OLG Köln, Urteil vom 12.01.2006 - 7 U 105/05
Fundstelle
openJur 2011, 40696
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 4 O 26/05
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Juni 2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 4 O 26/05 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(Urteil ohne Tatbestand gem. § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO)

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Beklagte durch Hinzuziehung des nicht zum Wildschadenschätzer amtlich bestellten Sachverständigen C. im von ihr durchgeführten Vorverfahren zur Feststellung des vom Landwirt K. angemeldeten Wildschadens (§§ 34, 35 BJG, 35 ff. LJG NRW) einen Verfahrensfehler und gleichzeitig eine Amtspflichtverletzung gegenüber dem Kläger als Jagdpächter begangen hat. Ebenso kann offen bleiben, ob der Kläger, als er sich laut Protokoll vom 05.04.2004 (Bl. 39 GA) mit Herrn K. auf den vom Sachverständigen C. geschätzten Entschädigungsbetrag von 4.000,00 € für die Wiederherstellung der Flächen einigte, das betreffende Protokoll unterschrieb und damit einen Vollstreckungstitel zu seinen Lasten schuf (§ 38 LJG NRW), wusste, dass Herr C. kein amtlich bestellter Wildschadenschätzer im Sinne des § 36 LJG NRW war. Die Klage scheitert jedenfalls am fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen der - angeblichen - Amtspflichtverletzung der Beklagten und der Schaffung des Vollstreckungstitels. Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers im Termin vom 15.12.2005 hält es der Senat nicht für hinreichend wahrscheinlich (§ 287 ZPO), dass der Kläger eine Einigung abgelehnt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Herr C. nicht amtlich bestellter Wildschadenschätzer war.

Zwar hat der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat im Termin vom 15.12.2005 das Gegenteil behauptet. Nachvollziehbar ist das jedoch nicht. Er hatte Vertrauen zu Herrn C., wie er bei seiner Anhörung eingeräumt hat. Er kannte diesen, wie er weiter ausgeführt hat, schon aus früherer Zeit. Er und sein Mitpächter hatten sich nämlich in früherer Zeit an Herrn C. gewandt und um eine Auskunft gebeten; dabei hatte er selbst mit Herrn C. gesprochen. Das Vertrauen, das der Kläger gegenüber Herrn C. hatte, kommt signifikant zum Ausdruck in seinem Schreiben an Herrn K. vom 23.07.2002 (Bl. 66 GA), wo es unter Ziff. 5. heißt:

"Zukünftiger Aufwendungsersatz für Wildschäden wird Ihnen von mir in schriftlicher Form angeboten. Sollte keine Einigung erzielt werden, wird Herr C. zugezogen. Dass dann auch für Sie erhebliche Kosten entstehen, versteht sich von selbst."

Eingeräumt hat der Kläger ferner, dass er seinerzeit den für den hier in Rede stehenden Schadensbezirk B. zuständigen amtlichen Wildschadenschätzer Q. ablehnte, weil er dessen Arbeitsweise nicht für korrekt hielt. Dies entspricht seinem schriftsätzlichen Vorbringen. Seite 2 des Schriftsatzes vom 28.04.2005 (Bl. 78 unten GA) und Seite 6 des Schriftsatzes vom 21.10.2005 (Bl. 176 GA) hat er ausgeführt, dass er Herrn Q. im Jahre 2003 als Schätzer abgelehnt habe. Nicht erinnern konnte oder wollte sich der Kläger bei seiner Anhörung nur daran, dass er im Jahre 2003 Herrn C. ins Gespräch gebracht und sich diesen als Schätzer gewünscht (so Bl. 78 GA) bzw. mit seiner Zuziehung "im nichttechnischen Sinne" gedroht habe (so Bl. 176 GA) - was immer das heißen soll. Den im Jahre 2003 als Wildschadenschätzer zugezogenen Herrn I. konnte die Beklagte ohnehin nicht hinzuziehen, weil dieser sein Amt niedergelegt hatte, nach Behauptung der Beklagten deshalb, weil er in dem betreffenden Termin vom 26.03.2003 (Protokoll hierzu Bl. 12 GA) von Herrn K. und dem Kläger massiv attackiert worden war. Ersichtlich wäre der Kläger mit einer Zuziehung des Herrn I., bei dem es im Termin vom 26.03.2003 zu keiner Einigung gekommen war, auch nicht einverstanden gewesen.

War mithin der Sachverständige C. seinerzeit die Person, zu der der Kläger Vertrauen hatte, so spricht nichts dafür, dass er dessen Vorschlag im Termin vom 05.04.2004 abgelehnt hätte, hätte er gewusst, dass Herr C. nicht zum amtlichen Wildschadenschätzer bestellt war. Insoweit spricht auch nicht die Lebenserfahrung für die gegenteilige Behauptung des Klägers, so dass zu dessen Gunsten nicht die Grundsätze des Anscheinsbeweises gelten.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit seiner Behauptung kann der Kläger auch nicht belegen durch das erstmals in zweiter Instanz angebotene Zeugnis seiner Ehefrau. Dieser will er nach dem Termin vom 05.04.2004 an dem betreffenden Abend berichtet haben, dass der amtliche Schätzer völlig unsachgemäß einen angeblichen Schaden von 4.000,00 € festgestellt, seinen Hinweis auf die Richtlinie der Landwirtschaftskammer Bonn abgetan und er, Kläger, das Schätzprotokoll nur deshalb unterschrieben habe, weil man ja nach aller Erfahrung gegen amtliche Schätzer vor Gericht in der Regel chancenlos sei und am Ende alles nur noch teurer werde (S. 7, 8 der Berufungsbegründung, Bl. 139, 140 GA). Es kann dahinstehen, ob dieser neue Beweisantritt nach § 531 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen wäre. Die entsprechende Bekundung seiner Ehefrau wäre jedenfalls nicht geeignet, die nach § 287 ZPO erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit darzutun. Zum Einen soll die Ehefrau des Klägers nur vom Hörensagen berichten. Zum Anderen trifft die Erwägung - sie mag richtig oder falsch sein -, erfahrungsgemäß habe man gegen amtliche Schätzer vor Gericht keine Chance, für einen vom Betroffenen - hier: Kläger - selbst als Vertrauensperson gewünschten Schätzer genauso zu.

Unter Berufung auf eine Vielzahl - teils unveröffentlichter - Entscheidungen (S. 8 der Klageschrift, Bl. 8 GA) vertritt der Kläger die Ansicht, Verfahrensfehler der Gemeinde im Feststellungsverfahren nach §§ 35 ff. LJG NRW bzw. entsprechenden Vorschriften anderer Bundesländer hätten zur Folge, dass der Anspruch des Geschädigten gegen den eigentlich zum Ersatz Verpflichteten untergehe und an seiner Stelle nur noch ein Amtshaftungsanspruch des Geschädigten gegen die Gemeinde in Betracht komme; er, Kläger, hätte bei Kenntnis dessen, dass Herr C. nicht amtlich bestellter Wildschadenschätzer war, also nur vor der Entscheidung gestanden, freiwillig zu zahlen oder von jedweder Ersatzpflicht frei zu sein. Auf eine solche angebliche (nach Ansicht des Senats gelinde gesagt "merkwürdige") Rechtsprechung kommt es jedoch schon deshalb nicht an, weil offensichtlich ist, dass der Kläger von ihr keine Kenntnis hatte. Sie war nicht einmal seinem Prozessbevollmächtigten präsent, wie sich ohne Weiteres daraus ergibt, dass dieser mit Schreiben vom 27.09.2004 (Bl. 17 ff. GA) von der Beklagten Schadensersatz nur in Höhe von 2.500,00 € (4.000,00 € abzüglich angeblich nur berechtigter 1.500,00 €) gefordert hat zuzüglich bei Herrn K. entstandener Verzugszinsen und entstandenem Anwaltshonorar. Nach den dem Senat zugänglichen Entscheidungen gibt es die vom Kläger behauptete Rechtsprechung aber auch gar nicht. Insbesondere besagt die von ihm angeführte Entscheidung des OLG Celle vom 17.02.1966 (RdL 1966, 135 f.) nichts zu seinen Gunsten. Das OLG Celle hat nur ausgeführt, dass auf Ersatz von Wildschaden erst nach Durchführung des Feststellungsverfahrens geklagt werden kann und eine ohne Durchführung dieses Vorverfahrens erhobene Klage als unzulässig - also durch Prozessurteil - abzuweisen ist. Es liegt auf der Hand, dass ein solches Prozessurteil über den materiellen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den für den Wildschaden Ersatzpflichtigen nichts besagt. Der Senat teilt die Ansicht, dass die Durchführung des Feststellungsverfahrens Prozessvoraussetzung für ein gerichtliches Verfahren ist (in NRW §§ 35 Abs. 1, 41 LJG). Soweit ersichtlich entspricht das auch allgemeiner Meinung (Lorz, Bundesjagdgesetz 2. Aufl. § 35 Anm. 1; Mitschke-Schäfer, Bundesjagdgesetz 4. Aufl. § 35 Rdn. 3, 17, 36, 38 und 40; Schandau-Drees, Das Jagdrecht in Nordrhein-Westfalen, Erläuterungen zu § 35 BJG und § 41 LJG). Streit besteht darüber, ob die Klage auch dann als unzulässig abzuweisen ist, wenn das Vorverfahren unter Mängeln leidet. Die herrschende Meinung verneint dies insbesondere aus Gründen der Prozessökonomie, hält also auch bei Mängeln des Vorverfahrens eine sachliche Prüfung durch das Gericht für geboten (Schandau-Drees, a.a.O., Erläuterungen zu § 41 LJG; Lorz, a.a.O., § 35 Anm. 2; Mitschke-Schäfer, a.a.O., § 35 Rdn. 6, 39, 40; jeweils m.w.N.). Der Senat hält das für richtig jedenfalls für den Fall, dass die Mängel des Vorverfahrens nicht so schwerwiegend sind, dass sie zu dessen Gesamtnichtigkeit führen - was im Streitfall ersichtlich ausscheidet. Letztlich kommt es darauf nicht an, denn auch die gegenteilige Meinung, die eine Klage bei nicht zur Nichtigkeit führenden Mängeln des Vorverfahrens für unzulässig hält, kann daraus nicht herleiten, dass der Geschädigte nur noch Amtshaftungsansprüche haben kann und seines Anspruchs gegen den an sich zum Ersatz Verpflichteten verlustig geht. Dies folgt ohne Weiteres aus der Wirkung eines Prozessurteils.

Gäbe es die vom Kläger behauptete Rechtsprechung, so würde der Senat ihr nicht folgen. Nach § 34 BJG muss der Geschädigte - hier: Herr K. - den Schaden innerhalb der dort genannten Frist bei der zuständigen Behörde anmelden. Dass dies hier rechtzeitig geschehen ist, bezweifelt der Kläger selbst nicht. Ist der Geschädigte seiner Obliegenheit nach § 34 BJG nachgekommen, so liegt das Vorverfahren in der Hand der zuständigen Behörde, hier der Beklagten. Fehler der Behörde, für die der Geschädigte nicht verantwortlich gemacht werden kann, können nicht zum Untergang seines Anspruchs gegen den an sich zum Ersatz Verpflichteten führen, zumal der Amtshaftungsanspruch wegen seiner Einschränkungen durch § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 BGB kein gleichwertiges Äquivalent wäre.

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz des Klägers vom 21.12.2005 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Angemerkt sei zu diesem Schriftsatz nur, dass die Ansicht, die Entscheidung des Senats stelle für die mit Feststellungsverfahren befassten Gemeinden gewissermaßen einen "Freibrief" dar, ersichtlich unzutreffend ist. Das Urteil beruht wesentlich auf dem Ergebnis der Anhörung des Klägers durch den Senat, auf Grund derer dieser die Überzeugung gewonnen hat, dass Herr C. der Sachverständige seines Vertrauens war und es dementsprechend nicht hinreichend wahrscheinlich - im Gegenteil sogar unwahrscheinlich - ist, dass der Kläger eine Einigung abgelehnt hätte, hätte er gewusst, dass Herr C. nicht amtlich bestellter Wildschadenschätzer war. Von einer vorsätzlichen Täuschung des Klägers seitens der Beklagten kann ernsthaft überhaupt keine Rede sein. Es spricht alles dafür, dass die Beklagte Herrn C. deshalb zugezogen hat, um den Wünschen des Klägers, der dem an sich zuständigen Herrn Q. seinerzeit ablehnend gegenüberstand, zu entsprechen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Streitwert zweiter Instanz und Wert der Beschwer des Klägers: 4.190,44 €