VG Minden, Urteil vom 14.12.2006 - 9 K 877/05
Fundstelle
openJur 2011, 50939
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid vom 28. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2005 wird aufgehoben, soweit der Beklagte darin die ursprünglich bis Ende Dezember 2005 ausgesprochene Zweitgerätebefreiung auch für die Monate April bis Dezember 2005 aufhebt.

Der Beklagte wird verpflichtet, über den 31. Dezember 2005 hinaus eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Zweitgeräte der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe zu erteilen.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin ein Drittel, der Beklagte zwei Drittel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Trägerin der "F1. Ausbildungsstätte für Pflegeberufe", unter deren Dach vier staatlich genehmigte Schulen für Heil- und Heilhilfsberufe zusammengefasst sind, die Krankenpflegeschule H. , die Krankenpflegeschule C. , die Kinderkrankenpflegeschule H. und die Krankenpflegehilfeschule F2. . Es handelt sich dabei nach den Angaben der Klägerin um Schulen des Typs "Schulen der besonderen Art nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz". Den dort Lernenden wird eine Berufsausbildung unter anderem zur Krankenschwester bzw. zum Krankenpfleger vermittelt.

Nach den Angaben des Beklagten wurde die Evangelische Ausbildungsstätte bis Dezember 2002 unter der Sammelteilnehmernummer ............................ geführt.

Nach Änderung der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30. November 1993 (GV. NW. 1993 S. 970) - BefrVO - zum 1. Juli 2002 schrieb der Beklagte nach seinen Angaben unter dem 14. September 2002 die Klägerin an und forderte sie auf, den aktuellen Gerätebestand anzugeben. Mit gleichem Anschreiben habe er ihr mitgeteilt, dass die Zweitgeräte für den Zeitraum Januar 2003 bis Dezember 2005 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit würden. Zum 1. Januar 2003 wurde die Sammelteilnehmernummer aufgelöst und die Ausbildungsstätte erhielt eine eigene Rundfunkteilnehmernummer. Die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht wurde auf das neu angelegte Teilnehmerkonto übernommen.

Aufgrund der Angaben der Klägerin wurden unter der Teilnehmernummer .............. ein Radio und zwei Fernseher bzw. Videorekorder angemeldet und dabei vermerkt, dass das Zweitgerät bis Dezember 2005 von der Gebührenpflicht befreit sei. Mit Schreiben vom 10. Juni 2003 unterrichtete der Beklagte die Klägerin von der Anmeldung und der Befreiung, ohne das Ende der Befreiungsfrist zu nennen.

Nach Bekanntwerden einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Urteil vom 26. Mai 2003 - VG 27 A 207.02 -), nach der nach § 4 BefrVO lediglich für die dort abschließend aufgeführten (öffentlichen und staatlich genehmigten oder vorläufig erlaubten Ersatz-) Schulen und nicht darüber hinaus auch für berufsqualifizierende andere private Bildungseinrichtungen Gebührenbefreiung gewährt werden kann, nahm der Beklagte mit Bescheid vom 28. April 2004 zur Teilnehmernummer .............die Befreiung für das Zweitgerät mit Wirkung ab 1. Mai 2004 zurück. Es handele sich bei der Einrichtung nicht um eine Schule im Sinne des Schulrechts des Landes Nordrhein-Westfalen, sondern um eine Schule des Gesundheitswesens, die der Aufsicht des Ministeriums für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie unterstehe. Nach § 4 BefrVO könne aber eine Befreiung nur für die Rundfunkgeräte ausgesprochen werden, die vom jeweiligen Rechtsträger zu Unterrichtszwecken in öffentlichen Schulen sowie staatlich genehmigten oder vorläufig erlaubten Ersatzschulen bereitgehalten werden. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Bei der Entscheidung seien die besonderen Umstände dieses Einzelfalles zugrunde gelegt und aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die Rücknahme erst für die Zukunft ausgesprochen worden.

Mit ihrem Widerspruch vom 26. Mai 2004 machte die Klägerin geltend, dass die F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe die Voraussetzungen des § 4 BefrVO erfülle. Es handele sich um eine staatlich genehmigte Schule. Zwar sei die Genehmigung nicht von der Oberen Schulaufsichtsbehörde ausgesprochen worden, sondern von der Bezirksregierung Detmold, Sektion Gesundheit, doch könne es darauf nicht ankommen. Es sei nicht sachgerecht, lediglich an dieses formale Kriterium anzuknüpfen. Vielmehr sei zur Vermeidung von willkürlichen Entscheidungen auf eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen abzustellen. Die F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe vermittele den dort Lernenden unter anderem die Berufsausbildung zur Krankenschwester bzw. zum Krankenpfleger. Sonstigen berufsbildenden Schulen werde wegen ihrer Benennung im Schulrecht NRW eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gewährt. Hier liege eine direkte Vergleichbarkeit der Interessenlagen vor. Zweck beider Einrichtungen sei die Vorbereitung auf Berufsabschlüsse. Deshalb sei eine Gleichbehandlung angezeigt und eine Befreiung zu gewähren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2005, bei der Klägerin ausweislich ihres Posteingangsstempels am 29. März 2005 eingegangen, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die hier betroffenen, von der Klägerin betriebenen Schulen seien keine Schulen im Sinne des § 4 BefrVO. Es handele sich weder um öffentliche Schulen im Sinne des § 3 des Schulverwaltungsgesetzes - SchVG - noch um staatlich anerkannte oder vorläufig erlaubte Ersatzschulen. Der Begriff der Schule sei eng auszulegen. Der Verordnungsgeber habe durch seine Formulierung klargestellt, dass nur Schulen im Sinne des Schulgesetzes von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien seien. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere schulische Einrichtungen sei nicht zulässig.

Am 28. April 2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie ergänzend darauf, das § 4 der Befreiungsverordnung NRW offensichtlich eine Regelungslücke enthalte. Der Gesetzgeber habe offensichtlich schlicht vergessen, auch andere Schulen und Ausbildungseinrichtungen mit einzubeziehen. Es könne nicht ratio legis sein, einigen Bildungseinrichtungen nur deshalb einen Kostenvorteil einzuräumen, weil sie von öffentlichrechtlichen Körperschaften getragen würden. Das sei gegebenenfalls eine eklatante Benachteiligung der Einrichtungen privater Träger, ohne dass es dafür einen Grund gebe. Ausschlaggebend könne allein der Zweck der Einrichtung, nicht die rechtliche Position ihres Trägers sein. Der Zweck sei erkennbar der, dass denjenigen Einrichtungen, die Wissen vermitteln und insoweit auch auf den Einsatz von Medien zurückgreifen müssen, der Einsatz der Rundfunkempfangsgeräte gebührenfrei erlaubt sein solle. Dies müsse aber gleichermaßen auch für andere Schulen gelten.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid des Beklagten vom 28. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2005 aufzuheben, 2. den Beklagten zu verpflichten, über den 31. Dezember 2005 hinaus eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Zweitgeräte der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und wiederholt zur Begründung im Wesentlichen seine Argumente aus dem Verwaltungsverfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der dazu vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 28. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit darin für die Zeit von April bis Dezember 2005 die ursprünglich ausgesprochene Zweitgerätebefreiung zurückgenommen wird. Die Rücknahme für die Monate Mai 2004 bis März 2005 ist dagegen nicht zu beanstanden (1.). Darüber hinaus hat die Klägerin einen Anspruch auf weitere Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für Zweitgeräte der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe über den 31. Dezember 2005 hinaus (2.).

1. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 28. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2005 ist teilweise - soweit er die Zeit von Mai 2004 bis März 2005 erfasst - rechtmäßig (a), darüber hinaus jedoch rechtswidrig (b).

a) Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG - kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Einschränkungen der Rücknahmemöglichkeit ergeben sich nach § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG aus den Absätzen 2 bis 4 der Norm.

Der ursprüngliche Verwaltungsakt, mit dem der Beklagte für die Zweitgeräte der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe eine Gebührenbefreiung bis zum 31. Dezember 2005 gewährt hat, war rechtswidrig, soweit er Regelungen für die Zeit vor dem 1. April 2005 traf.

Unter Geltung von § 4 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 30. November 1993 (GV. NRW. S. 970) in der Fassung der Ersten Änderungsverordnung vom 14. Mai 2002 (GV. NRW. S. 177) - BefrVO - wurde Rundfunkgebührenbefreiung gewährt ab dem zweiten Rundfunkempfangsgerät, das in öffentlichen Schulen sowie in staatlich genehmigten oder vorläufig erlaubten Ersatzschulen von dem jeweiligen Rechtsträger der Schule zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehalten wurde. Die Verordnung beruhte auf § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages - RGebStV - (a.F.). Danach konnten die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht oder für eine Ermäßigung der Rundfunkgebühr für allgemein- und berufsbildende Schulen bestimmen.

Die F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe, deren Trägerin die Klägerin ist, ist weder eine öffentliche noch eine staatlich genehmigte oder vorläufig erlaubte Ersatzschule im Sinne der BefrVO. Mit der Terminologie "öffentliche" bzw. "staatlich genehmigte oder vorläufig erlaubte Ersatzschule" knüpfte der Verordnungsgeber an Begriffe des nordrheinwestfälischen Schulrechts an. Auf die dortigen Definitionen ist zur Auslegung der Verordnung deshalb zurückzugreifen.

Vgl. auch VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. September 2006 - 14 K 2736/05 -, Urteilsabdruck S. 5 f.

Nach § 3 des bis zum 31. Juli 2005 gültigen Schulverwaltungsgesetzes (SchVG) NRW wird in Nordrhein-Westfalen zwischen öffentlichen und privaten Schulen unterschieden. Dabei sind öffentliche Schulen alle die, für das Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband oder aber eine Innung, eine Handwerkskammer, eine Industrie- und Handelskammer oder eine Landwirtschaftskammer Schulträger ist. Alle anderen Schulen sind Privatschulen. Privatschulen wiederum sind nach § 36 Abs. 2 des - ebenfalls bis zum 31. Juli 2005 gültigen - Schulorganisationsgesetzes (SchOG) entweder Ersatz- oder Ergänzungsschulen. Ersatzschulen sind sie dann, wenn im Lande entsprechende öffentliche Schulen allgemein bestehen oder grundsätzlich vorgesehen sind. Alle übrigen Privatschulen sind Ergänzungsschulen (§ 36 Abs. 3 und 4 SchOG).

Träger der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe sind die von Bodelschwinghsche Anstalten C. . Es handelt sich deshalb nicht um eine öffentliche, sondern um eine Privatschule im Sinne des einschlägigen Schulrechts. Da es in Nordrhein-Westfalen keine öffentlichen (berufsbildenden) Schulen für die Ausbildung in Heil- und Pflegeberufen gibt und ein solcher Schultyp auch nicht vorgesehen ist, ist die hier betroffene Ausbildungsstätte auch keine Ersatzschule sondern eine Ergänzungsschule, die von § 4 BefrVO nicht erfasst wird. Die zunächst gewährte Gebührenbefreiung für Zweitgeräte an der als Ergänzungsschule zu qualifizierenden F. . Ausbildungsstätte war deshalb rechtswidrig und konnte grundsätzlich nach § 48 Abs. 1 VwVfG zurückgenommen werden.

Die Regelungen der Abs. 2 bis 4 des § 48 VwVfG stehen der am 28. April 2004 mit Wirkung ab 1. Mai 2004 ausgesprochenen Rücknahme nicht entgegen. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts berufen. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte im Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsakts eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Die hier in Frage stehende Disposition, die Anschaffung eines (Rundfunk)Zweitgeräte ist aber problemlos und ohne spürbaren Nachteil rückgängig zu machen. Zudem ist die Rücknahme ausschließlich mit Wirkung für die Zukunft erfolgt, so dass auch insoweit hier Vertrauensschutz ausscheidet.

b) Der Rücknahmebescheid ist aber rechtswidrig, soweit durch ihn auch für die Zeit ab April 2005 (bis Dezember 2005) die Zweitgerätebefreiung aufgehoben wird. Seit Inkrafttreten von Artikel 5 des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 8. März 2005 (GV. NRW. S. 192) am 1. April 2005 bestand die Gebührenbefreiung für die Zweitgeräte zu Recht. Der Ausgangsbescheid war insoweit nicht rechtswidrig und konnte deshalb nicht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zurückgenommen werden. Dem Beklagten war die am 8. März 2005 vom Landtag beschlossene Rechtsänderung bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 21. März 2005 auch bekannt und er hätte sie bei seiner Entscheidung berücksichtigen müssen.

Nach § 5 Abs. 10 Satz 1 RGebStV in seiner heute gültigen Fassung sind weitere Rundfunkempfangsgerät (Zweitgeräte), die in öffentlichen allgemein bildenden oder berufsbildenden Schulen, staatlich genehmigten oder anerkannten Ersatzschulen oder Ergänzungsschulen, soweit sie auf gemeinnütziger Grundlage arbeiten, von dem jeweiligen Rechtsträger der Schule zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehalten werden, von der Rundfunkgebühr befreit.

Bei der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe, deren Rechtsträger die Klägerin ist, handelt es sich - wie oben bereits ausgeführt - um eine (berufsbildende) Ergänzungsschule im Sinne der Norm.

Auch für die Auslegung der Regelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, die - nach Zustimmung des Landtags zum Staatsvertrag, vgl. Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung - in Nordrhein-Westfalen als Landesrecht gelten, ist auf die Begriffsbestimmungen des nordrheinwestfälischen Schulrechts zurückzugreifen, d.h. seit Inkrafttreten des neuen Schulgesetzes NRW - SchulG - am 1. August 2005 insbesondere auf die dortigen Definitionen.

Schulen sind danach Bildungsstätten, die unabhängig vom Wechsel der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schülerinnen und Schüler nach Lehrplänen Unterricht in mehreren Fächern erteilen (§ 6 Abs. 1 SchulG). Die F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe, an der unter anderem die in der Ausbildung für Gesundheits- und Krankenpfleger vorgesehen 2100 Stunden theoretischer und praktischer Unterricht

vgl. § 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263)

erteilt werden, ist ohne Weiteres als Schule im Sinne des SchulG zu qualifizieren. Dem Typ nach handelt es sich, wie oben schon ausgeführt, um eine (berufsbildende) Ergänzungsschule im Sinne der §§ 116 ff. SchulG.

Gegen die inhaltliche Qualifizierung als Ergänzungsschule spricht nicht, dass nach § 6 Abs. 2 Satz 3 SchulG Ausbildungseinrichtungen für Heilberufe und Heilhilfsberufe ausdrücklich von der Geltung des Gesetzes ausgenommen sind. Die Herausnahme beruht darauf, dass für diese Schulen wegen ihrer Eigenart besondere Vorschriften für ihre Rechtsstellung, Verwaltung und Finanzierung erforderlich sind.

Vgl. Begründung zu § 6 Abs. 2 SchulG, LT-Drs. 13/5394 S. 89.

So wird nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S. 1442) - KrPflG - der Unterricht in der Ausbildung etwa für Gesundheits- und Krankenpfleger/innen in staatlich anerkannten Schulen an Krankenhäusern oder in staatlich anerkannten Schulen, die mit Krankenhäusern verbunden sind, vermittelt. Diese Schulen werden nicht, wie in § 117 Abs. 1 Satz 1 SchulG für Ergänzungsschulen allgemein vorgesehen, durch die obere Schulaufsichtsbehörde genehmigt, sondern - sofern die Schulen wie in Nordrhein- Westfalen nicht dem Schulrecht unterliegen, vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 KrPflG - durch die (nach dem jeweiligen Landesrecht) zuständige Behörde, § 4 Abs. 3 Satz 1 KrPflG, hier durch die Bezirksregierung, Abteilung Gesundheit. Die Mindestanforderungen für die staatliche Anerkennung sind in § 4 Abs. 3 KrPflG geregelt und auf die Erfordernisse der Heilberufsausbildungen abgestimmt. Die Finanzierung erfolgt über §§ 2 Nr. 1 a, 17 a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und damit über die gesetzlichen Krankenkassen. Auch diese Besonderheiten legen die Nichtanwendung der allgemeinen Regeln des Schulrechts nahe. Davon unberührt bleibt aber die inhaltliche Zuordnung zu den im Schulgesetz geregelten und von § 5 Abs. 10 RGebStV in Bezug genommenen Schultypen.

Vgl. dazu auch VG Stuttgart, Urteil vom 1. Februar 2006 - 3 K 4494/04 -.

Weil es sich danach bei der F. . Ausbildungsstätte für Pflegeberufe um eine (hier sogar: staatlich genehmigte) Ergänzungsschule, die auf gemeinnütziger Grundlage arbeitet, handelt, sind die dort zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehaltenen Rundfunkzweitgeräte seit Inkrafttreten der Neuregelungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages am 1. April 2005 von der Rundfunkgebühr befreit. Die - ursprünglich rechtswidrig - gewährte Rundfunkgebührenbefreiung bestand ab diesem Tag zu Recht und dufte für die verbleibende Befreiungszeit, also bis zum 31. Dezember 2005, nicht zurückgenommen werden.

2. Die Gebührenbefreiung - und damit ein Anspruch der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung bzw. Feststellung der Befreiung - besteht auch über den 31. Dezember 2005 hinaus.

Die Klage ist auch insoweit zulässig. Einen entsprechenden Antrag hat die Klägerin jedenfalls mit der Klageschrift sinngemäß gestellt. Ein förmliches Vorverfahren war - auch aus Sicht der Beteiligten - wegen der für den Zeitraum bis Dezember 2005 zu den identischen Rechtsfragen ausgetauschten Schriftsätze entbehrlich.

Die Begründetheit der Klage ergibt sich aus den obigen Ausführungen: Bei der Ausbildungsstätte der Klägerin handelt es sich um eine gemeinnützig arbeitende Ergänzungsschule im Sinne des § 5 Abs. 10 Satz 1 RGebStV, bei der die dort zu Unterrichtszwecken zum Empfang bereitgehaltenen weiteren Rundfunkempfangsgeräte (Zweitgeräte) von der Rundfunkgebühr befreit sind.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung über deren vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

III. Die Berufung wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO).

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