BGH, Beschluss vom 07.11.1973 - VIII ARZ 14/73
Fundstelle
openJur 2016, 5376
  • Rkr:

Die Ablehnung eines Richters, die lediglich mit dessen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gericht begründet wird, ist wegen Rechtsmißbrauchs ebenso unzulässig wie die Ablehnung eines Gerichts als solches.

Tenor

Die Ablehnungsgesuche der Klägerin gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Stuttgart Dr. K und die Richter am Oberlandesgericht Stuttgart H und Dr. W werden als unzulässig verworfen.

Gründe

1. Die Klägerin verfolgt mit ihrer gegen das Land Baden-Württemberg gerichteten Klage Schadensersatzansprüche. Diese begründet sie insbesondere damit, daß das Oberlandesgericht Stuttgart – Verwaltungsabteilung – unter einem Vorwand und unberechtigt den Rücktritt von einem unter seiner maßgeblichen Beteiligung zwischen der Klägerin und dem beklagten Land zustande gekommenen Mietvertrag erklärt habe; der wahre Grund für den Rücktritt sei darin zu sehen, daß die Dienststellen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die in das vom Land für die Unterbringung der Stuttgarter Justizbehörden angemietete, noch zu erstellende Bürogebäude in Stuttgart-Wangen hätten verlegt werden sollen, sich dem vorgesehenen Umzug widersetzt hätten, und daß sich auch andere Stuttgarter Justizbehörden, darunter das Landgericht, zu einer solchen Verlegung ihrer Dienststellen nicht bereit gefunden hätten.

Nach Einreichung der Klageschrift hat die Klägerin, ohne daß eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, sowohl die zur Entscheidung über die Klage als auch die zur Entscheidung über ihr Ablehnungsgesuch zuständigen Richter am Landgericht abgelehnt. Desgleichen hat sie die Richter des Oberlandesgericht Stuttgart, dem das Landgericht die Ablehnungsanträge der Klägerin schließlich zur Entscheidung vorgelegt hatte, sämtlich als befangen abgelehnt, und zwar die zunächst mit der Sache befaßten Richter unter namentlicher Bezeichnung. Die Ablehnung begründet sie damit, daß auf Grund ihrer Klage im wesentlichen erhebliche Vertragsverletzungen seitens des Oberlandesgerichts Stuttgart und des Justizministeriums zu prüfen seien. Die Vorgänge, auf die die Klage sich stütze, berührten insbesondere die Richter am Oberlandesgericht Stuttgart in mehrfacher Weise. Der Streitfall habe in der Öffentlichkeit erhebliches Aufsehen erregt. Hierbei stehe das Prestige der Stuttgarter Justiz, besonders des Oberlandesgerichts, in Frage. An den betreffenden Vorgängen seien zahlreiche Richter beim Oberlandesgericht, darunter der Präsident und der Vizepräsident des Gerichtes, beteiligt gewesen, und zwar beim Abschluß des Mietvertrages wie auch an den vorausgegangenen und den späteren Verhandlungen sowie an dem Rücktritt von dem Mietvertrag. Drei Richter des Oberlandesgerichts hätten in dieser Angelegenheit Rechtsgutachten erstattet, die die Klage als aussichtslos beurteilt hätten. Der stellvertretende Präsident des Oberlandesgerichts habe gegenüber der Presse geäußert, daß das Verhalten der beteiligten Justizbehörden "juristisch sauber" sei. Auch das Justizministerium habe die Klage bereits in der Öffentlichkeit als aussichtslos bezeichnet. Mithin könnten die Richter des Oberlandesgerichts nicht unbefangen urteilen.

2. Das Oberlandesgericht hat die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Ablehnungsgesuche vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei beschlußunfähig geworden, weil die Klägerin seine sämtlichen Richter abgelehnt habe.

3. Nach § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet der Bundesgerichtshof über die Ablehnungsanträge gegen die Richter des Oberlandesgerichts, wenn dieses durch das Ausscheiden der abgelehnten Mitglieder beschlußunfähig geworden ist.

Allerdings sind die Ablehnungsanträge zumindest bezüglich der an dem Vorlagebeschluß beteiligten drei Richter wirkungslos, weil sie, wie noch auszuführen sein wird, rechtsmißbräuchlich sind. Die abgelehnten Richter hätten also selbst entscheiden können (vgl. RG JW 1935 S. 2894; JW 04, 64; JW 01, 397; BVerfG, MDR 1961, 26; Bundesfinanzhof, Beschluß vom 2. März 1967, BFH 88, 194). Um Verzögerungen der sachlichen Erledigung des Rechtsstreits zu vermeiden, hat es jedoch schon das Reichsgericht in vergleichbaren Fällen wiederholt für zulässig erachtet, über die ihm vorgelegten Ablehnungsgesuche selbst zu entscheiden (vgl. RG JW 1935, 2894; JW 1904, 64; JW 1901, 397; RGZ 44, 402). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

4. Die Ablehnungsgesuche der Klägerin gegen die an dem Vorlagebeschluß beteiligten Richter sind rechtsmißbräuchlich, weil nach § 42 ZPO nur die einzelnen Richter, nicht aber das Gericht als solches oder eine Gerichtsabteilung abgelehnt werden können (vgl. RG JW 1901, 397; JW 1904, 64; JW 1935, 2894; JW 1936, 810; BFH, Beschluß vom 2. März 1967, aaO). Ein Ablehnungsgesuch gegen das Gericht als solches wäre daher von vornherein unbeachtlich. Die Ablehnungsgesuche der Klägerin geben sich zwar den Anschein, als bezweckten sie die Ablehnung der einzelnen Richter. Sie richten sich jedoch der Sache nach gegen das Oberlandesgericht.

Die Klägerin lehnt nämlich die Richter schon wegen ihrer bloßen Zugehörigkeit zum Oberlandesgericht ab. Das ergibt sich daraus, daß die Ablehnungsgründe das Oberlandesgericht als solches, seine Richter aber lediglich auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu diesem Gericht als befangen erscheinen lassen sollen. Mag auch die namentliche Bezeichnung der abgelehnten Richter entbehrlich sein, wenn, wie im vorliegenden Fall, ohnehin kein Zweifel darüber besteht, gegen wen sich die Ablehnung richtet (vgl. Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 31. Januar 1968, BAG 20, 271; BFH, Beschluß vom 31. Mai 1972, DStR 1972, 467 f; OLG Nürnberg, NJW 1967, 1864), so macht doch gerade die pauschale Ablehnung auch aller noch nicht namentlich bezeichneten Richter des Oberlandesgerichts deutlich, daß es der Klägerin tatsächlich um die Ablehnung des Gerichts geht, und daß sie dieses ungesetzliche Anliegen rechtsmißbräuchlich mit ihren Ablehnungsgesuchen gegen jeden einzelnen Richter verfolgt.

Soweit dagegen nach dem Vorbringen der Klägerin auch Ablehnungsgründe aus der Person des einzelnen Richters in Betracht kommen, wie insbesondere eine mögliche Befangenheit durch persönliche Beteiligung an den im Rechtsstreit erheblichen Vorgängen oder durch die Erstattung von Rechtsgutachten, behauptet die Klägerin selbst nicht, daß diese Gründe auch für die am Vorlagebeschluß beteiligten Richter gelten. Diese Richter haben in ihren dienstlichen Äußerungen zudem übereinstimmend darauf hingewiesen, daß sie mit den dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Vorgängen dienstlich nicht befaßt waren, und daß sie sich nicht für befangen halten. Die Ablehnungsgesuche der Klägerin gegen sie waren hiernach zu verwerfen. Da bereits hierdurch die Zweifel an der Beschlußfähigkeit des Oberlandesgerichts ausgeräumt sind, bleibt die Entscheidung über die weiteren Ablehnungsgesuche dem Oberlandesgericht vorbehalten.