Bayerischer VGH, Beschluss vom 22.10.2015 - 22 ZB 15.1584
Fundstelle
openJur 2015, 18988
  • Rkr:

Änderungen der Sach- und Rechtslage, die erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist für die Darlegung von Berufungszulassungsgründen eintreten, sind bei der Entscheidung über die Zulassung der Berufung nicht zu berücksichtigen.Kumulative Mehrfachbegründung des Urteils;Veränderung der Sach- und Rechtslage nach Ablauf der zweimonatigen Frist für die Begründung des Berufungszulassungsantrags.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 15.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin hat mit ihrer zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhobenen Anfechtungsklage die Aufhebung einer der Beigeladenen erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. September 2013 (in der Fassung mehrerer Änderungen) für eine Windkraftanlage (WKA) erstritten (VG Würzburg, U.v. 19.5.2015 – W 4 K 14.604 - u.a.). Das Verwaltungsgericht begründete sein Urteil jeweils selbständig tragend mit Verstößen gegen § 3c UVPG und Ermessensfehlern bei der Zulassung einer Abweichung von den Vorschriften über die Abstandsflächentiefe (Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 BayBO).

Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung, mit dem sie ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), deren grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend macht. Die Beigeladene hat dargelegt, dass die Anfechtungsklage bereits unzulässig sei und dass rechtserhebliche Verstöße gegen das UVPG nicht vorlägen.

Das angegriffene Urteil wurde der Beigeladenen am 25. Juni 2015 zugestellt. Die Begründung des Zulassungsantrags erfolgte mit Schriftsatz vom 20. August 2015 am 21. August 2015. Mit Datum 31. August 2015 wies der Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten daraufhin, dass Zweifel bestünden, ob die Darlegung der Zulassungsgründe den Anforderungen nach § 124a Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO genüge, weil sich diese Darlegung nur mit einer von zwei jeweils selbständig tragenden Begründungen des Urteils befasse. Mit Datum 8. September 2015 erließ die Genehmigungsbehörde einen Ergänzungsbescheid zu der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, mit dem die Begründung der Ermessensentscheidung über die Zulassung von Abweichungen von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenanforderungen (Art. 6 Abs. 4 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO) ergänzt wurde. Die Beigeladene machte daraufhin mit Schriftsatz vom 10. September 2015 geltend, durch den Erlass des Ergänzungsbescheids sei eine Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die im Berufungszulassungsverfahren berücksichtigt werden und zur Zulassung der Berufung führen müsse.

Der Beklagte hat sich nicht geäußert. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung nicht zuzulassen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Verwaltungsverfahrensakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos, da sich aus der fristgerecht (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfolgten Begründung mit Schriftsatz vom 20. August 2015 die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ergeben und die Änderung der Sach- und Rechtslage, die durch den am 8. September 2015 erlassenen Ergänzungsbescheid eventuell eingetreten ist, im Zulassungsverfahren nicht zu berücksichtigen ist.

1. Die Beigeladene macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zunächst dahingehend geltend, das Verwaltungsgericht hätte die Anfechtungsklage mangels Klagebefugnis der Klägerin (§ 42 Abs. 2 VwGO) als unzulässig ansehen müssen. Dem ist nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat – anders, als die Beigeladene meint (Schriftsatz vom 20.8.2015, S. 4 oben) - die Frage der Klagebefugnis nicht „faktisch“ offen gelassen. Es hat innerhalb der Begründetheitsprüfung ausgeführt, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Klägerin wegen eines Verstoßes gegen § 3c UVPG und wegen eines Verstoßes gegen Abstandsflächenrecht (Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 BayBO) in ihren Rechten verletze (Urteilsabdruck – UA – Nr. 2 auf S. 13 bis 19), und damit auch die Möglichkeit einer diesbezüglichen Rechtsverletzung (§ 42 Abs. 2 VwGO) konkludent vorausgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat somit entgegen der Behauptung der Klägerin (Schriftsatz vom 20.8.2015, S. 5, Buchst. e) nicht versäumt, über die Zulässigkeit der Klage zu befinden. Es kann nicht unterstellt werden, das Verwaltungsgericht habe der Klage mit der Begründung stattgeben wollen, diese sei zwar unzulässig, dafür aber begründet.

Mit ihren Ausführungen dahingehend, dass die Möglichkeit einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte der Klägerin vorliegend offensichtlich ausgeschlossen und daher die Klagebefugnis nicht gegeben sei, vermag die Beigeladene keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils dazulegen. Sowohl in Bezug auf § 3c UVPG als auch in Bezug auf die drittschützenden Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 BayBO kommt vorliegend mit einer für die Bejahung der Klagebefugnis ausreichenden Möglichkeit in Betracht, dass die angefochtene Genehmigung subjektiv-öffentliche Rechte der Klägerin verletzt hat. Ob eine Rechtsverletzung zu bejahen ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage.

2. Die Beigeladene will ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO daraus ableiten, dass das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage zu Unrecht als begründet angesehen habe, weil es fälschlich eine Verletzung von § 4 Abs. 1 und 3 UmwRG i.V.m. § 3c UVPG und hieraus folgend eine Verletzung von Rechten der Klägerin angenommen habe. Damit kann die Beigeladene nicht durchdringen.

Sie hat es nämlich entgegen ihrer verwaltungsprozessualen Darlegungsobliegenheit unterlassen, sich fristgerecht (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) mit dem weiteren, vom Verwaltungsgericht selbständig tragend herangezogenen Entscheidungsgrund der Verletzung von drittschützenden Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 BayBO) zu Lasten der Klägerin auseinanderzusetzen. Die Geltendmachung von Rechtsfehlern des Urteils in Bezug auf § 3c UVPG reicht nämlich nicht aus, um – ergebnisbezogen – ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils darzutun, wenn dieses selbständig tragend noch auf einen andern rechtlichen Grund gestützt ist. Rechtsfehler des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die von ihm angenommene Verletzung von Abstandsflächenrecht macht die Beigeladene zwar ausführlich im Schriftsatz vom 10. September 2015, somit aber außerhalb der Darlegungsfrist geltend.

Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil eindeutig auf mehrere jeweils selbständig tragende Gründe gestützt. So hat es ausgeführt, die Klage sei „aus mehreren Gründen auch begründet“ (UA S. 8 unten); unter Nr. 1 (UA ab S. 9 oben) hat es sich zudem mit der nach seiner Ansicht zur Aufhebung der Genehmigung führenden Verletzung von § 3c UVPG befasst, und unter Nr. 2 (UA ab S. 13 unten) hat es ausgeführt, die Genehmigung „verstößt aber auch gegen Abstandsflächenrecht“. In einem solchen Fall der kumulativen Mehrfachbegründung eines Urteils erfordert das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, dass der Rechtsmittelführer für jeden der geltend gemachten Zulassungsgründe im Sinn von § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 VwGO darlegt, dass dieser Grund in Bezug auf jeden der selbständig tragenden Entscheidungsgründe besteht. Fehlt es hieran, so kann der Antrag auf Zulassung der Berufung schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 61 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.9.2015 – 22 ZB 15.1095 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 12.8.2015 - 10 ZB 15.903 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 13.2.2014 – 8 ZB 12.1985 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 9.8.2012 - 14 ZB 11.2459 – juris Rn. 2 und 5; BayVGH, B.v. 18.1.2008 – 11 ZB 06.3228 - juris Rn. 4). Da vorliegend also die Beigeladene nicht in der gebotenen Weise dargelegt hat, weshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils in Bezug auf den – nach Ansicht des Verwaltungsgerichts zur Aufhebung der angefochtenen Genehmigung führenden – Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1, Abs. 4 BayBO bestehen sollen, bedarf es keiner Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichtshofs mit den geltend gemachten Zweifeln hinsichtlich der umweltverfahrensrechtlichen Bestimmungen (§ 4 Abs. 1, 3 UmwRG, § 3c UVPG).

3. Auch die nach ihrer Ansicht bestehenden besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zeigt die Beigeladene nur bezüglich der genannten umweltverfahrensrechtlichen Bestimmungen auf (Schriftsatz vom 20.8.2015, Nr. II ab S. 16). Dies reicht aber nicht aus, weil rechtlich oder tatsächlich besonders schwierige Fragen sich dann in einem Berufungsverfahren nicht stellen würden und damit nicht klärungsfähig sind, wenn sie für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich waren (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 29 und 37 m.w.N.). So verhält es sich hier wegen des von der Beigeladenen nicht in der gebotenen Weise in Frage gestellten weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrundes („Verstoß gegen Abstandsflächenrecht“).

Entsprechendes gilt für die von der Beigeladenen – ebenfalls nur in Bezug auf Umweltverfahrensrecht geltend gemachte (Schriftsatz vom 20.8.2015, Nr. III ab S. 18) – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nur vor, wenn eine Rechtsfrage erstens entscheidungserheblich, zweitens klärungsbedürftig und drittens über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 35–40). Weil vorliegend das Urteil selbständig tragend auf einen weiteren Entscheidungsgrund gestützt ist, sind diejenigen Erwägungen nicht entscheidungserheblich, die das Verwaltungsgericht hinsichtlich derjenigen, von der Beigeladenen als grundsätzlich bedeutsam angesehene Gesichtspunkte angestellt hat.

Auch mit der Divergenzrüge kann die Beigeladene nicht durchdringen. Ihre diesbezüglichen Ausführungen (Schriftsatz vom 20.8.2015, Nr. IV ab S. 22) befassen sich gleichfalls nicht mit dem selbständig tragenden Entscheidungsgrund „Verstoß gegen Abstandsflächenrecht“. Unabhängig davon, ob die von der Beigeladenen behauptete Abweichung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorliegt, kann somit das Urteil jedenfalls wegen des nicht angegriffenen weiteren selbständig tragenden Entscheidungsgrundes nicht auf der Abweichung beruhen (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2015 – 22 ZB 15.458 – juris Rn. 40).

4. Die Beigeladene meint, mit Erlass des Ergänzungsbescheids vom 8. September 2015 habe sich die die Sach- und Rechtslage, soweit sie für den Streitgegenstand entscheidungserheblich ist, in einer Weise geändert, die – obgleich sie erst nach Ablauf der Frist für die Begründung des Zulassungsantrags eingetreten ist, im Zulassungsverfahren berücksichtigt werden müsse. Dem ist nicht zu folgen.

Nach herrschender Meinung, der sich der Verwaltungsgerichtshof weiterhin anschließt, ist die äußerste zeitliche Grenze dafür, dass das Rechtsmittelgericht im Berufungszulassungsverfahren eine Änderung der Sach- und Rechtslage nach Erlass des angegriffenen Urteils berücksichtigen und wegen dieser Änderung die Berufung zulassen darf, der Ablauf der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für die Begründung des Berufungszulassungsantrags (BVerwG, B.v. 15.12.2003 – 7 AV 2/03NVwZ 2004, 744; BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 22 ZB 11.184 – Rn. 10; wohl auch OVG SH, B.v. 14.10.1999 – 4 L 83/99 – juris, Leitsatz 2, Rn. 6 a.E.; NdsOVG, B.v. 3.11.1998 – 9 L 5136/97 – juris, Rn. 6; HessVGH, B.v. 6.12.2004 – 2 ZU 3375/04 – in juris mit dem falschen Entscheidungsjahr „2014“ gespeichert; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd. II, Stand Sept. 2004, § 124 Rn. 26n und 26p m.w.N.; Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 97). Das Bundesverwaltungsgericht hat im genannten Beschluss vom 15. Dezember 2003 (a.a.O., Rn. 11) ausgeführt: „Ob die Berufung nach der Sach- und Rechtslage im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt zuzulassen ist, hat das Oberverwaltungsgericht allerdings stets nur im Rahmen der rechtzeitig dargelegten Gründe zu beurteilen. Ist erst nach Ablauf der hierfür geltenden Frist eine Rechtsänderung eingetreten, kann der Antragsteller nicht mit Blick auf diese erstmals neue Zulassungsgründe geltend machen; die Rechtsänderung muss aus diesem Grund unberücksichtigt bleiben“

Allenfalls in Grenzfällen kommt eine andere Beurteilung in Betracht. So hat das Bundesverwaltungsgericht hinzugefügt, dass der – fristgerecht erfolgte – Hinweis auf eine bevorstehende, erst nach Ablauf der Frist eintretende Änderung der Rechtslage genüge, um diese Änderung der Rechtslage im Zulassungsverfahren berücksichtigen zu können (so auch Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 Rn. 97). Ein solcher Fall ist vorliegend indes nicht gegeben. Die Beigeladene hat zwar in der Antragsbegründung vom 20. August 2015 (S. 15 unten) bezüglich der vom Verwaltungsgericht bemängelten Fehlerhaftigkeit der UVP-Vorprüfung ausgeführt, das Landratsamt werde „nach Kenntnis der Berufungsklägerin zeitnah rein vorsorglich einen Ergänzungsbescheid erlassen, in welchem eine umfassende und überobligatorische Dokumentation der Durchführung der UVP-Vorprüfung erfolgt und darüber hinaus weitere Ausführungen zum Thema der Abstandsflächenreduzierung enthalten sind“. Der Hinweis auf eine inhaltlich wie zeitlich völlig unbestimmte Absicht des Landratsamts, einen Ergänzungsbescheid u.a. mit „weiteren Ausführungen zum Thema der Abstandsflächenreduzierung“ zu erlassen, kann als Hinweis auf eine bevorstehende Rechtsänderung oder Tatsachenänderung nicht ausreichen. Dagegen spricht auch die bloß beiläufige Erwähnung einer solchen Absicht im Rahmen des Vortrags zu einem ganz anderen selbständig tragenden Entscheidungsgrund.

Gegen diese Rechtsauffassung sprechen keine triftigen Gegenargumente. Weder der in der Rechtsprechung wiederholt angeführte, dem Berufungszulassungsverfahren auch beigemessene Zweck, eine nach materiellem Recht richtige Entscheidung herbeizuführen (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 11.11.2002 - 7 AV 3/02 - NVwZ 2003, 490, Rn. 11), noch Gründe der Prozessökonomie gebieten es, über diesen Zeitpunkt hinaus Veränderungen der Sach- und Rechtslage im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen. Zu bedenken ist nämlich auch die – jedenfalls gleichberechtigt – bestehende Aufgabe der Berufungsgerichte, in erster Linie erstinstanzliche Entscheidungen zu überprüfen und die Exekutive zu kontrollieren, nicht aber Aufgaben der Verwaltung zu übernehmen. Dagegen spricht auch, dass das Berufungszulassungsverfahren – wie schon die zu beachtenden gesetzlichen Fristen zeigen – vom Gesetzgeber auf Beschleunigung angelegt ist. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn ein Beteiligter immer wieder neue Fakten schaffen und immer wieder neue Rechtsakte setzen könnte, um seine „Prozesschancen“ zu verändern oder gar – wie hier – prozessuale Versäumnisse ungeschehen zu machen. Gründe der Prozessökonomie können deshalb in vielen Fällen gerade dafür sprechen, das Verwaltungsgerichtsverfahren von der Überfrachtung mit neuen komplexen Tatsachen- und Rechtsfragen zu entlasten. Auch Gründe der materiellen Gerechtigkeit erfordern es nicht, Änderungen der Sach- und Rechtslage nach Ablauf der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO noch zu berücksichtigen. Das Verwaltungsverfahrensrecht bietet sowohl der Verwaltung als auch demjenigen, der sich auf die zu seinen Gunsten veränderte Lage berufen möchte, hinreichende Möglichkeiten, auf derartige Änderungen sachgerecht zu reagieren. Das Abstellen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hat auch den Vorzug der Eindeutigkeit, der Rechtsklarheit und der unparteilichen Objektivität für sich, während demgegenüber die von Teilen des Schrifttums favorisierte Ansicht, wonach Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag zu berücksichtigen seien, in Kauf nimmt, dass die Berücksichtigung solcher Änderungen vom Zufall, von der Arbeitsbelastung oder von der „Geduld“ des Berufungsgerichts mit den Beteiligten oder sogar von deren zeitlichem Taktieren abhängen kann.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in den Nummern 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.