ArbG Dortmund, Urteil vom 14.05.2008 - 10 Ca 279/08
Fundstelle
openJur 2011, 57145
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.330,35 € brutto abzüglich 14.185,34 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 14.11.2007, 1.703,58 € brutto abzüglich 1.063,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 25.02.2008 und 1.067,30 € brutto abzüglich 202,80 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz aus dem Restbetrag seit dem 15.04.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat 80 % und die Klägerin hat 20 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert wird auf 10718,61 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, die für ihre Teilzeitbeschäftigung in einer Einzelhandelsfiliale der Beklagten bei einem Stundenlohn von 5,20 € weniger als 400 € monatlich erhält, begehrt für die Zeit seit 2004 eine höhere Stundenvergütung, Urlaubsentgelt und eine Vergütung für mindestens 10 Stunden pro Woche.

Die 45-jährige verheiratete Klägerin, die zwei Kinder hat, ist seit dem 28.11.2001 bei der Beklagten in der Filiale in M beschäftigt.

Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es u.a.:

"§ 2 Anstellung und Probezeit:

Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 28.11.2001 (siehe Personalfragebogen) als geringfügig Beschäftigter/Packer(in) für eine stundenweise Tätigkeit eingestellt.

§ 3 Gehaltszahlung:

Der Arbeitnehmer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit einen Stundenlohn in Höhe von 10,00 DM/Euro, zahlbar jeweils zum 15. des Folgemonats auf ein vom Arbeitnehmer zu benennendes Konto.

Die vereinbarte Vergütung beinhaltet den Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld.

Nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden werden vergütet.

§ 4 Arbeitszeit:

Ein Arbeitseinsatz erfolgt nach Bedarf unter Berücksichtigung der betrieblichen Notwendigkeiten des Arbeitgebers sowie nach vorheriger Absprache mit dem zuständigen Vorgesetzten.

Die wöchentliche Arbeitszeit kann daher durchaus differieren und dabei auch 10 Stunden unterschreiten.

Ansonsten gestaltet sich die Arbeitszeit nach den gesetzlichen Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung, d.h. 14,75 Stunden Woche bzw. 63,75 Stunden im Monat werden nicht überschritten. Eine Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen Stundengrenzen zieht eine entsprechende sozialversicherungs- und steuerrechtliche Behandlung der Bezüge nach sich.

Die Beklagte zahlte der Klägerin zunächst pro Stunde 10,-- DM und zumindest seit 2004 5,20 €.

Mit Schreiben vom 28.09.2007 ließ die Klägerin die Beklagte vergeblich auffordern, ihr rückwirkend ab 2004 zumindest zwei Drittel des Tariflohnes einer Verkäuferin ab dem 6.Berufsjahr und Urlaubsentgelt jeweils für vier Wochen pro Jahr zu zahlen.

Zwei Drittel des Tarifstundenlohns einer Verkäuferin ab dem 6.Berufsjahr im Einzelhandel betrugen seit dem 01.07.2003 7,96 €, seit dem 01.07.2004 8,30 €, seit dem 01.03.2005 8,12 € und seit dem 01.09.2006 8,21 €.

Seit November 2007 und insbesondere ab Januar 2008 setzte die Beklagte die Klägerin nur noch in einem geringeren Umfang ein.

Mit der bei Gericht am 08.11.2007 eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin behauptet, sie sei ausgebildete Einzelhandelskauffrau und sei vor ihrer Einstellung bei der Beklagten mehr als 5 Jahre als Verkäuferin bei anderen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Auch bei der Beklagten sei sie überwiegend als Verkäuferin bzw. Kassiererin eingesetzt worden.

Sie vertritt die Ansicht, dass die ihr gezahlte Vergütung auf sittenwidrige Weise unangemessen niedrig sei, da sie nichtmals 2/3 des Tariflohnes einer Verkäuferin ab dem 6.Berufsjahr betrage. Zumindest eine Vergütung in dieser Höhe habe die Beklagte ihr zahlen müssen.

So seien ihr entsprechend ihrer Aufstellung für die Zeit von Anfang 2004 bis zum 31.08.2007 21.330,35 € brutto abzüglich der ihr bereits gezahlten 14.185,34 € netto zu zahlen.

Auch habe sie für die Jahre 2004 bis 2007 einen Anspruch auf Urlaubsentgelt für jeweils vier Wochen, insgesamt in Höhe von 2.068,92 € für diese vier Jahre bei Berücksichtigung eines Stundenlohns in Höhe von 8,21 € und ihrer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 17,5 Stunden im Jahr 2004, von 13 Stunden im Jahr 2005, von 15,5 Stunden im Jahr 2006 und von 17 Stunden im Jahr 2007.

Mit der bei Gericht am 19.02.2008 eingegangenen Klageerweiterung vom 18.02.2008 begehrt die Klägerin auch für September bis Dezember 2007 einen Stundenlohn in Höhe von 8,21 € und zwar für mindestens 10 Stunden pro Woche. Es ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 1.703,58 € brutto abzüglich der bereits gezahlten 1063,40 € netto.

Mit Klageerweiterung vom 01.04.2008, bei Gericht eingegangen am 03.04.2008, begehrt die Klägerin zudem noch für die 13 Wochen von Januar bis März 2008 einen Stundenlohn in Höhe von 8,21 € für 39 Arbeitsstunden und weitere 91 Stunden, die sie nach ihrer Ansicht in den 13 Wochen von Januar bis März 2008 unter Berücksichtigung von 10 Stunden pro Woche zusätzlich hätte eingesetzt werden müssen, insgesamt 1067,30 € brutto abzüglich bereits gezahlter 202,80 € netto.

Bezüglich des von ihr geltend gemachten Urlaubsentgelts behauptet die Klägerin, dass die Beklagte es nach entsprechender Geltendmachung immer abgelehnt habe, ihr bezahlten Erholungsurlaub zu erteilen. Sie habe nur unbezahlte Freistellungstage nehmen und in den Arbeitsplan eintragen können. Unter Berufung auf § 3 des Arbeitsvertrages habe die Beklagte bezahlten Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verweigert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1) 21.330,35 € brutto abzüglich 14.185,34 € netto und 2.068,92 € brutto jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.11.2007,

2) 1.703,58 € brutto abzüglich 1.063,40 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2008,

3) 1.067,30 € brutto abzüglich 202,80 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2008

zu zahlen

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass der von ihr gezahlte Stundenlohn in Höhe von 5, 20 € nicht sittenwidrig niedrig sei.

Sie behauptet, die Klägerin sei bei ihr als Packerin beschäftigt worden, wobei es zu ihren arbeitsvertraglichen Pflichten gehört hätte, bei Bedarf auch andere Tätigkeiten zu verrichten, wie z.B. Putzarbeit oder Kassiertätigkeiten.

Bei einer überwiegenden Tätigkeit als Packerin werde im Einzelhandel üblicherweise nicht die tarifliche Vergütung gezahlt, zumal wenn die Vergütung als geringfügige Vergütung unter 400,00 € monatlich ohne Abzüge von Sozialabgaben und Steuern ausgezahlt werden könne, da die Abzüge bei Vollzeitbeschäftigten mehr als 40 % betrügen. Für geringfügig beschäftigte Mitarbeiter mit Tätigkeiten, wie sie die Klägerin verrichte, betrage im Discounteinzelhandel das allgemeine Lohnniveau 4,00 bis 7,00 €. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass der Tariflohn einer ungelernten Verkäuferin bei einer Vollzeitbeschäftigung anfangs lediglich 1199,00 € mtl. betrage, was einem Bruttostundenlohn in Höhe von 7,00 € entspreche.

Sie selbst beschäftige im Übrigen über 8000 Arbeitnehmer geringfügig mit einer durchschnittlichen Stundenvergütung in Höhe von 5,17 € ohne Abzüge. Im Jahr 2001 habe der Stundenlohn für diese Arbeitnehmer bei ihr 8,00 bis 10,00 DM betragen.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Urlaubsvergütung für die vergangenen Jahre, da sie zu keinem Zeitpunkt Urlaub beantragt habe.

Schließlich könne die Klägerin nicht verlangen, mindestens 10 Stunden wöchentlich eingesetzt zu werden, da im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart sei, dass die wöchentliche Arbeitszeit auch weniger als 10 Stunden wöchentlich betragen könne.

Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien zumindest überwiegend nach den tariflichen Bestimmungen des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel verfallen, da dieser bei Abschluss des Arbeitsvertrages noch allgemeinverbindlich gewesen sei und deshalb nachwirke.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist, soweit ihr stattgegeben wurde, begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

Die Klägerin hat für die von ihr ab dem 01.01.2004 für die Beklagte verrichtete Tätigkeit gemäß § 612 Abs. 2 BGB einen Anspruch auf die von ihr eingeklagte Vergütung.

1) Die Vereinbarung einer Vergütung in Höhe von lediglich 5,20 € pro Stunde für die von der Klägerin für die Beklagte ab dem 01.10.2004 verrichtete Tätigkeit ist gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig, da sie gegen die guten Sitten verstößt.

a) Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist eine Vergütungsvereinbarung dann sittenwidrig, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.

Der Wert der Arbeitsleistung sei nach ihrem objektiven Wert zu beurteilen. Ausgangspunkt zur Feststellung des Wertes der Arbeitsleistung seien dabei in der Regel die Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs. Dies gelte jedenfalls dann, wenn in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt werde. Denn dann könne grundsätzlich davon ausgegangene werden, dass Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt nur zu den Tariflohnsätzen gewonnen werden könnten. Entspreche der Tariflohn indessen nicht der verkehrsüblichen Vergütung, sondern liege diese unterhalb des Tariflohnes, sei zur Ermittlung des Wertes der Arbeitsleistung von dem allgemeinen Lohnniveau im Wirtschaftsgebiet auszugehen. Zur Feststellung des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei nicht auf einen bestimmten Abstand zwischen dem Arbeitsentgelt und dem Sozialhilfesatz bzw. der Pfändungsgrenze abzustellen, da insoweit lediglich darauf abgestellt werde, welche Beträge für den Lebensunterhalt des Betroffenen und dessen Unterhaltsberechtigten erforderlich seien.

Abzustellen sei auch nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den streitgegenständlichen Zeitraum (vergleiche BAG Urteil vom 23.05.2001 - 5 AZR 527/99, EzA § 138 BGB Nr.29 = ArbuR 2001, 509 ; BAG Urteil vom 24.03.2004 - 5 AZR 303/03, BAGE 110, 79-89 = AP Nr. 59 zu § 138 BGB = DB 2004, 1432 = NZA 2004, 971 sowie Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 8. Auflage, Rd. Nr. 3 zu § 612 BGB).

Das BAG hat bisher keine Richtwerte zur Feststellung eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung entwickelt. Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat demgegenüber im Fall der strafrechtlichen Verurteilung wegen Lohnwuchers gemäß § 302 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB a.F. die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts, ein auffälliges Missverhältnis liege bei einem Lohn vor, der 2/3 des Tariflohnes nicht erreiche, revisionsrechtlich gebilligt (BGH, Urteil vom 22.04.1997 - 1 StR 701/96, BGHSt 43,54 = NJW 1997, 2689-2691).

Von diesem Richtwert gehen in der Arbeitsgerichtsbarkeit soweit ersichtlich auch die Instanzgerichte aus (vergl. LAG Berlin, Urteil vom 20.02.1998 - 6 Sa 145/97, NZA-RR 1998, 392= ArbuR 1998, 468 = LAGE § 138 BGB Nr 11; LAG Berlin, Urteil vom 28.02.2007 - 15 Sa 1363/06; Arbeitsgericht Bremen - Bremerhaven, Urteil vom 12.12.2007 - 9 Ca 9331/07; vgl. auch Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, aaO; Reinecke NZA 2000 Beilage zu Heft 3, Seite 23, 32).

Was den guten Sitten entspricht wird grundsätzlich in Anlehnung an die Entstehungsgeschichte des BGB nach dem Recht- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden bestimmt. Diese Umschreibung ist zwar ihrerseits wiederum ausfüllungsbedürftig, sie verdeutlicht aber, dass der Begriff im Gesetz nicht allein an ein rein tatsächliches Verhalten in der Gesellschaft und an die darin zum Ausdruck kommende tatsächlich herrschende Sozialmoral anknüpft.

Der Begriff der Sittenwidrigkeit ist als Teil der rechtlichen Sollensordnung objektivnormativ zu bestimmen. Das objektivnormativ geprägte Begriffsverständnis muss in erster Linie auf den in der Gesamtrechtsordnung, insbesondere in den in der Verfassung sowie im Europarecht enthaltenen oder zugrunde gelegten Grundwertungen aufbauen. Es ist auf die Prinzipien abzustellen, die aus Gründen des allgemeinen Wohls in der Rechtsgemeinschaft als rechtlicher Ausschnitt einer ethischen Ordnung auch für die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Einzelnen verbindlich sein sollen (vergl. Ermann, Bürgerliches Gesetzbuch, 11.Auflage, § 138 RN 33 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesgerichtshofs und der Literatur).

Insofern ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblich, ob eine Vereinbarung noch diesen Prinzipen entspricht, zu denen die soziale Marktwirtschaft, die Sozialstaatlichkeit, der Gleichbehandlungsgrundsatz und die Tarifautonomie gehören.

Insbesondere durch die Tarifautonomie soll erreicht werden, dass auch zu den Zeiten, zu denen (in bestimmten Bereichen) ein Arbeitskräfteüberhang besteht, nicht nur äußerst geringe Vergütungen gezahlt werden, wie sie sich dann aufgrund von Angebot und Nachfrage ergeben, wenn die Arbeitnehmer untereinander in vollem Umfang konkurrieren, also unter den Arbeitnehmern ein freier (uneingeschränkter) Wettbewerb herrscht. Dabei wird nicht verkannt, dass auch auf dem Arbeitsmarkt ein freier Wettbewerb, der auf Angebots- und Nachfrageseite, also auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite nicht durch Absprachen eingeschränkt ist, wie auch auf den übrigen Märkten mit großen Vorteilen verbunden ist, weil durch ihn Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht und Ressourcen durch Arbeitsteilung und exakte Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage optimal genutzt werden können. Bei freiem Wettbewerb sinkt der Preis bei einem Überangebot solange, bis das Angebot soweit zurückgegangen und/oder die Nachfrage soweit gestiegen ist, dass sich beide entsprechen. Diese Anpassungsfähigkeit ist gerade bei eintretenden Veränderungen von großer Bedeutung.

Wenn auf dem Arbeitsmarkt ein Überangebot von Arbeitskräften besteht und deshalb die Löhne sinken, können günstiger Dienstleistungen erbracht und Waren produziert werden, die andernfalls nicht in gleichem Umfang nachgefragt würden. Niedrigere Löhne geben so einen Anreiz, neue Arbeitsplätze zu schaffen und/oder sich für andere Tätigkeiten zu qualifizieren. Durch beides wird einem weiteren Absinken der Vergütung entgegengewirkt, wobei gleichzeitig der Zustrom zu den Bereichen, in denen größerer Bedarf besteht, gefördert wird und damit auch in diesen Bereichen günstiger Dienstleistungen angeboten und Waren produziert werden können.

Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt werden die Vorteile der Marktwirtschaft aber häufig erst mittelfristig und manchmal auch erst langfristig sichtbar. Es ist möglich, dass sich auch bei niedrigeren Vergütungen Angebot und Nachfrage nicht so schnell anpassen. Eine niedrigere Vergütung veranlasst viele Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen nicht, ihr Arbeitsangebot einzuschränken, sondern ihre Arbeitskraft in noch größerem Umfang anzubieten, als sie es bei nicht bestehendem Überangebot und damit höherer Vergütung täten. Teilweise können trotz der finanziellen Anreize nicht so schnell im gleichen Bereich und in anderen Bereichen neue Arbeitsplätze geschaffen werden bzw. können sich nicht so schnell ausreichend viele Arbeitnehmer auf neue Tätigkeiten umstellen. Manchmal werden auch, wie auch auf anderen Märkten, Veränderungen von Angebot und Nachfrage, insbesondere unerwartete Veränderungen, durch ein nur (massen)psychologisch zu erklärendes, aber letztlich nicht interessengerechtes Verhalten verstärkt.

Schließlich entstehen wegen einer Nichterreichbarkeit eines optimalen freien Wettbewerbs, wegen größer werdender Unternehmen und wegen teilweise schwer einzuholender Wettbewerbsvorsprünge immer größere Einkommens- und damit insbesondere auf Dauer immer größere Vermögensunterschiede, die dazu führen können, dass die Bedürfnisse der Menschen insbesondere in Zeiten geringen Wirtschaftswachstums, aber erst recht bei einer Rezession und/oder knapper werdenden Ressourcen nicht ausreichend gleich befriedigt werden können, zumal dann entstandene Vermögensunterschiede auch schwer wieder rückgängig gemacht werden können.

Der Markt kann die Größe eines Bedürfnisses bzw. einer Nachfrage allein nach der in Geld bemessenen Kaufkraft berücksichtigen. Keine Berücksichtigung findet, von wie vielen Personen diese Kaufkraft/Nachfrage ausgeübt wird. Die Vorteile der Marktwirtschaft, eine Nachfrage optimal zu befriedigen, kommen deshalb nur voll zum Tragen, wenn die Einkommensunterschiede nicht zu groß sind. Dies ist nicht nur im Interesse derjenigen mit verhältnismäßig geringem Einkommen zu beachten, sondern im Interesse aller, weil letztlich jeder darauf angewiesen ist, dass in einer Gesellschaft ein größtmögliches Zusammengehörigkeitsgefühl und eine größtmögliche Zufriedenheit herrschen.

Insofern sollten in den niedrigen Vergütungsbereichen die Vergütungen nicht zu gering sein und sollte bei einer Vollzeitbeschäftigung ein Arbeitnehmer nach einer Einarbeitung in der Regel zumindest seinen eigenen Lebensunterhalt durch die ihm gezahlte Vergütung bestreiten können.

Ergänzende Sozialleistungen sind zu diesem Zweck nur bedingt geeignet, wenn solche den Wettbewerb und die Berücksichtigung von Angebot und Nachfrage auch weniger einschränken und Arbeitsplätze zumindest unmittelbar weniger gefährden können, als ein Eingriff in freie Lohnvereinbarungen. Ergänzende Sozialleistungen können eine auskömmliche Vergütung nicht in vollem Umfang ersetzen, zumal sie anders als eine Vergütung nicht in gleicher Weise das Bedürfnis nach Anerkennung und Gemeinschaft insbesondere im Unternehmen aber auch in der Gesellschaft befriedigen, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage bei ergänzenden Sozialleistungen oder auch Steuererleichterungen die Vergütungen bei den Begünstigten noch weiter fallen, wenn auch meist nicht in voller Höhe der Vergünstigungen. Auch bedarf es erheblichen Verwaltungsaufwandes, zu entscheiden und zu kontrollieren, ob die Voraussetzungen für ergänzende Sozialleistungen vorliegen.

Indem das Grundgesetz eine Tarifautonomie vorsieht und damit zulässt, dass die Arbeitnehmer hinsichtlich des Angebots ihrer Arbeitskraft Preisabsprachen treffen, wird deutlich, dass die Rechtsordnung es gut heißt, dass durch solche Preisabsprachen der wegen der Vielzahl der Arbeitnehmer sonst auf ihrer Seite besonders starke Wettbewerb eingeschränkt wird, wenn dadurch auch Vorteile der Marktwirtschaft verloren gehen. Letztlich überträgt es die Rechtsordnung den Tarifpartnern, die Vor- und Nachteile solcher Preisabsprachen abzuwägen und zu berücksichtigen, dass langfristig nur ein angemessenes Verhältnis von Solidarität und Wettbewerb, Absicherung und Flexibilität ein gutes Arbeitsklima und den Unternehmensgeist und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskraft und deren Honorierung fördern kann. Die Rechtsordnung vertraut darauf, dass die Tarifpartner dabei auf die Interessen aller Beteiligten einschließlich der Arbeitssuchenden und weniger finanzkräftigen Arbeitgeber, auch soweit sie nicht Mitglieder der Tarifpartner sind bzw. geringere Mitgliedsbeiträge zahlen, Rücksicht nehmen, zumal bei einer gewissen Weitsicht die Interessen sich letztlich entsprechen.

Daraus ergibt sich, dass die sich aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie ergebenden Tariflöhne bei der Bestimmung der guten Sitten mit zu berücksichtigen sind und nicht ausschließlich auf die übliche Vergütung abzustellen ist, wie sie sich nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage in Betrieben herausgebildet hat, wo keine Tarifverträge Anwendung finden.

Es ist nicht möglich, auf einen objektiven Wert der Arbeitsleistung abzustellen, weil es einen objektiven Wert im eigentlichen Sinne nicht gibt und darunter am ehesten der Wert zu verstehen ist, der sich nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage ergibt. Dieser Wert kann aber sogar gegen Null tendieren, wenn z.B. eine berufliche Tätigkeit aufgrund geänderter Rohstoffpreise, einer technischen Entwicklung oder auch nur aufgrund geänderten Konsumverhaltens kaum noch nachgefragt wird. In den Marktwert fließen keine übergeordneten Wertentscheidungen ein. Gemäß § 138 BGB muss der vereinbarte Lohn aber nicht nur den Sitten entsprechen, sondern den guten Sitten und damit, wie oben gezeigt, den Vorstellungen, wie sie in der Rechtsordnung zum Ausdruck kommen, deren demokratische Legitimation noch am ehesten die Gewähr dafür bietet, dass sie dem Allgemeinwohl dient und zu einer größtmöglichen Zufriedenheit in der Gesellschaft führt.

Dies kann nicht objektiv durch rationale Erwägungen ohne eine Beteiligung der Betroffenen ermittelt werden. Nur durch eine solche Beteiligung kann bestimmt werden, welche Bedürfnisse in welcher Größenordnung bei einem uneingeschränkten Wettbewerb auf Arbeitnehmerseite nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Die Bedürfnisse und die bestehenden Prioritäten sind einem ständigen Wandel unterworfen, und zwar nicht nur aufgrund sich ändernder Umstände, sondern auch aufgrund sich ändernder Meinungsbildung. Das immaterielle Bedürfnis nach Gemeinschaft und gegenseitiger Anerkennung kann größer sein, als das Bedürfnis, den materiellen Lebensstandard durch materielle Leistungsanreize in Form großer Einkommensdifferenzen anzuheben. Dies gilt gerade für diejenigen mit höherem Einkommen. Die absolute Einkommenshöhe spielt eine immer geringere Rolle, so höher das Einkommen ist.

Auch diesen Gesichtspunkten wird durch die Anerkennung der Tarifautonomie Rechnung getragen.

b) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen entspricht die mit der Klägerin vereinbarte Vergütung für die Zeit ab dem 01.01.2004 nicht den guten Sitten.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin bei der Beklagten überwiegend als Packerin beschäftigt war, so entspräche diese Tätigkeit mindestens der Lohngruppe II Staffel a) des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel NRW, wonach der Stundenlohn der Klägerin ab Anfang 2004 zunächst 9,39 € bis zuletzt 9,82 € betragen hätte. Hinzu kommt, dass die Klägerin zumindest teilweise auch Kassiertätigkeiten übernehmen musste, also bereit und in der Lage sein musste, auch Tätigkeiten einer Verkäuferin zu verrichten und zu beherrschen und die entsprechende Verantwortung zu übernehmen. Auch ist zu berücksichtigen, dass sie in der Zeit ab dem 01.01.2004 für die Beklagte eine erfahrene Kraft war, da sie bereits seit 2001 bei ihr in gleicher Weise beschäftigt war.

Für die Bedeutung der Tariflöhne zumindest einer Packerin im Einzelhandel für die Bestimmung der guten Sitten spricht auch, dass im Einzelhandel anders als in den meisten anderen Branchen die Tarifverträge lange Zeit für allgemeinverbindlich erklärt wurden und der Manteltarifvertrag sogar noch allgemeinverbindlich war, als die Klägerin eingestellt wurde.

Bei der Ermittlung der Vergütung, die noch den guten Sitten entspricht, kann zumindest bei einer Packerin kaum eine Berücksichtigung finden, ob im Einzelhandelsdiscountbereich teilweise niedrigere Löhne gezahlt werden als im übrigen Einzelhandel. Soweit Tätigkeiten im gesamten Einzelhandel unter gleichen Bedingungen erbracht werden, wie dies zumindest weitgehend bei einer Packerin der Fall ist, würde eine spürbare Differenzierung zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des Einzelhandels führen.

Bei der Frage, ob eine Vergütung den guten Sitten noch entspricht, darf es auch zumindest nicht von größerer Bedeutung sein, ob unter Zugrundelegung der gezahlten Vergütung noch gemäß § 8 SGB IV eine geringfügige Beschäftigung vorliegt und deshalb bezüglich der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung eine Versicherungsfreiheit besteht und vom Arbeitnehmer keine Steuern abzuführen sind.

Richtig mag sein, dass sich nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage eine geringere Stundenvergütung herausbildet, wenn eine Versicherungsfreiheit gegeben ist und vom Arbeitnehmer grundsätzlich keine Steuern abzuführen sind. Dies aber im Rahmen der Beurteilung der guten Sitten ganz oder zum großen Teil zu Ungunsten der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen, wäre mit den Grundprinzipien der Rechtsordnung nicht vereinbar.

Eine weitgehende Berücksichtigung widerspricht in besonderem Maße dem Gleichbehandlungsgrundsatz und § 4 TzBfG i.V.m. § 2 Abs 2 TzBfG (vgl. auch: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht-Preis, 8. Auflage, § 4 TzBfG RN 57; Hanau, DB 2005,946f; teilweise anderer Ansicht : Thüsing, ZTR 2005,118ff).

Sie widerspricht bereits dem Gleichbehandlungsgrundsatz, weil bei den nicht geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern nicht berücksichtigt wird, welcher Prozentsatz der Vergütung jeweils von ihnen für Steuern und Versicherungsbeiträge abzuführen ist, der auch sehr unterschiedlich sein kann. Ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen über 400,00 € bis zu einem Einkommen von 800,00 € hat noch nicht die vollen Versicherungsbeiträge zu leisten und ab einem bestimmten Einkommen steigen die Versicherungsbeiträge nicht mehr an. Ferner sind auch bei einer Vergütung von über 400 € monatlich häufig vom Arbeitnehmer noch keine Steuern zu zahlen.

Es darf vor allem nicht übersehen werden, dass die Versicherungsfreiheit eigentlich kein Vorteil ist, sondern ein Nachteil, da durch sie keine Ansprüche auf Versicherungsleistungen bestehen, wofür zur Hälfte auch der Arbeitgeber die Versicherungsbeiträge zahlen müsste. Dass einem Arbeitnehmer die Nachteile der Versicherungsfreiheit während des aktiven Berufslebens evtl. unter Zurückdrängung des Bedürfnisses einer Zukunftssicherung nicht so bewusst werden, kann eine Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber insbesondere unter wertenden Gesichtspunkten, wie sie bei der Bestimmung der guten Sitten aber auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz Berücksichtigung finden müssen, nicht rechtfertigen.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie mit der Klägerin eine Nettolohnvereinbarung getroffen habe. Im Arbeitsvertrag wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass lediglich den für eine geringfügige Beschäftigung bestehenden gesetzlichen Sonderregelungen Rechnung getragen werden soll. So hat die Beklagte auch zugunsten der Klägerin neben dem Lohn keine prozentual höheren, zumindest keine prozentual wesentlich höheren Zahlungen (Abgaben/Steuern) geleistet, als die Beklagte sie bereits für nicht geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer bei einer Bruttolohnvereinbarung leisten muss.

Es ist auch zu bedenken, dass der Gesetzgeber individuell unterschiedliche Steuern und Sozialabgaben vorsieht, um dadurch Einkommensunterschiede abzumildern und auf unterschiedliche Belastungen z.B. wegen Unterhaltspflichten oder einer Schwerbehinderung Rücksicht zu nehmen. Gründe, die den Staat und damit die Gemeinschaft veranlassen, zu ihren Lasten einem Bürger mehr als einem anderen zu belassen bzw. ihn nicht in gleicher Weise an den öffentlichen Ausgaben zu beteiligen, können aber nicht gleichzeitig sachliche Gründe für den Arbeitgeber sein, für die gleiche Leistung eines solchen Arbeitnehmers entsprechend weniger zu zahlen.

Hätte die Nachfrage der Arbeitgeber nach geringfügigen Beschäftigungen besonders gefördert werden sollen, so wären die vom Arbeitgeber zu zahlenden Abgaben zu vermindern gewesen.

Dafür, dass dies nicht gewollt war, spricht auch, dass dadurch (gerade im Niedriglohnbereich) ein Anreiz geschaffen würde, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu verdrängen. Dies widerspräche dem Sozialstaatsprinzip.

Die Tarifvertragsparteien vereinbaren - soweit ersichtlich - auch nur Bruttolöhne und dies unabhängig davon, ob unter Zugrundelegung dieser Löhne eine geringfügige Beschäftigung vorliegt oder aus anderen Gründen vom Arbeitnehmer nicht so hohe Sozialversicherungsbeiträge und Steuern zu zahlen sind.

Auch andere Gründe, die in diesem Fall die gezahlte niedrige Vergütung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte hat keine unterdurchschnittlichen Leistungen der Klägerin behauptet. Sie trägt vielmehr vor, dass sie allen Arbeitnehmern mit dieser Tätigkeit im Durchschnitt sogar noch eine geringere Vergütung zahlt. Dies spricht eher dafür, dass die Klägerin sogar überdurchschnittliche Leistungen erbringt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin neben der Stundenvergütung weitere Leistungen erhält, die die üblichen zusätzlichen Leistungen überschreiten. Vielmehr erhält die Klägerin auch keinerlei Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld, das häufig gezahlt wird. Durch die Aufnahme der Bestimmung im Formulararbeitsvertrag "Die vereinbarte Vergütung beinhaltet den Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden werden vergütet", hat die Beklagte zudem den Eindruck erweckt, dass kein Anspruch auf bezahlten Urlaub besteht und auch Zeiten einer Arbeitsunfähigkeit nicht vergütet werden. Tatsächlich hat die Beklagte auch nur für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden der Klägerin eine Vergütung gezahlt und hat die Klägerin nach dem Vorbringen der Beklagten auch keinen Urlaub genommen und erhalten.

Die Beklagte befindet sich auch nicht mehr in der Gründungsphase und hat auch nicht vorgetragen, dass sie sich durchgehend in einer besonders angespannten wirtschaftlichen Situation befunden habe und deshalb nur diese niedrigeren Löhne hätten gezahlt werden können. Vielmehr hat die Beklagte in starkem Maße expandiert.

Als Einzelhandelsunternehmen muss sie auch nicht das eventuell niedrigere Lohnniveau im Ausland berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund kann eine Vergütung von deutlich mehr als 40 % unter der tariflichen Vergütung einer Packerin nicht mehr als mit den guten Sitten vereinbar angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als es gerade im unteren Vergütungsbereich wichtig ist, dass die Vergütungen sich nicht nur allein nach den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage richten.

2) Für den Fall einer Nichtigkeit einer Vergütungsvereinbarung hat der Gesetzgeber nicht nur einen Anspruch auf eine Vergütung vorgesehen, wie sie gerade noch den guten Sitten entsprochen hätte. Vielmehr ist dann, wie auch in den Fällen, in denen von Anfang an keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde, gemäß § 612 Abs. 2 BGB eine übliche Vergütung zu zahlen, wobei die Üblichkeit im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB aus den bereits ausgeführten Erwägungen auch zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen § 612 Abs. 2 BGB und § 138 Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der der Rechtsordnung zugrunde liegenden Wertentscheidungen zu bestimmen ist und damit insbesondere im unteren Lohnbereich unter angemessener Berücksichtigung der tariflichen Vergütungen, selbst wenn diese häufig nicht gezahlt werden.

Unter Beachtung der das Arbeitsverhältnis der Klägerin kennzeichnenden Umstände bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass nichtmals der von der Klägerin eingeklagte Lohn, der deutlich unter dem Tariflohn einer Packerin liegt, als üblich im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB anzusehen ist.

3) Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die von der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2004 bis 30.09.2007 eingeklagten Ansprüche auf eine höhere Vergütung gemäß § 24 Manteltarifvertrag des Einzelhandels verfallen sind, der zum Zeitpunkt der Einstellung der Klägerin noch allgemein verbindlich war und damit gemäß § 4 Abs. 5 Tarifvertragsgesetz nachwirkt.

Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist ist gemäß § 242 BGB rechtmissbräuchlich, da die Beklagte entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz nicht auf die Geltung des Manteltarifvertrages hingewiesen hat und zudem durch die Formulierung im Formulararbeitsvertrag "nur tatsächlich geleistete Arbeitsstunden werden vergütet" den falschen Eindruck erweckt hat, dass der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel keine Anwendung findet. In diesem ist nämlich sowohl eine Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit und Urlaub als auch bei anderen vorübergehenden Verhinderungen vorgesehen. Insofern hat die Beklagte es anders als in dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.05.2002 - 5 AZR 105/01 (EzA § 2 NachwG Nr. 4) zugrunde liegenden Fall nicht nur versäumt, die Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages zu unterrichten.

Aufgrund dessen wäre der Anspruch der Klägerin auf eine höhere Vergütung auch als Schadensersatzanspruch gerechtfertigt. Die unterlassene rechtzeitige Geltendmachung innerhalb der tariflichen Verfallfrist beruht nicht auf einem Mitverschulden der Klägerin, das gemäß § 252 Abs. 2 BGB den Schadensersatzanspruch der Klägerin mindern könnte. Für die Klägerin war schwer zu erkennen, dass der Manteltarifvertrag noch auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, und zwar nicht nur wegen des Verhaltens der Beklagten, sondern auch deswegen, weil die Allgemeinverbindlichkeitserklärung bereits 2004 längere Zeit zurücklag. Auch die Beklagte hat sich anfangs in diesem Rechtsstreit noch nicht auf die Verfallfristen des Manteltarifvertrages berufen und vielmehr erklären lassen, dass die Einzelhandelstarifverträge bekanntlich nicht allgemeinverbindlich seien.

II.

Die Klägerin hat auch gemäß § 12 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz einen Anspruch darauf, für mindestens 10 Stunden wöchentlich eine Vergütung zu erhalten.

Gemäß § 12 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz kann die Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich nur unterschritten werden, wenn eine bestimmte geringere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt ist. Hier ist im Arbeitsvertrag aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht geregelt. Gemäß § 22 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz kann von der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 Teilzeitbefristungsgesetz nicht abgewichen werden. Insofern konnten die Parteien nicht vereinbaren, dass die wöchentliche Arbeitszeit auch unter 10 Stunden betragen kann, ohne die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit unter 10 Stunden festzulegen.

III.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt für die Jahre 2004-20007.

Die Klägerin hat nicht unter Beweisantritt dargelegt, wann sie für welche Tage in den Jahren 2004 - 2007 Urlaub genehmigt erhalten hat. Hierfür wäre sie jedoch beweispflichtig gewesen, da ein Anspruch auf Urlaubsentgelt voraussetzt, dass ein entsprechender Urlaub gewährt wurde.

Das Vorsehen von Zeiten, zu denen die Klägerin nicht zur Arbeit eingeteilt werden sollte, bedeutet nicht, dass die Klägerin Urlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes bzw. des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel erhalten hätte. Eine Freistellung von der Arbeit kann nur dann als Urlaub und damit als Erfüllung des Urlaubsanspruchs gewertet werden, wenn für beide Arbeitsvertragsparteien deutlich wird, dass ein Urlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetztes bzw. des einschlägigen Tarifvertrages gewährt werden soll. Dies muss erst recht gelten, wenn wie hier der Arbeitsvertrag den Eindruck erweckt, dass kein Urlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetztes bzw. des einschlägigen Tarifvertrages gewährt werden soll.

Dafür, dass die Klägerin keinen Urlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes bzw. des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel erhalten hat, spricht auch, dass sie in den Monaten, in denen sie nach ihrer Erinnerung wochenweise freigestellt wurde, kaum weniger gearbeitet hat als in anderen Monaten. Dies deutet aber daraufhin, dass in diesen Monaten die Arbeitszeit allenfalls anders eingeteilt wurde und sich dadurch Wochen ergaben, in denen die Klägerin nicht eingeteilt war.

Nicht zu prüfen ist hier, ob der Klägerin der Urlaub seit 2004 noch als Schadensersatz in Form einer bezahlten Freistellung zu gewähren ist.

Die Kosten des Rechtsstreits waren den Parteien entsprechend des Verhältnisses ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen.