OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.2007 - 10 WF 196/07
Fundstelle
openJur 2011, 52285
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 45 F 318/03

Zu den Voraussetzungen der Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen (behaupteten) Verstosses gegen die Wohlverhaltenspflicht beim Umgang (§ 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB)

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Recklinghausen vom 17.09.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Auslagen des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Durch Beschluss vom 17.09.2007 hat das Familiengericht den Antrag des Antragsgegners auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen. Es könne, so hat das Familiengericht zur Begründung ausgeführt, nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, dem Antragsgegner den Umgang mit den gemeinsamen Kindern E, geb. 02.10.1996, und M, geb. 10.08.1999, zu ermöglichen. Die Antragstellerin habe sich im Gegenteil bei der Vorbereitung der begleiteten Umgangskontakte kooperativ verhalten. Die ablehnende Haltung der Kinder sei vielmehr durch das problematische Verhältnis der Kindeseltern zueinander zu erklären, beruhe somit nicht auf einem Fehlverhalten der Antragstellerin.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 19 FGG zulässig, aber unbegründet.

1.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 33 Abs. 1 S. 1 FGG liegen nicht vor.

a.

Allerdings fordert § 1684 Abs. 2 BGB vom Umgangsverpflichteten (hier: der Antragstellerin), den Umgang in aktiver Weise zu fördern. Er muss nicht nur alles unterlassen, was den Umgang erschwert; er muss darüber hinaus aktiv auf das Kind mit dem Ziel einwirken, psychische Vorbehalte des Kindes gegen den Umgang mit dem andern Elternteil abzubauen und eine positive Einstellung zu gewinnen (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1684 Rn. 14 m.w.N.). Diese Pflicht zu aktivem Handeln gehört, ohne dass hierüber eine ausdrückliche Bestimmung getroffen werden muss, zur sog. Wohlverhaltenspflicht des § 1684 Abs. 2 BGB. Unterbleibt der Umgang, weil diese Pflicht schuldhaft verletzt wird, ist die Festsetzung eines Zwangsgeldes möglich.

b.

Vorliegend kann indes eine solche schuldhafte (zu diesem Erfordernis vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 33 Rn. 19 m.w.N.) Verletzung gegen die sich aus der Wohlverhaltensklausel ergebenden Verpflichtungen nicht festgestellt werden.

aa.

Aus dem Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.03.2007 geht hervor, dass die Antragstellerin sich vor allem nach dem ersten, unbefriedigend verlaufenden Umgangskontakt bemüht hat, den entgegenstehenden Willen der Kinder zu überwinden. Die Antragstellerin habe sich bei der Vorbereitung des zweiten Umgangskontaktes kooperativ gezeigt, habe sich auf die Anregungen der Umgangsbegleiterinnen eingelassen und sogar von sich aus die Frage in den Raum gestellt, ob nicht eine Mediation zwischen den Elternteilen hilfreich sein könnte.

Tatsachen, die dem entgegen stehen und eine schuldhafte Nichterfüllung der sich aus § 1684 Abs.2 BGB ergebenden Verpflichtungen belegen, sind nicht erkennbar. Soweit der Antragsgegner - wie schon im Umgangsverfahren - die Weigerungshaltung der Kinder mit dem PAS-Syndrom zu erklären sucht, um daraus eine schuldhafte Verletzung der der Antragstellerin obliegenden Wohlverhaltenspflicht herzuleiten, greift dies zu kurz. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 27.10.2006 eingehend dargelegt, dass das PAS-Syndrom zur Erklärung einer vermeintlich irrationalen Weigerungshaltung nicht tauglich ist, weil es - jedenfalls im vorliegenden Fall - die Gründe für eine solche Reaktion der Kinder unzulässig reduziert und andere Ursachen außer acht lässt. Dabei ist der Senat seinerzeit davon ausgegangen, dass die Ablehnungshaltung der Kinder in der Tat eher vordergründig ist und nicht der tatsächlich bestehenden Bindung zum Antragsgegner entspricht. Der Senat ist in Übereinstimmung mit der Sachverständigen und dem Jugendamt ferner davon ausgegangen, dass kein kompromissloses Abwenden vom - im Sinne des PAS-Syndroms bösen und gehassten - Antragsgegner festgestellt werden könne. Vielmehr sei die Ursache für das Verhalten der Kinder in dem konfliktbeladenen Verhältnis der Eltern zueinander zu sehen, sodass die Ablehnungshaltung gegenüber dem Antragsgegner ein Schutzmechanismus vor den zermürbenden familiären Konflikten sei. Dass sich an diesem konfliktbeladenen Verhältnis nichts geändert hat, zeigen der Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.03.2007 und die ihm beigefügte Dokumentation über die Umgangskontakte.

bb.

In der Regel ist zwar davon auszugehen, dass der Widerstand kleinerer Kinder mit erzieherischen Mittel überwunden werden kann. Bei größeren Kindern - die Grenze wird bei etwa neun bis elf Jahren gezogen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 624 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O. § 1684 Rn. 40) - ist von einer derartigen Einwirkungsmöglichkeit aber nicht mehr auszugehen und kann die Durchführung des Umgangsrechts demzufolge in der Regel nicht mehr mit erzieherischen Mitteln erreicht werden.

Nachdem E mittlerweile elf Jahre alt ist, kommt ihrem - nachvollziehbaren Willen - auch eine erhebliche Bedeutung zu. Unter Berücksichtigung der Eindeutigkeit und Vehemenz ihrer Ablehnung des Antragsgegners ist auch bei angemessener erzieherischer Einwirkung seitens der Antragstellerin nicht mit einer baldigen Änderung der Haltung zu rechnen; es ist nicht erkennbar, welche Maßnahmen die Antragstellerin noch ergreifen könnte, um den Widerstand des Kindes zu überwinden. Wie der im Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.03.2007 dargestellte Verlauf des ersten - und einzigen - Umgangskontaktes mit dem Antragsgegner am 30.12.12006 zeigt, musste E auch dazu schon genötigt werden, was das unbefriedigende Ergebnis erklärt.

Gleiches gilt für - die allerdings erst acht Jahre alte - M. Zwar wird bei Kindern in diesem Alter in der Regel die Möglichkeit bestehen, erzieherisch dahingehend einzuwirken, dass der persönliche Umgang nicht als belastend empfunden wird bzw. dass psychische Widerstände gegen den Umgang mit dem anderen Elternteil abgebaut werden und eine positive Einstellung gewonnen wird. Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass sich M durchweg an der - ablehnenden - Haltung ihrer älteren Schwester E orientiert. Das belegt der Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.03.2007, ist dem Senat aber auch aufgrund der Anhörung der Kinder im Sorge- und Umgangsverfahren bekannt. Damit sind - als Ausnahme von der Regel - der erzieherischen Einwirkungsmöglichkeit der Antragstellerin auf M von vornherein Grenzen gesetzt.

Dessen ungeachtet können fehlende Bemühungen der Antragstellerin, die Bereitschaft Ms zum Umgang mit dem Antragsgegner zu fördern, den Umgang mit ihm als etwas Positives zu vermitteln und psychische Widerstände des Kindes mit - angemessenen und zumutbaren - erzieherischen Maßnahmen zu überwinden, aber auch nicht festgestellt werden. Insoweit kann erneut auf den Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.03.2007 und die ihm beigefügte Dokumentation über die Umgangskontakte verwiesen werden. Sein Inhalt stimmt mit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens im Sorge- und Umgangsrechtsverfahren überein, wonach die Antragstellerin sich stets für persönliche Kontakte zwischen dem Antragsteller und den Kindern ausgesprochen und eine zunächst von ihr abgelehnte Umgangsregelung mitgetragen habe; dies entsprach auch dem Eindruck des Senats nach seiner Anhörung. Einer erneuten Anhörung der Kindeseltern und der Kinder bedurfte es deshalb nicht. Dass es sich hierbei um bloße "Lippenbekenntnisse" der Antragstellerin gehandelt haben könnte und sie in Wirklichkeit den Umgang der Kinder mit dem Antragsgegner hintertreibt, kann ihr nicht ohne weiteres unterstellt werden.

c.

Der Senat hält es allerdings für wünschenswert, wenn die Kindeseltern eine eigenverantwortliche Konfliktlösung anstreben würden, etwa im Rahmen eines Vermittlungsverfahrens nach § 52a FGG. Dem Antragsgegner wird angeraten, den Umgangskontakten entgegenstehenden Willen der Kinder derzeit zu respektieren und darauf zu vertrauen, dass sie von sich aus mit Abstand zu den Ereignissen der vergangenen Zeit den Weg zu ihm wieder finden. Die Antragstellerin ihrerseits ist im Interesse des Kindeswohls, das regelmäßig einen Kontakt zu beiden Elternteilen gebietet, gehalten, auch weiterhin behutsam auf die Kinder einzuwirken, damit diese nach einiger Zeit von sich aus Umgang mit dem Antragsgegner suchen.

3.

Die Auslagenentscheidung beruht auf §§ 13a I S. 1 FGG, 2 Nr. 1 KostO. Bei der Entscheidung über den Beschwerdewert hat sich der Senat an der Höhe eines möglicherweise festzusetzenden Zwangsgeldes orientiert.