LG Aachen, Urteil vom 15.12.2006 - 5 S 184/06
Fundstelle
openJur 2011, 49985
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 21 C 103/05
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.04.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Heinsberg 21 C 103/05 AG Heinsberg - abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 662,- Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 30.09.2005 sowie 15,- Euro vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers führt auch in der Sache selbst zum Erfolg. Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 662,- € (655,- € Kaufpreis + 7,- € Versandkosten) gemäß §§ 323 Abs. 1, 346 BGB ist begründet.

Der Beklagte hat die ihm obliegende Leistung, Lieferung eines Handys der Marke NOKIA 8800, nicht erbracht. Dem Kläger steht daher ein gesetzliches Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 1 BGB und damit ein Anspruch gegen den Beklagten auf Rückgewähr der von ihm gezahlten 662,- € zu. Die vom Kläger mit Einschreiben/Rückschein vom 20.07.2005 (Bl.19 f. GA) gesetzte Frist zur Lieferung der Ware verstrich fruchtlos.

Die Kammer geht hierbei davon aus, dass der zugrundeliegende Kaufvertrag im Rahmen der Internet-Auktion bei eBay über den Verkauf eines Handys der Marke NOKIA 8800 für 662,- € zwischen den Parteien erfolgte und nicht etwa zwischen dem Kläger und dem Streitverkündungsempfänger ... (Bl.35 GA) aus ....

Der Beklagte handelte zwar nicht selbst, er ist indessen durch den Streitverkündungsempänger ... wirksam i.S.d. §§ 164 ff. BGB vertreten worden. Der unter der Kennung "..." bei dem Internet-Auktionshaus eBay gemeldete Beklagte hat seine Kennung und das dazugehörige Passwort unstreitig dem Streitverkündungsempfänger ... zur weiteren Nutzung überlassen. Er muss sich daher dessen Handeln bei nachfolgenden Internet-Auktionen als eigenes Handeln zurechnen lassen. Vertretungsmacht des Streitverkündungsempfängers ... besteht vorliegend unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung des Vertretenen (= Beklagten). Mit der Weitergabe seiner Kennung (= eBay-Mitgliedsname) und seines Passwortes an den Streitverkündungsempfänger hat der Beklagte nicht nur gegen § 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 6 der Allgemeinen Nutzungsbedingungen des Internet-Auktionshauses eBay verstoßen, sondern es auch wissentlich geschehen lassen, dass ein Dritter für ihn wie ein Vertreter auftritt und ein etwaiger Geschäftsgegner (= Bieter) dieses Dulden nach Treu und Glauben dahin versteht und auch verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist. Hiernach kann sich der Kläger zu Recht auf das Bestehen einer Rechtsscheinhaftung des Beklagten in Form einer Duldungsvollmacht berufen (vgl. zur Duldungsvollmacht Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 173, Rdnr.11 ff.).

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist vorliegend auch von einem Rechtsgeschäft im Namen des Beklagten auszugehen. Im Ansatz zutreffend unterscheidet das Amtsgericht zunächst zwischen einem Handeln "in fremden Namen" und einem Handeln "unter fremden Namen". Auf das Handeln "unter fremden Namen" sind die §§ 164 ff. BGB und §§ 177, 179 BGB gleichfalls grundsätzlich anwendbar. Bei den Rechtsgeschäften eines Handelnden "unter fremden Namen" ist danach abzugrenzen, ob ein Eigengeschäft des Handelnden oder ein Vertretungsgeschäft für den Namensträger vorliegt. Entscheidend ist dabei - wie vom Amtsgericht zutreffend dargelegt - , wie die Gegenpartei - hier also der Bieter - das Verhalten des Handelnden auffassen durfte. Das Amtsgericht geht im Rahmen der angefochtenen Entscheidung dabei davon aus, dass vorliegend die Benutzung des fremden Namens bei der Gegenpartei (= Bieter) keine falsche Identitätsvorstellung hervorrief und der Bieter in Wahrheit mit dem tatsächlich Handelnden abschließen wolle; dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Handelnde unter einem Phantasie- oder Allerweltsnamen aufgetreten sei.

Dem folgt die Kammer nicht. Zwar legt der Umstand, dass die bei eBay handelnden Personen im Rahmen der Auktionen einen oftmals phantasievollen Mitgliedsnamen wählen, vordergründig die Annahme nahe, dass den Beteiligten der wahre Name und die wahre Identität der Mitglieder gleichgültig ist, wie etwa bei Bargeschäften, in denen der Handelnde die erhaltene Ware oder Dienstleistung sofort bezahlt, dabei jedoch unter einem Phantasie- oder Allerweltsnamen auftritt. In den letztgenannten Fällen ist dem Vertragspartner die wahre Identität des anderen Teils in der Tat regelmäßig gleichgültig, da neben dem schuldrechtlichen auch der sachenrechtliche Teil des Rechtsgeschäfts (Erfüllungsgeschäft) sogleich mitabgewickelt wird. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zum vorliegenden Fall. Denn nach Ende der Online-Auktion steht die sachenrechtliche Abwicklung des Kaufvertrages erst noch bevor. Einem Käufer, der - wie hier - mit der Zahlung des Kaufpreises in Vorleistung tritt, hat ein natürliches Interesse daran zu erfahren, wer sein Vertragspartner ist. Hierbei wird er zu Recht darauf vertrauen dürfen, dass dies die unter dem Mitgliedsnamen angemeldete Person ist. Denn nur dann ist sichergestellt, dass er über das Marktforum eBay den vollen Namen und die volle Anschrift seines Vertragspartners erhält, unter der er zur Not gerichtlich gegen diesen vorgehen kann. Auch das Bewertungssystem von eBay bezüglich der Bonität eines Verkäufers spricht dafür, von einem Geschäft des Namensträgers und nicht etwa des tatsächlich Handelnden auszugehen, da ansonsten dieses Bewertungssystem ohne inhaltlichen Wert bliebe (so auch OLG München NJW 2004, 1328). Folgte man der Argumentation des Beklagten, so wäre ein in Vorleistung tretender Käufer letztlich der Willkür des anderen Teils ausgeliefert. Der Verkäufer könnte nahezu nach Belieben darauf verweisen, dass nicht er gehandelt habe, sondern ein Eigengeschäft etwa eines entfernten Freundes oder gar eines anonymen Dritten vorliege. Die eigentliche Aufgabe des Internet-Marktforums, die Kaufvertragsparteien nach Auktionsende namentlich zu identifizieren und zueinander zu führen, würde durchkreuzt, wenn sich eine Vertragspartei nach Auktionsende darauf berufen könnte, dass sie - entgegen den Allgemeinen Nutzungsbedingungen - ihren Mitgliedsnamen nebst Passwort einem Dritten überlassen habe mit der Folge, dass diesem das Rechtsgeschäft zuzurechnen sei. Die typische Abwicklung eines Rechtsgeschäftes nach Abgabe des höchsten Gebotes zeigt vielmehr, dass die Kaufvertragsparteien sich nach dem zugelassenen Mitgliedsnamen richten und nach Auktionsende gegenseitig namentlich identifiziert werden. Dementsprechend ist auch vorliegend dem Kläger nach Auktionsende über eBay durch E-Mail vom 23.06.2005 (Bl.126 f. GA) mitgeteilt worden, dass Verkäufer des ersteigerten Artikels der Beklagte sei. Ob dieser im Rahmen der Zahlungsabwicklung einen Dritten als Geldempfänger bezeichnete, spielt für die rechtliche Entscheidung, wer Kaufvertragspartei ist, keine Rolle; dies ist lediglich eine Frage der Zahlungsmodalität. Soweit die Kammer in dem Verfahren 5 S 103/06 LG Aachen eine andere Auffassung vertreten hat, hält sie hieran nicht fest.

Die Zinsforderung des Klägers rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt der Rechtshängigkeit der Forderung aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB (= Zustellung des Mahnbescheides am 30.09.2005, Bl.8 R GA). Die Entscheidung über die vorgerichtlichen Mahnkosten i.H.v. 15,- € folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Streitwert: 662,00 €

X S Dr. I