LG Köln, Urteil vom 27.10.2005 - 8 O 15/05
Fundstelle
openJur 2011, 40843
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines im Rahmen einer Internetversteigerung geschlossenen Kaufvertrages über einen Imbissanhänger.

Der Beklagte ist als Nutzer bei der Internetauktion "ebay" unter der Kennung "C1" registriert. Für das Einstellen von und das Bieten auf Auktionsgegenstände ist eine Nutzerkennung und ein Passwort erforderlich. Unter der Kennung des Beklagten stand ab dem 22. Juni 2004 dessen Imbissanhänger detailliert beschrieben gegen Höchstgebot zum Verkauf. Der Startpreis betrug 5.000,- €. Die "Auktion" endete am 29. Juni 2004 um 17:16 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein Nutzer mit der Kennzeichnung "E1" mit 11.050,- € das höchste Gebot abgegeben. Unter diesem Pseudonym ist der Schwager des Klägers, Herr T, bei "ebay" registriert. Mit einem undatierten Schreiben forderte dieser den Beklagten unter Fristsetzung zum 6. Juli 2004 auf, den Anhänger zur Abholung bereitzustellen (Bl. 41 d.A.). Hierzu war der Beklagte nicht bereit.

Am 6. Juli 2004 stand der Imbissanhänger ab 15:32 Uhr unter der Kennung des Beklagten erneut bei "ebay" zum Verkauf. Im Unterschied zu der vorangegangenen "Auktion" war diesmal zusätzlich eine "Sofort-Kaufen" Option in Höhe von 30.000,- € ausgeschrieben. Das Angebot sollte wiederum sieben Tage, also bis zum 13. Juli 2004 gelten, der Beklagte zog es jedoch einige Tage vor Ablauf der Frist zurück.

Außerdem änderte er sein zur Nutzung von "ebay" erforderliches Passwort. Hierauf erhielt er am 6. Juli 2004, um 15:49 Uhr, also 17 Minuten nach dem Angebotsbeginn der zweiten "Auktion", ein elektronisch erstelltes Bestätigungsschreiben von "ebay".

Der Imbissanhänger war am 15. Juni 2004 erstmals zugelassen. Der Neupreis eines identisch ausgestatteten Anhängers betrug 45.754,65 €.

Der Kläger behauptet, dass er in Kenntnis und mit Billigung des Zeugen T unter dessen Kennung im Rahmen der ersten Auktion das maßgebliche Gebot abgegeben habe. Er ist insoweit der Auffassung, dass er Vertragspartner sei.

Der Kläger behauptet darüber hinaus, dass der Anhänger einen Wert von mindestens 20.000,- € gehabt habe. Insoweit ist er der Auffassung, dass ihm im Hinblick auf den "Kaufpreis" in Höhe von 11. 050,- € einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zustehe.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 8.050,- € nebst 5 % Zinsen seit dem 28. Februar 2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe den Imbissanhänger am 28. Mai 2004 für 6000,- € erworben.

Der Beklagte behauptet weiterhin, er habe beide "Auktionen" nicht initiiert, man habe ihm einen "üblen Streich" gespielt. Außerdem behauptet er, dass er den Imbissanhänger auch gar nicht habe entbehren können, da er ihn für den vom 9. Juli bis zum 31. Oktober 2004 stattfindenden "Kölschen Viktualienmarkt" benötigt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines im Rahmen einer Internetversteigerung vermeintlich geschlossenen Kaufvertrages über einen Imbissanhänger in Höhe von 8.050,- € nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB.

Die Parteien haben keinen Kaufvertrag geschlossen.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Freischaltung eines Angebots in einem virtuellen Auktionshaus nicht lediglich eine "invitatio ad offerendum" darstellt, sondern bereits ein rechtsverbindliches Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Kaufvertrages. Der Beklagte hat indes kein derartiges Angebot abgegeben. Dafür, dass der Beklagte selbst das Angebot in "ebay" eingestellt hat, ist der Kläger beweisfällig geblieben. Grundsätzlich trägt jede Partei die Beweislast dafür, dass der Tatbestand der ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist. Demnach muss vorliegend der Kläger das Zustandekommen eines Vertrages, also auch die Abgabe der vertragsbegründenden Willenserklärung durch den Beklagten beweisen.

In Hinblick auf die Gefahrenbereiche, die einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internet-Auktion eigen sind, ist auch keine abweichende Verteilung der Beweislast aus Billigkeitsgründen geboten. So besteht zum einen die Gefahr eines Eingriffs seitens unbefugter Dritter, zum anderen haben sich beide Parteien mit der Registrierung bzw. Nutzung dieser Gefahr gleichermaßen ausgesetzt (OLG Köln MMR 2002, 813-814; LG Bonn MMR 2002, 256).

Auch ist ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Beklagten nicht gegeben. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhaltes ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt. Eine derartige Typizität lässt sich vorliegend nicht feststellen.

Allein aus dem Umstand, dass das Angebot von einer Person abgegeben wurde, die das Passwort des Beklagten kannte, folgt kein Anschein zu Lasten des Beklagten. Im Hinblick auf den derzeitigen Sicherheitsstandard der im Internet verwendeten Passwörter als solche und auf die Art ihrer Verwendung kann nicht der Schluss gezogen werden, dass der Verwender eines Passworts nach der Lebenserfahrung auch derjenige ist, auf den dieses Passwort ausgestellt wurde oder zumindest jemand, dem er die Kenntnis dieses Passworts ermöglicht hat (OLG Köln, a.a.O.).

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich auch nichts aus dem Umstand herleiten, dass das Angebot eine detaillierte und dabei zutreffende Beschreibung des Anhängers enthielt, und die Person, die das Angebot eingestellt hat, Kenntnis dieser Einzelheiten hatte. Es handelt sich nicht um Tatsachen, deren Kenntnis sich ein Dritter nicht hätte verschaffen können. Dass jemand dem Beklagten einen "übeln Streich" gespielt hat, ist nicht ganz fernliegend.

Letztlich spricht auch die gesetzliche Wertung in § 292a ZPO gegen die Annahme eines Anscheinsbeweises. Danach rechtfertigt ausschließlich eine qualifizierte elektronische Signatur die Annahme eines Anscheinsbeweises (Wiebe in Spindler/Wiebe (Hrsg.), Internet-Auktion und Elektronische Marktplätze, 2. Auflage, S. 84). Eine derartige qualifizierte Signatur ist vorliegend gerade nicht verwendet worden.

Das Zustandekommen eines Kaufvertrags zwischen den Parteien scheitert darüber hinaus auch daran, dass der Kläger keine Annahme erklärte. Er gab weder selbst eine Willenserklärung im eigenen Namen ab, noch wurde eine fremde Willenserklärung in seinem Namen abgegeben. Der Kläger will unter der Kennung seines Schwagers ein Gebot abgegeben haben. Das bedeutet, dass er "unter" und nicht "in" fremdem Namen im Sinne von §§ 164 ff BGB handelte, denn die Kennung steht für deren Inhaber, der dem anderen Teil von "ebay" nach Auktionsende namentlich mit Anschrift bekannt gemacht wird (OLG München in MMR 2004, 625). Demnach ist - wie vorliegend - ein Geschäft des Namensträgers anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. Ein Eigengeschäft des Handelnden hätte nur dann angenommen werden können, wenn bei dem Erklärungsempfänger keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wurde, diese also mit dem tatsächlich Handelnden rechtsgeschäftlich tätig werden wollte. Die Benutzung der jeweiligen Kennung weist für die andere Partei jedoch ausschließlich auf die Person hin, die von "ebay" nach Auktionsende namentlich identifiziert wird. Ein anonymer Dritter als Vertragspartner wäre für die andere Partei überhaupt nicht identifizierbar und würde bei ihr die Fehlvorstellung hervorrufen, mit dem von "ebay" Genannten abgeschlossen zu haben. Auch das Bewertungssystem von "ebay" stützt dieses Ergebnis, da ansonsten der "gute Ruf" Dritter ausgenutzt werden könnte und das Bewertungssystem seinen Sinn verlöre (OLG München a.a.O.).

Es kann vorliegend auch keine Ausnahme von dem Offenkundigkeitsprinzip zugelassen werden. Insbesondere stellt der zu beurteilende Vorgang kein Geschäft, für den, den es angeht, dar. Eine dem Bargeschäft des täglichen Lebens vergleichbare Interessenlage ist nicht gegeben, weil keine vergleichbaren sofortigen Bezahlsysteme vorhanden sind, bzw. eine sofortige Bezahlung ohnehin nicht vereinbart war (vgl. dazu LG Berlin in NJW 2003, 3493, 3494; Wiebe in Spindler/Wiebe (Hrsg.), Internet-Auktion und Elektronische Marktplätze, 2. Auflage, S. 85).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 8.050,- €