OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.04.2005 - 8 B 220/05
Fundstelle
openJur 2011, 35787
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 12 L 1671/04
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 17. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 162,50 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, stellt die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs anordnen, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Dies ist im Fall der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) entsprechend der für die Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde geltenden Regelung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO in der Regel anzunehmen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder die Vollziehung des angegriffenen Bescheides für den Gebührenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen allerdings nur dann, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen; ist der Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens offen, kann die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet werden.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Gebührenbescheides bestehen, noch dessen Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige Härte darstellt.

Rechtsgrundlage für die Erhebung der angegriffenen Studiengebühr ist §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 StKFG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 RVO- StKFG NRW, §§ 1, 5 Abs. 2 Fern- und Verbundstudien - RVO NRW (FVSt-RVO NRW), § 1 Abs. 1 Nr. 4, § 5 der Gebührensatzung für die FernUniversität in I. (GebS FU). Danach wird auch von Studierenden, die an der FernUniversität I. studieren und denen kein Studienguthaben zur Verfügung steht, für jedes Vollzeitsemester eine Gebühr von 650,00 EUR erhoben. Nach §§ 4 Abs. 2, 6 StKFG wird das Studienguthaben durch Regelabbuchungen je Hochschulsemester innerhalb der eineinhalbfachen Regelstudienzeit für den gewählten Studiengang verbraucht.

Unstreitig hat der Antragsteller seit dem Wintersemester 1994/1995 bis zum Sommersemester 2004 bereits achtzehn Hochschulsemester an der FernUniversität I. absolviert und damit - auch bei Außerachtlassung eines Orientierungssemesters nach § 2 Abs. 3 StKFG und einer nur halbwertigen Anrechnung von zwei Teilzeitstudiensemestern - die eineinhalbfache Regelstudienzeit für den Bachelor- Studiengang Informatik von gerundet vierzehn Semestern überschritten. Entgegen der Auffassung des Antragstellers begegnet die Annahme des Antragsgegners, der Antragsteller habe damit sein Studienguthaben verbraucht und sei im Wintersemester 2004/2005 gebührenpflichtig nach § 9 Abs. 1 StKFG, nicht deshalb ernstlichen Zweifel, weil nach § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG auf den entsprechenden Antrag des Antragstellers für die bereits absolvierten Semester keine Regelabbuchungen von seinem Studienkonto vorzunehmen wären.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG bleiben im Rahmen der Regelabbuchungen solche Semester unberücksichtigt, für die Studiengebühren erhoben wurden. Der Antragsteller verweist insofern auf die im Rahmen des Studiums an der FernUniversität I. nach § 3a HGebG vom 26. Januar 1982 in der jeweils geltenden Fassung erhobenen Gebühren für den Bezug von Fernstudienmaterial (ab Sommersemester 2004: Gebühr für Fernstudien nach § 13 Abs. 2 StKFG i.V.m. § 2 FVSt-RVO NRW, § 2 GebS FU). Diese Gebühren setzen sich zusammen aus einer Grundgebühr (§ 3a Abs. 1 und 2 HGebG: 90,00 EUR inclusive des Kursmaterials für zehn Kurseinheiten; § 2 Abs. 1 lit. a) GebS FU: 30,00 EUR) sowie einer weiteren Gebühr für jede (darüber hinaus) in Anspruch genommene Kurseinheit (§ 3a Abs. 3 HGebG: 9,00 EUR; § 2 Abs. 1 lit. b) GebS FU: 13,50 EUR). Wird ein Kurs nicht in Form der Übersendung von Studienmaterial, sondern als Präsenzveranstaltung durchgeführt, fallen keine Bezugsgebühren an (§ 2 Abs. 2 GebS FU).

Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung sind jedenfalls überwiegende Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs des Antragstellers nicht feststellbar. Die Rechtsauffassung des Antragsgegners, die Bezugsgebühren nach § 3a HGebG/§ 2 GebS FU stellten keine Studiengebühren im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 4 StKFG dar, begegnet keinen ernstlichen Zweifel. Sie wird getragen von § 10 HG, der in Kenntnis der bereits seit 1982 durch die FernUniversität I. erhobenen Bezugsgebühren die Studiengebührenfreiheit jedes ersten berufsqualifizierenden Studiums normiert hat; es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er die Erhebung der Bezugsgebühren ausschließen wollte. Studiengebühren wie die nach § 9 Abs. 1 StKFG werden als Benutzungsgebühren für die Nutzung der Hochschule und ihrer Einrichtungen angesehen. Dies ergibt sich bereits aus der Anknüpfung der Gebührenerhebung an die Immatrikulation oder Rückmeldung (§§ 13 Abs. 1 Satz 2 StKFG i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 RVO-StKFG NRW), die den Beginn der Benutzung der Hochschule als staatliche Einrichtung darstellt. Sie stellen sich damit als Abgeltung des Vorteils dar, der mit der Immatrikulation oder Rückmeldung erworben wird, nämlich der Möglichkeit, das Lehrangebot sowie die Lehrmittel der Hochschule und deren sonstige Einrichtungen in Anspruch zu nehmen zu können.

Vgl. VGH Bad.- Württ., Urteil vom 6. April 2000 - 2 S 1860/99 -, DVBl 2000, 1782 (1785); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8.00 -, DVBl 2002, 60 (65); BVerfG, Urteil vom 19. März 2003 - 2 BvL 9, 10, 11, 12/98 -, BVerfGE 108, 1 (29 f.); OVG NRW, Urteil vom 1. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, S. 26 des UA.

Zwar entsteht auch die Grundgebühr nach § 3a Abs. 1 HGebG/§ 2 Abs. 1 lit. a) GebS FU gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 HGebG/§ 8 Abs. 1 Nr. 1 GebS FU mit der Einschreibung, Rückmeldung oder Zulassung bei der Fernuniversität, während die Gebühren für weitere Kurseinheiten nach § 3a Abs. 3 HGebG/§ 2 Abs. 1 lit. b) GebS FU gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 HGebG/§ 8 Abs. 1 Nr. 2 GebS FU mit der Belegung entstehen. Diese Gebühren unterscheiden sich jedoch insoweit von (allgemeinen) Studiengebühren, als sie der (anteiligen) Deckung eines spezifischen, an Präsenzuniversitäten regelmäßig nicht entstehenden Kostenaufwandes, nämlich der Herstellung und Versendung von Studienmaterial dienen. Die allgemeinen Kosten der FernUniversität für Lehre und Forschung werden bei der Gebührenbemessung nicht berücksichtigt. Dies gilt auch für die (pauschale) Grundgebühr, die - wie auch der Antragsteller vorträgt - ebenso wie die weiteren Kursgebühren nach den Vorgaben des Landeshaushaltes (Titel 06 260 Fernuniversität I. ) nur zur Finanzierung der Herstellung und des Versands von Fernstudienmaterial eingesetzt werden darf. Damit knüpfen die Gebühren nach § 3a HGebG/§ 2 GebS FU an eine besondere technische Leistung der FernUniversität I. an, die es den Studierenden ermöglicht, das Lehrangebot zu Hause zu nutzen, und den Erwerb von sonstiger Fachliteratur in erheblichem Umfang entbehrlich machen dürfte. Sie betreffen die besonderen Rahmenbedingungen eines Fernstudiums, dienen aber nicht der Abgeltung des Vorteils, der in der Inanspruchnahme des Lehrangebots als solchem sowie der sonstigen Hochschuleinrichtungen liegt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 9. März 1988 - 9 A 58/87 -, S. 10 ff. des UA, und vom 4. Januar 1989 - 9 A 1519/88 -, S. 14 ff. des UA.

Diese besondere Zielsetzung der Bezugsgebühren nach § 3a HGebG/§ 2 GebS FU lässt es bei summarischer Prüfung gerechtfertigt erscheinen, sie nicht als Studiengebühr im Sinne des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes anzusehen mit der Folge, dass ihre Entrichtung einer gleichzeitigen Vornahme von Regelabbuchungen vom Studienkonto nach § 6 StKFG nicht entgegensteht.

Dieses Ergebnis dürfte auch der Intention des Gesetzgebers entsprechen, die sich im Studienkonten- und -finanzierungsgesetz niedergeschlagen hat. Stünden die für den Bezug von Fernstudienmaterial zu entrichtenden Gebühren (Grundgebühr und kursgebundene Gebühren) der Vornahme von Regelabbuchungen nach § 6 StKFG entgegen, bliebe das Studienguthaben eines Studierenden an der FernUniversität I. auf Dauer unangetastet; eine Gebührenpflicht nach § 9 StKFG träte auch bei längerer Studiendauer nicht ein. Dies käme einer Unanwendbarkeit des Studienkontensystems auf Studierende an der FernUniversität I. gleich. Da der Gesetzgeber bei Erlass des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes jedoch die Besonderheiten von Fernstudiengängen offensichtlich gesehen hat (vgl. den dem Studienkonten- und -finanzierungsgesetz vorangestellten Artikel 1 - Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes -, § 13 Abs. 2 StKFG), kann davon ausgegangen werden, dass er eine ausdrückliche Ausnahmeregelung zugunsten des besonderen Gebühren unterliegenden Fernstudiums getroffen hätte, wenn eine weitere Gebührenbelastung dieser Studierenden bei überlanger Studiendauer tatsächlich nicht gewollt wäre.

Umstände, die die Vollziehung des Gebührenbescheides als eine für den Antragsteller unbillige Härte erscheinen lassen und deshalb eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen könnten, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).