OLG Köln, Urteil vom 20.07.2004 - 25 UF 24/04
Fundstelle
openJur 2011, 29052
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 317 F 11/03
Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 29. Januar 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln (317 F 11/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist die am 11. April 1990 geborene eheliche Tochter des Beklagten. Durch Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 18. Februar 1996 (1 P 1079/96 p - 17) ist er verurteilt worden, an die damals noch in Österreich wohnende Klägerin zu Händen ihrer geschiedenen Mutter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von ÖS. 2.500 jeweils bis zum 15. eines jeden Monats im vorhinein zu entrichten. ÖS 2.500 entsprechen 182 €. Mit Schreiben vom 09. September 2002 wurde der Beklagte zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts von 287 EUR aufgefordert. Da er dem Verlangen nicht nachkam, hat die Klägerin eine Abänderungsklage erhoben, die dem Beklagten am 03. September 2003 zugestellt worden ist.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe im Jahr 2002 ein monatliches Nettoeinkommen von 1.308 EUR erzielt. Zwar habe er zwischenzeitlich seinen Arbeitsplatz gewechselt und verdiene derzeit wesentlich weniger, ihm sei jedoch auf Grund seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung ein fiktives Einkommen in der vorgenannten Höhe zuzurechnen; dieses könne er erzielen, wenn er sich ausreichend darum bemühen würde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten in Abänderung des Beschlusses des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 18.02.1996, AZ: 1P 1079/96 p-17 zu verurteilen, der Klägerin zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.09.2002 Unterhalt gem. § 1 der Regelbetragsverordnung in Höhe von monatlich 114 % des jeweiligen Regelbetrages der dritten Altersstufe ohne Anrechnung des anteiligen Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), monatlich im Voraus zuzahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, er habe seine frühere Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen und verdiene nur so viel, dass er nicht mehr als den bereits titulierten Unterhalt zahlen könne. Er hat die Auffassung vertreten, die Grundlagen des Beschlusses des Bezirksgerichts Kitzbühel seien auch für die Abänderung maßgeblich, sodass auch die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Mutter zu berücksichtigen sei.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, in Abänderung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Kitzbühel vom 18.02.1996, AZ: 1P 1079/96 p-17, an die Klägerin zu Händen der gesetzlichen Vertreterin Kindesunterhalt monatlich im voraus zum 5. jeden Monats in Höhe von 269,00 EUR für den Zeitraum vom 01.09.2002 bis zum 30.06.2003 und i. H. v. 100 % des jeweiligen Regelbetrages der RegelbetragsVO dritte Altersstufe ohne Anrechnung des staatlichen Kindergeldes, derzeit also in Höhe von 284,00 EUR, ab dem 01.07.2003 zu zahlen; die weitergehende Klage hat es abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 13.02.2004 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 08.03.2004 eingegangenem Schriftsatz vom 04.03.2004 Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 07.04.2 2004, bei Gericht eingegangen am 08.04.2004, begründet.

Der Beklagte behauptet, seine frühere Tätigkeit als Kellner sei ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Er arbeite derzeit als Taxifahrer mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 665, 04 EUR. Wegen der Wechselschichten sei ihm eine zusätzliche Nebentätigkeit nicht möglich. Er ist der Ansicht, auf den Sachverhalt sei österreichisches Unterhaltsrecht anzuwenden. Das es sich um eine Abänderungsklage handle, blieben die Grundlagen des österreichischen Beschlusses weiterhin maßgebend, sodass seine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Mutter mit zu berücksichtigen sei.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 29.01.2004 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Köln AZ: 317 F 11/03 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wiederholt ihr Vorbringen und ist der Auffassung, dass deutsches Unterhaltsrecht auch im Rahmen der Abänderungsklage Anwendung finde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Die deutschen Gerichte sind gem. Art. 5 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) i.V.m. Art. 66 Abs. 1 EuGVVO international zuständig, weil die Klage nach Inkrafttreten des EuGVVO (01.03.2002) erhoben worden ist und die Klägerin ihren Wohnsitz in Köln hat.

2. Der von der Klägerin begehrten Abänderung des Beschlusses des Bezirksgerichts Kitzbühel steht nicht entgegen, dass es sich dabei um einen ausländischen Titel handelt. Es entspricht der vom Senat geteilten herrschenden Meinung, dass Unterhaltstitel auch durch Gerichte anderer Staaten abgeändert werden können, weil das ausländische Urteil Geltung allein innerhalb der Grenzen des Urteilsstaates beanspruchen kann und Wirkungen im Inland nur dann entfaltet, soweit es dort anerkannt wird. Mit der Anerkennung wird der ausländische Titel einem inländischen Titel gleichgestellt und in die hiesige Rechtsordnung übernommen (vgl. BGH FamRZ 1983, 806; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Auflage, § 323 ZPO Rn 59, jew. m.w.N.).

3. Die sich daraus ergebende Voraussetzung der Anerkennung des abzuändernden ausländischen Titels ist vorliegend ebenfalls erfüllt. Der Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel ist gem. Art. 26 LugÜ/§ 328 ZPO anzuerkennen, weil keine der in Art. 27 f. LugÜ genannten Ausnahmen vorliegen. Eines förmlichen Anerkennungsverfahrens bedarf es insoweit nicht. Die diesem inhaltlich entsprechenden Regelungen der Art. 26 ff. des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) finden gem. Art. 54 Abs. 1 EuGVÜ noch keine Anwendung, weil die Entscheidung des Bezirksgerichts Kitzbühel vor Inkrafttreten des EuGVÜ in Österreich ergangen ist.

4. Keiner Entscheidung bedarf die in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor streitige Frage, ob weitere Voraussetzung der Abänderbarkeit eines ausländischen Titels ist, dass - auch - das Recht des Urteilsstaates die Abänderung zulässt (vgl. hierzu Staudinger/Mankowski, BGB (2003), Anh. I zu Art. 18 EGBGB Rn 41; MünchKommZPO-Gottwald, 3. Aufl., § 323 ZPO Rn 113). Zwar kennt das österreichische Recht für Unterhaltstitel keine dem deutschen Recht (§ 323 ZPO) entsprechende Abänderungsklage. Nach österreichischer Rechtsprechung und Lehre bezieht sich die materielle Rechtskraft auch einer Verurteilung zu künftigen Unterhaltsleistungen nur auf jene Sachlage, die im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung vorlag, sodass nachträgliche Änderungen des rechtserzeugenden Sachverhalts von der Rechtskraft nicht erfasst werden. Ändern sich bei einer Verurteilung zu künftigen Unterhaltsleistungen nach Schluss der Verhandlung die anspruchsbegründenden oder die für die Anspruchshöhe maßgebenden Tatsachen, so steht dem Unterhaltsgläubiger, der eine Erhöhung der Unterhaltsleistungen verlangt, eine neue Leistungsklage offen, während dem Unterhaltsschuldner, der die Herabsetzung - gegebenenfalls auf Null - anstrebt, die negative Feststellungsklage bzw. die Oppositionsklage nach § 35 EO zusteht (vgl. Oberster Gerichtshof Wien, Entscheidung vom 9.4.2002 - 4 Ob 7/02m, veröffentlicht in ZfRV 2003, 111 f.). Da somit auch das österreichische Recht eine grundsätzliche Abänderbarkeit zukünftiger Unterhaltstitel kennt, kam es auf die eingangs dargestellte Streitfrage vorliegend nicht an.

5. Die Regelung der Abänderbarkeit des Beschlusses des Bezirksgerichts Kitzbühel richtet sich nach § 323 ZPO.

Die Frage, welcher Rechtsordnung die Abänderungsregelung zu entnehmen ist, ist nach wie vor streitig. Der Senat folgt jedenfalls nicht der Auffassung, dass die Abänderungsregelung des jeweiligen Urteilsstaates maßgeblich sein soll. Dies folgt aus der völkerrechtlichen Unbedenklichkeit der Abänderung eines ausländischen Titels im Inland sowie aus der Erkenntnis, dass der ausländische Titel Wirkungen im Inland nur kraft seiner Anerkennung entfaltet. Daraus ergibt sich, dass die inländische Rechtsordnung auch die Grenzen der Anerkennung bestimmt, wozu auch die Frage gehört, wieweit die Abänderung des ausländischen Titels wegen veränderter Verhältnisse möglich sein soll (vgl. BGH FamRZ 1983, 806; FamRZ 1992, 1060; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl. § 323 ZPO Rn 17; Göppinger/Wax/Linke, Unterhaltsrecht, 8. Aufl. Rn 3303 ff.). Die danach offene Frage, ob die Voraussetzungen der Abänderung sich aus dem innerstaatlichen Prozessrecht als der lex fori ergeben oder, wenn man die Frage der Abänderbarkeit dem Unterhaltsstatut zurechnet, aus dem innerstaatlichen materiellen Kollisionsrecht (vgl. dazu BGH FamRZ 1983, 806; FamRZ 1992, 1060; Göppinger/Wax/Linke a.a.O.; Johannsen/Henrich/Brudermüller a.a.O. Rn 60; MünchKommZPO-Gottwald, a.a.O. § 323 ZPO Rn 117 ff.), bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Auch nach der letzteren Auffassung findet vorliegend § 323 ZPO Anwendung, weil die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat und daher gem. Art. 4 des von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 02.10.1973 (HUÜ - BGBl 1986 II, 837) deutsches Recht maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass die Republik Österreich bislang noch nicht zu den Unterzeichnern des Übereinkommen gehört und die Klägerin österreichische Staatsangehörige ist (vgl. BGH FamRZ 1983, 806).

6. Das Erfordernis einer wesentlichen Änderung der i.S. des § 323 ZPO maßgeblichen Verhältnisse ist erfüllt. Das ergibt sich bereits aus dem altersmäßig gestiegenen Lebensbedarf der jetzt 14 Jahre alten Klägerin, die im Zeitpunkt des abzuändernden Beschlusses knapp 6 Jahre alt war. Von daher bedarf es keiner Entscheidung, ob allein in dem gem. Art. 4 Abs. 2 HUÜ eingetretenen Statutenwechsel eine maßgebliche Änderung i.S.d. § 323 ZPO gesehen werden kann. Die Abänderung kann auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit, also rückwirkend zum 01.09.2002 geltend gemacht werden, weil gem. § 323 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 1613 Abs. 1 BGB der Beklagte durch das Schreiben des Beistands vom 09.09.2002 in Verzug gekommen ist. Von daher kann dahinstehen, ob § 323 Abs. 3 ZPO bei der Abänderung ausländischer Titel überhaupt Anwendung findet (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Brudermüller a.a.O. Rn 60 m.w.N.).

7. Die grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung des Beklagten ergibt sich aus dem abzuändernden Beschluss, der insoweit keiner Überprüfung unterliegt; sie ergibt sich im übrigen aber auch aus § 1601 ff. BGB. Der Maßstab für die Abänderung des ausländischen Titels richtet sich nach deutschem Recht.

In Rechtsprechung und Literatur ist seit langem streitig, nach den Maßstäben welchen Rechts bei der Anpassung des ausländischen Titels die Art und Höhe der Unterhaltsleistungen zu bemessen ist. Insoweit wird zum einen vertreten, dass das aus der Sicht des angerufenen Gerichts nach dem Unterhaltsstatut berufene Recht maßgeblich sei, während nach anderer Auffassung das dem abzuändernden Titel zu Grunde liegende Sachrecht für Art und Höhe der anzupassenden Unterhaltsleistung weiterhin maßgeblich sein soll ( vgl. hierzu Göppinger/Wax/Linke a.a.O Rn 3303 ff.; Staudinger/Mankowski, a.a.O. Anh. I zu Art. 18 EGBGB Rn 43 f; MünchKommBGB-Siehr, 3. Aufl. Art. 18 Anh I Rn 322 ff.). Der Bundesgerichtshof hat sich in Fällen, in denen die Klägerin auch schon zu Zeiten des abzuändernden Titels in der Bundesrepublik Deutschland wohnte, der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen (BGH FamRZ 1983, 806; FamRZ 1992, 1060). Ob das Abänderungsgericht bei zwischenzeitlichem Statutenwechsel zur Anwendung des dadurch berufenen neuen Sachrechts befugt wäre, hat er dabei ausdrücklich offen gelassen; dies wird in der Literatur teilweise übersehen (vgl. z.B. Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Auflage § 323 Rn 12). Nach Auffassung des Senats bemisst sich jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Statutenwechsel stattgefunden hat, der Maßstab für die Abänderung nach dem aktuellen Unterhaltsstatut, vorliegend also nach deutschem Recht.

Gem. Art. 4 Abs. 1 HUÜ ist für Unterhaltspflichten, die sich aus Beziehungen der Familie ergeben, das am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend. Abs. 2 dieser Vorschrift bestimmt sodann, dass in einem Fall, dass der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt wechselt, vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das innerstaatliche Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden ist. Der Wortlaut des Art. 4 HUÜ enthält keine Einschränkung dahin, dass diese Bestimmung lediglich auf Erstklagen, jedoch nicht auf Abänderungsklagen Anwendung finden soll. Insoweit unterscheidet er sich von Art. 8 HUÜ, in dem ausdrücklich abweichend von Art. 4 HUÜ geregelt ist, dass für die dort genannten Fälle des nachehelichen Unterhalts selbst im Falle eines an sich gegebenen Statutenwechsels im Sinne von Art. 4 auch für die Abänderung weiterhin das auf die Entscheidung angewandte Recht maßgeblich sein soll. Daraus ließe sich bereits im Wege des Umkehrschlusses folgern, dass im Rahmen des Art. 4 das durch den Statutenwechsel berufene Recht auch für die Abänderung maßgeblich sein soll (so im Ergebnis auch Staudinger/Mankowski, a.a.O. Anhang I zu Art. 18 EGBGB Rn 46). Allein dies wird auch dem Sinn und Zweck des HUÜ, das den Unterhaltsberechtigten begünstigen will, gerecht. So regelt Art. 10 Nr. 1 HUÜ, dass das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht insbesondere bestimmt, ob und in welchem Ausmaß der Berechtigte Unterhalt verlangen kann. Art. 11 Abs. 2 HUÜ verstärkt dies noch dahingehend, dass selbst in den Fällen, in denen von der Anwendung eines durch dieses Übereinkommen bestimmten Rechts wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung abgesehen werden darf, bei der Bemessung des Unterhaltsbetrages die Bedürfnisse des Berechtigten und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unterhaltsverpflichteten selbst dann zu berücksichtigen sind, wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt. Diese bewusste Begünstigung des Berechtigten würde jedoch in einer Vielzahl von Fällen leer laufen, wollte man den Wechsel des Unterhaltsstatuts nicht auch auf Abänderungsklagen anwenden. So heißt es denn auch in der Denkschrift zu dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Haager Übereinkommen vom 2.10.1973 (Bundestags-Drucksache 10/258 auf Seite 61 unter Nr. 140):

" Die Lage der genannten Parteien wird sich selbstverständlich nicht ändern, solange keine Partei gegen die andere bei der zuständigen Behörde die Änderung der Unterhaltsrente nach einer Veränderung des Anknüpfungsmoments verlangt. Das Problem des "Statutenwechsels" wird nie von Amts wegen allein aufgrund einer Veränderung des Anknüpfungsmoments gelöst.

Im Fall eines "Statutenwechsels" ist daher eine neue gerichtliche oder Verwaltungs- Entscheidungen zur Änderung der früheren erforderlich …."

Zu welch merkwürdigen Ergebnissen eine andere Auffassung kommen könnte, wird durch den vorliegenden Fall besonders deutlich: würde die Klägerin in Österreich wegen des gestiegenen Lebensbedarfs zulässiger Weise (s.o.) eine neue Leistungsklage erheben, würde das österreichische Gericht in Ermangelung anderweitiger Bindungswirkung (s.o.) gem. Art. 1 HAUK, der dem Art. 4 HUÜ entspricht, deutsches Recht zugrunde legen (das HUÜ findet in Österreich keine Anwendung, vgl. Staudinger/Mankowski a.a.O. Anh. I zu Art. 18 EGBGB Rn 436).

Eine "Versteinerung" des Unterhaltsstatuts in Fällen der Abänderungsklage kommt daher bei einem Statutenwechsel nicht in Betracht (so auch OLG Koblenz OLGR 2003, 339; Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Stand März 2004, VIII Rn 331; Göppinger/Wax/Linke a.a.O. Rn 3309; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl. I Rn 1111; Johannsen/Henrich/Brudermüller a.a.O. Rn 61; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage § 7 Rn 254; Eschenbruch/Dörner, Der Unterhaltsprozess, 3. Auflage, Rn 8098; Staudinger/Mankowski, a.a.O. Anh. I zu Art. 18 EGBGB Rn 44 ff.; Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl., Art. 18 EGBGB Rn 17; MünchKommZPO-Gottwald a.a.O. § 323 ZPO Rn 120; MünchKommBGB-Siehr a.a.O. Art. 18 Anh I EGBGB Rn 320, 327; Kartzke NJW 1988, 104, 107).

8. Zu Recht hat das Amtsgericht den Beklagten für verpflichtet gehalten, an die minderjährige Klägerin jedenfalls den Mindestunterhalt der dritten Altersstufe nach der Düsseldorfer Tabelle bzw. 100 % des Regelbetrages nach der Regelbetrags-Verordnung als Unterhalt zu zahlen. Der Beklagte verdiente im Jahre 2002 als Kellner durchschnittlich rund 1.300 EUR monatlich. Zwar wurde er im Mai 2003 arbeitslos und verdiente ab 9/2003 angeblich nur noch rund 635 EUR netto als bei seinem Bruder angestellter Taxifahrer. Der Beklagte ist der Klägerin gegenüber aber gem. § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtig. Er hat nicht dargelegt, dass er kein solches Einkommen erzielen könnte, das ihn befähigen würde, jedenfalls den Mindestunterhalt zu zahlen. Der Senat hat bereits Bedenken, ob der Beklagte seine Stelle als Kellner wegen der geltend gemachten gesundheitlichen Beschwerden aufgeben durfte. Je nach Ursache hätten sich die vorgetragenen wiederholt aufgetretenen Nagelbettentzündungen ggfs. auch operativ dauerhaft beseitigen lassen. Jedenfalls fehlt es bereits an substanziierten Darlegungen, dass sich der Beklagte in der gebotenen Weise um eine entsprechende Tätigkeit bemüht hätte. Der familiär ungebundene Beklagte durfte evtl. Bemühungen auch nicht auf den Bereich seines Wohnsitzes beschränken. Seiner pauschalen Behauptung, auf dem gesamten österreichischen Arbeitsmarkt könne er als ungelernte Kraft keine Beschäftigung finden, die ihn befähigen würde, den Mindestunterhalt für die Klägerin zu zahlen, brauchte der Senat angesichts des Umstandes, dass der Beklagte überhaupt keine Nachweise über Erwerbsbemühungen vorgelegt hat, nicht nachzugehen, weil sie offensichtlich ins Blaue hinein erfolgt ist. Dem Beklagten ist daher fiktiv ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von jedenfalls rund 1.150 € zuzurechnen, mit dem er den Mindestunterhalt für seine Tochter zahlen könnte. Evtl. Unterstützungsleistungen an seine Mutter sind dabei nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn man im Rahmen der Abänderung eines ausländischen Urteils trotz Statutenwechsels die Grundlagen des abzuändernden Urteils weiterhin berücksichtigt. Im Beschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel ist ausgeführt, dass die minderjährige Klägerin der Mutter des Beklagten vorgehe (so auch § 1609 BGB). Bei den Ausführungen des Bezirksgerichts, dass die seinerzeitige Unterstützung der Mutter des Beklagten aus solchen Geldquellen (Trinkgeld, freie Kost und Logis) gespeist werde, die bei der Berechnung des damals ausgeurteilten Unterhalts gerade keine Rolle gespielt haben und dem Beklagten daher weiterhin zur Verfügung standen, handelt es sich somit um eine bloße Hilfsüberlegung. Im Übrigen geht der Senat auch davon aus, dass der Beklagte durchaus 1.300 € verdienen könnte, so dass er die bis auf 80 EUR für Medikamente nicht weiter bezifferte Unterstützung seiner Mutter auch weiterhin leisten könnte.

Eine Anrechnung des hälftigen Kindergeldes findet gem. § 1612b Abs. 5 BGB nicht statt, weil der Beklagte nur 100 % und damit nicht mehr als 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrags-Verordnung zahlen muss. Von daher kam es nicht darauf an, dass der Beklagte als in Österreich lebender Ausländer gem. § 62 EStG kein Anspruchsberechtigter auf Kindergeld ist und auch von daher die hälftige Anrechnung von Kindergeld ausscheidet (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2000, 907).

Die Berufung des Beklagten war daher zurückzuweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Da die Frage der Anwendbarkeit des neuen Unterhaltsstatuts auf das Maß des Unterhalts im Rahmen einer Abänderung eines ausländischen Titels bei einem Statutenwechsel von grundsätzlicher Bedeutung ist, lässt der Senat die Revision zu.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 4.678 €

Rückstand: 09/2002 - 01/2003: 269 x 5 = 1.345;

laufend [02-06/2003: 269 x 5 =] 1.345 + [07/2003 -01/2004: 284 x 7 =] 1.988.