich bestritten. Unstreitig hat sie jedoch bei der Wahrnehmung des Krankenhaustermins den Kindsvater mit dessen Telefonnummer als Ansprechpartner angegeben, was letztlich ebenfalls die Annahme bekräftigt, dass sie eine Information der Eltern nicht wünschte.

Abgesehen hiervon sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin davon ausgehen musste, dass die Schwangerschaft risikoreich verlaufen werde. Auch aus diesem Gesichtspunkt war eine Information der Eltern der Klägerin deshalb nicht geboten.

2.

Unabhängig hiervon fehlt es aber auch an einer Gesundheitsschädigung der Klägerin, welche auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zurückgeführt werden könnte. Der Vortrag der Klägerin hierzu ist substanzlos. Insoweit ist bereits nicht ansatzweise nachvollziehbar, welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen psychischer Art sie während der Schwangerschaft ausgesetzt gewesen sein soll. Berücksichtigungsfähig kann insoweit nur eine über das "durchschnittliche" Maß hinausgehende Belastung sein, weil die Voraussetzungen eines Schwangerschaftsabbruchs nicht vorlagen (dazu noch unten). Schriftsätzlich hat die Klägerin zwar vortragen lassen, erhebliche Ängste erlitten und sich mit der Frage gequält zu haben, wie es nach der Geburt des Kindes mit ihrem Leben weitergehen solle. Solche psychischen Belastungen hat sie hingegen im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung nicht substantiiert darzulegen vermocht. Ihre ansonsten sehr ausführlich gehaltene Schilderung ist insoweit karg geblieben. Auf die Frage nach psychischen Problemen während der Schwangerschaft hat sie solche zwar bestätigt, ohne diese indes näher beschreiben zu können. Auch derzeit befinde sie sich nicht in ärztlicher Behandlung. Dass die Situation gegenwärtig für sie "ein bisschen anstrengend" sei, lässt den Schluss auf eine zu einem Schmerzensgeldanspruch führende Gesundheitsschädigung nicht zu.

II) Der Klägerin stehen auch keine Unterhalts- und Schadensersatzansprüche wegen eines unterbliebenen nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs zu.

1) Zum einen sind insofern die Voraussetzungen für einen zeitlich unbefristeten Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer medizinischsozialen Indikation nicht ausreichend dargelegt. Das jugendliche Alter der Klägerin reicht hierfür allein nicht aus. Vielmehr ist zu fordern, dass der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren notwendig ist (vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 218a Rn. 27 ff. m.w.N.). Zwar können für die in Betracht kommenden Gesundheitsgefahren nun auch seelische Leiden ausreichen. Für die notwendige "Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes" ist jedoch eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen, in die neben biologischmedizinischen Bedingungen auch die gesamten sozialen Lebensumstände der Schwangeren mit einzubeziehen sind, und zwar sowohl der gegenwärtigen als auch, wie vom Gesetz ausdrücklich gefordert, unter Berücksichtigung der künftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren. Die normalerweise mit jeder Schwangerschaft und Geburt einhergehende Belastung genügt nicht. Demgegenüber kommen auch solche Gefährdungen in Betracht, die sich durch Summierung wirtschaftlicher und familiärer Belastungen oder in Vorausschau auf künftige Überforderungen durch Sorge- und Einstandspflichten im Falle einer Geburt eines Kindes (BVerfGE 88, 256) als psychische Dauerüberlastung der Schwangeren niederschlagen können (Eser, a.a.O., Rn. 29 m.w.N.). Bei jugendlichen Schwangeren, deren körperliche oder seelische Reife noch nicht abgeschlossen ist oder die bei Austragen der Schwangerschaft zu einem nicht nur vorübergehenden Abbruch ihrer Ausbildung gezwungen würden, sind derartige psychische Entwicklungsstörungen zwar denkbar, allerdings nicht zwangsläufig gegeben. Hinzukommen muss zudem, dass die zu befürchtende Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes eine schwerwiegende ist, ohne jedoch zwingend dem Gewicht einer Lebensgefahr gleichzukommen. Schließlich muss der Schwangerschaftsabbruch die ultima ratio darstellen. Zu fordern ist insoweit, dass soziale Belastungen beispielsweise nicht durch personelle oder materielle Überbrückungshilfen aufzufangen sind bzw. anderweitige Abwendungsmöglichkeiten für die Schwangere unzumutbar wären (vgl. Eser, a.a.O., Rn. 35 m.w.N.; zusammenfassend: BGH, NJW 2006, 1660 ff.).

Diese Voraussetzungen sind auch angesichts der in diesem Bereich nicht zu überspannenden Darlegungslast für die Klägerseite (vgl. BGH, NJW 2003, 3411) nicht ausreichend vorgetragen. Darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass so schwerwiegende Gefahren für den Gesundheitszustand der Schwangeren vorgelegen haben, dass sie den Abbruch gerechtfertigt hätten, und ihnen nicht anders als durch einen Abbruch zu begegnen gewesen wären, ist die Klägerin. Eine solche Situation, welche durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens überprüft werden könnte, ist jedoch weder ausreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine besondere psychische Belastung, ist - wie bereits dargelegt - nicht erkennbar. Auch die von der Klägerin persönlich geschilderten Lebensverhältnisse nach der Geburt lassen keine derartige Überforderung erkennen, die lediglich mit einem Schwangerschaftsabbruch hätte verhindert werden können, so dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen hinter dem gefährdeten seelischen Gesundheitszustand der Klägerin hätte zurücktreten müssen. Insbesondere erscheint auch das weitere Fortkommen der Klägerin im Hinblick auf ihre Berufsausbildung neben der Erziehung ihres Sohnes gesichert.

2) Zum anderen wären aber auch die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht vom Schutzzweck des Behandlungsvertrages mit der Beklagten umfasst.

Die Haftung des behandelnden Arztes für den durch die Geburt eines Kindes verursachten Vermögensschaden kommt nur dann in Betracht, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, auf dessen Vermeidung die Behandlung der Mutter durch die behandelnden Ärzte im Rahmen eines bestehenden Behandlungsvertrags gerichtet war (vgl. BGH, NJW 2005, 891). Ein Anspruch auf Unterhaltsfreistellung ist dabei zwar auch bei einem Schwangerschaftsabbruch wegen einer medizinischsozialen Indikation möglich, weil insoweit keine "Missbilligung" durch die Rechtsordnung vorliegt (vgl. BGH, NJW 2002, 886; NJW 2002, 1489; VersR 1994, 425; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B I Rn. 153 ff.). Allerdings umfasst der Schutzzweck des Behandlungsvertrages, der den Schutz der mütterlichen Gesundheit zum Inhalt hat, nicht ohne weiteres die Freistellung von Unterhaltsbelastungen, es sei denn es kommt auch maßgeblich auf die Lebensumstände nach der Geburt an. Ergeben sich aus der Geburt und der hieraus resultierenden besonderen Lebenssituation Belastungen - wie z.B. durch die Unterhaltsverpflichtung -, welche die Mutter in ihrer Konstitution überfordern und die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihres insbesondere auch seelischen Gesundheitszustandes als so bedrohlich erscheinen lassen, dass bei der gebotenen Güterabwägung das Lebensrecht des Ungeborenen dahinter zurückzutreten hat, dann kann sich der vertragliche Schutzzweck auch auf die Vermeidung dieser Belastungen richten (vgl. BGH, NJW 2003, 3411; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B I 166). Im Falle eines misslungenen Schwangerschaftsabbruches, dem eine Notlagenindikation zugrunde liegt, besteht ein ersatzfähiger Unterhaltsschaden der Mutter des Kindes allerdings nur dann, wenn sich die Gefahr, der mit dem straffreien Abbruch begegnet werden sollte und durfte, auch tatsächlich verwirklicht hat (BGH, NJW 1985, 2752 ff.). Der Bundesgerichtshof, dessen Auffassung sich die Kammer zu eigen macht, hat insoweit ausgeführt:

"Der Schutzumfang des Vertrages wird indessen durch seinen Zweck, im Rahmen des gesetzlich Erlaubten von der Mutter eine schwerwiegende Notlage abzuwenden, gleichzeitig begrenzt. Auch im Falle der Notlagenindikation hat der Arzt die Schwangere nur vor dem zu bewahren, das es ihr nach der Rechtsordnung unzumutbar machen kann, ihr Kind auszutragen. Stellt sich nach der Geburt des zunächst nicht gewollten Kindes heraus, dass die ungünstige Prognose, die die Grundlage für die Indikationsstellung war, sich nicht bewahrheitet hat, die Belastungen der Mutter durch das Haben des Kindes vielmehr nicht über das hinausgehen, was die Rechtsordnung im Interesse des Lebens des Kindes jeder Mutter zumutet, dann ist aus dem Fehlverhalten des Arztes kein von ihm abzunehmender Schaden der Mutter entstanden. Die Unterhaltsbelastungen, die mit der Geburt und dem Großziehen des Kindes verbunden sind, hatte der Arzt aus der Sicht im Zeitpunkt des Eingriffes nur insoweit zu verhindern, als sie im Blick auf die strengen Indikationsvoraussetzungen des § 218a Abs. 2 Nr. 3 StGB der Mutter, die sich zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen hatte, gegen ihren Willen nicht zugemutet werden konnten. Nur soweit diejenigen tatsächlichen Umstände auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, die die ungünstige Prognose rechtfertigen konnten, auch tatsächlich eingetreten sind, ist ein Ausgleich der für die Mutter nur schwer tragbaren Belastung mit den Unterhaltsaufwendungen für das Kind durch den Arzt, der sie davor zu bewahren hatte, geschuldet. Für mehr hat er nicht einzustehen."

Für einen solchen vom Schutzzweck des Behandlungsvertrages umfassten Schaden ist jedoch nichts ersichtlich. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt, dass sie nach ihrem Realschulabschluss eine Ausbildung zur Gymnastiklehrerin begonnen habe. Ihr Sohn werde tagsüber von ihren Eltern, insbesondere von ihrem Vater, der Rentner sei, versorgt. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass die Lebensumstände für die Klägerin sicher nicht einfach sind. Einen vom Behandlungsvertrag umfassten ersetzbaren Schaden kann sie indes nicht erkennen.

3) Schließlich ist die Beklagte von vornherein nicht zum Ersatz materieller Schäden der Klägerin verpflichtet. So ist auch ein eventueller Verdienstausfall der Eltern infolge der Betreuung des - auch schwerstbehinderten - Kindes grundsätzlich nicht vom Schutzzweck eines Behandlungsvertrages erfasst. Der fehlerhaft behandelnde Arzt hat von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kindes hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen, der für die Existenzsicherung des Kindes erforderlich ist. Deshalb kann der Verdienstausfall, der den Eltern eines Kindes im Zusammenhang mit dessen Betreuung entsteht, dem Arzt haftungsrechtlich nicht zur Last gelegt werden, zumal dieser Vermögensnachteil von ihm allenfalls mittelbar verursacht ist (so BGH, NJW 1997, 1638; vgl. auch Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl., B I Rn. 159).

Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 11.09.2008 war nicht veranlasst.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert:

Antrag zu 1. 10.100,00 €

Antrag zu 2. 10.100,00 €

Antrag zu 3. 10.100,00 €

zusammen: 30.300,00 €