Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.01.2016 - 13 K 12/15
Fundstelle
openJur 2016, 8263
  • Rkr:
Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen eines Reisebüros, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von Reisen angefallen sind, die erst im Folgejahr angetreten wurden, als unfertige Leistungen zu aktivieren sind.

Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Kläger betreibt seit dem Jahr 2003 in H ein Reisebüro. Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich.

Es handelt sich bei dem Reisebüro um ein Franchiseunternehmen, dass unter der Bezeichnung „XXX“ am Markt auftritt.

Nach dem Agenturvertrag zwischen der XXX GmbH (zukünftig: XXX) und dem Kläger vom YY. YY 2003 erhielt der Kläger für „alle zur Ausführung gelangten Buchungsgeschäfte“ eine Provision (§ 4 Abs. 1 des Vertrags). Die Provision betrug grundsätzlich 10 % des jeweiligen Reisepreises. Wegen der Höhe des erzielten Umsatzes erzielte der Kläger für ein bestimmtes Umsatzvolumen eine noch höhere Provision.

Die Abrechnung erfolgte dergestalt, dass der Kläger von XXX monatliche Agenturabrechnungen erhielt, die die Provisionszahlungen von sämtlichen mit XXX verbundenen Reiseveranstaltern auswiesen („AAA“, „BBB“, „CCC“, „DDD“, „EEE“, „FFF“, „GGG“).

Bis Oktober 2010 zahlte XXX die Provisionen erst ca. drei Wochen vor dem Reiseantritt des Kunden an den Kläger aus. Eine Abgrenzung der Provisionserlöse war daher regelmäßig nicht erforderlich. Ab November 2010 stellte XXX das Verfahren dahingehend um, dass die XXX-Agenturabrechnungen bereits in dem Monat nach der Festbuchung erstellt und die Provisionen ausgezahlt wurden, wenn die Anzahlung oder der vollständige Reisepreis bei XXX oder dem jeweiligen Veranstalter eingegangen waren. Alle bis zum 31. Oktober 2010 getätigten Festbuchungen, die noch nicht durchgeführt worden waren, wurden auf diesen Zeitpunkt mit dem Provisionsabschlagsatz vergütet. Bei einer nachträglichen Änderung der Buchung (Umbuchung/Stornierung) wurden die dadurch veränderten Provisionsansprüche mit der nächsten Abrechnung verrechnet. Im Falle der Nichtausführung der gebuchten Reise entfiel der Anspruch auf Provision, wenn die Nichtausführung nicht von der XXX zu vertreten war. Auch in diesem Fall wurde eine Verrechnung in der nächsten Abrechnung vorgenommen.

XXX aktivierte die geleisteten Provisionszahlungen für Reisen, die erst nach dem Abschlussstichtag angetreten wurden, als „Vorauszahlungen auf nicht begonnene Reisen“. Dabei ging XXX davon aus, dass der Anspruch des Reisebüros auf die Provision nach § 87a HGB erst entstand, sobald und soweit XXX die vermittelte Reise ausführte. XXX erläuterte dem Prüfer, dass die Vertriebskonditionen nichts Abweichendes regeln würden. Die Auszahlungen nach der Festbuchung seien Provisionsabschlagzahlungen, die zwar vor Ausführung des vermittelten Geschäfts ausbezahlt werden würden, die allerdings keinen Anspruch begründen würden, sofern die Reise nicht zustande komme.

Der Kläger buchte die von XXX erhaltenen Provisionen zunächst auf dem Konto „passive Rechnungsabgrenzung“. Sie wurden zum Reisedatum des Kunden auf das Erlöskonto umgebucht.

In seiner Bilanz auf den 31. Dezember 2010 wies der Kläger einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten (PRAP) für die Provisionen in Höhe von 44.807,35 € aus.

Der Einkommensteuerbescheid 2010 erging am 25. Mai 2012. Er stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Von Oktober 2013 bis April 2014 wurde bei dem Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2011 durchgeführt.

Der Prüfer stellte fest, dass in dem passiven Rechnungsabgrenzungsposten in Höhe von 44.807,35 € nur Beträge enthalten waren, die auf Provisionszahlungen von XXX beruhten. Er folgte hinsichtlich dieser Beträge der Auffassung des Klägers, dass die erhaltenen Provisionen erst im Zeitpunkt des Reiseantritts als Ertrag zu erfassen waren und dass die Provisionen, die für Reisen gezahlt wurden, die erst im Folgejahr angetreten wurden, passiv abzugrenzen seien.

Er war aber der Auffassung, dass die Betriebsausgaben, die mit diesen Provisionen im Zusammenhang standen, als unfertige Leistungen zu aktivieren seien. Er begründete diese Ansicht damit, dass sämtliche Leistungen des Klägers hinsichtlich der Vermittlung bzw. des Verkaufs der Reise bereits im Zeitpunkt der Buchung erbracht worden seien, so dass auch die damit zusammenhängenden Aufwendungen bereits entstanden seien. Um diese – ebenso wie den Ertrag aus den Aufwendungen – periodengerecht zuzuordnen, müssten die Aufwendungen ebenfalls aktiv abgegrenzt werden, soweit die Gewinnrealisation erst im Folgejahr eingetreten sei. Der Prüfer verwies auf das Urteil des FG Münster vom 21. Dezember 2011 (Az. 9 K 380/08 K, G, F, Zerl, EFG 2012, 1286).

Der Kläger war dagegen der Auffassung, dass eine solche Aktivierung nicht möglich sei, weil den einzelnen Vermittlungsleistungen keine Einzelkosten zugeordnet werden könnten. In dem zu aktivierenden Posten würden nur anteilige Gemeinkosten enthalten sein. Außerdem würden zum 31. Dezember 2010 bezüglich der in dem PRAP abgebildeten Provisionen keinerlei Ansprüche des Klägers bestehen.

Der Prüfer war zunächst der Auffassung, dass der zu aktivierende Betrag anhand des Verhältnisses zwischen Gewinn und Umsatz ermittelt werden könne:

Provisionsumsätze in 2010xxx.xxx,xx €Aufwendungen in 2010xxx.xxx,xx €Gewinnxx.xxx,xx €                Verhältnis Gewinn/Umsatz24,51556 %Gewinnanteil an dem Umsatz beträgt rund 25 %                        Wert des PRAP44.807,35 €abzüglich des Gewinnanteils (25 %)11.201,83 €= zu aktivierender Betrag33.605,51 €                Der Kläger legte eine abweichende Berechnung vor, die er damit begründete, dass nicht jeder Kundenkontakt zu einem erfolgreichen Abschluss führe. Da nur ca. 70 % der Kundenkontakte zu einem Abschluss führen würden, dürfe nur 70 % der Umsatzrentabilität von 75 % angesetzt werden, um den Anteil der Kosten für die erfolgreichen Abschlüsse zu erhalten, die erst im Folgejahr umgesetzt werden würden. Dieser Anteil betrage 52 % (70 % von 75 %). Außerdem müsse noch ein Sicherheitsabschlag entsprechend dem Vorgehen des FG Münster in dem Urteil vom 21. Dezember 2011 vorgenommen werden.

Nachdem der Prüfer die Provisionserlöse für Buchungen erhalten hatte, die zwar im Jahr 2010 vermittelt worden waren, die aber nicht in dem PRAP enthalten waren, weil sie erst im Januar oder Februar 2011 abgerechnet worden waren, folgte er im Wesentlichen der Berechnung des Klägers. Den Abschlag von dem ermittelten Wert in Höhe von 52 % setzte der Prüfer mit 10 % an. Hiermit sollten die allgemeinen Verwaltungskosten berücksichtigt werden, die nicht aktivierungspflichtig seien:

Wert des PRAP44.807,35 €zzgl. Provisionsabschläge, die in 01/2011 oder 02/2011        abgerechnet wurden12.829,45 €Summe 57.636,81 €                davon 52 %29.971,14 €                davon Abschlag für Verwaltungskosten: 10 %./.        2.997,11 €                Unfertige Leistungen26.974,03 €                Der Prüfer erhöhte dementsprechend den Steuerbilanzgewinn. Der Einkommensteuerbescheid 2010 wurde am 5. Juni 2014 gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert.

Mit am 2. Juli 2014 eingegangenem Einspruch trugen die Kläger vor, dass der BFH mit Urteil vom 9. Oktober 2013 (Az. I R 15/12) das Urteil des FG Münster vom 21. Dezember 2011 – 9 K 3802/08 aufgehoben habe. Der BFH habe zwar keine Ausführungen dazu gemacht, ob die auf die Vermittlungsleistungen entfallenden Aufwendungen als unfertige Erzeugnisse zu aktivieren seien. Er lehne es aber ab, dass eine Provisionsforderung, die unter einer aufschiebenden Bedingung stehe, teilweise zu aktivieren sei.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 6. Januar 2015 als unbegründet zurück. Er verwies darauf, dass in der Literatur bei einem wegen fehlender Gewinnrealisierung noch schwebenden Geschäft eine Aktivierung von Aufwendungen als „teilfertige Arbeiten“ nicht nur für gegenständliche Gewerke, wie z.B. Bauwerke sondern auch für Dienstleistungen angenommen werde (Schmidt/ Weber-Grellet, § 5 Rz. 270 Stichwort „unfertige Leistungen“; Blümich/ Krumm § 5 EStG Rz. 740 Stichwort: „unfertige Leistungen“; Schulz in Herrmann/ Heuer/ Raupach, § 5 EStG, Rz. 1002). Auch der BFH habe in seiner älteren Rechtsprechung eine Aktivierungspflicht der eigenen Aufwendungen angenommen, wenn am Bilanzstichtag noch keine Gewinnrealisierung für den Provisionsanspruch eingetreten sei, weil das vermittelte Geschäft noch nicht ausgeführt worden sei (BFH-Urteil vom 25. August 1955, BStBl III 1955, 307). Aktivierungspflichtig seien danach allerdings nur Beträge, die unmittelbar mit den einzelnen Geschäften zusammenhängen würden. Ausgeschieden werden müssten auch Beträge, die das Jahresergebnis nicht wesentlich verändern würden. Nur so könne das Geschäft insgesamt, also auch bezüglich des unmittelbar zuzuordnenden Aufwands „in der Schwebe“ gehalten werden. Der von dem Prüfer hierfür geschätzte Betrag beruhe auf einer nachvollziehbaren Berechnung unter Berücksichtigung der Einwendungen des Klägers.

Mit am 5. Februar 2015 eingegangener Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Die Kläger berufen sich auf das BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 (I R 28/08, BFH/NV 2010, 432), in dem ausgeführt wird, dass eine Provisionsforderung, die am Bilanzstichtag unter einer aufschiebenden Bedingung der Ausführung des vermittelten Geschäfts stehe, insgesamt nicht realisiert sei. Deshalb komme auch eine teilweise Aktivierung der Provisionsforderung als „unfertige Leistung“ nicht in Betracht, selbst wenn die Vermittlungsleistungen bereits vollständig erbracht worden seien.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid für 2010 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 5. Juni 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2015 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb die als teilfertige Leistungen aktivierten, auf erbrachten Vermittlungsleistungen entfallenden Aufwendungen in Höhe von 26.974,03 € als laufende Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte stimmt dem Kläger insoweit zu, als die Gewinnrealisierung für die Provisionen erst zum Zeitpunkt des Reiseantritts erfolgt sei, so dass die Provisionsforderungen vorher noch nicht zu bilanzieren gewesen seien. Entsprechende Zahlungen von XXX seien passiv abzugrenzen. Um aber den gesamten Vorgang steuerlich zu neutralisieren, seien die mit den geleisteten Anzahlungen im Zusammenhang stehenden Kosten aktiv abzugrenzen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

I. Die Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb des Jahres 2010 durften nicht durch Aktivierung von „unfertigen Leistungen“ in Höhe von 26.974,03 € erhöht werden.

1. Das Gericht folgt der Auffassung der Beteiligten, dass der Gewinn aus den erbrachten Vermittlungsleistungen des Klägers erst im Zeitpunkt der Ausführung der Reiseleistungen realisiert wurde.

a) Der Kläger wird für XXX als Handelsvertreter gemäß §§ 84ff. HGB tätig. Er vermittelt Reiseleistungen, die von XXX oder von mit XXX verbundenen Veranstaltern erbracht werden, an die Kunden des Reisebüros und erhält hierfür eine Provision (vgl. § 4 Abs. 1 des Agenturvertrags).

b) Zivilrechtlich entsteht der Provisionsanspruch aufschiebend bedingt mit dem Abschluss des Vertrags zwischen dem Unternehmer und dem Dritten (§ 87 Abs. 1 Satz 1 HGB).

Die aufschiebende Bedingung entfällt in dem Zeitpunkt, in dem der Unternehmer das Geschäft ausführt (§ 87a Abs. 1 Satz 1 HGB). Unter „Ausführung“ im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB wird der Vollzug des vermittelten Geschäfts im Sinne der Erbringung der geschuldeten Leistung verstanden (von Hovningen-Huene in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 87a Rz. 7). Für das unbedingte Entstehen des Provisionsanspruchs kommt es daher auf den Zeitpunkt der Erbringung der Reiseleistungen an. Zwar sind nach § 87a Abs. 1 Satz 2 HGB abweichende Vereinbarungen zulässig. In § 4 Abs. 1 des Agenturvertrags vom YY. YY 2003 wird aber ebenfalls auf die „Ausführung“ der Buchungsgeschäfte abgestellt.

Ab dem Zeitpunkt der Erbringung der Reiseleistungen durch den Unternehmer steht der Provisionsanspruch für den Fall, dass der Kunde die Reiseleistungen nicht bezahlt, noch unter einer auflösenden Bedingung (§ 87a Abs. 2 HGB). Die Fälligkeit des Anspruchs ergibt sich aus den Vereinbarungen über die Rechnungslegung (§ 87a Abs. 4 HGB; zum Ganzen: BGH-Urteil vom 21. Dezember 1989 IX ZR 66/89, NJW 1990, 1665; BGH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX ZR 195/03, BGHZ 159, 388).

c) Steuerrechtlich werden Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ausgewiesen, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs (- BFH -) vom 8. November 2000 I R 10/98, BStBl II 2001, 349; BFH-Urteil vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BStBl II 1993, 786). Diese Voraussetzungen sind gegeben, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldete Erfüllungshandlung erbracht, d.h. seine Verpflichtung „wirtschaftlich erfüllt“ hat, so dass dem Schuldner der Gegenleistung die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht mehr zusteht. Damit ist dem Leistenden der Anspruch auf die Gegenleistung (die Zahlung) so gut wie sicher. Sein Risiko reduziert sich darauf, dass der Empfänger im Einzelfall Gewährleistungsansprüche geltend macht oder sich als zahlungsunfähig erweist. Deshalb ist ab diesem Zeitpunkt der Schwebezustand des zugrunde liegenden Geschäfts beendet und der Gewinn aus der Leistungsbeziehung realisiert (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB). Ohne Bedeutung für die Gewinnrealisierung ist, ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt worden ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen oder ob die Forderung erst nach dem Bilanzstichtag fällig wird (BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BStBl II 2006, 20; BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033; BFH-Beschluss vom 14. April 2011 X B 104/10, BFH/NV 2011, 1343).

d) Bei einem Provisionsanspruch eines Handelsvertreters geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Provisionsanspruch noch nicht mit dem Abschluss des vermittelten Vertrags sondern erst im Zeitpunkt der Ausführung des Geschäfts (hier: der Reiseleistungen) durch den Unternehmer realisiert ist. Begründet wird diese Ansicht damit, dass für die Aktivierung des Provisionsanspruchs entscheidend ist, in welchem Zeitpunkt der Handelsvertreter seine eigenen vertraglichen Verpflichtungen erfüllt hat und wann der Unternehmer die Leistung als vertragsgemäß abnimmt. Da die Handelsvertreterleistung nicht nur auf ein Tätigwerden sondern auf eine erfolgreiche Vermittlung gerichtet ist, sieht der BFH den Provisionsanspruch vor der Ausführung des Geschäfts durch den Unternehmer als mit so beachtlichen Risiken belastet an, dass eine Aktivierungspflicht noch nicht bejaht wird. Mit der Ausführung des Geschäfts steht dagegen fest, dass die Vermittlungsleistung erfolgreich ist, so dass die Gewinnrealisierung unabhängig davon eintritt, ob die Provision für den Handelsvertreter schon abgerechnet oder fällig ist. Vor dem Zeitpunkt der Ausführung des vermittelten Geschäfts handelt es sich dagegen noch um ein schwebendes Geschäft (BFH-Urteil vom 15. Januar 1963 I 259/61 S, BStBl III 1963, 256; BFH-Urteil vom 17. Januar 1963 IV 335/59 S, BStBl III 1963, 257; BFH-Urteil vom 3. Mai 1967 I 111/64, BStBl III 1967, 464; BFH-Urteil vom 19. Oktober 1972 I R 50/70; BStBl II 1973, 212 (aus Sicht des Geschäftsherrn); BFH-Urteil vom 22. Februar 1973 IV R 168/71, BStBl II 1973, 481 (aus Sicht des Geschäftsherrn); BFH-Urteil vom 20. Januar 1983 IV R 168/81, BStBl II 1983, 375 (Tz. 18 bei juris; aus Sicht des Geschäftsherrn); BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 94/03, BStBl II 2006, 20; BFH-Urteil vom 28. Oktober 2009 I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; für Versicherungsvermittler außerdem: BFH-Urteil vom 21. Oktober 1971 IV 305/65, BStBl II 1972, 274; BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 12/99, BStBl II 2000, 25; BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033; BFH-Urteil vom 9. Oktober 2013 I R 15/12, BFH/NV 2014, 907; vgl. auch BMF-Schreiben vom 28. Mai 2002 IV A 6-S 2132-10/02, juris; ebenso: Frotscher in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 104 und 107; unklar: Schulz in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 5 Rz. 1486; anderer Ansicht: Schiffers in Korn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 343ff.: Realisierung bereits mit Vertragsabschluss zwischen Geschäftsherrn und Dritten).

e) Nach dieser Rechtsprechung - der der Senat uneingeschränkt folgt - ist der Provisionsanspruch des Klägers erst realisiert, wenn die Erbringung der Reiseleistungen begonnen hat. Erst zu diesem Zeitpunkt erkennt XXX die Vermittlungsleistung des Klägers als erfolgreich an. Dies ergibt sich aus § 4 Abs. 1 des Agenturvertrags, der ausdrücklich auf „zur Ausführung gelangte“ Buchungsgeschäfte abstellt. Es liegen daher keine von den Regelungen des HGB abweichenden vertraglichen Vereinbarungen vor, die gegebenenfalls zu einem abweichenden Realisierungszeitpunkt führen könnten (siehe dazu: BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033). Mit dieser Auffassung geht einher, dass XXX die bereits im Monat nach der Festbuchung gezahlten Provisionsvorschüsse als Vorauszahlungen behandelt hat und für Reisen, die erst nach dem Abschlussstichtag angetreten wurden, aktiv abgegrenzt hat. Auch der Kläger und das beklagte Finanzamt gehen von dieser Rechtslage aus.

f) Aus dem Umstand, dass die Reiseleistungen von den Kunden nach der Buchung regelmäßig teilweise bezahlt werden, lässt sich kein anderer Realisierungszeitpunkt herleiten. Zwar bestimmt § 87a Abs. 1 Satz 3 HGB, dass der Provisionsanspruch spätestens entsteht, sobald und soweit der Dritte (der Kunde) das Geschäft ausgeführt hat; also die Zahlung erfolgt ist. Insoweit greift aber § 4 Abs. 1 des Agenturvertrags ein, der - von der gesetzlichen Regelung abweichend - den Provisionsanspruch erst im Zeitpunkt der Ausführung der Reiseleistungen als verdient annimmt. Auch unabhängig von dieser individualvertraglichen Vereinbarung hängt das Weiterbestehen des Provisionsanspruchs davon ab, ob die Reiseleistung erbracht wird, ob der Unternehmer (XXX) die Nichtdurchführung zu vertreten hat oder ob die Reise ohne Verschulden des Reiseveranstalters nicht durchgeführt wurde (§ 87a Abs. 3 Satz 2 HGB). Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Erfolgsabhängigkeit der Handelsvertreterleistung kann die steuerrechtliche Realisierung des Provisionsanspruchs deshalb nicht vor der Durchführung der Reise angenommen werden. Auch der Gesichtspunkt der kaufmännischen Vorsicht gebietet, den Realisierungszeitpunkt erst dann anzunehmen, wenn der Gegenstand der Vermittlungsleistung tatsächlich erbracht wird.

g) Aus diesen Überlegungen folgt, dass zum 31. Dezember 2010 Vermittlungsleistungen des Klägers im Wert von insgesamt 57.636,81 € bilanzsteuerrechtlich noch nicht realisiert waren. Es handelt sich zum einen um die bereits geleisteten Provisionszahlungen von XXX in Höhe von 44.807,35 € für Reisevermittlungen, bei denen die Reiseleistungen erst nach dem Stichtag erbracht wurden. Hinzu kommen Vermittlungsleistungen im Wert von 12.829,45 €, bei denen die Reiseleistungen erst nach dem Stichtag erbracht wurden und die außerdem von XXX im Zeitpunkt des Stichtags noch nicht abgerechnet worden waren.

h) Bei diesen Vermittlungsleistungen handelt es sich um schwebende Geschäfte. Schwebende Geschäfte sind auf gegenseitigen Leistungsaustausch gerichtete Verträge, die hinsichtlich der vereinbarten Sach- oder Dienstleistungspflicht noch nicht voll erfüllt sind (z.B. BFH-Urteil vom 3. Februar 1993 I R 37/91, BStBl II 1993, 441; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735). Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft dürfen in der Bilanz grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, weil während des Schwebezustands die widerlegbare Vermutung besteht, dass sich die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag wertmäßig ausgleichen. Ein Bilanzausweis ist nur geboten, wenn und soweit das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (BFH-Urteil vom 9. Juni 2015 X R 27/13, BFH/NV 2015, 1676; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 III R 14/11, BStBl II 2014, 675; BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 X R 25/11, BStBl II 2014, 517; BFH-Beschluss vom 2. April 2008 I B 197/07, BFH/NV 2008, 1355; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, BStBl II 1997, 735; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Auflage, Abschnitt D, Rz. 380). Auch die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist nach Einführung des § 5 Abs. 4a EStG für steuerliche Zwecke nicht mehr zulässig.

i) Daher brauchte der Kläger die von XXX im Jahr 2010 erhaltenen Provisionsvorschüsse noch nicht erfolgswirksam zu erfassen, soweit die zugrunde liegenden Vermittlungsleistungen zum 31. Dezember 2010 als schwebende Geschäfte zu charakterisieren waren. Um die Geschäfte „in der Schwebe“ zu halten, mussten die Zahlungen in Höhe von 44.807,35 € durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG) oder durch die Passivierung von „erhaltenen Anzahlungen auf Bestellungen“ (§ 266 Abs. 3 Abschn. C, 3. HGB) neutralisiert werden (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 12/99, BStBl II 2000, 25; BFH-Urteil vom 17. März 2010 X R 28/08, BFH/NV 2010, 2033; Frotscher in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 107b). „Erhaltene Anzahlungen“ im Sinne von § 266 Abs. 3 HGB liegen dabei auch dann vor, wenn es sich - wie hier - um Vorleistungen auf noch zu erbringende Dienstleistungen handelt (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1999 IV R 12/99, BStBl II 2000, 25).

II. Die Charakterisierung der streitigen Vermittlungsleistungen als schwebende Geschäfte bedeutet aber entgegen der Auffassung des Beklagten nicht, dass die mit den schwebenden Vermittlungsleistungen im Zusammenhang stehenden Aufwendungen im Jahr 2010 nicht aufwandswirksam erfasst werden durften. Es brauchte kein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten gebildet zu werden.

1. Zwar hatte der BFH auf der Grundlage einer dynamischen Bilanzauffassung in dem von dem Beklagten zitierten Urteil vom 25. August 1955 (IV 510/53 U, BStBl III 1955, 307) eine solche Ansicht vertreten (ebenso: BFH-Urteil vom 13. Mai 1958 I 290/56 U, BStBl III 1958, 331; BFH-Urteil vom 22. Mai 1958 IV 222/56 U, BStBl III 1958, 333; BFH-Urteil vom 3. Dezember 1964 IV 255/64 U, 256/64 U, BStBl III 1965, 93). Diese Rechtsprechung wurde aber von dem BFH später aufgegeben. Im Zusammenhang mit Streitigkeiten bezüglich der Bildung von aktiven Rechnungsabgrenzungsposten legte der BFH in der Folgezeit mehrfach dar, dass es handels- und steuerrechtlich keinen allgemeinen Grundsatz für die einheitliche Behandlung eines schwebenden Geschäfts des Inhalts gebe, dass Aufwendungen im Rahmen des schwebenden Geschäfts im Wege der Aktivierung in dasjenige Jahr zu verlagern seien, in dem die Erträge zufließen (zunächst vorsichtig: BFH-Urteil vom 19. Dezember 1957 IV 432/56 U, BStBl III 1958, 162; BFH-Urteil vom 23. September 1969 I R 22/66, BStBl II 1970, 104; später ganz ablehnend: BFH-Urteil vom 29. Oktober 1969 I 93/64, BStBl II 1970, 178; BFH-Urteil vom 19. Juni 1973 I R 206/71, BStBl II 1973, 774; BFH-Urteil vom 24. März 1976 I R 139/73, BStBl II 1976, 450; BFH-Urteil vom 4. Mai 1977 I R 27/74, BStBl II 1977, 802; BFH-Urteil vom 29. November 1990 IV R 131/89, BStBl II 1992, 715; BFH-Urteil vom 7. Juli 1992 VIII R 24/91, BFH/NV 1993, 461; vgl. auch BFH-Urteil vom 3. Juli 1980 IV R 138/76, BStBl II 1980, 648).

2. Dementsprechend geht auch der Senat davon aus, dass der Nichtbilanzierungsgrundsatz für schwebende Geschäfte lediglich bedeutet, dass Ansprüche und Verbindlichkeiten, die aus dem schwebenden Geschäft entstehen, nicht erfasst werden dürfen, solange die wertmäßige Gleichheit der wechselseitigen Rechte und Pflichten gegeben ist. Dagegen gibt es für schwebende Geschäfte keinen allgemeinen Grundsatz einer Nettorealisation im Zeitpunkt der Beendigung des Schwebezustands, der zur Konsequenz hätte, dass die in Wirtschaftsjahren vor der Gewinnrealisierung entstandenen und wirtschaftlich verursachten Aufwendungen nicht aufwandswirksam erfasst werden dürften sondern immer aktiv abgegrenzt werden müssten (ebenso: Schulz in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 5 Rz. 1490; Schiffers in Korn, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 349; Döllerer, BB 1974, 1541 (1542); Geschwendtner, DStZ 1995, 417 (420); anderer Ansicht dagegen Weber-Grellet, BB 2003, 37 (41); Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 34. Auflage § 5, Rz. 270, Stichwort: „Unfertige Erzeugnisse“: Stornierung von Aufwand im Rahmen von schwebenden Geschäften; Krumm in Blümich, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, § 5 EStG, Rz. 740, Stichwort: „Unfertige Leistungen“; Urteil des FG Münster vom 21. Dezember 2011 – 9 K 3802/08 K, GG, F, Zerl, EFG 2012, 1286).

3. Eine Erweiterung des Nichtbilanzierungsgrundsatzes zu einem Grundsatz der Nettorealisation für schwebende Geschäfte würde de facto zu einer unzulässigen Teilrealisierung noch nicht realisierter Ansprüche in dem Wirtschaftsjahr der Aufwandsentstehung führen. Hierauf weist der BFH in seinem Urteil vom 28. Oktober 2009 (I R 28/08, BFH/NV 2010, 432) zu Recht hin. Der BFH verwarf in diesem Urteil die Auffassung der Vorinstanz, dass eine Provisionsforderung im Jahr der Aufwandsentstehung teilweise als „unfertige Leistungen“ zu aktivieren sei (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Januar 2008 – 4 K 1347/03, EFG 2008, 680) und führte aus, dass die Provisionsforderung in dem Jahr der Aufwandsentstehung insgesamt noch nicht realisiert worden sei, was eine Unterteilung in einen realisierten und nicht realisierten Forderungsteil ausschlösse.

III. Die Aufwendungen im Zusammenhang mit den noch nicht realisierten Vermittlungsleistungen können auch nicht im Rahmen des Bilanzpostens „unfertige Leistungen“ gemäß § 266 Abs. 2, B, I., Nr. 2 HGB aktiviert werden.

1. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Gewerbetreibende, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, verpflichtet, für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, steuerliche Ansatzvorschriften schreiben einen abweichenden Ansatz vor oder im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.

2. Der Kläger ist als Handelsvertreter gemäß §§ 84ff. HGB Kaufmann im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 HGB. Er ist nach § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Nach § 242 Abs. 1 Satz 1 HGB hat er für den Schluss eines jeden Geschäftsjahrs einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss (Bilanz) aufzustellen. In der Bilanz sind das Anlage- und das Umlaufvermögen, das Eigenkapital, die Schulden sowie die Rechnungsabgrenzungsposten gesondert auszuweisen und hinreichend aufzugliedern (§ 247 Abs. 1 HGB). Im Umlaufvermögen sind unter den „Vorräten“ ggf. auch „unfertige Erzeugnisse“ und „unfertige Leistungen“ auszuweisen (vgl. § 266 Abs. 2, B, I. Nr. 2 HGB).

3. Unter den Begriff der „unfertige Leistungen“ fallen am Bilanzstichtag noch nicht abgeschlossene Arbeiten an langfristigen Auftragsverhältnissen. Hierunter werden nicht nur Fertigungsaufträge von Produktionsunternehmen, wie z.B. „in Ausführung befindliche Bauaufträge“, sondern auch Dienstleistungsaufträge verstanden. So wird allgemein angenommen, dass Dienstleistungsunternehmen, wie z.B. Forschungs-, Werbe,- Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsunternehmen, zum Abschlussstichtag quantifizierbare unfertige Leistungen auf Einzelaufträge auszuweisen haben (Schubert/ Roscher in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 9. Auflage, § 247 Rz. 66 und § 266 Rz. 100; Adler/ Düring/ Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Auflage, § 266, Rz. 98 und 109; Hoffmann/ Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 2. Auflage, § 266 Rz. 56).

4. Bei der Bilanzposition „unfertige Erzeugnisse“ bzw. „unfertige Leistungen“ handelt es sich nach der Rechtsprechung des BFH um keine bloße Bilanzierungshilfe oder um eine Position „ähnlich einem Rechnungsabgrenzungsposten“. Vielmehr geht der BFH davon aus, dass die Bilanzposition „unfertige Erzeugnisse“ bzw. „unfertige Leistungen“ ein Wirtschaftsgut darstellt, mit der Folge, dass eine Teilwertabschreibung auf dieses Wirtschaftsgut zulässig ist (sog. Grundsatz der verlustfreien Bewertung; BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298; BFH-Beschluss vom 22. September 2008 I B 220/07, juris; BFH-Urteil vom 25. November 2009 X R 27/05, BFH/NV 2010, 1090; vgl. auch schon BFH-Urteil vom 17. Mai 1974 III R 50/73, BStBl II 1974, 508: jeweils für halbfertige Bauten; außerdem: Frotscher in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 221c). Für eine Aktivierung vor dem Stichtag angefallener Aufwendungen als „unfertige Leistungen“ reicht es mithin nicht aus, dass die Kosten für das schwebende Geschäft angefallen sind. Es muss außerdem ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut entstanden sein (Döllerer, BB 1974, 1541 (1544ff.); Wehner, BB 1984, 1133 (1140 f.)).

5. Unabhängig von der umstrittenen Frage, ob es sich bei diesem Wirtschaftsgut um ein Wirtschaftsgut handelt, dass „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ zu behandeln ist oder um eine „Forderung besonderer Art“ (vgl. BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298), müssen sich die erbrachten Aufwendungen jedenfalls zu einem greifbaren betrieblichen Vorteil verdichtet haben, den sich der Kaufmann etwas kosten lassen würde und der nach der Verkehrsauffassung einer selbständigen Bewertung zugänglich ist (vgl. nur BFH-Urteil vom 26. November 2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325, BFH-Urteil vom 5. Juni 2008 IV R 67/05, BStBl II 2008, 960; BFH-Urteil vom 8. April 1992 XI R 34/88, BStBl II 1992, 893). Das Merkmal der selbständigen Bewertbarkeit wird regelmäßig dahingehend konkretisiert, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen muss, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde (BFH-Urteil vom 26. November 2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325; BFH-Urteil vom 10. August 1989 X R 176-177/87, BStBl II 1990, 15). Zum jeweiligen Stichtag muss ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann (BFH-Urteil vom 9. Juli 1986 I R 218/82, BStBl II 1987, 14).

6. Durch die von dem Kläger geleisteten Aufwendungen zur Erbringung von Reisevermittlungsleistungen entsteht kein abgrenzbarer greifbarer betrieblicher Vorteil, den sich ein Kaufmann etwas kosten lassen würde.

a) Solange die Vermittlung der Reise nicht in „ausgeführte“ Reiseleistungen des Geschäftsherrn im Sinne von § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB mündet, würde ein Dritter für die erbrachten Aufwendungen zur Erbringung der Vermittlungsleistungen kein eigenständiges Entgelt bezahlen. Denn es ist nicht absehbar, ob die Aufwendungen für die Vermittlungsleistungen tatsächlich zu einem Provisionsanspruch führen oder nicht. Hinreichende Erkenntnisse hierüber erhielten der Kläger und XXX erst im Zeitpunkt der Ausführung der Reiseleistungen. Gerade deshalb wird die Realisierung der Forderung vor der Ausführung der Reiseleistungen verneint. Dies würde auch ein gedachter Erwerber berücksichtigen und eine Vergütung der noch nicht erfolgreich abgeschlossenen Vermittlungsleistungen ablehnen.

b) Die fehlende Wirtschaftsguteigenschaft der erbrachten Aufwendungen ergibt sich auch daraus, dass sich die auf die schwebenden Geschäfte entfallenen Aufwendungen noch nicht zu einer Einzelheit gegenüber den übrigen Aufwendungen verselbständigt haben. Eine selbständige Bewertung der Aufwendungen ist kaum möglich. Dies zeigt sich augenfällig daran, dass der Außenprüfer den schwebenden Geschäften keine Einzelkosten zuweisen konnte, sondern lediglich im Wege einer groben Schätzung aus den gesamten Aufwendungen des Reisebüros die anteiligen Gemeinkosten, die (eventuell) auf die schwebenden Vermittlungsleistungen entfallen sind, ermittelt hat. Bei den Aufwendungen handelt es sich um bloße Vorbereitungskosten für die erfolgreiche Handelsvertreterleistung und nicht um ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut (Frotscher in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 5 Rz. 222; ähnlich: Schulz in Herrmann/ Heuer/ Raupach, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, § 5 Rz. 1490: bloße Gewinnaussichten; vgl. auch BFH-Urteil vom 18. Juni 1975 I R 24/13, BStBl II 1975, 809: Redaktionskosten sind mangels Wirtschaftsguteigenschaft keine „unfertigen Erzeugnisse“; bestätigt in BFH-Urteil vom 2. Juni 1978 III R 8/75, BStBl II 1979, 235).

c) Dies unterstreicht noch einmal die Bedenken, die der BFH in seinem Urteil vom 28. Oktober 2009 (I R 28/08, BFH/NV 2010, 432) zu der Aktivierung der Aufwendungen für einen noch nicht realisierten Provisionsanspruch geäußert hat. Die Aktivierung der anteiligen Aufwendungen für schwebende Geschäfte, ist, wenn noch keine Verselbständigung der Aufwendungen zu einem abgrenzbaren Wirtschaftsgut erfolgt ist, nur eine unzulässige Teilrealisierung der noch nicht realisierten Vermittlungsleistung.

7. Allerdings findet sich in der Rechtsprechung und Literatur immer wieder die Auffassung, dass Dienstleistungsunternehmen bei langfristigen Auftragsverhältnissen auch dann zur Aktivierung von „unfertigen Leistungen“ verpflichtet sind, wenn die Aufwendungen wegen des Dienstleistungscharakters des zugrunde liegenden Auftrags nicht zu einem materiellen Vermögensgegenstand geführt haben (BFH-Urteil vom 7. September 2005 VIII R 1/03, BStBl II 2006, 298 unter II. B. 2. b) aa); Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 34. Auflage, § 5, Rz 270, Stichwort: „unfertige Leistungen“; Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Auflage, Abschnitt F, Rz. 389; Schubert/ Roscher in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 9. Auflage, § 247 Rz. 66).

a) Dies gilt nach Auffassung des Senats aber nur dann, wenn der Steuerpflichtige bei einer unterstellten Vertragsauflösung ohne sein Verschulden zivilrechtlich einen Anspruch auf Ersatz der bis zum Stichtag angefallenen Aufwendungen hätte (ebenso Winnefeld, Bilanzhandbuch, 5. Auflage, Abschnitt F, Rz. 386; Schubert/ Roscher in Beck´scher Bilanz-Kommentar, 9. Auflage, § 247 Rz. 66; Neumann-Tomm in Lademann, Einkommensteuergesetz Kommentar, § 5 Rz. 1056; Döllerer, BB 1974, 1541 (1547)). In diesem Fall hat sich die Aufwandserbringung bis zum Stichtag – unabhängig davon, ob das schwebende Geschäft fortgeführt wird oder nicht – bereits zu einem eigenständigen wirtschaftlichen Vorteil konkretisiert, so dass es gerechtfertigt ist, die entstandenen Aufwendungen als eigenständiges Wirtschaftsgut zu aktivieren. Die Gesamtheit der auf die schwebenden Geschäfte erbrachten Aufwendungen stellt dann für sich genommen und unabhängig davon, ob das schwebende Geschäft im Folgejahr realisiert wird oder nicht, einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil des Verpflichteten dar.

b) Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Kläger hätte bei einer unterstellten Vertragsauflösung im Zeitpunkt des Stichtags keinen Anspruch gegenüber XXX gehabt, die bislang angefallenen Aufwendungen erstattet zu erhalten. Aufgrund der prinzipiellen Erfolgsabhängigkeit von Handelsvertreterleistungen fallen die getätigten Aufwendungen des Handelsvertreters in dessen Risikosphäre. Nach § 87d HGB kann der Handelsvertreter abweichend von dem allgemeinen Aufwendungsersatzanspruch bei Geschäftsbesorgungsverträgen (§§ 670, 675 BGB) den Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen vom Geschäftsherrn nur verlangen, wenn dies handelsüblich ist.

c) Die hier streitigen Aufwendungen stellen Aufwendungen dar, die „im regelmäßigen Geschäftsbetrieb“ im Sinne des § 87d HGB entstanden sind (vgl. von Hovningen-Huene in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Auflage, § 87d, Rz. 12). Dem Senat ist auch kein Handelsbrauch bekannt, aufgrund dessen Reisevermittler - abweichend von der generellen Handhabung bei Handelsvertretern - einen Aufwendungsersatzanspruch innehaben könnten. Auch haben die Vertragsparteien ausweislich des Agenturvertrags vom YY. YY 2003 keinen Aufwendungsersatzanspruch vereinbart. Hierin unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation von anderen langfristigen Geschäftsbesorgungsverträgen. So haben Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Baubetreuern regelmäßig einen Anspruch auf Ersatz der entstandenen Aufwendungen gemäß §§ 670, 675 BGB, soweit dieser nicht schon in dem Vergütungsanspruch enthalten ist (vgl. Heermann in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Auflage, § 675 BGB, Rz. 20). Da dies bei Handelsvertreterleistungen nicht der Fall ist, können die von dem Handelsvertreter erbrachten Aufwendungen nicht als „unfertige Leistungen“ zusammengefasst werden.

IV. Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die neu festzusetzende Einkommensteuer 2010 zu ermitteln.

V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VI. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.