OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2006 - 15 W 414/05
Fundstelle
openJur 2011, 38234
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 25 T 184/05
Tenor

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wertfestsetzung des Landgerichts abgeändert wird.

Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der ersten und weiteren Beschwerde wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Kinder des Erblassers aus seiner im Jahre 1982 geschiedenen Ehe mit Frau Q, der Beteiligte zu 1) ist ein Sohn aus der späteren Beziehung des Erblassers zu Frau F.

Der Erblasser errichtete unter dem Datum vom 22.07.2004 ein an den Beteiligten zu 1) adressiertes Schriftstück mit der Überschrift "Dieses Schriftstück ist auch gleichzeitig Testament." Das Schriftstück enthält in seinem ersten Teil einen mittels Ausdruck am Computer erstellten Text, der zunächst Anordnungen für die Beerdigung des Erblassers enthält. Sodann wendet sich der Erblasser seinen "Geldangelegenheiten" zu, eröffnet dem Beteiligten zu 1) den Zugang zu den Nachweisen über seine Bankguthaben und fügt dann hinzu:

"An der T-Bank E-Straße. sind Vollmachten hinterlegt, das bei meinen Ableben alle Konten an dich übergehen. …

Liebe Q2 lieber Q3, seid mir nicht böse das ich die Geldangelegenheit so entschieden habe. … Bei der Geldangelegenheit habe ich Tagelang gegrübelt, denn ich möchte keinen von euch lieben in irgendeiner Weise wehtun. …"

Der maschinenschriftliche Textteil ist von dem Erblasser mit Datumsangabe unterschrieben. Es folgt dann ein von dem Erblasser eigenhändig geschriebener Text, der lautet:

"Ein Testament sollte im üblichen Sinne handschriftlich verfasst werden. Damit es aber gut zu lesen ist, habe ich es mit dem Computer erstellt.

Ich habe bewusst diese Zeilen handschriftlich unter das Testament gesetzt, damit man meine Handschrift falls es nötig ist vergleichen kann.

Das Testament wurde bei völliger geistigen und körperlichen Gesundheit verfasst."

Diesen Textteil hat der Erblasser erneut unterschrieben. Neben seiner Unterschrift findet sich ein handschriftlicher Vermerk:

"Testaments Empfänger

F2

C-Weg

......1 H

geb. am 01.06.83 in H"

Der Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 13.05.2005 (UR-Nr. ...#/2005 Notar R in H) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweisen soll. Er sieht in dem Schriftstück vom 22.07.2004 ein wirksames Testament des Erblassers, durch das er als Alleinerbe eingesetzt sei. Diese Schlussfolgerung ergebe sich im Wege der Auslegung aus dem Zusammenhang zwischen dem eigenhändig geschriebenen Textteil und dem maschinenschriftlichen Teil des Schriftstücks.

Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten und haben ihrerseits einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie und den Beteiligten zu 3) aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je 1/3 Anteil als Erben ausweisen soll. Sie vertreten den Standpunkt, ein formwirksames Testament des Erblassers liege nicht vor, weil ausschließlich in dem maschinenschriftlichen Teil des Schriftstücks vom 22.07.2004 Anordnungen getroffen seien, die im Wege der Auslegung ggf. als letztwillige Verfügung verstanden werden könnten.

Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 09.06.2005 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26.07.2005 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluss vom 13.10.2005 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1), die er mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 15.11.2005 bei dem Landgericht eingelegt hat.

Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1) folgt bereits daraus, dass seine erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.

In der Sache ist das Rechtsmittel unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1) ausgegangen. Auch in der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Kammer hat zu Recht angenommen, einer wirksamen Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe durch das Schriftstück des Erblassers vom 22.07.2004 stehe die Formvorschrift des § 2247 Abs. 1 BGB entgegen. Danach erfordert die wirksame Errichtung eines privatschriftlichen Testaments die eigenhändige Niederschrift der Erklärung und deren Unterschrift durch den Erblasser. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, der von dem Erblasser eigenhändig niedergeschriebene Teil des Schriftstücks lasse für sich allein eine Erbeinsetzung des Beteiligten zu 1) nicht erkennen. Grundlage für eine solche Schlussfolgerung könne allein die Bezugnahme auf den maschinenschriftlichen Teil des Schriftstücks sein. Eine solche Bezugnahme könne jedoch dem Formerfordernis des § 2247 Abs. 1 BGB nicht genügen.

Die weitere Beschwerde versucht demgegenüber ohne Erfolg, die Möglichkeit einer Auslegung der Erklärung des Erblassers in den Vordergrund zu stellen, die den Gesamtinhalt des Schriftstücks sowie die zu den Akten gereichten weiteren privatschriftlichen Briefe des Erblassers vom 22.07. und 24.10.2004 berücksichtigt. Die Grenzen der Auslegung einer letztwilligen Verfügung müssen von den Anforderungen unterschieden werden, die sich aus den Formvorschriften für die Testamentserrichtung ergeben: Der Testamentsauslegung, die die Feststellung des wirklichen subjektiven Willens des Erblassers zur Aufgabe hat, ist durch den Wortlaut der letztwilligen Verfügung keine Grenze gesetzt. Der Ermittlung des Erblasserwillens können insbesondere auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände dienen. Erst dann kann entschieden werden, ob der so ermittelte Erblasserwille eine hinreichende Stütze in dem Testament selbst findet. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat daran festgehalten, dass zur Wahrung des Zwecks der Formvorschriften über die Testamentserrichtung ein im Wege der Auslegung ermittelter Erblasserwille nur dann Berücksichtigung finden kann, wenn er in der Verfügung von Todes wegen zumindest andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (BGHZ 80, 242 = NJW 1981, 1737; BGHZ 86, 41 = NJW 1983, 672).

Die Kammer ist in ihrer Entscheidung davon ausgegangen, die Auslegung des Schriftstücks vom 22.07.2004 könne durch die Berücksichtigung des in Bezug genommenen Teils zu der Annahme führen, der Erblasser habe den Beteiligten zu 1) als Alleinerben bedacht. Zweifel in dieser Hinsicht, die sich aus dem Inhalt des maschinenschriftlichen Textteils ergeben, braucht in diesem Zusammenhang nicht näher nachgegangen werden. Immerhin fällt auf, dass der Erblasser sich in diesem Textteil auf den Hinweis beschränkt hat, er habe der T-Bank Vollmachten erteilt, die mit seinem Ableben zu einem Übergang der Bankguthaben an den Beteiligten zu 1) führen sollten. Mit dieser Formulierung können indessen ohne weiteres auch die in der Praxis weit verbreiteten Verfügungen über Bankguthaben zugunsten Dritter auf den Todesfall des Kontoinhabers gemeint sein, die gem. § 331 BGB zu einem Rechtsübergang des Guthabens auf den Begünstigten außerhalb des Nachlasses führen.

Wird gleichwohl davon ausgegangen, der Erblasser habe mit dieser Formulierung eine Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Alleinerbe zum Ausdruck bringen wollen, so scheitert die Formwirksamkeit der Verfügung daran, dass sie sich nur aus der erkennbaren Bezugnahme auf den maschinenschriftlichen Teil des Schriftstücks ergibt, in dem eigenhändig errichteten Textteil indessen keinen erkennbaren Ausdruck gefunden hat. Unter diesem Gesichtspunkt muss entgegen der Darstellung der weiteren Beschwerde der eigenhändige Textteil ohne Berücksichtigung des maschinenschriftlichen Teils untersucht werden. Es kann deshalb nicht ausreichen, dass der Erblasser erkennbar durch den eigenhändigen Textteil die Wirksamkeit des maschinenschriftlich verfassten Testaments hat bewirken wollen. Denn der Standpunkt der weiteren Beschwerde würde sogleich zur Aufgabe des Formerfordernisses der eigenhändigen Niederschrift des Testaments führen, weil jeder handschriftliche Zusatz, ggf. auch nur eine Orts- und Datumsangabe und/oder die Unterschrift, für die Annahme ausreichen könnte, der Erblasser habe seinen maschinenschriftlich niedergelegten Verfügungen Wirksamkeit verleihen wollen. Zur Wahrung des Formerfordernisses der eigenhändigen Niederschrift muss es deshalb bei der vom Landgericht bereits zitierten, auch vom Senat vertretenen obergerichtlichen Rechtsprechung bleiben, dass eine Bezugnahme auf ein nicht der Testamentsform entsprechendes Schriftstück nur dann der Formwirksamkeit der Verfügung nicht entgegensteht, wenn diese lediglich der näheren Erläuterung einer Verfügung dient, die in einem der Testamentsform entsprechenden Schriftstück eine hinreichende Grundlage findet. Kann hingegen die inhaltliche Bestimmung der letztwilligen Verfügung nur aus dem in Bezug genommenen maschinenschriftlichen Schriftstück gewonnen werden, ist die Testamentsform nicht mehr gewahrt.

So liegen die Dinge hier, weil der von dem Erblasser eigenhändig geschriebene Textteil des Schriftstücks vom 22.07.2004 über die erkennbar gewollte Bezugnahme auf den maschinenschriftlichen Teil hinaus keine inhaltliche Aussage über eine Erbeinsetzung enthält. Diese lässt sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch nicht aus der Bezeichnung des Beteiligten zu 1) als "Testaments Empfänger" am Schluss des Schriftstücks gewinnen. Diese Bezeichnung ist aus sich heraus im Hinblick auf eine etwa gewollte Erbeinsetzung völlig unergiebig, weil sie über die tatsächliche Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger hinaus - der Erblasser hat das Schriftstück anschließend in einem an den Beteiligten zu 1) adressierten Briefumschlag verwahrt - keine inhaltlich verwertbare Aussage darüber enthält, ob und ggf. welche Rechtsstellung an seinem Nachlass (etwa als Erbe, Vermächtnisnehmer oder Testamentsvollstrecker) der Erblasser dem Empfänger zugedacht hat.

Die Briefe des Erblassers an die Beteiligten zu 2) und 3) vom 22.07 und 24.10.2004 enthalten selbst keine letztwillige Verfügung. Vielmehr teilt der Erblasser den Beteiligten zu 2) und 3) lediglich mit, dass er dem Beteiligten zu 1) "alles hinterlassen habe", und bittet sie, diesem gegenüber keine Ansprüche "aus dem Nachlass" (ggf. gemeint sind Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche) geltend zu machen.

Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.

Die Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde beruht auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Der Senat hat der Bewertung das Interesse des Beteiligten zu 1) an der wirtschaftlichen Besserstellung zugrunde gelegt, die sich bei Annahme seiner Einsetzung als Alleinerbe gegenüber seiner Stellung als Miterbe im Rahmen gesetzliche Erbfolge ergäbe. Diese entspricht 2/3 des Wertes des Nachlasses, den der Senat mangels weitergehender Anhaltspunkte der Angabe des Beteiligten zu 1) in seinem Erbscheinsantrag folgend mit 31.000,00 Euro angenommen hat. Dementsprechend hat der Senat gleichzeitig gem. § 31 Abs. 1 S. 2 KostO die Wertfestsetzung des Landgerichts abgeändert.