LG Dortmund, Urteil vom 26.08.2004 - 2 O 135/03
Fundstelle
openJur 2011, 29279
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 88.283,09 EUR (77.303,96 EUR und

10.979,13 EUR kapitalisierte Zinsen) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 88.283,09 EUR seit dem 01.03.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe folgender per 15.03.2003 im Depot der Klägerin mit der Nr. ......1 befindlichen Werte

· 300 Stück E Anteile WKN #1

· 120 Stück F Aktien WKN #2

· 40 Stück W WKN #3

· 120 Stück U WKN #4

· 5 Stück Q WKN #5

· 300 Stück E2 WKN #6

· 300 Stück E3 WKN #7

· 130 Stück E4 Anteile WKN #8

zu zahlen.

Wegen der Mehrzinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Ankauf von Wertpapieren in Anspruch.

Die Klägerin war zunächst als Fremsprachenkorrespondentin, später als Einkaufsassistentin bei der V GmbH, vormals U, tätig. Mit Aufhebungsvereinbarung vom 19.01.2000 wurde das Arbeitsverhältnis mit der V GmbH zum 31.07.2000 beendet. Aus einer Erbschaft stand der Klägerin im Januar 2000 ein Betrag von insgesamt 500.000,- DM zur Verfügung. Die Klägerin ließ sich von dem Zeugen N, einem Mitarbeiter der Beklagten wegen einer beabsichtigten Geldanlage beraten. Den Kontakt hatte ihr damaliger Lebensgefährte und heutiger Ehemann, der Zeuge Q hergestellt. Auf Empfehlung des Zeugen N hin kaufte sie für ca. 150.000,- DM Fondanteile sowie für ca. 50.000,- DM Einzelaktien aus dem Technologiesektor. Die Aktien wurden von dem Zeugen in die Risikostufen 5 - 7 eingestuft. Es fanden zwei Gespräche statt, ein erstes einige Tage vor dem 20.03.2000, bei welchem auch der Zeuge Q anwesend war. Bei diesem Gespräch fertigte der Zeuge N die Notiz, wie aus Anlage 2 zum Protokoll

(Bl. 73 d. A.) ersichtlich. Bei dem zweiten Gespräch am 20.03.2000 wurde eine detailliertere Aufstellung hinsichtlich der Aktien gefertigt. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf die Anlage 1 zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2004 (Bl. 72 d. A.) Bezug genommen. Bei dem zweiten Gespräch am 20.03.2000 waren nur die Klägerin und der Zeuge N zugegen. Bei diesem Gespräch wurde ein Bogen "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" (Anlage K5) ausgefüllt. Die Ankreuzungen stammen von dem Zeugen N. Das Formular ist von der Klägerin unterzeichnet. Weitere Einzelheiten der Gespräche sind zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin wies einen Tag nach dem Gespräch vom 20.03.2000 ihre Bank an, 207.750,- DM an die Beklagte zu überweisen. Danach erfolgten gemäß den Empfehlungen des Zeugen N die Kauforder. Wegen der weiteren Einzelheiten der Wertpapierabrechnung wird auf die Anlagen K 8 ff. zur Klageschrift Bezug genommen. Unter Berücksichtigung von getätigten Verkäufen brachte die Klägerin 77.303,96 EUR (55.204,- EUR für Fonds und 22.099,96 EUR für Aktien) ein.

Die Klägerin behauptet, sie habe den Aufhebungsvertrag vom 19.01.2000 geschlossen, da sie nach mehrjährigen psychischen und physischen Erkrankungen den Anforderungen des Arbeitslebens nicht mehr gewachsen gewesen sei. Das Geld aus der Erbschaft, oder einen Teil davon, habe sie für die Altersversorgung anlegen wollen. Über nennenswerte Vorerfahrung bei der Geldanlage habe sie nicht verfügt. Dies sei dem Zeugen N mitgeteilt worden. Sie habe ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass das Ziel ihre Altersvorsorge und gelegentliche Entnahmen zur Bestreitung ihrer Verpflichtungen sei.

Das Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 WpHG" (Anlage K 5) sei mit ihr nicht im Einzelnen durchgesprochen worden, der Zeuge N müsse es ihr wohl "unterschoben haben". Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei falsch beraten worden, weil ihr sehr volatilitäre und hochspekulative Wertpapiere angeraten worden seien. Sie begehrt im Wege des Schadensersatzes Erstattung der für den Ankauf der im Klageantrag genannten Wertpapiere aufgewendeten Beträge unter Berücksichtigung erfolgter Verkäufe Zug um Zug gegen Übertragung der noch im Depot befindlichen Wertpapiere sowie entgangenen Gewinn (Zinsgewinne).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 77.303,96 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 4,96 % hieraus seit dem 31.03.2000 bis einschließlich 28.02.2003 zuzüglich Zinsen in Höhe von 8,9 % über dem Basiszins aus dem sich bis 28.02.2003 ergebenden Betrag seit dem 01.03.2003 Zug um Zug gegen Rückgabe folgender per 15.03.2003 im Depot der Klägerin mit der

Nr. ......1 befindlichen Werte

WKN 933744

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Zeugin habe das Anlageziel "Altersvorsorge" nicht genannt. Das Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" sei Punkt für Punkt durchgegangen worden. Jede einzelne Frage des Fragebogens sei gestellt und von der Klägerin beantwortet worden und zwar in der Weise, wie in dem Fragebogen angekreuzt und von der Klägerin anschließend auch unterschriftlich bestätigt worden sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Q und N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.07.2004

(Bl. 63 ff. d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist zum ganz überwiegenden Teil begründet. Nur wegen einer Mehrzinsforderung war sie abzuweisen.

Die Beklagte haftet der Klägerin auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung aus einer PVV des konkludent abgeschlossenen Beratungsvertrages.

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass ein solcher Beratungsvertrag bestand. Dies steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach der Abschluss eines Beratungsvertrages jedenfalls stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches angenommen wird, wenn ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden herantritt, um über die Anlage eines Geldbetrages zu beraten oder beraten zu werden (vgl. BGH WM 1993, 1455 (1456)).

II. Die Beklagte hat Pflichten aus diesem Beratungsvertrag verletzt.

Eine Bank hat im Rahmen einer Anlageberatung den Wissensstand des Kunden über Anlagegeschäfte der vorgesehenen Art und dessen Risikobereitschaft zu berücksichtigen ("anlegergerechte Beratung"); das von ihr danach empfohlene Anlageobjekt muss diesen Kriterien Rechnung tragen "objektgerechte Beratung" (vgl. BGH NJW 1993, 2433 ff., sog. "Bond-Urteil"; OLG Bamberg BKR 2002, 185). Inhalt und Umfang der Beratungspflicht sind von einer Reihe von Faktoren abhängig, die sich einerseits auf die Person des Kunden und andererseits auf das Anlageobjekt beziehen. Die konkrete Ausgestaltung der Pflicht hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorgesehen Art und dessen Risikobereitschaft. Zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen oder einen unerfahrenen Anleger handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Kennt die Bank den Kunden nicht aus langjährigen vorherigen Kundenkontakten, so muss sie seinen Wissensstand erfragen und sein Anlagenziel erkunden. Die Beratung hat sich danach auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Zieles auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also "anlegergerecht" sein. Soweit der Kunde nicht über Erfahrungen und einschlägiges Fachwissen verfügt, trifft den Berater zunächst eine umfassende Informationspflicht, um dem nichterfahrenen Kunden die Unterschiede zwischen werterhaltenen und risikoreicheren Anlageformen

wie z. B. Aktienfonds oder Aktien zu verdeutlichen. Ferner hat er zu ermitteln, welchen Anlagestrategien der Kunde folgen möchte, d. h. welche Risiken er einzugehen bereit ist (BGH a. a. O.; OLG Bamberg a. a. O.).

Es fehlt an einer anlegergerechten Beratung. Für die Kammer steht nach der Beweisaufnahme fest, dass es bereits an einer hinreichenden Exploration durch den Zeugen N bei den Beratungsgesprächen fehlte. Die Kammer sieht die Behauptung der Beklagten, der Zeuge N sei das Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" mit der Klägerin im Einzelnen durchgegangen, die sich aus den Ankreuzungen dort ergebenden Sachverhalte seien zutreffend wiedergegeben, als widerlegt an. Der Zeuge N hat bei seiner Vernehmung eröffnet, die Fragestellung "Mit welchen Anlageformen haben sie bisher Erfahrungen gesammelt" sei bei dem Gespräch nicht umgesetzt worden. Der Zeuge erklärte dies damit, dass das Formular der EDV-Dokumentation diene, um festzustellen, welche Anlagen der Kunde tätigen dürfe. Damit wird offenbar, dass der Zeuge die Ausfüllung des Formulars als bloße Formalie ansah und den Inhalt der Fragen zu übergehen bereit war. Die Feststellung der bisherigen Erfahrungen, welche die Klägerin mit den dort genannten Anlageformen gegebenenfalls gesammelt hätte, war jedoch gerade von Bedeutung für die Frage, welche weitere Aufklärung der Zeuge N der Klägerin hätte geben müssen. Denn das Ausmaß der Aufklärungspflichten hängt maßgeblich von den Vorerfahrungen ab. Ohne das der Zeuge N eine solche Vorerfahrung erfragte, konnte er seriös überhaupt nicht den Umfang der ihm obliegenden Beratung ermitteln. Soweit der Zeuge N dann noch erklärt hat, er habe die in dem Formular genannten Anlageformen jeweils erklärt und nach dieser "Aufklärung" dann das Kreuzchen in der Spalte "mittlere" gesetzt, so kann diesen Bekundungen eine hinreichende Aufklärung - die auch im Übrigen nicht dezidiert dargelegt ist - nicht entnommen werden. Eine Aufklärung hinsichtlich sämtlicher dort angeführten Anlageformen hätte einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch genommen, worauf die Klägerin zurecht hinweist. Es bestand im Übrigen auch für den Zeugen N keinen Anlass auf sämtliche der genannten Anlageformen einzugehen. Den Ankreuzungen auf dem Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" kommt bereits nach vorstehendem insgesamt kein Beweiswert zu. Dass der Zeuge die anderen Fragen dem Gesprächsverlauf entsprechend ankreuzte, kann nach

der nicht seriösen Ausfüllung der Frage nach den bisherigen Erfahrungen mit Anlageformen nicht angenommen werden. Hinzu kommt, dass auch bei den anderen Ankreuzungen sich Antworten ergeben, die mit bei der Klägerin vorliegenden Gegebenheiten nicht übereinstimmen. So ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin pro Jahr Wertpapiergeschäfte bis 50.000,- DM ausführte und dies dem Zeugen N so erklärte. Nach den glaubhaften Erklärungen der Klägerin besaß diese lediglich einige Belegschaftsaktien. Diese Angabe wurde von dem Zeugen Q glaubhaft bestätigt.

Eine hinreichende Exploration, welche nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erfolgte, hätte zu dem Ergebnis führen müssen, dass die Klägerin in hohem Maße aufklärungsbedürftig war. Vorerfahrungen mit Anlagen bestanden nicht. Die Kammer folgt den glaubhaften Angaben der Klägerin, wonach eine Risikoaufklärung bei beiden Gesprächen nicht erfolgte. Für das erste Gespräch wurde dies von dem Zeugen Q glaubhaft bestätigt. Dem steht die Bekundung des Zeugen N, der auf entsprechende Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der Beklagten angab, er habe "selbstverständlich" über die Risikoklassen 1 - 7 aufgeklärt im Ergebnis nicht entgegen. Zum einen hat er diese Bekundung auf Vorhalt des Prozessbevollmächtigten der Klägerin relativiert, dahin, dass er angab keine konkrete Erinnerung mehr daran zu haben, ob vorliegend eine Aufklärung über die Risikoklassen 5 - 7 erfolgte. Zum anderen vermag die Kammer sich auf Grund des Umganges des Zeugen N mit dem Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" sich dessen Bekundungen nicht einschränkungslos anzuschließen. Einzelheiten einer Risikoaufklärung konnte der Zeuge auch nicht benennen. Nimmt man zusammen, dass der Zeuge N "Poweranlagen" empfahl, wie die Beweisaufnahme unzweifelhaft im Zusammenhang mit der Anlage 2 (Bl. 73 d. A.) ergab, dass der Zeuge wie zu seiner Entschuldigung angab, damals habe eine sehr große Euphorie geherrscht, alle hätten aus dem gelernt was passiert sei, heute wüssten alle viel mehr als damals und sieht die Strukturierung der Skizze Anlagen 2 (Bl. 73 d. A.), so liegt es bereits fern, dass eine hinreichende Risikoaufklärung erfolgt ist. Die Kammer folgt vor diesem Hintergrund den glaubhaften Erklärungen der Klägerin, wonach über Risiken der Anlage nicht gesprochen wurde. Die Kammer folgt der Klägerin ferner, soweit diese angibt, eine Broschüre "Basisinformation zum Wertpapierhandel" nicht erhalten zu haben. Entsprechen

des ist auch von der Beklagtenseite nicht behauptet worden. Eine Dokumentation, dass die Basisinformation überreicht wurden, existiert nicht. Der Zeuge N konnte hierzu lediglich noch angeben, dass regelmäßig die Basisinformationen ausgehändigt würden. Beim ersten Termin, dies hat auch der Zeuge Q bestätigt, wurden diese Basisinformationen nicht ausgehändigt. Eine solche schriftliche Information bereits beim ersten Termin hätte aber nahegelegen.

Wie bereits dargelegt, geht die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon aus, dass die Ankreuzungen auf dem Formular "Angaben nach § 31 Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz" den Gesprächsverlauf zutreffend wiederspiegeln. Es kann dahinstehen, ob der Zeuge N die Klägerin hinsichtlich ihrer persönlichen und finanziellen Lebensumstände hinreichend explorierte, um eine geeignete Anlageform empfehlen zu können. Denn selbst dann, wenn der Zeuge N die hierfür erforderlichen Fragen gestellt hat, so durfte der Zeuge N - jedenfalls nicht ohne hinreichende Risikoaufklärung - hier nicht erfolgt - der Klägerin vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Situation keine Wertpapiere der Risikoklassen 5 - 7 empfehlen. Dabei kann ferner dahinstehen, ob die Klägerin das Wort "Altersvorsorge" gebrauchte. Jedenfalls hat sie nach ihren glaubhaften Bekundungen zu erkennen gegeben, dass sie eine sichere Anlage wünschte, was vor dem Hintergrund der Aufgabe des Berufes auch verständlich erschien. Anhaltspunkte für den Zeugen N, dass die Klägerin spekulativ veranlagt war, ergaben sich nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Zeuge N, ergriffen von der allgemeinen Börseneuphorie, der Klägerin den Ankauf der eher risikobehafteten Wertpapiere und Fondsanteile nahelegte.

Letztlich fehlt es auch an einer objektbezogenen Beratung über die für das Wertpapierengagement vorgesehene Werte. Die Übergabe von einem DIN A4-Blatt pro Fonds ohne nähere Erläuterungen und ohne Übergabe von Prospekten ist nicht hinreichend.

Die Empfehlung von Fondanteilen und Aktien der Risikoklassen 5 - 7 war nach der Auffassung der Kammer objektiv nicht geeignet, dem Anlageziel "Sicherheit" zu dienen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass bei vollständiger und richtiger

Beratung das getätigte Geschäft nicht zustande gekommen wäre. Die zu Gunsten des Anlegers bestehende Vermutung aufklärungs- und beratungsrichtigen Verhaltens (BGH NJW 2001, 2021) ist vorliegend nicht widerlegt.

Die Beklagte haftet nach alledem nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB für die kausalen, zurechenbaren Schäden aus ihrer fehlerhaften Anlageberatung. Diese belaufen sich ausweislich der vorgelegten Unterlagen unter Berücksichtigung von Verkäufen auf 77.303,96 EUR.

Das weiterhin zu ersetzende negative Interesse (Vertrauensschaden) umfasst aber auch die entgangenen Zinsvorteile aus dem Anlagebetrag, also den entgangenen Gewinn nach § 252 BGB. Zwar ist ein Zinsverlust grundsätzlich konkret darzulegen. Die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast dürfen aber nicht überspannt werden, so dass zu Gunsten des Gläubigers der Zinsschaden auch nach § 287 ZPO geschätzt werden kann. Bei einem größeren Geldbetrag, bei dem eine gewinnbringende Anlage z. B. im verzinslichen Wertpapieren anzunehmen ist, sind zu Gunsten des Gläubigers die Grundsätze des Anscheinsbeweises anzuwenden. Die Kammer schätzt daher in Anlehnung an OLG Frankfurt, ZIP 1998, 1713 ff., OLG Bamberg BKR 2002, 185, den der Klägerin entstandenen Schaden anhand der Umlaufrendite festverzinslicher Wertpapiere wie von der Klägerin vorgetragen.

Die Klägerin kann insofern entgangenen Gewinn für den Zeitraum vom 31.03.2000 bis zum 28.02.2003 beanspruchen. Die Kammer hat insofern den Gesamtbetrag von 10.979,13 EUR wie folgt berechnet:

a) 31.03.2000 - 31.12.2000, Umlaufrendite 5,4 %, 276 von 366 Tagen = 3.147,92 EUR

b) 01.01.2001 - 31.12.2001, 4,8 % für 1 Jahr = 3.710,59 EUR

c) 01.01.2002 - 31.12.2002, 4,7 % für 1 Jahr = 3.633,29 EUR

d) 01.01.2003 - 28.02.2003, 3,9 %, 59 von 365 Zinstagen = 487,33 EUR

10.979,13 EUR

==========

Aus diesem Betrag, wie auch dem Kapitalbetrag von 77.303,96 EUR stehen der Klägerin wiederum Zinsen in Höhe von 5 % über den jeweiligen Basiszinssatz aus § 288 Abs. 1 BGB n. F. zu. Denn die Beklagte hat jedenfalls mit Schreiben vom 28.02.2003 (Anlage K 14 zur Klageschrift) Ansprüche der Klägerin ernstlich abgelehnt. Allerdings kann die Klägerin hier nicht einen Prozentsatz von 8,9 % (wohl gemeint: 5 % und 3,9 %) über dem jeweiligen Basiszinssatz beanspruchen, weil ein gegebenenfalls fortlaufender entgangener Gewinn in Höhe von 3,9 % Zinsen (orientiert an der Umlaufrendite) nicht zusätzlich zu dem gesetzlichen Verzugszins des

§ 288 Abs. 1 BGB n. F. verlangt werden kann. Eine Addition findet insofern nicht statt. Soweit die Kammer Zinsen auf den zugesprochenen kapitalisierten Zinsbetrag in Höhe von 10.979,13 EUR zugesprochen hat, steht dem § 289 S. 1 BGB nicht entgegen. Denn beim Verlust von Anlagezinsen wird die weitere Verzinsung nicht vom Zinseszinsverbot erfasst, § 289 S. 2

(Palandt, BGB, 63. Aufl., § 289, Rn 2).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.