OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.03.2007 - 18 B 2564/06
Fundstelle
openJur 2011, 48324
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 L 812/06
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.

Auch mit der Beschwerde ist nicht - wie erforderlich - glaubhaft gemacht, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs der Antragsteller auf Gewährung von Abschiebungsschutz für den Antragsteller zu 1. gegeben wären. Die Antragsteller verweisen dafür zunächst auf ihre - nach ihrem Vorbringen - bevorstehende Eheschließung. Wie das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der entsprechenden Maßgaben der Senatsrechtsprechung dargelegt hat, folgt daraus ein Abschiebungshindernis aber nur, wenn die Eheschließung unmittelbar bevorsteht. Die Antragsteller machen selbst nicht geltend, dass das der Fall sei. Vielmehr müssen sie einräumen, nicht absehen zu können, wann das Verfahren zur Überprüfung der vom Antragsteller zu 1. eingereichten Unterlagen abgeschlossen sein wird.

Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf den Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen - 15-39.10.01-2 - vom 21. Juli 2007 und einen daraus folgenden Anspruch auf Gleichbehandlung berufen, gilt zunächst, dass ein solcher Gleichbehandlungsanspruch bei Vorliegen eines Ermessensspielraums auf Behördenseite in Fällen in Betracht kommt, in denen das Ermessen durch ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften gesteuert wird. Ein solcher Fall ist indessen nicht gegeben. Bei der sich hier stellenden Frage, ob wegen der Unmöglichkeit der Abschiebung im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG Abschiebungsschutz zu gewähren ist, ist Ermessen nicht eröffnet.

Im Übrigen kann anlässlich des vorliegenden Falles unentschieden bleiben, ob dem in diesem Erlass zum Ausdruck kommenden Verständnis der Unmöglichkeit einer Abschiebung wegen Vorwirkungen des Schutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG bei bevorstehender Eheschließung zu folgen ist. Denn wie auch die Beschwerde ausführt, sind die Voraussetzungen des Erlasses nicht erfüllt. Dem Erlass zufolge steht die Heirat unmittelbar bevor (und ist deshalb ein Duldungsgrund anzunehmen), wenn das erforderliche Ehefähigkeitszeugnis für den Ausländer vorliegt oder dem zuständigen Standesamt sämtliche für die Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses erforderlichen Unterlagen vorliegen. Sofern noch eine Befreiung von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses notwendig ist, ist nach dem Erlass zu beachten, dass von dem Vorliegen der erforderlichen Unterlagen erst dann ausgegangen werden kann, wenn der Standesbeamte dies feststellt. Sofern der Standesbeamte noch Zweifel an der Echtheit ihm vorgelegter ausländischer öffentlicher Urkunden hat, ist er danach berechtigt, deren Legalisation zu verlangen. Dann kann dem Erlass zufolge noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Ausländer bereits alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat. (Nur) Falls das Oberlandesgericht im Rahmen eines Befreiungsverfahrens abweichend von der Auffassung des Standesbeamten noch die Legalisation von Unterlagen für nötig hält, soll dies nicht zu Lasten der Heiratswilligen gehen.

Nach diesen Maßgaben steht die Eheschließung hier nicht unmittelbar bevor, denn das von der Standesbeamtin offenbar für erforderlich gehaltene und betriebene Überprüfungsverfahren der vom Antragsteller zu 1. vorgelegten Unterlagen ist noch nicht abgeschlossen. Die von der Beschwerde geforderte analoge oder erweiternde Anwendung der Erlassregelungen auf die hier vorliegende Fallgestaltung, in der die Standesbeamtin noch die Überprüfung der eingereichten Unterlagen betreibt, käme selbst dann nicht in Betracht, wenn es - wie die Beschwerde geltend macht - richtig wäre, dass Afghanistan zu einer "Liste der unsicheren Staaten gehört", bei denen das Oberlandesgericht stets die Überprüfung der eingereichten Unterlagen schon durch die Standesämter verlangt. Denn in dieser Situation hat noch nicht einmal der Standesbeamte bzw. die Standesbeamtin die Vollständigkeit und - aus seiner bzw. ihrer Sicht - Richtigkeit der Unterlagen angenommen. Dies ist jedoch offenbar der Umstand, der nach dem Erlass für die Annahme, die Eheschließung stehe unmittelbar bevor, wesentlich ist. Wie die Standesbeamtin im vorliegenden Verfahren ausdrücklich erklärt hat, steht aus ihrer Sicht vielmehr eben nicht fest, dass die eingereichten Unterlagen echt sind, sondern dies ist gerade fraglich und muss überprüft werden. Wann das entsprechende Überprüfungsverfahren, das nun bereits seit Oktober 2006 und damit knapp ein halbes Jahr andauert, abgeschlossen sein wird, lässt sich offenbar nicht sagen.

Ferner verhilft der Hinweis auf zu schützende Interessen der Antragstellerin zu 2. und ihres Kindes der Beschwerde nicht zum Erfolg.

Soweit die Antragsteller auf die bei der Antragstellerin zu 2. - angeblich - vorliegende Alkoholkrankheit verweisen, deren Verlauf sich im Falle der Abschiebung des Antragstellers zu 1. (wieder) verschlechtern könnte, genügt eine solche nicht näher erläuterte Gefahr für die Annahme eines Abschiebungsverbotes nicht. Zu verlangen wäre selbst unter Verwandten in vergleichbaren Konstellationen das Gegebensein einer Beistandsgemeinschaft derart, dass ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen zwingend angewiesen ist und diese Hilfe zumutbar nur in Deutschland erbracht werden kann. Für dergleichen ist nichts erkennbar. Vielmehr ist weder das Vorliegen der Erkrankung bei der Antragstellerin zu 2. noch deren Besserung noch der zwingende Zusammenhang mit der Beziehung zu dem Antragsteller zu 1. hinreichend glaubhaft gemacht; die knappe Behauptung in der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin zu 2. reicht zumal angesichts des Umstands, dass zur Glaubhaftmachung von Erkrankungen und deren Verlauf regelmäßig ärztliche Bescheinigungen vorzulegen sein werden, nicht aus. Erst recht ist nicht dargetan, dass die erforderliche Hilfe nur durch den Antragsteller zu 1. erbracht werden könnte.

Kein Abschiebungsverbot begründet weiter der Verweis auf die zwischen dem Antragsteller zu 1. und dem Sohn der Antragstellerin zu 2. bestehende Beziehung. Hieraus folgen ausländerrechtlich beachtliche Schutzwirkungen nicht. Der Antragsteller zu 1. ist weder biologischer Vater des Kindes noch steht er zu diesem in einer rechtlichen, die Familieneigenschaft begründenden Beziehung. Der Frage, ob - etwa mit Blick auf die Bestimmung des § 1685 Abs. 2 BGB - ausländerrechtliche beachtliche Schutzwirkungen nicht nur für die durch Geburt entstandene Familie sowie für jede andere von der staatlichen Rechtsordnung anerkannte Gemeinschaft von Eltern und Kindern

- vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. April 1989, BVerfGE 80, 81 (90); Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, Loseblattkommentar, Art. 6 Rn. 61 mit weiteren Nachweisen -

sondern auch für die lediglich faktisch bestehende Beziehung eines Ausländers zu einem Deutschland lebenden Kind angenommen werden können, muss nicht nachgegangen werden.

Dagegen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 2006 - 13 S 2157/06 -, juris; vgl. auch VG Darmstadt, Beschluss vom 10. Januar 2001 - 8 B 1714/99 (2), NVwZ-Beilage I 7/2001, 94 sowie BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2005 - 2 BvR 1001/04 -, DVBl. 2006, 247.

Denn es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Beziehung des Antragstellers zu 1. zum Sohn der Antragstellerin zu 2. die Qualität einer sozialfamiliären Beziehung im Sinne des § 1685 Abs. 2 BGB, die in der Regel ein längeres Zusammenleben verlangt, zukommt. Das Kind ist erst am 2. Mai 2006 geboren, mithin nicht einmal ein Jahr alt, und die Antragsteller zu 1. und 2. leben nach dem Vorbringen im vorliegenden Verfahren erst seit etwa November 2006 zusammen. Inwieweit der Antragsteller zu 1. Verantwortung für das Kind übernommen haben soll, ist auch sonst nicht erläutert.

Nicht dargetan ist schließlich, inwieweit der Hinweis auf die Kosten eines Fluges nach Kabul auf die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung führen soll. Darüber hinaus ist die angegebene Höhe der Kosten, die für einen einfachen Flug 2.364,33 EUR betragen sollen, in keiner Weise glaubhaft gemacht. Im Gegenteil dürfte als allgemein bekannt unterstellt werden können, dass es mindestens unwahrscheinlich ist, dass ein solcher Flug nicht auch für einen deutlich niedrigen Preis zu bekommen sein sollte. Ohne dass es insofern darauf ankäme, sei angemerkt, dass eine Internetrecherche diese Einschätzung bestätigt.

Endlich folgt weder daraus, dass der Antragsteller zu 1. niemals über seine Identität getäuscht hat, noch aus dem Umstand, dass er in einem festen Beschäftigungsverhältnis stand und dieses weiterführen könnte, die rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit seiner Abschiebung. Ein Ansatzpunkt hierfür ist nicht genannt und auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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