ArbG Mönchengladbach, Urteil vom 19.12.2012 - 2 Ca 1970/12
Fundstelle
openJur 2016, 5252
  • Rkr:

Nach §§ 38 Abs. 1 S. 2, 42 lit.b MVG-EKD (Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche in Deutschland) bedarf die ordentliche Änderungskündigung der Zustimmung oder Billigung der Mitarbeitervertretung

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 28.06.2012 rechtsunwirksam ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen auch über den 30.09.2012 hinaus als Chefarzt der Medizinischen Klinik (Klinik für Innere Medizin) des F. L. C. in N. weiter zu beschäftigen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/5 und die Beklagte zu 4/5.

5. Streitwert: 50.000,00 Euro.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen arbeitgeberseitigen Änderungskündigung und einen Weiterbeschäftigungsanspruch.

Der am 16.08.1962 geborene, verheiratete und zwei Kindern gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist auf Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 06.08.2003 (vgl. Bl. 5 ff. d.A.) bei der Beklagten, die Trägerin des evangelischen L. C. in N. ist, als Chefarzt der medizinischen Klinik seit dem 01.05.2004 beschäftigt und leitete die Klinik für innere Medizin ausschließlich.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet das "Kirchengesetz über Mitarbeitervertretungen in der evangelischen Kirche in Deutschland" (im folgenden MVG), vgl. Bl. 281 ff. d.A., Anwendung.

Mit Schreiben vom 28.06.2012 (vgl. Bl. 25 d.A.) hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.09.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, gekündigt und dem Kläger gleichzeitig angeboten, das Arbeitsverhältnis zu den sich aus dem in Ablichtung auf Bl. 26 zur Akte gereichten Änderungsangebot ergebenden Bedingungen, nämlich als Chefarzt der medizinischen Klinik I - Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie, Hämato-/Onkologie - weiter zu beschäftigen.

Der Kläger hat das Änderungsangebot der Beklagten mit Schreiben vom 03.07.2012 unter dem Vorbehalt der Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung angenommen.

Der Kläger rügt die ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung.

Mit seiner am 13.07.2012 beim Arbeitsgericht Mönchengladbach eingegangenen, der Beklagten am 18.07.2012 zugestellten Klage beantragt der Kläger,

1.festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die ordentliche Änderungskündigung der Beklagten vom 28.06.2012 zum 30.09.2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, unwirksam ist;

2.falls der Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 1. obsiegt,

die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen auch über den 30.09.2012 hinaus als Chefarzt der Medizinischen Klinik des F. L. C. in N. weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Mitarbeitervertretung sei mit Schreiben der Beklagten vom 26. Juni 2012 zur beabsichtigten betriebsbedingten Änderungskündigung des Klägers angehört worden und habe keine Stellung genommen. Das Anhörungsschreiben konnte die Beklagte auch im letzten Kammertermin am 19.12.2012 nicht vorlegen. Sie legte allerdings ein von der Mitarbeitervertretung an die Beklagte gerichtetes Schreiben vom 27.06.2012 in Fotokopie vor, vgl. Bl. 290 d.A.

Sie trägt vor, seit der Umstellung des Krankenhaus-Entgeltsystems auf Fallpauschalen sei die Leistungsentwicklung der von dem Kläger geleiteten Abteilung negativ. Vor diesem Hintergrund habe sich die Beklagte für die Einrichtung mehrerer Kliniken an Stelle der bisherigen Klinik für Innere Medizin entschieden. Die bisherige medizinische Klinik solle als medizinische Klinik I mit den Bereichen Allgemeine Innere, Diabetologie, Gastroenterologie und Hämato-/Onkologie fortgeführt und um die Medizinische Klinik II für den Bereich Kardiologie ergänzt werden. Die Medizinische Klinik I solle dem Kläger übertragen und von ihm verantwortet werden. Die Medizinische Klinik II habe eigentlich bereits zum 01. Oktober 2012 durch die Dres. C. und Partner geleitet werden sollen, die derzeit noch die ortsansässige kardiologische Gemeinschaftspraxis führen würden. Die baulichen Maßnahmen zur Einrichtung einer kardiologischen Station hätten sich indes verzögert. Daher habe der Betrieb der Abteilung noch nicht vollständig aufgenommen werden können. Langfristig sei geplant, die Gemeinschaftspraxis in ein noch zu errichtendes Facharzt-Zentrum zu verlegen und hier einen Linksherzkatheder-Messplatz zur gemeinsamen Nutzung mit der Beklagten einzurichten. Die bislang vorhanden 122 Planbetten in der Medizinischen Klinik I würden auf 77 Betten für die Medizinische Klinik II sowie 45 Betten auf die Medizinische Klinik II aufgeteilt. Die Wahlleistungsstation solle gleichmäßig mit jeweils 12 Betten pro Klinik aufgeteilt werden. Die Intensiveinheit solle interdisziplinär genutzt werden. Mit der klinikübergreifenden Dienstplanung werde ein Oberarzt betraut und unmittelbar dem Geschäftsführer unterstellt. Dieses Konzept sei dem Aufsichtsrat der Beklagten in seiner Sitzung vom 12.06.2012 zur Zustimmung vorgelegt und von diesem gebilligt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Ablichtungen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

1. Die streitgegenständliche Änderungskündigung der Beklagten vom 28.06.2012 ist rechtsunwirksam, da die Mitarbeitervertretung nicht ordnungsgemäß nach Maßgabe von § 38 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42 lit. b) MVG beteiligt worden ist.

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG ist eine der Mitbestimmung unterliegende Maßnahme unwirksam, wenn die Mitarbeitervertretung nicht beteiligt worden ist.

Die ordentliche Kündigung nach Ablauf der Probezeit - und damit auch die hier streitgegenständliche ordentliche Änderungskündigung - unterliegt nach Maßgabe von § 42 lit. b) dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung, wobei diese die Zustimmung nur aus den in § 41 Abs. 1 und 2 MVG niedergelegten Gründen verweigern darf. Nach Maßgabe von § 41 Abs. 3 MVG gilt für das Verfahren bei der eingeschränkten Mitbestimmung § 38 MVG entsprechend.

Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 MVG darf, wenn - wie hier - eine Maßnahme der Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung unterliegt, diese erst vollzogen werden, wenn die Zustimmung der Mitarbeitervertretung vorliegt oder kirchengerichtlich ersetzt worden ist.

a) Die Mitarbeitervertretung hat der ordentlichen Änderungskündigung des Klägers nicht zugestimmt. Entsprechendes ergibt sich aus dem von der Beklagten in Ablichtung zur Akte gereichten Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 27.06.2012 (vgl. Bl. 290 d.A.) nicht.

b) Die Zustimmung der Mitarbeitervertretung ist auch nicht kirchengerichtlich ersetzt worden.

c) Schließlich gilt die streitgegenständliche ordentliche Änderungskündigung auch nicht als von der Mitarbeitervertretung nach Maßgabe von § 38 Abs. 3 MVG gebilligt.

Demnach gilt die Maßnahme als gebilligt, wenn die Mitarbeitervertretung nicht innerhalb von zwei Wochen die Zustimmung schriftlich verweigert oder eine mündliche Erörterung beantragt.

Der Eintritt dieser Fiktion kann nur durch das Verstreichenlassen einer Frist von zwei Wochen erreicht werden.

Dies ist indes vorliegend gerade nicht geschehen, denn nach Vortrag der Beklagten ist die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 26.06.2012 über die beabsichtigte Änderungskündigung informiert worden und der Ausspruch der Änderungskündigung dem Kläger gegenüber erfolgte bereits mit Schreiben vom 28.06.2012.

Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob das nach Vortrag der Beklagten an die Mitarbeitervertretung gerichtete Schreiben vom 26.06.2012 überhaupt die für eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 38 Abs. 2 Satz 1 MVG notwendigen Informationen enthielt.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, der allerdings nur bis zum rechtkräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens besteht, weshalb die auf unbegrenzte Weiterbeschäftigung gerichtete Klage insoweit abzuweisen war.

Der gekündigte Arbeitnehmer hat unter Berücksichtigung seines verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen.

Außer im Falle einer offensichtlich unwirksamen Kündigung begründet die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsprozesses ein schutzwertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers für die Dauer des Kündigungsprozesses. Dieses überwiegt in der Regel das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers bis zu dem Zeitpunkt, in dem im Kündigungsprozess ein die Unwirksamkeit der Kündigung feststellendes Urteil ergeht. Solange ein solches Urteil besteht, kann die Ungewissheit des Prozessausgangs für sich allein ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers nicht mehr begründen. Hinzu kommen müssen dann vielmehr zusätzliche Umstände, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (grundlegend BAG GS vom 27.02.1985 in EzA Nr. 9 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht).

Derartige zusätzliche Umstände sind hier nicht ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 12 a ArbGG, 92 ZPO und orientiert sich an dem teilweisen Obsiegen, teilweisen Unterliegen der Parteien.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 3 GKG, 3 ZPO.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

M.-Erhard-Allee 3.

40227 Düsseldorf

Fax: 0211-7770 2199

eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

gez. Keil

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