OLG Köln, Urteil vom 05.11.2004 - 6 U 88/04
Fundstelle
openJur 2011, 35537
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 33 O 319/03
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.03.2004 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 319/03 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Köln vom 18.11.2003 - 33 O 319/03 - wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Berufungsverfahrens trägt der Kläger mit Ausnahme der im Verfahren erster Instanz entstandenen Kosten der Säumnis der Beklagten, welche dieser auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Zwangsvoll-streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Be g r ü n d u n g

I.

Der Kläger - der bundesweit tätige Dachverband aller Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen - , nimmt die Beklagte auf Unterlassung wettbewerblich unlauterer Telefonwerbung in Anspruch.

Die Beklagte, welche einen Weinhandel betreibt, bewarb Anfang April 2003 ihr Angebot telefonisch gegenüber der Zeugin X., welche sich bei Entgegennahme des Anrufs in ihrer Privatwohnung aufhielt. Im Verfahren erster Instanz war noch streitig, ob dieser Anruf unter der rein privat genutzten Telefonnummer der Zeugin erfolgt war oder, möglicherweise infolge der Einrichtung einer Rufumleitung zu diesem Privatanschluss, unter der Rufnummer der "Blumenhandlung X." . Das Landgericht hat die Beklagte zunächst mit Versäumnisurteil vom 18.11.2003 antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Verkehr zu Wettbewerbszwecken "Verbraucher ohne deren ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis anzurufen bzw. anrufen zu lassen, um Angebote zur Lieferung von Wein zu unterbreiten". Auf den Einspruch der Beklagten hat die Kammer das Versäumnisurteil mit Urteil vom 23.03.2004, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, aufrechterhalten und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer i.S. des § 1 UWG a.F. unlauteren - und von dem Kläger gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. zulässig verfolgbaren - Telefonwerbung unabhängig davon vorliegen würden, unter welcher Rufnummer der Anruf bei der Zeugin getätigt worden sei.

Hiergegen wendet die Beklagte sich mit der Berufung. Der Kläger verteidigt das Urteil, wobei er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Vermutung der Beklagten, dass der von ihr unter der Rufnummer der Blumenhandlung X. getätigte Anruf sodann auf die Privatnummer der Zeugin X. umgeleitet worden sei, nicht mehr widersprochen, sondern diese ausdrücklich als möglich eingeräumt hat.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Aufhebung des der Klage stattgebenden Versäumnisurteils der Kammer. Der Kläger scheitert mit seinem Unterlassungsbegehren deshalb, weil es bezüglich des mit dem Klageantrag verfolgten Petitums schon an der Erstbegehungsgefahr fehlt, wohinhingegen die tatsächlich begangene Rechtsverletzung von dem Unterlassungsantrag nicht erfasst wird.

1.

Der Senat folgt dem Landgericht zunächst insoweit, als dieses nicht nur für den Fall des Anrufs auf dem Privatanschluss der Zeugin X. , sondern auch bei Benutzung der Rufnummer einer "Blumenhandlung X. " grundsätzlich von einem i.S. des § 1 UWG a.F. = § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. unlauteren Wettbewerbsverhalten der Beklagten ausgeht.

a)

Unter Geltung des § 1 UWG a.F. war anerkannt, dass Telefonwerbung gegenüber Privatpersonen grundsätzlich unzulässig ist und nur ausnahmsweise dann nicht, wenn der Angerufene zuvor ausdrücklich oder stillschweigend sein Einverständnis erklärt hat (BGH in stRspr; vgl. die Übersicht bei Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rn. 143). Auch im gewerblichen Bereich konnten telefonische Werbemaßnahmen wegen der ihnen innewohnenden Möglichkeit, die berufliche Tätigkeit des Angerufenen zu stören, wettbewerbsrechtlich unzulässig sein. Das war dann der Fall, wenn der Angerufene weder zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis erklärt hatte, noch aufgrund konkreter tatsächlicher Umstände ein sachliches Interesse des Gewerbetreibenden daran zu vermuten war, etwa weil die telefonische Werbemaßnahme in einem sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Geschäftsverbindung stand (vgl. BGH WRP 2004, 603 ff - "Telefonwerbung für Zusatzeintrag"; WRP 2004, 731 ff - "E-Mail-Werbung"; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rdn. 156 m.w.N.).

An dieser Beurteilung hat sich durch die seit dem 08.07.2004 geltende und deshalb der Entscheidung im Berufungsverfahren zugrunde zu legenden Neufassung des Gesetzes nichts geändert. Auch nach §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. ist nämlich von einer unlauteren Wettbewerbshandlung wegen unzumutbaren Belästigung auszugehen "bei einer Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwilligung oder gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung".

b)

Unabhängig davon, ob der Anfang April 2003 getätigte Anruf der Beklagten unter dem Privatanschluss der Zeugin X. oder entsprechend der Behauptung der Beklagten unter der gewerblichen Nummer der Blumenhandlung X. erfolgt ist, liegen die Voraussetzungen einer im dargestellten Sinne wettbewerbsrechtlich unzulässigen Telefonwerbung vor. Eine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung mit der Werbemaßnahme hatte die Zeugin unstreitig nicht erteilt. Aus den von dem Landgericht zutreffend dargestellten Gründen sind zudem keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein unter diesem Anschluss - aus Sicht der Beklagten - geschäftlich Tätiger ein sachliches Interesse an dem Telefonanruf gehabt haben könnte. Insbesondere scheint auch dem Senat die Annahme eines Sachbezugs dergestalt, dass Blumengeschäfte an Weinlieferungen zur Weitergabe als Kundenpräsent interessiert sein könnten, lebensfremd und fernliegend zu sein.

2.

Dies allein verhilft der Klage indes nicht zum Erfolg. Der Klageantrag nimmt nämlich ausdrücklich Bezug nur auf Anrufe bei "Verbrauchern (ohne deren ... Einverständnis)". Insoweit liegen aber die tatsächlichen Voraussetzungen eines - als wettbewerbsrechtlich unzulässig zu beurteilenden - Anrufs bei einem "Verbraucher" i.S. des § 2 Abs. 2 UWG i.V. mit § 13 BGB unter Benutzung einer privaten Rufnummer nicht vor. Der Senat hat vielmehr auf der Grundlage der nunmehr vom Kläger eingeräumten Möglichkeit der Rufumleitung von einer - unlauteren - Werbung gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer unter seiner gewerblichen Nummer auszugehen, ist am Ausspruch eines hierauf gerichteten Verbots im Hinblick auf § 308 Abs. 1 ZPO aber gehindert, weil dieser Streitgegenstand von dem Unterlassungsantrag nicht erfasst wird.

Der Senat hat infolge der Erklärungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass die Beklagte tatsächlich die rein gewerblich genutzte Rufnummer der "Blumenhandlung X. " angewählt hat, wobei der Anruf sodann infolge einer von dem fraglichen Anschlussinhaber veranlassten Rufumleitung bei dem - unter einer anderen Nummer registrierten - Privatanschluss der Zeugin eingegangen ist. Bei einer derartigen Fallkonstellation liegen aber die Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlich unzulässigen Werbeanrufs bei einem "Verbraucher", auf welche das Unterlassungsbegehren abhebt, nicht vor.

Entgegen der von dem Landgericht vertretenen Auffassung, ist die Abgrenzung, ob ein Anruf gegenüber "Verbrauchern" als Privatpersonen i.S. der §§ 7 Abs. 2 Nr. 2, 2 Abs. 2 UWG i.V. mit § 13 BGB erfolgt ist oder gegenüber "sonstigen Marktteilnehmern" i.S. der Vorschrift und damit auch Gewerbetreibenden, nach Ansicht des Senats nicht nach dem Inhalt der jeweiligen Werbung zu treffen, d.h. nicht in Abhängigkeit davon, ob das beworbene Produkt in einem Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb steht oder nicht. Das würde dazu führen, dass ein ohne die notwendigen Einwilligungsvoraussetzungen geführter Telefonanruf bei einem Unternehmen als Anruf bei einem Verbraucher gewertet werden müsste. Demgegenüber unterscheidet § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG explizit zwischen den Anrufen bei Verbrauchern und anderen Marktteilnehmern; die Zulässigkeit der Anrufe hängt von unterschiedlichen Voraussetzungen ab. Angesichts dessen ist entscheidend, unter welcher Rufnummer der Anruf erfolgt ist. Werbliche Anrufe unter einer Privatnummer sind deshalb stets Werbung gegenüber Verbrauchern, Telefonwerbung über eine gewerbliche Nummer demgegenüber eine solche gegenüber sonstigen Marktteilnehmern (so auch Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. A., § 7 Rn 50; Harte/Henning/Ubber, OWG, § 7 Rn 126; Köhler/Piper a.a.O. Rn 148 zum OWG a.F., jeweils auch mit - hier nicht einschlägigen - Ausführungen zur rechtlichen Einordnung gemischt privatgeschäftlich genutzter Nummern).

Nach diesen Kriterien ist der Beklagten ein wettbewerblich unlauteres Verhalten im Sinne des Klageantrags nicht vorzuwerfen, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der fragliche Werbeanruf aus April 2003 letztlich auf dem privaten Anschluss der Zeugin X. eingegangen ist. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Beklagten hat ihre Mitarbeiterin eine in den aktuellen Telefonbüchern als gewerblich genutzte ausgewiesene Nummer angewählt. Sie hat nicht das Risiko zu tragen, dass angerufene (gewerbliche) Anschlussinhaber eine für den Werbenden nicht erkennbare Rufumleitung zu einem von diesem rein privat genutzten Anschluss veranlasst hat. Eine andere Entscheidung wäre womöglich geboten, wenn der Werbende etwa aufgrund der Benutzung veralteter Datensätze eine dort noch als gewerblich erfasste, zwischenzeitlich aber privat vergebene und so auch in den offiziellen Registern ausgewiesene Privatnummer anwählen würde. Für eine derartige Fallgestaltung spricht vorliegend aber nichts.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Rechtssache, deren Entscheidungsschwerpunkt im tatrichterlichen Bereich liegt. Ihr kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordert die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof.

Streitwert im Berufungsverfahren: 15.000 EUR