LAG Hamm, Beschluss vom 07.04.2006 - 10 TaBV 1/06
Fundstelle
openJur 2011, 42300
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 BVGa 18/05
Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.12.2005 - 5 BVGa 18/05 - wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung um die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Erlass einer Dienstanweisung.

Die Arbeitgeberin ist IT-Dienstleisterin und Tochtergesellschaft der D4xxxxxxx I3xxxxxxx- und H2xxxxxxxxxxxx sowie des D4xxxxxxx I3xxxxxxx- und H3xxxxxxxxxxxxxxxx. In ihrem Betrieb in D2xxxxxx ist ein Betriebsrat, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gewählt.

In der Vergangenheit existierte bei der Arbeitgeberin eine Dienstanweisung vom 31.01.1997 (Bl. 8 d.A.), mit der die Nutzung von Internet und E-Mail zu betrieblichen Zwecken und u.a. außerhalb der Arbeitszeit auch zu privaten Zwecken ausdrücklich erlaubt wurde.

Ende des Jahres 2005 beabsichtigte die Arbeitgeberin, eine neue Dienstanweisung in Kraft zu setzen, die einerseits die private Internetnutzung für die Zukunft gänzlich verbot und andererseits Regeln zum Umgang mit E-Mail und Internet aufstellte. Mit Schreiben vom 03.11.2005 (Bl. 9 d.A.) nahm der Betriebsrat wegen des beabsichtigten Verbots der privaten Internet- und E-Mail-Nutzung ein Mitbestimmungsrecht für sich in Anspruch. Dies lehnte die Arbeitgeberin, bei der u.a. eine Rahmenbetriebsvereinbarung zum Einsatz der EDV-Anlage existiert, ab (Bl. 5 d.A.).

Mit dem am 29.11.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Betriebsrat daraufhin die Unterlassung der Inkraftsetzung der Dienstanweisung ohne seine Mitbestimmung zum 01.12.2005.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Unterlassungsanspruch zu, da sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG verletzt sei. Der Inhalt der Dienstanweisung berühre Fragen der betrieblichen Ordnung, nicht lediglich des Arbeitsverhaltens der Mitarbeiter. Gerade hinsichtlich der privaten Nutzung von Internet und E-Mail sei eine betriebliche Übung entstanden, da Internet und E-Mail jahrelang vorbehaltlos durch die Belegschaft privat genutzt worden sei.

Ferner handele es sich bei der Nutzung von Internet und E-Mail um technische Einrichtungen, die dazu geeignet seien, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Schließlich stelle die Privatnutzung einen geldwerten Vorteil für jeden einzelnen Mitarbeiter dar, so dass auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe.

Der Betriebsrat hat beantragt,

1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, die Dienstanweisung 013 vom 01.12.2005 ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrats in Kraft zu setzen,

2. für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Ziffer 1 der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ersatzweise Ordnungshaft.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Betriebsrat stehe ein Unterlassungsanspruch bei der Inkraftsetzung der neuen Dienstanweisung nicht zu, weil er hinsichtlich des Verbots der Privatnutzung von Internet und E-Mail kein Mitbestimmungsrecht habe.

Durch Beschluss vom 07.12.2005 hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrates abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Betriebsrat stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG bei dem Erlass der Dienstanweisung zum 01.12.2005 nicht zu.

Gegen den dem Betriebsrat am 15.12.2005 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat am 03.01.2006 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Betriebsrat ist nach wie vor der Auffassung, dass ihm bei Erlass der neuen Dienstanweisung ein Mitbestimmungsrecht und damit auch ein Unterlassungsanspruch zustehe. Die Dienstanweisung betreffe nicht nur das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter, es gehe gerade um das private Verhalten der Arbeitnehmer und damit um die Ordnung des Betriebes. Dem Betriebsrat gehe es gerade um das, was nicht Bestandteil der typischen Arbeitsleistung sei, sein privates Verhalten im Umfeld des Arbeitsvertrags sei Gegenstand der Dienstanweisung. Auch wenn es sich um die Nutzung von Materialien oder Gerätschaften der Arbeitgeberin handele, stehe dies dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht entgegen, weil die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken nunmehr seit acht Jahren vorbehaltlos gestattet worden sei.

Auch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei betroffen, weil die Arbeitgeberin die Nutzungsmöglichkeit gerade ändern wolle; insoweit entstehe das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats neu.

Schließlich habe der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil der Anspruch auf Privatnutzung bereits bei allen Arbeitnehmern durch die betriebliche Übung arbeitsvertraglich verankert sei. Dass die Erlaubnis zur Privatnutzung bislang durch Dienstanweisung erteilt sei, sei unerheblich. Insoweit handele es sich um ein vorbehaltloses Geschenk und unterfalle der Mitbestimmung des Betriebsrats, wann und zu welchen Zeiten die Nutzung - noch - möglich sei.

Schließlich müsse mindestens geregelt werden, wie zu verfahren sei, wenn Mitarbeiter weiterhin privat von Dritten angeschrieben würden.

Der Betriebrat beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 07.12.2005 - 5 BVGa 18/05 - abzuändern und

der Arbeitgeberin aufzugeben, die ohne Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats erlassene Dienstanweisung 013 vom 01.12.2005 außer Kraft zu setzen, soweit es um die private Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs gehe,

für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei dem Erlass der neuen Dienstanweisung zum 01.12.2005 nicht in Betracht komme. Soweit die private Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs verboten werde, reglementiere die neue Dienstanweisung gerade das Arbeitsverhalten der Mitarbeiter und deren geschuldete Arbeitspflicht bei der Arbeit am PC. Das Verbot der Privatnutzung könne nicht mit einem Rauchverbot oder mit einem Verbot, am Arbeitsplatz Radio zu hören, verglichen werden. Unrichtig sei auch, dass die Privatnutzung des Internets bisher vorbehaltlos gestattet worden sei. Die Internetnutzung sei Gegenstand der Dienstanweisung vom 31.01.1997 gewesen, die jederzeit änderungsfähig sei. Für jeden Mitarbeiter sei von Anfang an klar erkennbar gewesen, dass durch nachfolgende Dienstanweisung eine Änderung erfolgen könne. Der Betriebsrat habe auch keine Prozessstandschaft zur Klärung oder zur Durchsetzung vermeintlicher Rechte einzelner Arbeitnehmer.

Schließlich komme auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG nicht in Betracht. Es sei lediglich eine Dienstanweisung geändert worden, neue Kontrollmöglichkeiten hinsichtlich einer technischen Einrichtung gebe es nicht. Im Übrigen könnten freiwillige Leistungen des Arbeitgebers jederzeit mitbestimmungsfrei eingestellt werden.

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.

I.

1. Der Betriebsrat hat seine Anträge zutreffend im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach den §§ 2 a, 80 Abs. 1 ArbGG geltend gemacht. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig. Die Beteiligten streiten nämlich über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG und darüber, ob dem Betriebsrat aus einem etwaigen Verstoß hiergegen ein Unterlassungsanspruch zusteht.

Nach § 85 Abs. 2 ArbGG ist auch im Beschlussverfahren der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig. Die Regelung des § 85 Abs. 2 ArbGG trägt dem Verfassungsgebot eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist in allen Fällen, dass der Antragsteller einen zu sichernden Verfügungsanspruch hat und ein Verfügungsgrund gegeben ist. Die Frage, ob Beteiligungsrechte des Betriebsrats, insbesondere Mitbestimmungsrechte, auch entsprechende Ansprüche für den Betriebsrat begründen, die als zu sichernde Verfügungsansprüche in Betracht kommen, ist eine Frage des materiellen Rechts. Zur Sicherung dieser Beteiligungsrechte kann auch eine einstweilige Verfügung in Betracht kommen.

2. Die Antragsbefugnis des Betriebsrats und die Beteiligung der Arbeitgeberin ergeben sich aus den §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.

3. Den in der Beschwerdeinstanz geltend gemachten Anträgen des Betriebsrats fehlt es auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, der auch im Beschlussverfahren entsprechend anwendbar ist. Hiernach muss der Streitgegenstand so genau bezeichnet werden, dass die eigentliche Streitfrage selbst mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Das gilt auch und vor allem für Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird. Mit der Entscheidung über den gestellten Antrag muss feststehen, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat; diese Prüfung darf nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden (BAG, Beschluss vom 11.12.1991 - AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2; BAG, Beschluss vom 24.01.2001 - AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 50 m.w.N.).

Den Anträgen des Betriebsrats lässt sich eindeutig entnehmen, zu was der Arbeitgeber verpflichtet werden soll. Seine Anträge beschränken sich nicht lediglich auf die Wiederholung des Gesetzeswortlautes des § 87 Abs. 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat im Übrigen im Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer konkretisiert und verdeutlicht, was der Arbeitgeberin aufgegeben werden soll.

II.

Die Anträge des Betriebsrats sind unbegründet.

Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, die Dienstanweisung 013 vom 01.12.2005 außer Kraft zu setzen, soweit es um die Privatnutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs geht. Bei der Änderung der Dienstanweisung 013 und dem mit Wirkung zum 01.12.2005 ausgesprochenen Verbot der Privatnutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs steht dem Betriebsrat nämlich kein Mitbestimmungsrecht zur Seite. Dies hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss mit zutreffender Begründung zu Recht erkannt.

Der Betriebsrat kann den geltend gemachten Anspruch weder auf den allgemeinen Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 BetrVG stützen, noch steht ihm ein Leistungsanspruch, wie er ihn in der Beschwerdeinstanz gestellt hat, wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten zu. Damit konnte bereits offen bleiben, ob im vorliegenden Fall ein Verfügungsgrund nach den §§ 935, 940 ZPO gegeben ist.

Die Arbeitgeberin hat nicht gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG verstoßen, als sie die Dienstanweisung 013 zum 01.12.2005 änderte und ein umfassendes Verbot der privaten Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs aussprach.

1. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht erkannt, dass hinsichtlich des Verbots der Privatnutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs durch Änderung der Dienstanweisung zum 01.12.2005 nicht das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht kommt.

a) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb mitzubestimmen. Gegenstand dieses Mitbestimmungsrechts ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Betriebsrat aber nur mitzubestimmen bei Maßnahmen, die das sogenannte Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig sind dagegen Maßnahmen, die das sogenannte Arbeitsverhalten regeln sollen. Dies sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird (vgl. zuletzt: BAG, Beschluss vom 18.04.2000 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 33; BAG, Beschluss vom 28.05.2002 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 39; BAG, Beschluss vom 11.06.2002 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 38; BAG, Beschluss vom 27.01.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 23. Aufl., § 87 Rz. 62 ff., 66 m.w.N.).

b) Nach diesen Grundsätzen ist das mit der Dienstanweisung 013 vom 01.12.2005 ausgesprochene umfassende Verbot der privaten Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs ausschließlich dem Arbeitsverhalten der einzelnen Arbeitnehmer zuzuordnen, nicht der Ordnung des Betriebes.

Die Arbeitgeberin hat bei Erlass der Dienstanweisung vom 01.12.2005 erkennbar kraft ihres Direktionsrechts näher bestimmt, in welcher Weise Internet und E-Mail in ihrem Betrieb genutzt werden. Insoweit hat sie u.a. bestimmt, dass sowohl Internet als auch E-Mail von den Beschäftigten nur zu dienstlichen Zwecken verwendet werden dürfen, eine private Nutzung wurde untersagt. Hierbei handelt es sich um konkrete Arbeitsanweisungen, die die Mitarbeiter im Umgang mit dienstlichen Geräten der Arbeitgeberin bei der Ausübung ihrer vertraglich geschuldeten Tätigkeit zu beachten haben. Fragen der Ordnung des Betriebes sind insbesondere deshalb nicht betroffen, weil die Privatnutzung von Internet und E-Mail umfassend und vollständig untersagt wurde. Bei der bisherigen Gestattung der Privatnutzung von Internet und E-Mail handelte es sich nämlich um eine freiwillige Leistung seitens der Arbeitgeberin. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn konkrete Regelungen zur Privatnutzung von Internet und E-Mail aufgestellt werden sollten (vgl.: LAG Nürnberg, Beschluss vom 29.01.1987 - NZA 1987, 572; Fitting, a.a.O., § 87 Rz. 71; ErfK/Kania, 6. Aufl., § 87 BetrVG Rz. 19; Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 9. Aufl., § 87 Rz. 53; GK-BetrVG/Wiese, 8. Aufl., § 87 Rz. 188 ff., 190). Der Arbeitnehmer hat mangels einer besonderen Rechtsgrundlage keinen Anspruch darauf, Betriebsmittel privat nutzen zu dürfen. Dies gilt auch für die Privatnutzung des betrieblichen Internet-Zugangs oder der E-Mail-Systeme. Insoweit handelt es sich um die Zulässigkeit der Verwendung von Betriebsmitteln, nicht um die Ordnung des Betriebes. Eine arbeitgeberseitige Anordnung, Betriebsmittel nicht privat zu nutzen, ist damit unter dem Gesichtspunkt der Ordnung des Betriebes nicht mitbestimmungspflichtig (ArbG Celle, Beschluss vom 11.12.2002 - LAGE BetrVG 2001 § 87 Nr. 1; GK-BetrVG/Wiese, a.a.O., § 87 Nr. 188). Nur wenn es um die Frage geht, in welcher Weise die Gestattung der Privatnutzung von Internet und E-Mail geschehen soll, käme ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht; soweit es aber um die Frage geht, ob eine Privatnutzung überhaupt gestattet wird, kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei über die Gewährung freiwilliger Leistungen entscheiden.

Entgegen der Rechtsauffassung des Betriebsrates kommt ein Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unter dem Gesichtspunkt der Ordnung des Betriebes auch nicht deshalb in Betracht, weil die Privatnutzung von Internet und E-Mailverkehr in der Vergangenheit bislang gestattet worden war. Die Nutzung des Internets für private Zwecke war unter bestimmten Voraussetzungen in der Dienstanweisung 013 vom 31.01.1997 ausdrücklich geregelt. Bereits hieraus ergibt sich, dass eine betriebliche Übung zu Gunsten der Mitarbeiter der Arbeitgeberin nicht entstanden sein konnte. Für jeden Mitarbeiter war von Anfang an erkennbar, dass die Dienstanweisung 013 vom 31.01.1997 von der Arbeitgeberin in Kraft gesetzt worden war und jederzeit der Abänderung unterlag. Ob einzelne Mitarbeiter darüber hinaus einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf private Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs haben, konnte offen bleiben, weil die Arbeitgeberin insoweit die bisherige Erlaubnis in vollem Umfang eingestellt hat.

Der Betriebsrat kann sich zur Begründung des Mitbestimmungsrechts auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Mitbestimmungsrecht etwa bei Erlass eines Rauchverbots (BAG, Urteil vom 01.09.1999 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 28) oder beim Radiohören im Betrieb (BAG, Beschluss vom 14.01.1986 - AP BetrVG 1972 § 87 Ordnung des Betriebes Nr. 10) berufen. Der vorliegende Fall ist mit den genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts bereits deshalb nicht vergleichbar, weil es vorliegend um die Verwendung von Betriebsmitteln geht, die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Der an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter der Arbeitgeberin bestehende Internetzugang einschließlich der E-Mailfunktion ist den Mitarbeitern gerade nicht in erster Linie zu privaten Zwecken, sondern zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt worden. Nutzt der Arbeitnehmer das ihm zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellte Internet entgegen einem ausdrücklichen Verbot oder über das übliche Maß hinaus in erheblichem zeitlichen Umfang auch zu privaten Zwecken, kann wegen Nichterbringung der Arbeitsleistung eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegen (vgl. BAG, Urteil vom 07.07.2005 - NZA 2006, 98). Auch insoweit handelt es sich bei der Anordnung der Arbeitgeberin gemäß Dienstanweisung 013 vom 01.12.2005 um eine Maßnahme, mit der die Arbeitspflicht der Mitarbeiter unmittelbar konkretisiert wird. Derartige Maßnahmen sind mitbestimmungsfrei.

2. Bei Erlass der Dienstanweisung 013 zum 01.12.2005 hat die Arbeitgeberin auch nicht gegen das sich aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergebende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verstoßen.

Zwar besteht hiernach ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht die Einführung und/oder Anwendung einer technischen Einrichtung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin im Streit. Die Beteiligten streiten lediglich über die Inkraftsetzung einer neuen Dienstanweisung. Die Überwachungsmöglichkeiten, die mit der Einführung der EDV-Anlage als solcher zusammenhängen, waren auch in der Vergangenheit bereits gegeben. Der Betriebsrat hat seinen Antrag in der Beschwerdeinstanz auch ausdrücklich insoweit beschränkt, als es um die private Nutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs geht. Inwieweit durch die Dienstanweisung vom 01.12.2005 neue Überwachungsmöglichkeiten geschaffen werden sollten, ist damit nicht Streitgegenstand.

3. Schließlich besteht auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

Das Arbeitsgericht hat insoweit zutreffend erkannt, dass im Rahmen von freiwilligen Leistungen der Arbeitgeber bei der Frage des "Ob" der Leistungen frei ist und ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht. Erst wenn sich der Arbeitgeber zur Gewährung einer freiwilligen Leistung entscheidet, existiert ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich des "Wie". Der Betriebsrat kann über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht die Gewährung bestimmter Leistungen an die Mitarbeiter verlangen, zu denen der Arbeitgeber gesetzlich oder tarifvertraglich nicht verpflichtet ist. Der Arbeitgeber ist vielmehr frei in seiner Entscheidung darüber, ob er solche freiwilligen Leistungen erbringt. Er kann ferner mitbestimmungsfrei entscheiden, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen Zweck er mit ihnen verfolgt und wie der begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt werden soll. Im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt erst die Aufstellung eines sogenannten Leistungsplanes, also die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien die Berechnung einzelner Leistungen und ihre Höhe im Verhältnis zueinander bestimmt werden sollen, der Mitbestimmung. So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er freiwillige Leistungen überhaupt erbringt, kann er auch mitbestimmungsfrei über ihre vollständige Einstellung befinden. Der Umstand, dass der Betriebsrat über die Erstellung eines Leistungsplanes mitzubestimmen hat, ändert hieran nichts. Der Arbeitgeber kann mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts nicht gezwungen werden, eine freiwillige Leistung länger zu erbringen, als er etwa aufgrund einer in einer Betriebsvereinbarung selbst eingegangenen Bindung verpflichtet ist. Durch das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG kann der Arbeitgeber auch nicht gehindert werden, Leistungen mitbestimmungsfrei einzuschränken oder ganz abzuschaffen (BAG, Beschluss vom 03.12.1991 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 51; BAG, Urteil vom 18.11.2003 - AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 15; BAG, Urteil vom 08.06.2004 - AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 124; Fitting, a.a.O., § 77 Rz. 186, 189 ff. und § 87 Rz. 443 ff., 448; ErfK/Kania, a.a.O., § 87 BetrVG Rz. 107 ff., 113 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen kam ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich des Verbots der Privatnutzung des Internet- und E-Mail-Verkehrs zum 01.12.2005 nicht in Betracht. Ebenso wie die Arbeitgeberin frei war, zunächst die Privatnutzung des Internets zu gestatten, kann sie nicht gehindert werden, diese Privatnutzung in vollem Umfang wieder abzuschaffen. Bei der Gestattung der privaten Internetnutzung handelte es sich nämlich um eine freiwillige Leistung, die die Arbeitgeberin gegenüber ihren Mitarbeitern erbrachte. Diese freiwillige Leistung kann sie ohne Mitbestimmung des Betriebsrats in vollem Umfang wieder einstellen.

Schierbaum Sandbothe Gwiasda-Kröger

/N.