OLG Köln, Urteil vom 11.02.2016 - 15 U 114/15
Fundstelle
openJur 2016, 4288
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 10.6.2015 (28 O 564/14) abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch, die die Beklagte zu 3) in einem von den Beklagten zu 1) und 2) jeweils am 25.3.2011 veröffentlichten Artikel in der Rubrik "B T kommentiert" mit der Überschrift "K L Anwalt wettert gegen unliebsame Zeuginnen" getätigt hat. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 118 ff. d.A.) Bezug genommen.

Mit Urteil vom 10.6.2015 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die betreffenden Äußerungen verletzten den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Bei der Äußerung "all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen", würden die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung nicht eingehalten. Es fehle an einem Mindestmaß an Beweistatsachen, weil sich der Bericht der Beklagten lediglich auf die Aussagen von vier Zeuginnen (E, D, M und Q) beziehe. Auch wenn man die Äußerung der Beklagten nicht als Verdachtsberichterstattung, sondern als Teil einer Gerichtsberichterstattung ansehe, sei sie unzulässig, weil die Abwägung der widerstreitenden Interessen zugunsten des Klägers ausfalle. Es sei nicht zulässig, sämtliche Details aus einer Zeugenvernehmung in der Presse zu veröffentlichen. Da die betreffenden Aussagen von Zeuginnen stammten, die nicht zum eigentlichen Tatgeschehen vernommen worden seien, sei dem Interesse des Klägers an der Wahrung seiner Privatsphäre im Hinblick auf die von ihm geführten Beziehungen der Vorrang einzuräumen. Soweit der Bundesgerichtshof die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr verneine, wenn Aussagen in mündlicher Verhandlung verlesen oder gewürdigt würden, sei diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn vorliegend gehe es zum einen nicht um Aussagen mit unmittelbarem Tatbezug und zum anderen seien die Aussagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht worden.

Hinsichtlich der weiteren Äußerung "Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten" liege zwar in der zweiten Passage eine Meinungsäußerung vor. Diese sei bei Abwägung der widerstreitenden Interessen jedoch unzulässig, weil sie die zuvor dargestellten Aussagen der Zeuginnen D, M und Q bewerte, deren Wiedergabe jedoch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers unzulässig sei.

Schließlich habe der Kläger auch hinsichtlich der Äußerung "Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung" einen Unterlassungsanspruch, weil es sich insoweit um eine zumindest mehrdeutige und in einer nicht fernliegenden Deutungsvariante unwahre Tatsachenbehauptung handele.

Mit der Berufung verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter und machen geltend, bei Beurteilung der Äußerung "all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen" seien die Grundsätze für Verdachtsberichterstattung nicht anwendbar. Denn in dem Beitrag finde sich keine Behauptung dahingehend, dass der Kläger eine Straftat zum Nachteil der Zeuginnen D, M oder Q begangen habe. Soweit das Landgericht hilfsweise geprüft habe, ob die Berichterstattung - wenn nicht als Verdachtsberichterstattung - so denn als Gerichtsberichterstattung zulässig gewesen sei und dies verneint habe, sei auch dies unzutreffend. Die Aussagen der Zeuginnen über eine Gewaltbereitschaft des Klägers seien für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit im Strafverfahren von Bedeutung, weil er sich ausweislich der Anklage dahingehend eingelassen habe, zu einer Tat wie der angeklagten nicht in der Lage zu sein. Eine Abwägung danach, ob die Aussagen der Zeuginnen von "zentraler Bedeutung" für das Strafverfahren gegen den Kläger gewesen seien, stehe dem Gericht auch nicht zu. Die Presse habe vielmehr das Recht, über alle Einzelheiten eines Strafverfahrens zu berichten. Darüber hinaus befasse sich der Bericht nicht nur allgemein mit dem Strafverfahren, sondern speziell mit der Frage von möglichen Grenzen der Verteidigung, da der Verteidiger nach Auffassung der Beklagten zu 3) die Zeuginnen persönlich angegriffen und versucht habe, sie mit unangemessenen Mitteln unglaubwürdig zu machen, was einer öffentlichen Diskussion zugeführt werden müsse. Ohne die - zumindest summarische - Mitteilung der Zeugenaussagen sei für die Leserschaft die Kritik der Beklagten zu 3) an dieser Verteidigungsstrategie nicht verständlich. Schließlich sei im Rahmen der Abwägung der Meinungsfreiheit der Beklagten mit dem Persönlichkeitsrecht des Klägers auch zu berücksichtigen, dass keine Details der Aussagen der Zeuginnen mitgeteilt, sondern diese nur ihrem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben worden seien. Die sadistischen Neigungen des Klägers seien bereits Monate vor der angegriffenen Berichterstattung in der Öffentlichkeit diskutiert worden.

Bei der weiter angegriffenen Äußerung: "Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten" handele es sich um ein Werturteil, das nicht deshalb verboten werden könne, weil die zugrunde liegenden Tatsachen - nach Ansicht des Landgerichts - nicht berichtet werden dürften. Vielmehr seien Werturteile durchweg geschützt, ohne dass es auf ihre "Werthaltigkeit" ankäme.

Hinsichtlich der Äußerung "Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung" habe das Landgericht die von den Beklagten vorgetragene Deutungsalternative verkannt, wonach es sich um eine Bewertung des (unstreitigen) Umstandes handele, dass der Kläger das iPad während der Verhandlung in die Hand genommen und sich hiermit beschäftigt habe. Das Verb "spielen" sei zur kritischen Unterstreichung dieses aus Sicht der Beklagten zu 3) unangemessenen Verhaltens benutzt worden.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 10.6.2015 (28 O 564/14) die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft seine erstinstanzlichen Ausführungen. Entgegen der Ansicht der Beklagten seien einzelne Zeugenaussagen, die von den Ermittlungsbehörden noch nicht einmal zum Anlass für Anklagen genommen worden seien, keine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Berichterstattung. Zudem seien die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung nicht nur dann anwendbar, wenn sich der Verdacht auf eine Straftat beziehe, sondern bereits dann, wenn der im Raum stehende Vorwurf geeignet sei, sich abträglich auf das Bild des Betroffenen in der Öffentlichkeit auszuwirken. Wenn zudem schon das Landgericht Mannheim im Strafverfahren entschieden habe, die Öffentlichkeit bei der Vernehmung der Zeuginnen auszuschließen, dürfe erst Recht nicht über den Inhalt dieses Teils der Hauptverhandlung in der Presse berichtet werden.

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, so dass die angefochtene Entscheidung entsprechend abzuändern ist. Dem Kläger steht hinsichtlich der angegriffenen Äußerungen kein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu.

Im Einzelnen:

1. Die Äußerung der Beklagten "all diese Frauen, denen L meist von Liebe und einer gemeinsamen Zukunft vorgeschwärmt haben soll, ist eines gemein: Sie werfen ihm vor, er sei in ihrer Beziehung gewalttätig gewesen" hat das Landgericht zutreffend als Tatsachenbehauptung eingestuft. Der genaue Inhalt dieser Äußerung ist durch Auslegung unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes der Wortberichterstattung zu ermitteln.

a. Abweichend von der Bewertung des Landgerichts ist nach dem maßgeblichen Verständnis des unvoreingenommenen Durchschnittslesers nicht festzustellen, dass die Beklagten durch diese zusammenfassende Äußerung in Verbindung mit dem sonstigen Artikel einen Verdacht dahingehend geäußert haben, dass der Kläger tatsächlich eine als Körperverletzung, sexuelle Nötigung oder eine sonstige strafrechtlich zu missbilligende gewalttätige Handlung zu Lasten der Zeuginnen D, M oder Q begangen habe. Gegen einen von den Beklagten aufgestellten dahingehenden Verdacht spricht zum einen die Art der Darstellung der Wortberichterstattung, in welcher unmittelbar im Anschluss an die im Konjunktiv wiedergegebenen Aussagen der Zeuginnen das Vorgehen des Verteidigers des Klägers geschildert wird. Dadurch erfährt der Rezipient unmittelbar im Anschluss an die Schilderung der jeweiligen Zeugin, dass hinsichtlich der inhaltlichen Wahrheit der jeweiligen Zeugenaussage durchaus auch Zweifel bestehen und im Strafverfahren gegen den Kläger geäußert worden sind. Zum anderen wird durch die von den Beklagten verwendete Formulierung "Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen..." deutlich, dass sie diese Aussagen der Zeuginnen nicht ohne weiteres als inhaltlich zutreffend zugrunde legen oder sich zu eigen machen wollen. Vielmehr erkennt der Leser, dass die Wortberichterstattung dazu dienen soll, ein mögliches Szenario darzustellen, wie es sich bei einer unterstellen Wahrheit dieser Aussagen im weiteren Verlauf des Strafverfahrens gegen den Kläger bzw. bei der Urteilsfindung ergeben könnte.

b. Zugunsten des Klägers kann in diesem Zusammenhang auch nicht festgestellt werden, dass die Beklagten mit der Verwendung des Wortes "gewalttätig" eine mehrdeutige Äußerung vorgenommen haben, welche in einer nicht fernliegenden Auslegungsvariante unwahr und deshalb zu unterlassen ist. Bei der vorliegenden Wortberichterstattung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Aussage, der Kläger sei in den Beziehungen mit den Zeuginnen "gewalttätig" gewesen, nicht isoliert verwendet wird, sondern nur im Zusammenhang mit der inhaltlichen Wiedergabe von Details der Zeugenaussagen. Aus den im streitgegenständlichen Beitrag enthaltenen Angaben der Zeugen D, Q und M, deren Wiedergabe der Kläger mit seiner Klage nicht angegriffen hat, ergibt sich für den durchschnittlichen Rezipienten mit hinreichender Deutlichkeit, welche jeweilige Begebenheit im Zusammentreffen mit dem Kläger die Zeuginnen geschildert haben. Werden diese von den Zeuginnen geschilderten Ereignisse und das Verhalten des Klägers sodann von den Beklagten im Rahmen einer Zusammenfassung mit dem Begriff "gewalttätig" umschrieben, so liegt darin aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten nicht die Behauptung, dass der Kläger ein über die Schilderung der Zeuginnen hinausgehendes Verhalten gezeigt hat, sondern vielmehr eine zusammenfassende Wertung dieser Geschehnisse bzw. das gegenüber den Zeuginnen durch den Kläger nach deren Angaben gezeigten Verhaltens. Im Hinblick darauf kommt es auf die vom Kläger im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.2.2016 angestellten Erwägungen zur Auslegung von umgangssprachlichen Begriffen hier nicht an. Denn entscheidend ist nicht der Aussagegehalt des isoliert verwendeten Formulierung "gewalttätig", sondern vielmehr der im Gesamtkontext des streitgegenständlichen Beitrags für den durchschnittlichen Rezipienten erkennbare Äußerungsgehalt von Seiten der Beklagten.

c. Haben die Beklagten damit nicht den Verdacht geäußert, dass der Kläger gegenüber der jeweiligen Zeugin in einer Art und Weise gewalttätig geworden ist, wie sie über die im Rahmen der Zeugenaussage geschilderten und damit dem Leser bekannten Einzelheiten hinausgeht, sondern haben sie lediglich diese - vom Kläger nicht angegriffenen - Schilderungen in wertender Art und Weise als "gewalttätig" zusammengefasst, dann ist diese Äußerung an den Grundsätzen für die Zulässigkeit einer Gerichtsberichterstattung zu überprüfen, die vorliegend erfüllt sind. Ist nämlich nach den unangegriffenen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass die Zeuginnen in ihren Vernehmungen tatsächlich die jeweiligen Verhaltensweisen des Klägers ihnen gegenüber bekundet haben und wird damit von den Beklagten eine wahre Tatsache wiedergegeben, hängt die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerung, welche diese Tatsachenschilderung wertend zusammenfasst, allein davon ab, ob der Kläger in unzulässiger Art und Weise stigmatisiert bzw. an den Pranger gestellt wird. Dies kann vorliegend nicht angenommen werden, so dass hier dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit der Vorrang vor den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Klägers gebührt.

aa. Die streitgegenständliche Äußerung betrifft die Privat- und nicht die Intimsphäre des Klägers. Zwar sind Äußerungen über das Verhalten des Klägers bei einem sexuellen Kontakt mit den Zeuginnen seinem Sexualleben und damit eigentlich seiner Intimsphäre zuzuordnen, die als Kernbereich privater Lebensgestaltung einer öffentlichen Erörterung entzogen ist. Vorliegend greift dieser Schutz allerdings nicht ein. Der Bereich der Sexualität kann von dem gegenüber einer Berichterstattung in den Medien absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung ausgenommen sein, wenn eine Sexualstraftat als Ausdrucksform der Sexualität im Raume steht. Die aktuelle Berichterstattung über eine solche Straftat rechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Informationsinteresses nicht allein die identifizierende Veröffentlichung des Tatvorwurfs, sondern unter Umständen auch Berichte über das persönliche Leben des Täters, wenn der Inhalt der Berichte in einer unmittelbaren Beziehung zur Tat steht, Aufschlüsse über Motive oder andere Tatvoraussetzungen gibt und für die Bewertung der Schuld wesentlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.6.2009 - 1 BvR 1107/09, NJW 2009, 3357). Auch vorliegend sind die von den Zeuginnen geschilderten Vorkommnisse, die von den Beklagten zusammenfassend als gewalttätiges Verhalten bezeichnet werden, der Privatsphäre des Klägers zuzuordnen, weil die von den Zeuginnen geschilderten Begebenheiten als Teil des Strafverfahrens gegen den Kläger, nämlich als Randgeschehen der angeklagten Vergewaltigung anzusehen sind, da die Verhaltensweise des Klägers gegenüber den Zeuginnen im Strafverfahren indiziell verdeutlichen sollte, wie er sich im sexuellen Verkehr mit Frauen "üblicherweise" verhält und ob er insofern Gewalttätigkeiten zeigte.

bb. Unter Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen hat der Kläger die beanstandete Äußerung der Beklagten trotz der Tatsache hinzunehmen, dass die Zeuginnen ihre Aussage in nichtöffentlicher Verhandlung gemacht haben: Zum einen hat der Kläger die Wiedergabe der Zeugenaussagen als solche mit seiner Klage nicht angegriffen, so dass aus der hier allein beanstandeten Zusammenfassung des bekundeten Verhaltens durch die Beklagten als "gewalttätig" unter gleichzeitiger Wiedergabe des Inhalts der Zeugenaussagen nur eine geringe eigenständige Beeinträchtigung resultiert. Zum anderen werden die Aussagen der Zeuginnen, die nur wenig detaillierte und eher pauschal gehaltene Angaben zu den sexuellen Kontakten des Klägers enthalten, nicht primär zu dem Zweck geschildert, ein Verhalten des Klägers - als mögliches Indiz für seine Täterschaft hinsichtlich der angeklagten Vergewaltigung - darzustellen. Vielmehr liegt die Zielrichtung der Wortberichterstattung in erster Linie darin, die Art und Weise der Verteidigung des Angeklagten kritisch zu beleuchten. Wie Zeuginnen in einem wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung geführten Strafverfahren vom Verteidiger des Angeklagten behandelt werden, ist ein Thema von erheblichem öffentlichem Interesse, zumal in einem Strafverfahren wie dem gegen den Kläger geführten, in welchem aufgrund der entgegenstehenden Aussagen von Angeklagtem und Anzeigenerstatterin diesen Zeugenaussagen möglicherweise entscheidende Bedeutung hätte zukommen können. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Vorgehensweise des Verteidigers war jedoch nicht möglich, ohne die kursorisch dargestellten Angaben der Zeuginnen, die dem Leser ein Bild davon vermitteln, mit welchen Angaben sich die Verteidigung konfrontiert sah, mit einem Schlagwort ("gewalttätig") zusammenzufassen, um kritisch zu erörtern, welche Auswirkungen diese Aussagen möglicherweise auf die Urteilsfindung haben könnten und wie der Verteidiger des Angeklagten auf diese reagiert hat.

2. Bei der zweiten Äußerung: "(Denn eigentlich geht es um etwas sehr Ernstes.) Nämlich darum, dass mehrere Ex-Freundinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren alle das Gleiche sagen: Dass L in der Beziehung gewalttätig geworden sein soll. Die Behauptung der Ex-Freundin aus T2, er habe sie vergewaltigt, ist also denkbar. Denn stimmen die Aussagen der anderen Ex-Freundinnen, hätte L sich in dieser Nacht nicht zum ersten Mal gewalttätig verhalten") handelt es sich im ersten Teil um eine Tatsachenbehauptung, die die oben dargelegte Beurteilung teilt. Der zweite Teil stellt eine Meinungsäußerung der Beklagten zu 3) hinsichtlich der Möglichkeit dar, dass der Kläger die ihm im Strafverfahren zur Last gelegt Tat tatsächlich begangen hat. Das Landgericht hat diese Meinungsäußerung als unzulässig eingestuft, weil sie auf die Aussagen der Zeuginnen zurückgreife, über die nicht hätten berichtet werden dürfen. Ist aber - wie vorstehend dargelegt - die Äußerung der Beklagten über eine von den Zeuginnen bekundete Gewaltanwendung des Klägers in ihren Beziehungen zulässig, dann kann auch die nachfolgend vorgenommene Wertung der Beklagten zum möglichen Ausgang des Strafverfahrens, die sich weder als Formalbeleidigung noch als Schmähkritik darstellt, nicht untersagt werden.

3. Schließlich hat die Berufung der Beklagten auch insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Unterlassungsverpflichtung im Hinblick auf die Äußerung: "Ach ja, und neuerdings spielt er auch mit seinem iPad. Während der Verhandlung" wenden. Dabei kann dahinstehen, ob es - wie die Beklagten geltend machen - auch möglich ist, das von ihnen verwendete Verb "spielen" im Rahmen einer mehrdeutigen Äußerung als eine kritische Bewertung des unstreitigen Umstandes anzusehen, dass der Kläger während der Verhandlung sein iPad in die Hand nahm und sich damit beschäftigte. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass die Äußerung "spielte" von einem nicht unerheblichen Teil der Rezipienten auch so verstanden werden könnte, dass der Kläger (unterhaltende) Spiele oder sonstige verfahrensfremde Inhalte auf dem iPad aufgerufen hatte, steht ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagten nicht zu. Eine solche Tatsachenbehauptung der Beklagten ist zwar unstreitig unwahr und durch sie wird der Kläger auch beeinträchtigt, weil es sich um ein in einem Gerichtsverfahren - speziell in einem Strafprozess - völlig unangemessenes Verhalten handelt. Jedoch liegt insofern keine Wiederholungsgefahr vor: Die Beklagten haben die streitgegenständliche Äußerung in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 13.5.2015 dahingehend klargestellt, dass der Kläger nicht ein Spiel auf dem iPad gespielt, sondern mit dem iPad "hantiert" habe (vgl. Bl. 101 d.A.). Abweichend von den Ausführungen des Landgerichts liegt in einer solchen künftigen Behauptung keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers. Denn der durchschnittliche Rezipient verbindet mit dem Begriff "hantieren" lediglich den Umstand, dass eine Person den betreffenden Gegenstand in die Hand nimmt. Dass der Angeklagte eines Strafverfahrens sein iPad während der Verhandlung in die Hand nimmt, ist jedoch nicht zu beanstanden, da es durchaus billigenswerte Anlässe gibt, auch während einer solchen Verhandlung notwendige Informationen von diesem Gerät abzurufen bzw. sich Notizen zu machen. Eine verfahrensfremde Beschäftigung des Klägers mit seinem iPad wird durch diese Formulierung dagegen nicht behauptet, womit das Verhalten des Klägers auch nicht in persönlichkeitsrechtsverletzender Weise herabgewürdigt wird. Denn der Formulierung ist aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten nicht zu entnehmen, zu welchem konkreten Zweck der Gegenstand in die Hand genommen wird, vielmehr ist sie insofern völlig neutral und inhaltlich unbestimmt. Da der Kläger während der Strafverhandlung vor dem Landgericht Mannheim unstreitig sein iPad zur Hand genommen hat, liegt in der (klargestellten) Äußerung der Beklagten eine wahre Tatsachenbehauptung. Haben die Beklagten damit ihrer Äußerung jedoch einen eindeutigen und im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht zu beanstandenden Inhalt gegeben, kommt eine Verurteilung zur Unterlassung nicht mehr in Betracht. Denn eine solche kann bei sog. mehrdeutigen Äußerungen nicht erfolgen, wenn der Äußernde eine ernsthafte und inhaltlich ausreichende Erklärung abgibt, die mehrdeutige Äußerung, der eine Aussage mit dem persönlichkeitsverletzenden Inhalt entnommen werden kann, nicht oder nur mit geeigneten Klarstellungen zu wiederholen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005 - 1 BvR 1696/98, juris Rn. 35 m.w.N.). Da es bei mehrdeutigen Äußerungen dem Presseorgan bzw. dem sich Äußernden obliegt und auch zusteht, künftig für eine eindeutige Formulierung seiner Berichterstattung Sorge zu tragen, kann vor dem Hintergrund dieser Stellungnahme der Beklagten nicht davon ausgegangen werden, dass sie die vom Kläger beanstandete Äußerung künftig in dieser Art und Weise nochmal veröffentlicht.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, da die Beurteilung des Rechtsstreits auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Übrigen auf den Einzelfallumständen beruht. Höchstrichterlich noch nicht geklärte Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Streitwert: 150.000 Euro (2 x 3 x 25.000 Euro)