VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2015 - 8 S 1386/14
Fundstelle
openJur 2015, 14198
  • Rkr:

1. Ein in öffentlicher Sitzung gefasster Beschluss des Gemeinderats, ein gesetzliches Vorkaufsrecht auszuüben, verstößt gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO (juris: GemO BW) (Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen des Gemeinderats), wenn der Gemeinderat über die Ausübung des Vorkaufsrechts zuvor nur in nichtöffentlicher Sitzung beraten hat.

2. Eine wegen Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO (juris: GemO BW) rechtswidrige nichtöffentliche Beratung des Gemeinderats kann durch einen nachträglichen Beschluss des Gemeinderats nicht für "gegenstandslos" erklärt werden.

3. § 46 LVwVfG (juris: VwVfG BW) ist bei einem Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO (juris: GemO BW) nicht anwendbar.

Tenor

Auf die Berufungen der Kläger werden die Urteile des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28. Februar 2014 - 2 K 3238/12 und 2 K 3104/12 - geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17. September 2012 werden aufgehoben.

Die Hinzuziehungen der Bevollmächtigten durch die Kläger im Vorverfahren werden für notwendig erklärt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 30.06.2011 (Urkunde Notariat Friedrichshafen II Nr. 53/2001) veräußerte der Kläger zu 1 an den Kläger zu 2 das mit einem Gebäude bebaute Grundstück Flst.Nr. ..., ..., in ... einem Kaufpreis von 285.000,- EUR. An das Grundstück schließt sich in südöstlicher Richtung das der Beklagten gehörende Grundstück Flst.Nr. ... an, das mit einer Sporthalle (sog. „kleine Turnhalle“) bebaut ist. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des durch Satzung vom 22.09.2008 förmlich festgelegten Sanierungsgebietes „Östlicher Ortskern“ der Beklagten. Nach der vorbereitenden Untersuchung zu dem Untersuchungsgebiet besteht u.a. für das Turnhallengebäude ein dringender Sanierungsbedarf bzw. ein Bedarf für die Errichtung eines Neubaus unter Einbeziehung benachbarter Grundstücke. Dem Abschluss des Kaufvertrages zwischen den Klägern waren erfolglos verlaufende Verkaufsverhandlungen zwischen dem Kläger zu 1 und der Beklagten über das Grundstück vorausgegangen.

Mit Schreiben vom 01.07.2011, bei der Beklagten eingegangen am 04.07.2011, übersandte das Notariat Friedrichshafen II eine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages vom 30.06.2011 als Vorkaufsrechtsanzeige. Der Kläger zu 1 teilte der Beklagten unter dem 01.07.2011 gleichfalls den Abschluss des notariellen Kaufvertrages mit.

Der Gemeinderat der Beklagten befasste sich mit der Ausübung eines Vorkaufsrechts hinsichtlich des Grundstücks nach §§ 24 ff. BauGB zunächst in nichtöffentlicher Sitzung am 25.07.2011. Die Einladung vom 15.07.2011 des Bürgermeisters der Beklagten zu der Gemeinderatssitzung am 25.07.2011 sah unter Tagesordnungspunkt 1. für den nichtöffentlichen Teil (Beginn 17.00 Uhr) vor:

„Beratung zum Verwendungszweck der Flurstücke ... (kleine Turnhalle) und ... (...Straße ...) im Rahmen der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme „Östlicher Ortskern“ und Beschlussfassung über die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde zum Erwerb des Grundstücks Flst. ... – (...) Über die Ausübung des Vorkaufsrechts und die zukünftige öffentliche Nutzung des Grundstücks ist zu beraten. Die Entscheidung über die öffentliche Nutzung und die Ausübung des Vorkaufsrechts hat in öffentlicher Sitzung zu erfolgen.“

Nach kontroverser Diskussion über die Ausübung des Vorkaufsrechtes erging in der nichtöffentlichen Sitzung der Beschluss, vor einer weiteren Entscheidung zum Sachverhalt, die rechtliche Stellungnahme eines Fachanwaltes einzuholen. Nach dieser Stellungnahme solle eine nichtöffentliche Sondersitzung des Gemeinderats erfolgen, in der eine rechtliche Beratung über das Verfahren zur Ausübung eines Vorkaufsrechtes durch die Gemeinde durch einen Fachanwalt erfolgen solle.

Diese nichtöffentliche Sondersitzung des Gemeinderats fand am 01.08.2011 unter Teilnahme des Beklagtenvertreters statt. Nachdem der Bürgermeister den Sachverhalt dargelegt und klargestellt hatte, dass keine Sachdiskussion bezüglich der Ausübung des Vorkaufsrechts geführt werde, erläuterte der Beklagtenvertreter umfassend die rechtliche Lage. Er wies hierbei eingangs insbesondere darauf hin, dass Beratung und Beschluss über die Ausübung des Vorkaufsrechts in öffentlicher Sitzung erfolgen müssten. Dabei reiche es auch nicht aus, wenn in einer nichtöffentlichen Sitzung beraten worden sei und anschließend in öffentlicher Sitzung trotz Gelegenheit zur Wortmeldung keine Aussprache stattfinde, sondern wegen der Vorberatung in öffentlicher Sitzung nur noch die Ausübung des Vorkaufsrechts beschlossen werde. Die bisherigen Beratungen in nichtöffentlicher Sitzung müssten daher als gegenstandslos behandelt werden. Die Beschlussfassung müsse unbefangen und unbeeindruckt von der nichtöffentlichen Beratung in öffentlicher Sitzung erfolgen, da nur so der Fehler der nichtöffentlichen Beratung wieder ausgeräumt werden könne. Nach zahlreichen Wortmeldungen der Gemeinderatsmitglieder und Rückfragen an den Beklagtenvertreter zu den Voraussetzungen, möglichen negativen rechtlichen Folgen sowie einer rechtlich sicheren Vorgehensweise bei der Ausübung des Vorkaufsrechts, fasste der Gemeinderat schließlich den nachfolgenden einstimmigen Beschluss:

1. „Herr Prof. ... wird mit der Begleitung der Ausübung des Vorkaufsrechts beauftragt.2. Es wird festgestellt, dass die Beratung und die Beschlussfassung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erstmals in einer weiteren Gemeinderatssitzung stattfinden wird. Die Beratung in der nichtöffentlichen Sitzung am 25.07.2011 ist als gegenstandslos zu betrachten.“

Mit Schreiben vom 02.08.2011 teilte die Beklagte sowohl dem Kläger zu 1 als auch dem Kläger zu 2 mit, dass beabsichtigt sei, das Sanierungs- und Entwicklungskonzept im Sanierungsgebiet „Östlicher Ortskern“ fortzuschreiben und zu konkretisieren. Die Verwaltung werde dem Gemeinderat vorschlagen, das der Gemeinde gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zustehende Vorkaufsrecht an dem Grundstück Flst.Nr. ... zum Wohle der Allgemeinheit auszuüben. Den Klägern wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 17.08.2011 eingeräumt.

In der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 29.08.2011 beschloss der Gemeinderat zunächst die Fortschreibung und Konkretisierung des Entwicklungskonzepts im Sanierungsgebiet „Östlicher Ortskern“ u.a. zur Schaffung öffentlicher und privater Stellplätze unter Inanspruchnahme der Flst.Nrn. ... (... Straße ...) und ... (kleine Turnhalle). Danach schilderte der Bürgermeister unter dem nächsten Tagesordnungspunkt „Ausübung des Vorkaufsrechts“ die Situation zum städtebaulichen Sanierungsgebiet „Östlicher Ortskern“ sowie zum Kaufvertrag über die Veräußerung des Grundstücks ... Straße ... Im Folgenden verwies er auf die Vorberatung, die zusammen mit dem Beklagten-Vertreter bereits am 01.08.2011 stattgefunden habe. Gemeinderat Z. äußerte, der Gemeinderat müsse in jedem Fall von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Es sei schade, dass das Grundstück nicht bereits im Vorfeld auf „normale Art und Weise“ habe erworben werden können. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei von der Vorgehensweise aber nun rechtlich einwandfrei. Gemeinderat K. wies darauf hin, dass im Sinne des Allgemeinwohls das Vorkaufsrecht entsprechend dem Beschlussvorschlag ausgeübt werden solle. Gemeinderat M. schloss sich seinen Vorrednern an und äußerte, dass „die Sache entsprechend vorberaten“ worden sei. Der Gemeinderat beschloss sodann die Ausübung des Vorkaufsrechts am Grundstück Flst.Nr. ..., ... Straße ...

Mit Bescheid vom 31.08.2011 übte die Beklagte gegenüber dem Kläger zu 1 das Vorkaufsrecht an dem Grundstück Flst.Nr. ... aus. In ihrer Begründung verwies die Beklagte auf die Satzung über die förmliche Festsetzung des Sanierungsgebiets und den vorangegangenen Ergebnisbericht, der den erheblichen Erneuerungsbedarf der kleinen Halle festgestellt habe. In öffentlicher Sitzung vom 29.08.2011 habe der Gemeinderat das Satzungsziel konkretisiert und auf Grundlage von §§ 28 Abs. 2, 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB beschlossen, das Vorkaufsrecht für das Grundstück ... Straße ... auszuüben. Die Ausübung sei durch Gründe des Wohls der Allgemeinheit gerechtfertigt. Nach den am 29.08.2011 beschlossenen Satzungszielen sowie dem Ergebnis der vorbereitenden Untersuchungen solle die Halle unter Inanspruchnahme des Grundstücks ... Straße ... saniert oder neu aufgebaut werden. Zudem sei beabsichtigt, das Grundstück auch für die Herstellung öffentlicher und privater Stellplätze zu nutzen.

Der Ausübungsbescheid wurde dem Kläger zu 2 unter dem 31.08.2011 zur Kenntnisnahme übersandt.

Gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts erhob der Kläger zu 1 mit Schreiben vom 27.09.2011 Widerspruch, den er am 31.10.2011 im Wesentlichen damit begründete, dass der Gemeinderatsbeschluss vom 29.08.2011 rechtswidrig sei, da dem offenbar Beratungen in nichtöffentlicher Sitzung vorausgegangen seien. Eine solche nichtöffentliche Vorberatung sei unzulässig und führe zur Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 29.08.2011.

Der Kläger zu 2 erhob mit Schreiben vom 05.09.2011 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2011. In der Widerspruchsbegründung vom 18.01.2012 wurde ebenso die Unwirksamkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 29.08.2011 wegen vorangegangener Beratungen in nichtöffentlicher Sitzung geltend gemacht.

Mit in der Sache identischen Widerspruchsbescheiden vom 17.09.2012, zugestellt am 19.09.2012 und am 20.09.2012, wies das Landratsamt Bodenseekreis die Widersprüche der Kläger zurück. Dem Ausübungsbescheid habe ein wirksamer Beschluss des Gemeinderats in öffentlicher Sitzung vom 29.08.2011 gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO zu Grunde gelegen. In der Sitzung hätten die Gemeinderäte zunächst ausführlich über die Sanierung bzw. den Neubau der Turnhalle und der Verbesserung der Parkplatzsituation diskutiert. Unmittelbar daran sei der Tagesordnungspunkt zum Vorkaufsrecht aufgerufen worden. Es habe drei kurze Wortmeldungen gegeben. Nachdem kein weiterer Beratungsbedarf bestanden habe, sei abgestimmt worden. Ein solches Vorgehen sei nicht unüblich. Auch materiell lägen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Nr. 3 BauGB für die Ausübung des Vorkaufsrechts vor.

Der Kläger zu 2 hat am 12.10.2012 unter dem Aktenzeichen 2 K 3104/12 und der Kläger zu 1 hat am 18.10.2012 unter dem Aktenzeichen 2 K 3238/12 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Die Kläger haben jeweils beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2011 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Bodenseekreis vom 17.09.2012 aufzuheben. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klagen jeweils mit in der Begründung identischen Urteilen vom 28.02.2014 abgewiesen. Die Beklagte habe das Vorkaufsrecht in formell und materiell rechtmäßiger Weise ausgeübt. Insbesondere habe der Gemeinderat der Beklagten in seiner Sitzung vom 29.08.2011 verfahrensfehlerfrei über die Ausübung des Vorkaufsrechts beschlossen, ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO liege nicht vor. Die Beratung in der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats am 25.07.2011 habe zwar den Erfordernissen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO nicht entsprochen. Nach Erkennen seines Fehlers habe der Gemeinderat aber durch das weitere Vorgehen den Anforderungen des Öffentlichkeitsprinzips ausreichend Rechnung getragen. Mit dem Beschluss vom 01.08.2011 habe der Gemeinderat seinen Willen und seine Bereitschaft deutlich zum Ausdruck gebracht, neu in öffentlicher Sitzung zu verhandeln. Die Beratung und Beschlussfassung am 29.08.2011 genüge den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO. Dass die der Beschlussfassung vorangestellte Beratung weder die Dauer noch die Intensität der Debatte vom 25.07.2011 erreicht habe, sei unerheblich. Eine Beratung setze keine Diskussion um der Diskussion willen voraus. Eine Diskussion könne sich sogar darin erschöpfen, dass die Beteiligten auf Wortmeldungen gänzlich verzichteten, wenn kein Gesprächsbedarf bestehe. Unschädlich sei auch, dass der Bürgermeister auf die Vorberatung, die zusammen mit dem Beklagtenvertreter bereits am 01.08.2011 stattgefunden habe, verwiesen habe. Dies bedeute nicht, dass hierdurch nichtöffentliche Beratungen des Gemeinderats Teil der Beratung vom 29.08.2011 geworden seien. Auch die Äußerung des Gemeinderats Ms., die Sache sei „entsprechend vorberaten worden“, ändere nichts an dem Umstand, dass der Gemeinderat im Rahmen der Sitzung den Sachverhalt umfassend beraten habe. Dass eine unzulässige Verlagerung der Beratung in die nichtöffentliche Sitzung nicht stattgefunden habe, zeige auch der Vergleich der Ergebnisse der Sitzungen vom 25.07.2011 und vom 29.08.2011. Gerade durch den Beschluss vom 01.08.2011 habe der Gemeinderat deutlich gemacht, dass er die Geschehnisse des 25.07.2011 nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen wolle, sondern mit den Kenntnissen aus der rechtlichen Beratung in öffentlicher Sitzung beraten und entscheiden wolle. So wie der Gemeinderat jederzeit einen Beschluss aufheben könne, wenn er dessen Fehlerhaftigkeit erkannt habe, und hierauf den Beschluss unter Beachtung der Verfahrensregeln neu fassen könne, habe der Gemeinderat vorliegend noch vor einer verfahrensfehlerhaften nichtöffentlichen Beschlussfassung sein Vorgehen korrigieren und in öffentlicher Sitzung ordnungsgemäß über die Ausübung des Vorkaufsrechts beraten und dieses beschließen können. Zwar sei den Klägern darin zuzustimmen, dass eine größtmögliche Transparenz durch die Einführung des Inhalts der Sitzungen vom 25.07.2011 und 01.08.2011 in der Sitzung vom 29.08.2011 erzielt worden wäre. Dies sei zur Wahrung des Öffentlichkeitsprinzips jedoch nicht zwingend erforderlich gewesen.

Die Kläger haben die mit Senatsbeschlüssen vom 23.07.2014 zugelassenen Berufungen nachfolgend begründet. Der Senat hat das Verfahren 8 S 1387/14 (Kläger zu 2. gegen die Beklagte) mit dem Verfahren 8 S 1386/14 (Kläger zu 1. gegen die Beklagte) mit Beschluss vom 24.03.2015 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. 8 S 1386/14 fortgeführt.

Zwischenzeitlich wurden am 17.11.2014 in einer öffentlicher Sitzung des - neu gewählten - Gemeinderats der Beklagten unter Teilnahme des Beklagtenvertreters dem Gemeinderat und der Öffentlichkeit die Grundzüge des Diskussionsinhalts sowie die Beschlüsse der nichtöffentlichen Sitzungen vom 25.07.2011 und vom 01.08.2011 zugänglich gemacht. Der Bürgermeister wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die neu gewählten Gemeinderatsmitglieder und er als neuer Bürgermeister hier das gleiche gemeinsame Schicksal hätten. Nachdem außer einer Verständnisfrage keine Wortmeldungen erfolgten, fasste der Gemeinderat den einstimmigen Beschluss:

„1. Der Gemeinderat nimmt den Diskussions- und Beschlussinhalt der nichtöffentlichen Sitzungen vom 25.07.2011 und 01.08.2011 zur Kenntnis.2. Der Gemeinderat sieht keinen Anlass, den Beschluss des Gemeinderats vom 29.08.2011 zu ändern.“

Der Kläger zu 1. hat zur Begründung seiner Berufung angeführt:

Eine unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO erfolgte nichtöffentliche Beratung könne im Gegensatz zu einem fehlerhaften Beschluss nicht allein durch einen Aufhebungsbeschluss des Gemeinderats gegenstandslos werden, sondern müsse als zuvor der Öffentlichkeit entzogener Teil des Entscheidungsprozesses nachgeholt oder zumindest transparent gemacht werden. § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO verlange, dass die Sitzungen des Gemeinderats und damit der gesamte Verhandlungsgang öffentlich und insofern transparent und prüfbar für die Bürger sei. Dies könne im Einzelfall eine bloße Information des Gemeinderats durch Verwaltung und Kenntnisnahme bedeuten, im hier interessierenden Fall durch Sachvortrag, Beratung und Beschlussfassung. Dies seien Elemente einer Sitzung i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO, die nicht voneinander getrennt, hinsichtlich des Öffentlichkeitsprinzips nicht unterschiedlich behandelt und auch in ihrer Reihenfolge nicht verändert werden könnten. Die Gemeinderatssitzung sei der organisatorische Rahmen, innerhalb dessen ein Vorgang behandelt und zur Entscheidung gebracht werden müsse. Dies schließe es nicht aus, dass die Entscheidung des Gemeinderates nicht in derselben, sondern etwa in einer folgenden öffentlichen Sitzung gefasst werde. Der Gesetzgeber habe die gewählten Vertreter bewusst unter einen Begründungszwang gestellt, weil der Bürger zumindest ansatzweise erkennen können solle, was sich der einzelne Vertreter bei seiner Entscheidung gedacht habe. Für eine Kontrolle durch die Bürger seien nicht nur das Votum des Repräsentanten, sondern auch seine Gründe hierfür jeweils von maßgeblicher Bedeutung. Bei einer Trennung von Beratung und Beschlussfassung würde der Willkür Tür und Tor geöffnet. Nicht nur würde der Rechtsschutz verkürzt oder erschwert, sondern es könnten auch vollendete Tatsachen geschaffen oder - wie hier - Entscheidungsfristen eingehalten werden, ohne dass sich das dafür zuständige Organ dafür zu rechtfertigen habe.

Eine Begründung könne nicht nachgeschoben werden. Gleichfalls könne ein neu gewählter Gemeinderat in neuer Zusammensetzung nicht darüber befinden, dass und warum der frühere Gemeinderat zu Recht eine bestimmte Entscheidung getroffen habe.

Der Kläger zu 2 hat zur Berufungsbegründung im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Vorwegnahme der Sachdiskussion in einer nichtöffentlichen Sitzung auch bei nachfolgender Beschlussfassung in einer öffentlichen Sitzung gegen § 35 Abs. 1 GemO verstoße. Im vorliegenden Fall seien ganz wesentliche Aspekte der Ausübung des Vorkaufsrechts ausschließlich in den nichtöffentlichen Beratungen am 25.07.2011 und am 01.08.2011 besprochen worden, die in der öffentlichen Sitzung am 29.08.2011 nicht wieder aufgegriffen worden seien. Der von der Beklagten zur Heilung dieses Verstoßes gewählte Weg eines Beschlusses in einer nichtöffentlichen Sitzung, dass die bisherigen Beratungsgegenstände als gegenstandslos zu betrachten seien, sei gänzlich verfehlt, da er nicht dem Sinn der Öffentlichkeitsbeteiligung entsprochen habe. Eine Heilung setze vielmehr voraus, dass erneut beraten und sodann beschlossen werde. Dabei dürften jedoch die Beratung und die Beschlussfassung in der öffentlichen Sitzung nicht von der nichtöffentlichen Beratung losgelöst betrachtet werden. Die „Heilungsberatung“ müsse zumindest die Auswirkungen der Verletzung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO ungeschehen machen. Nach dem Sinn der Öffentlichkeitsberatung, den Entscheidungsprozess plastisch und transparent zu machen, setze die „Heilungsberatung“ daher als Mindeststandard voraus, dass die bisherige Sachdiskussion offen gelegt werde. Dies könne entweder durch eine Einführung der nichtöffentlichen Sitzungsprotokolle in die öffentliche Sitzung oder jedenfalls durch eine Wiedergabe des wesentlichen Inhalts dieser Protokolle durch den Schriftführer oder durch den Bürgermeister geschehen. Diesen erhöhten Anforderungen genüge die Beratung am 29.08.2011 jedoch nicht, da der Bürgermeister der Beklagten in dieser Sitzung lediglich auf die Vorberatung am 01.08.2011 ohne jegliche Erörterung ihres Gegenstandes verwiesen und die Sitzung vom 25.07.2011 gänzlich unerwähnt gelassen habe, so dass der gesamte Verstoß einschließlich des Heilungsversuchs der Öffentlichkeit unbekannt geblieben sei. Der Öffentlichkeit sei damit ein wesentlicher Teil der Willensbildung vorenthalten worden. Ein solches Vorgehen berge insofern auch eine erhebliche Missbrauchsgefahr. Andernfalls könne stets in nichtöffentlicher Sitzung so lange beraten werden, bis man sich einig sei, anschließend könne man sich durch einen Beschluss hiervon distanzieren und sodann eine öffentliche Sitzung einberufen, in der der Gemeinderat den vorberatenen Beschluss fassen könnte.

Die vorgeschlagene Vorgehensweise einer Veröffentlichung des wesentlichen Inhalts der Protokolle über die nichtöffentliche Sitzung verstoße auch nicht gegen § 35 Abs. 2 GemO, da eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch den Bürgermeister notwendiger Bestandteil eines entsprechenden Heilungsversuches sei. Ebenso wenig sei das Recht der einzelnen Gemeinderäte auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, da aufgrund des Tätigwerdens der Gemeinderäte nicht als Privatperson sondern als mandatierte Volksvertreter bereits der Schutzbereich nicht eröffnet sei, die Aufhebung der Schweigepflicht nach § 35 Abs. 2 GemO jedenfalls eine zulässige Beschränkung darstelle und darüber hinaus eine zusammenfassende Darstellung ohne Personennennung hiervon ohnehin unberührt bliebe.

Des Weiteren stehe auch nicht § 46 LVwVfG einer Aufhebung des Ausübungsbescheids entgegen, da angesichts der erheblichen Divergenz zwischen der Sitzung vom 25.07.2011 und derjenigen vom 29.08.2011 nicht offensichtlich sei, dass die Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe.

Schließlich könne die in der Gemeinderatssitzung am 17.11.2014 vorgenommene Beratung und Beschlussfassung keine nachträgliche Heilung mehr herbeiführen. Die vorgenommene Veröffentlichung sei überdies nicht hinreichend.

Die Kläger beantragen,

die Urteile des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 28.02.2014 - 2 K 3238/12 und - 2 K 3104/12 - abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2011 und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17.09.2012 aufzuheben;die Zuziehungen der Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Der in der öffentlichen Sitzung am 29.08.2011 gefasste Beschluss sei für sich betrachtet fehlerfrei erfolgt und habe den Vorschriften der Gemeindeordnung entsprochen, da insbesondere eine öffentliche Beratung und Beschlussfassung stattgefunden hätten. Es müsse streng getrennt werden zwischen der Frage, ob der Fehler der nichtöffentlichen Beratung geheilt werden könne und der Frage, ob diese Fehlerbehebung Voraussetzung für eine fehlerfreie Beratung und Beschlussfassung sei und eine Nachwirkung die öffentliche Beratung und Beschlussfassung „infiziere“. Hierfür gebe es jedoch keine Anhaltspunkte. Vielmehr sei der Fehler aus dem vorangegangenen Verhalten schon dadurch geheilt worden, dass dem Gemeinderat deutlich gemacht worden sei, dass er sich von jeglicher Vorbindung aus der nichtöffentlichen Sitzung „frei machen“ müsse. Zudem sei der Stand der Beratung nach der nichtöffentlichen Sitzung so kontrovers gewesen, dass sich daraus kein einheitlicher Willensentschluss ableiten ließe und die einheitliche Willensbildung daher offensichtlich erst nach der nichtöffentlichen Beratung stattgefunden habe. Die nichtöffentliche Vorberatung sei daher als selbstständiger Verfahrensteil zu sehen und rechtlich entsprechend zu bewerten.

Darüber hinaus läge im vorliegenden Fall, selbst wenn man ein entsprechendes Heilungserfordernis bejahte, höchstens ein Verfahrensfehler vor, der gemäß § 46 LVwVfG mangels Kausalität nicht zur Aufhebung des Ausübungsbescheids führen könne. Dies zeige auch der neue Beschluss des Gemeinderats vom 17.11.2014, den Beschluss vom 29.08.2011 nicht zu ändern. Des Weiteren stehe der von den Klägern vorgeschlagene Weg einer Offenlegung der bisherigen Sachdiskussion im Widerspruch zu § 35 Abs. 2 GemO, der im Lichte des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der Gemeinderäte auszulegen sei. Auch eine anonymisierte zusammenfassende Darstellung des Verlaufs einer unzulässigen nichtöffentlichen Beratung durch den Bürgermeister sei jedoch keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Durchführung einer nachfolgenden öffentlichen Sitzung. Schließlich habe der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung am 17.11.2014 den Beratungs-, Diskussions- und Beschlussinhalt der nichtöffentlichen Sitzungen vom 25.07.2011 und vom 01.08.2011 transparent gemacht, so dass der Fehler in jedem Fall nachträglich geheilt worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die einschlägigen Behördenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens Bezug genommen.

Gründe

Die Berufungen der Kläger sind nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Auch wenn der Kläger zu 2 nicht Adressat des angefochtenen Ausübungsbescheides ist, ist er klagebefugt. Die Ausübung des Vorkaufsrechts durch eine Gemeinde ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der sich auch gegenüber dem Käufer als belastender Verwaltungsakt darstellt und gegen den sich dieser mit Widerspruch und Anfechtungsklage wehren kann (st. Rspr. BVerwG, Beschlüsse vom 25.05.1982 - 4 B 98.82 - BRS 39 Nr. 96, juris Rn. 3, vom 15.02.2000 - 4 B 10.00 - BauR 2000, 1027, juris Rn. 5 und vom 30.11.2009 - 4 B 52.09 - juris Rn. 5).

Das Verwaltungsgericht hat die Klagen zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2011 über die Ausübung des Vorkaufsrechts und die Widerspruchsbescheide des Landratsamts Bodenseekreis vom 17.09.2012 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausübungsbescheides vom 31.08.2011. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist die Ausübung des Vorkaufsrechtes fristgebunden. Es handelt sich um eine materielle Ausschlussfrist, d.h. eine vom materiellen Recht gesetzte Frist, deren Nichteinhaltung den Verlust einer materiell-rechtlichen Rechtsposition zur Folge hat. Materiell-rechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich und stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte (BVerwG, u.a. Urteil vom 22.10.1993 - 6 C 119.92 - juris Rn.16 m.w.N.). Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, so dass innerhalb der Frist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB sämtliche für die Ausübung des Vorkaufsrechts erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen (vgl. Paetow in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., § 28 Rn. 10; Dolde, NJW 1984, 1713,1729; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.12.1997 - 8 A 12998/96 - juris Rn. 26 zum Vorkaufsrecht nach DSchPflG RP).

2. Rechtsgrundlage des Bescheids der Beklagten vom 31.08.2011 ist § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Danach steht der Gemeinde beim Kauf von Grundstücken in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet ein Vorkaufsrecht zu. Das Grundstück Flst.Nr. ..., das mit notariellem Kaufvertrag vom 30.06.2011 vom Kläger zu 1 an den Kläger zu 2 veräußert wurde, liegt unstreitig im Geltungsbereich des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes „Östlicher Ortskern“ der Beklagten. Die Ausübung des Vorkaufsrechts hat nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Mitteilung des Kaufvertrags gegenüber dem Verkäufer zu erfolgen. Auch diese Voraussetzung ist erfüllt, denn die Mitteilung über den Abschluss des Kaufvertrages ging bei der Beklagten am 04.07.2011 ein, so dass der angefochtene Bescheid vom 31.08.2011, der dem Kläger zu 1 am 02.09.2011 zugestellt wurde, die Frist wahrte.

3. Der Bescheid über die Ausübung des Vorkaufsrechtes ist jedoch rechtswidrig, da er einen rechtswidrigen Gemeinderatsbeschluss der Beklagten vom 29.08.2011 vollzieht. Dieser Beschluss verstieß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO. Auf die Frage, ob die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts vorgelegen haben, kommt es daher nicht (mehr) an.

a) Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer auszuüben. Da die Entscheidung hierüber eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung betrifft, ist eine Entscheidung des hierfür zuständigen Gemeindeorgans erforderlich. Dies ist hier der Gemeinderat. Nach § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO legt der Gemeinderat die Grundsätze für die Verwaltung der Gemeinde fest und entscheidet über alle Angelegenheiten der Gemeinde, soweit nicht der Bürgermeister kraft Gesetzes zuständig ist oder ihm der Gemeinderat bestimmte Angelegenheiten überträgt. Hier ist unstreitig weder die Zuständigkeit des Bürgermeisters nach § 44 GemO eröffnet, noch hat eine Zuständigkeitsübertragung an den Bürgermeister der Beklagten stattgefunden.

b) Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO sind die Sitzungen des Gemeinderats öffentlich. Nichtöffentlich darf nach Satz 2 der Vorschrift nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Diese Voraussetzungen lagen offenkundig nicht vor, wovon auch die Beteiligten ausgehen.

Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er ist im demokratischen Rechtsstaat eines der wichtigsten Mittel, das Interesse der Bürgerschaft an der Selbstverwaltung zu wecken und zu erhalten. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie die Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen; es soll so bereits der Anschein vermieden werden, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachliche Motive für die Entscheidung maßgebend gewesen sein könnten (vgl. st. Rspr. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 09.11.1966 - I 5/65 - ESVGH 17,118 und 24.02.1992 - 1 S 2242/91 - juris Rn. 15, Beschluss vom 25.02.2013 - 1 S 2155/12 - juris Rn. 9). Der Zweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO geht daher über eine bloße Unterrichtung des Bürgers hinaus. Vielmehr dient er gerade dem Ziel einer gesetzmäßigen und sachgerechten Arbeit des Gemeinderats sowie der Verhinderung vermeidbarer Missdeutungen seiner Willensbildung und Beschlussfassung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.1966 a.a.O.). Die Bürger sollen aufgrund der öffentlichen Beratung wichtiger Gemeindeangelegenheiten auch einschätzen können, ob gegebenenfalls eine unmittelbare Beteiligung der Bürgerschaft an der Entscheidungsfindung erforderlich wird (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.10.2012 - 5 K 1969/12 - juris Rn. 49).

Ein Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen begründet daher regelmäßig eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung und damit die Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.02.2010 a.a.O. m.w.N; vgl. auch für die Mitwirkung befangener Gemeinderäte bei Satzungsbeschlüssen § 18 Abs. 5 GemO).

Der Öffentlichkeitsgrundsatz verlangt bei der Ausübung des Vorkaufsrechtes dabei nicht nur, dass der Beschluss über die Ausübung des Vorkaufsrechtes in öffentlicher Sitzung gefasst wird, sondern dass über die Frage auch öffentlich beraten wird (vgl. st. Rspr. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 18.06.1980 - III 503/79 - VBlBW 1980, 33, vom 16.06.1981 - 3 S 271/81 und vom 08.08.1990 - 3 S 132/90 - NVwZ 1991, 284; OLG Stuttgart, Urteil vom 11.11.2013 - 102 U 1/13 - juris Rn. 31). Denn das Vorkaufsrecht darf nur dann ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit im Sinne der § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB den kommunalen Grundstückserwerb erfordert. Angesichts des städtebaulichen Einschätzungsspielraums, ob und in welcher Weise das jeweilige Grundstück für die kommunale Planung von Relevanz ist, kommt danach gerade bereits der öffentlichen Debatte im politischen Willensbildungsorgan eine besondere Bedeutung zu. Dabei wird im Regelfall die der Beschlussfassung vorausgehende Beratung in ein- und derselben öffentlichen Sitzung des Gemeinderats erfolgen. Fallen im Einzelfall die beiden Schritte auseinander, gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit für beide Einzelschritte.

c) Diesen Anforderungen entsprach das Vorgehen der Beklagten nicht.

aa) Der Gemeinderat der Beklagten hat hier zwar in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 29.08.2011 den Beschluss über die Ausübung des Vorkaufsrechtes gefasst. Die (eigentliche) Sachberatung- und diskussion hierüber erfolgte jedoch nicht in dieser öffentlichen Gemeinderatssitzung, sondern in nichtöffentlicher Sitzung. Da in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats die unter Verstoß gegen das Prinzip der Öffentlichkeit durchgeführte Beratung nicht offengelegt wurde, ist auch der Beschluss über die Ausübung des Vorkaufsrechts fehlerhaft.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts erfolgte in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates vom 29.08.2011 keine Beratung über die Ausübung des Vorkaufsrechts. Zwar fand unmittelbar vor der Beschlussfassung nach der Einführung durch den Bürgermeister eine kurze Aussprache statt, in der drei Gemeinderäte die einstimmige Zustimmung ihrer jeweiligen Fraktionen ankündigten. Allein der Umstand, dass insofern keine streitige Diskussion mit Rede und Gegenrede stattgefunden hat, begründet noch keinen Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO. Denn auf eine Beratung kann im Einzelfall auch ganz verzichtet werden (vgl. auch § 37 Abs. 1 Satz 2 GemO).

Sowohl den Darlegungen des Bürgermeisters (Verweis auf eine Vorberatung, die zusammen mit dem Beklagten-Vertreter bereits am 01.08.2011 stattgefunden habe), als auch den Ausführungen der drei Gemeinderäte ist jedoch zu entnehmen, dass auf vorangegangene Beratungen Bezug genommen wurde. Hierdurch ist überhaupt erst offenbar geworden, dass ein Beratungsbedarf nur deshalb nicht mehr bestanden hat, da über die Ausübung des Vorkaufsrechtes zuvor mehrfach beraten wurde. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, ein weiterer Beratungsbedarf habe sich in der öffentlichen Sitzung nicht ergeben, da unmittelbar vor diesem Tagesordnungspunkt das Entwicklungskonzept im Sanierungsgebiet „Östlicher Ortskern“ fortgeschrieben und konkretisiert worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass weder der Bürgermeister selbst noch die drei Gemeinderäte, die sich hierzu geäußert haben, bei der Befassung des Themas „Vorkaufsrecht“ auf diesen vorangegangen Tagesordnungspunkt berufen haben. Vielmehr hat der Bürgermeister selbst auf eine Vorberatung vom 01.08.2011 Bezug genommen; auch Gemeinderat M. hat auf eine Vorberatung hingewiesen.

bb) Die der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 29.08.2011 vorangegangenen Beratungen über die Ausübung des Vorkaufsrechts haben sämtlich in nichtöffentlicher Sitzung stattgefunden.

In der nichtöffentlichen Sitzung am 25.07.2011 hat der Bürgermeister u.a. darauf verwiesen, dass die Beschlussfassung über die Ausübung des Vorkaufsrechtes in öffentlicher Gemeinderatssitzung zu erfolgen habe. Offenbar ging dieser davon aus, dass es unschädlich sei, hierüber in nichtöffentlicher Sitzung zu beraten. Danach wurde ausführlich und kontrovers darüber diskutiert, ob für das Grundstück nach den bisher formulierten Sanierungszwecken überhaupt die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes vorliegen, der Bürgermeister wurde teilweise wegen der gescheiterten Verkaufsverhandlungen mit dem Kläger zu 1 kritisiert und es bestand insgesamt eine Unsicherheit, ob die rechtlichen Voraussetzungen über die Ausübung des Vorkaufsrechtes vorliegen. In dieser nichtöffentlichen Sitzung fand danach - unter Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO - bereits die wesentliche Sachdiskussion und nicht lediglich eine bloße Vorbehandlung einer schwierigen Angelegenheit in einer nichtöffentlichen Sitzung statt, die dann in einer weiteren öffentlichen Sitzung erledigt wird (vgl. dazu Kunze/Bronner/Katz, Kommentar zur Gemeindeordnung, § 35 Rn. 12; vgl. auch zur Zulässigkeit der Vorberatung durch einen Ausschuss in nichtöffentlicher Sitzung: §§ 39 Abs. 5 Satz 2, 41 Abs. 3 GemO; vgl. zur Zulässigkeit der Klärung lediglich einer Einzelfrage im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens in nichtöffentlicher Sitzung: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24.03.2011 - 5 S 746/10 - juris Rn. 22). Eine analoge Anwendung des § 39 Abs. 5 Satz 2 GemO kommt entgegen der Ansicht des Beklagten-Vertreters nicht in Betracht. Die Vorschrift betrifft Vorberatungen eines beschließenden Ausschusses des Gemeinderats in nichtöffentlicher Sitzung. Eine nichtöffentliche Vorberatung durch den Gemeinderat widerspricht dagegen bereits grundsätzlich der klaren Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.08.1990 - 3 S 132/90 - juris Rn. 26 ; Kunze/Bronner/Katz, a.a.O., § 35 Rn. 12), so dass eine solche stets unzulässig ist.

Der Gemeinderat hat in der Sitzung vom 25.07.2011 umfassend nichtöffentlich beraten und damit gerade die eigentliche und entscheidende Sachdiskussion der anschließenden öffentlichen Sitzung vorweggenommen, was Sinn und Zweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO widerspricht (vgl. hierzu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2000 - 14 S 237/99 - juris Rn. 39; Kunze/Bronner/Katz, Kommentar zur GemO, § 35 Rn. 12).

Durch die Vorwegnahme der Sachdiskussion in der nichtöffentlichen Sitzung ist die der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen zukommende Legitimations-, Kontroll- und Beteiligungsfunktion erheblich beeinträchtigt worden. Hieran vermag auch der in der nachfolgenden nichtöffentlichen Sitzung am 01.08.2011 gefasste Beschluss, dass die Beratung in der nichtöffentlichen Sitzung vom 25.07.2011 als gegenstandslos zu betrachten sei und die Beratung und die Beschlussfassung über die Ausübung des Vorkaufsrechts erstmals in einer weiteren Gemeinderatssitzung stattfinden werde, nichts zu ändern. Diese nur „kassatorische“ Maßnahme war zur Verwirklichung des Zwecks des Öffentlichkeitsgebots nicht ausreichend. Denn die bloße förmliche Distanzierung von der vorherigen Beratung änderte jedenfalls nichts daran, dass den Gemeindebürgern der tatsächliche Willensbildungsprozess des Gemeinderats vollständig verborgen blieb. Sowohl die ursprünglichen Kritikpunkte an der Ausübung des Vorkaufsrechts als auch die spätere Ausräumung dieser Bedenken und die damit verbundene Bejahung des Vorliegens der Voraussetzungen blieben den Gemeindebürgern gänzlich unbekannt. Damit war der Distanzierungsbeschluss nicht geeignet, eine Informationsgrundlage für die Bürger zu schaffen, die ihnen die Wahrnehmung der Kontrolle des Gemeinderats und die Willensbildung im Hinblick auf künftige Wahlen ermöglicht.

Hinzu kommt, dass in der weiteren nichtöffentlichen Sitzung am 01.08.2011 der Gemeinderat, obwohl der Bürgermeister als auch der Beklagten-Vertreter ausdrücklich darauf hingewiesen hatten, dass in der Sitzung keine Sachdiskussion zur Vorkaufsrechtsausübung geführt werde, in der Sache dann doch konkret über die Ausübung des Vorkaufsrechtes gesprochen wurde. Der Beklagten-Vertreter hat nach Darlegung der allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen über die Ausübung eines Vorkaufsrechts, Fragen einzelner Gemeinderäte beantwortet, die nicht nur allgemeiner Natur waren, sondern die sich konkret auf das Grundstück ... Straße ... bezogen haben. So wurden etwa Fragen nach Chancen für ein Rechtsmittel des Käufers oder Erwerbers beantwortet; auch die Notwendigkeit der Konkretisierung der Sanierungsziele für die kleine Turnhalle wurde angesprochen. Es fand nicht lediglich eine Information über die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen der Ausübung des Vorkaufsrechtes statt, wie dies in dem Protokoll (S. 5) vermerkt wird. In Anknüpfung an die vorausgegangene nichtöffentliche Beratung vom 25.07.2011 wurden vielmehr Zweifel daran, dass die materiellen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes vorliegen, nun durch die rechtliche Beratung zerstreut. In dieser nichtöffentlichen Sitzung wurde zudem der einstimmige Beschluss gefasst, den Beklagtenvertreter mit der Begleitung „zur Ausübung des Vorkaufsrechts“ zu beauftragen. Aus der Sicht eines objektiven Beobachters stellt sich auch dieses Verhalten bereits als eine wesentliche Entscheidung des Gemeinderats dar, das Vorkaufsrechts auszuüben.

Zwar können rechtswidrige Beschlüsse eines Gemeinderates in einer nachfolgenden öffentlichen Sitzung aufgehoben und erneut gefasst werden. Für rechtswidrig nichtöffentliche Beratungen kommt dies - etwa mittels eines Distanzierungsbeschluss - aufgrund der vorgenannten Erwägungen der Sache nach aber nicht in Betracht. Eine wegen Verstoßes gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO rechtswidrige Beratung kann durch einen nachträglichen Beschluss des Gemeinderats daher auch nicht für „gegenstandslos“ erklärt werden.

cc) Der Öffentlichkeitsgrundsatz gebietet daher für solche „infizierten“ Beratungen, dass in der öffentlichen Sitzung, in der die Beschlussfassung erfolgen soll, der zugrunde liegende (eigentliche) Willensbildungsprozess des Gemeinderats aus den vorangegangenen nichtöffentlichen Sitzungen zumindest in seinen Grundzügen offen gelegt wird. Demnach hätte in der öffentlichen Sitzung am 29.08.2011 die Öffentlichkeit zumindest über die wesentlichen Grundzüge der Sachdiskussion sowie über die rechtliche Argumentation in den nichtöffentlichen Sitzungen vom 25.07.2011 und vom 01.08.2011 informiert werden müssen, was unstreitig nicht geschehen ist.

Einer solchen Information stehen – entgegen der Auffassung der Beklagten – grundsätzlich aber weder § 35 Abs. 2 GemO, wonach die Gemeinderäte zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet sind, bis sie der Bürgermeister von der Schweigepflicht entbindet, noch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Gemeinderäte entgegen. Zwar ist anerkannt, dass die Gemeinderäte auch dann zur Verschwiegenheit bezüglich aller in nichtöffentlicher Sitzung bekanntgewordener Angelegenheiten nach § 35 Abs. 2 GemO verpflichtet sind, wenn sie der Auffassung sind, dass öffentlich hätte verhandelt werden müssen (Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, 4. Auflage, § 35 Rn. 17). Die Schweigepflicht der Gemeinderäte gilt jedoch nur so lange, bis der Bürgermeister sie aufhebt. Auf die Aufhebung der Schweigepflicht ist im Interesse der Schaffung klarer Verhältnisse besonderer Wert zu legen. Ihre Aufhebung ist aber auch konkludent möglich. Eine Entbindung von der Schweigepflicht ist daher als notwendiger Bestandteil der Information der Öffentlichkeit durch den Bürgermeister in seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeinderats zu sehen. Mit der Information über den Inhalt einer Sitzung in Fällen, in denen die Öffentlichkeit rechtswidrig ausgeschlossen wurde, macht der Bürgermeister zugleich deutlich, dass bezüglich dieser Angelegenheiten keine Verschwiegenheit mehr gewahrt werden muss. Dem steht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Gemeinderäte nicht entgegen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten gebietet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Gemeinderäte keine Auslegung des § 35 Abs. 2 GemO, die zur Unzulässigkeit einer Offenlegung der unberechtigterweise nichtöffentlich beratenen Gegenstände führt. Dem informationellen Selbstbestimmungsrecht kommt zwar im Rahmen des § 35 GemO ein gewichtiger Stellenwert zu (vgl. insofern auch § 48 Abs. 3 GO NRW). Dies bezieht sich jedoch maßgeblich auf die von den Beratungsgegenständen persönlich betroffenen Personen, zu deren Gunsten die Öffentlichkeit gegebenenfalls auszuschließen ist. Die Gemeinderäte, die im Rahmen der Sitzung als mandatierte Volksvertreter und nicht in ihrer Eigenschaft als Privatpersonen auftreten, sind regelmäßig nicht in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung berührt. Die Information über die wesentlichen Grundzüge der Sachdiskussion in unberechtigterweise nichtöffentlichen Sitzungen betrifft in aller Regel nicht die personenbezogenen Daten der Gemeinderäte. Auch im vorliegenden Fall wären bei einer Information durch den Bürgermeister jedenfalls keine personenbezogenen Daten der Gemeinderäte preisgegeben worden. Hiervon geht nunmehr auch die Beklagte aus, da sie in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 17.11.2014 den Sach- und Diskussionsstand aus den nichtöffentlichen Sitzungen vom 25.07.2011 und 01.08.2011 offengelegt hat.

4. Die Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses vom 29.08.2011 führt auch zur Rechtswidrigkeit des Ausübungsbescheides vom 31.08.2011. Dieser Bescheid stellt den Vollzug des Beschlusses des Gemeinderats dar, der nicht hätte ergehen dürfen, weil der Bürgermeister nur gesetzmäßig gefasste Beschlüsse vollziehen darf (§ 43 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GemO; vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 08.08.1990 - 3 S 132/90 - a.a.O).

5. Der wegen Rechtswidrigkeit des Beschlusses bestehende Aufhebungsanspruch der Kläger ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nach § 46 LVwVfG ausgeschlossen.

Nach § 46 LVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Zwar muss es sich bei den verletzten Verfahrensvorschriften nicht um solche des Verwaltungsverfahrensgesetzes handeln, auch entsprechende Vorschriften in anderen Gesetzen werden erfasst (für § 46 VwVfG:Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 7; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. ,§ 46 Rn. 30).

Die Vorschrift über die Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen geht jedoch gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG der Vorschrift des § 46 LVwVfG vor. Aufgrund der dargestellten Bedeutung des Prinzips der Öffentlichkeit handelt es sich bei dessen Beachtung um ein die Anwendung von § 46 LVwVfG ausschließendes absolutes Verfahrenserfordernis, das unabhängig von der Richtigkeit der von der Beklagten getroffenen Entscheidung beachtet werden muss (vgl. zum Beteiligungsrecht von Naturschutzverbänden nach § 29 BNatSchG a.F.: BVerwG, Urteil vom 12.11.1997 - 11 A 49.96 - BVerGE 105, 348 <353>). Die Vorschrift des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO ist keine lediglich formale Ordnungsvorschrift, deren Adressat allein der Gemeinderat ist. Dies belegen gerade auch die Regelungen des § 4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 GemO, wonach die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit der Wirksamkeit einer Satzung stets entgegengehalten werden kann sowie des § 18 Abs. 6 GemO zur Rechtswidrigkeit von Gemeinderatsbeschlüssen unter Mitwirkung befangener Gemeinderäte. Eine Anwendung des § 46 LVwVfG scheidet bei einem Verstoß gegen § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO danach von vornherein aus (a.A. Engel/Heilshorn, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 10. Aufl., § 14 Rn. 153). Auf den Gemeinderatsbeschluss der Beklagten vom 17.11.2014, der nach den Darlegungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gerade auch zeigen sollte, dass in der Sache keine andere Entscheidung getroffen worden wäre, braucht daher nicht weiter eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehungen der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Kläger sind nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision aus § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf 10.000,- EUR festgesetzt (entsprechend den Streitwertfestsetzungen im ersten Rechtszug).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.