LG Bochum, Urteil vom 05.02.2015 - I-8 S 11/14
Fundstelle
openJur 2016, 3324
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03.06.2014 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird der Beklagte verurteilt, an die

Klägerin 130,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem

jeweiligen Basiszins seit dem 08.11.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 87 % und der Beklagte zu 13 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Unter Ausnahme des in Höhe von 101,40 € anerkannten Betrages, dürfen die Klägerin und der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweils andere vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist exklusive Verwerterin des am 05.05.2011 erschienen Films "T 4". Sie nimmt den Beklagten wegen der öffentlichen Zugänglichmachung dieses Films im Rahmen eines Filesharingprogramms über eine Tauschbörse am 18.05.2011 zwischen 14.58 Uhr und 17.13 Uhr auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 1.005,40 € in Anspruch.

Die Klägerin war der Ansicht, die Höhe der Abmahnkosten sei nach einem Gegenstandswert von 30.000,00 € zu berechnen und hat auf die Rechtsprechung diverser Gerichte verwiesen.

Der Beklagte hat vorgetragen, der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen dürfte auf einen Betrag von 100,00 € beschränkt sein.

Nach einem Hinweis des Amtsgerichts, dass der Gegenstandswert der Abmahnung mit 800,00 € zu bewerten sei, hat der Beklagte die Klageforderung in Höhe von 101,40 € anerkannt. Das Amtsgericht Bochum hat ihn mit Urteil vom 03.06.2014 entsprechend verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Unterlassungsanspruch mit der doppelten Lizenzgebühr zu bewerten sei und dass es hinsichtlich des Films eine Lizenz von 400,00 € für angemessen erachte, da es sich um einen relativ bekannten Film gehandelt habe. Gegen dieses Urteil, das am 20.06.2014 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 25.06.2014 Berufung eingelegt und diese mit einem am 20.08.2014 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens meint die Klägerin, maßgeblich für die Streitwertberechnung sei das Interesse der Klägerin, dass der Film nicht mehr illegal verbreitet werde. Außerdem sei der Zeitpunkt des Anbietens ausschlaggebend, da das öffentliche Zugänglichmachen unmittelbar nach dem Erscheinen des Werks um ein Vielfaches schädlicher wäre als zu einem späteren Zeitpunkt. Das Abstellen auf eine fiktive Lizenz sei wenig überzeugend, insbesondere in den Fällen des Filesharings, in denen eine Lizenz nicht vergeben werde.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 904,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.11.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch der Beklagte verweist auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 130,50 € aus § 97 a UrhG zu.

Die Höhe der zu erstattenden Abmahnkosten richtet sich nach dem Gegenstandswert des vorprozessual geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, der vorliegend mit 1.200,00 € zu bewerten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm beziffert die Kammer den Gegenstandswert eines Unterlassungsbegehrens mit der doppelten Lizenzgebühr. Bei der Bemessung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie ist der objektive Wert der angemaßten Benutzungsberechtigung zu ermitteln, der in der angemessenen und üblichen Lizenzgebühr besteht (BGH, NJW-RR 2009, 1053). Jedoch ist in den Fällen des Filesharings das Abstellen auf eine fiktive Lizenzgebühr wenig überzeugend, insbesondere in Fällen wie diesen, in welchen eine marktübliche Lizenz schlicht nicht existiert. Eine fiktive Lizenzgebühr für das kostenlose öffentliche Zugänglichmachen und unkontrollierte Weiterverbreiten würde viele Millionen Euro betragen. Die Kammer vermag wahrlich überzeugende Faktoren zur Bemessung der Schadensersatzhöhe nicht zu erkennen. Die bisherigen Ergebnisse der Rechtsprechung zeichnen sich durch eine gewisse Beliebigkeit aus, deren Begründung bezüglich der Schadenshöhe nicht hundertprozentig überzeugt, sondern die bestehende Schwierigkeit, derartige Begehren zu beziffern, widerspiegelt. Die Kammer wird davon absehen, einzelfallabhängige Schadensersatzbeträge zu ermitteln, denn der Graubereich zwischen kommerziell eindeutig sehr erfolgreichen Filmen und solchen, die klar als Nischenfilme kategorisiert werden können, ist erheblich. Daher schätzt die Kammer die Schadensersatzhöhe anhand des gängigen Kaufpreises für einen Film am Markt, der Verletzungshandlung durch das illegale Anbieten in Tauschbörsen für eine unendliche Anzahl von Nutzern und unter Berücksichtigung der Verstöße durch eine Vielzahl anderer Teilnehmer. Da es sich beim Filesharing um ein Massenphänomen handelt, sodass eine Überkompensation des Schadensersatzinteresses des jeweiligen Rechteinhabers zu vermeiden ist und die begehrte Schadensersatzhöhe in einem angemessenen Verhältnis zu der Verletzungshandlung stehen muss, erachtet die Kammer einen Betrag in Höhe von 600,00 € als geboten. Unter Berücksichtigung des sich somit ergebenden Gegenstandswertes des Unterlassungsbegehrens in Höhe von 1.200,00 €, betragen die Abmahnkosten 130,50 €, von denen der Beklagte bereits 101,40 € anerkannt hat.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen. Die Bemessung der Schadensersatzhöhe sowie des Gegenstandswerts einer Abmahnung bei Verletzungen durch Filesharing betrifft keinen Einzelfall und bedarf der Klärung durch höchstrichterliche Rechtsprechung.

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