LG Bonn, Urteil vom 18.06.2014 - 2 O 268/13
Fundstelle
openJur 2014, 22335
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i. H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung.

Am 15.12.2005 schlossen die Kläger zwei Darlehensverträge (Kontonr.: ...# ...#, sowie Kontonr.: ...) mit der Beklagten zur Finanzierung zweier Wohnungen in der Q-Str., ...# C ab.

Die Darlehensvertragsformulare waren jeweils mit dem Begriff "Baufinanzierung" überschrieben. Als Darlehensbeträge waren jeweils 101.500,00 Euro bei einem Zinssatz von 4,74 % mit einer Zinsfestschreibung von 10 Jahren angegeben. Dem Formular war auf Seite 4 folgende Widerrufsbelehrung beigefügt:

"Widerrufsbelehrung

Widerrufsrecht

Ich bin an meine Willenserklärung (Antrag auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der D AG bzw. ihren Kooperationspartnern) nicht mehr gebunden, wenn ich sie binnen zwei Wochen widerrufe.

Form des Widerrufs

Der Widerruf muss in Textform (z.B. schriftlich, mittels Telefax- oder E-Mail-Nachricht) erfolgen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten.

Fristlauf

Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem mir

? ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und

? eine Vertragsurkunde, mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder meines Vertragsantrages

zur Verfügung gestellt wurden. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

Adressat des Widerrufs

Der Widerruf ist zu senden an die

D AG U, L Str. ..., ...# U

oder Fax-Nr.: ...#/... oder E-Mail: kreditwiderruf@D.com (...)

Widerruf bei bereits erhaltener Leistung

Habe ich vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank oder ihren Kooperationspartnern erhalten, so kann ich mein Widerrufsrecht dennoch ausüben. Widerrufe ich in diesem Fall, so muss ich die empfangene Leistung jedoch an die Bank bzw. den jeweiligen Kooperationspartner zurückgewähren und der Bank bzw. dem jeweiligen Kooperationspartner die von mir aus der Leistung gezogenen Nutzungen herausgeben.

Kann ich die von der Bank bzw. dem Kooperationspartner mir gegenüber erbrachte Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewähren - beispielsweise weil dies nach dem Inhalt der erhaltenen Leistung ausgeschlossen ist -, so bin ich verpflichtet, insoweit Wertersatz zu leisten. Dies gilt auch für den Fall, dass ich die von der Bank bzw. dem Kooperationspartner erbrachte Leistung bestimmungsgemäß genutzt habe. Diese Verpflichtung zum Wertersatz kann ich vermeiden, wenn ich die erbrachte Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist nicht in Anspruch nehme."

Die Beklagte nahm das Angebot auf Abschluss der Darlehensverträge an. Die Darlehensvaluta wurde jeweils ausgezahlt.

Als Sicherheit für die Darlehen bestellten die Kläger jeweils wie im Vertrag vorgesehen eine Grundschuld auf die erworbenen Immobilien. Diese Immobilien wurden in der Folgezeit veräußert. Die Kläger begehrten sodann die vorzeitige Rückführung der Darlehen und kündigten die Verträge. Für eine vorzeitige Ablösung setzte die Beklagte mit Schreiben vom 20.03.2012 (Bl. ...) und 19.09.2012 (Bl. ...) jeweils eine Vorfälligkeitsentschädigung für das Darlehen mit der Kontonr.: ...# i.H.v. 10.468,43 Euro und für das Darlehen mit der Kontonr.: ...# i.H.v. 12.315,23 Euro sowie jeweils ein Bearbeitungsentgelt für vorzeitige Rückzahlung i.H.v. 300,00 Euro an. Die Kläger entrichteten die Beträge und führten die Darlehensvaluta zurück.

Die Kläger erklärten mit Schreiben vom 26.03.2013 unter Fristsetzung bis zum 10.04.2013 den Widerruf der Darlehensverträge und forderten die Vorfälligkeitsentschädigungen zurück.

Die Kläger behaupten, dass die Darlehensverträge in ihrer Wohnung unterzeichnet worden seien. Die Darlehensverträge seien unter Mitwirkung eines Finanzberaters zustande gekommen, der in ständiger Verbindung zum Hause der Beklagten gestanden habe. Dies deute auf ein verbundenes Geschäft hin. Folge sei, dass sie nicht hätten nachvollziehen können, wann die Unterlagen bei der Beklagten eingereicht worden seien. Die Kläger bestreiten die Richtigkeit der Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung. Aufgrund des fehlenden Abschlussberichtes könne nicht überprüft werden, ob die Vorfälligkeitsentschädigung ordnungsgemäß ermittelt worden sei.

Die Kläger meinen, die Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, so dass die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 22.783,66 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.04.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, einen Vermittler beauftragt zu haben.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass den Klägern kein Widerrufsrecht mehr zustehe. Die Widerrufsbelehrung entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Und selbst, wenn den Klägern ein Widerrufsrecht zugestanden habe, sei dieses nunmehr verwirkt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 14.05.2014 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung aus §§ 357, 346 Abs. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.

1. Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung aus § 357, 346 Abs. 1 BGB

Die Kläger haben den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Die Kündigung kann vorliegend zwar in eine Widerrufsbelehrung ausgelegt werden, da die Kläger sich erkennbar vom Vertrag lösen möchten. Allerdings ist der Widerruf nicht fristgemäß erfolgt i.S.d. § 355 BGB a.F.

Das Widerrufsrecht richtet sich nach den im Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung geltenden Vorschriften. Die Widerrufsbelehrung erfolgte am 15.12.2005. Das Widerrufsrecht der Kläger richtete sich nach §§ 495, 355 BGB a.F.Gem. § 355 Abs. 1 BGB a.F. beträgt die Widerrufsfrist für einen Verbraucher zwei Wochen. Dies ist auch in der Widerrufsbelehrung der Beklagten so vorgesehen.

Die Frist beginnt dabei mit dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete und wirksame Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist und ihm auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Die Kläger haben sowohl die Widerrufsbelehrung als auch ihren Antrag am 15.12.2005 zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Widerrufsbelehrung hält den damals geltenden Vorschriften stand. Die Widerrufsfrist wurde am 15.12.2005 in Gang gesetzt.

§ 355 BGB a.F., in welchem die Anforderungen für eine Widerrufsbelehrung normiert sind, lautete in der damals geltenden Fassung (Fassung vom 02.12.2004; gültig vom 08.12.2004 bis 11.06.2010):

"Abs. 1: Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.Abs. 2: Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Absatzes 1 Satz 2 enthält. Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Absatz 1 Satz 2 einen Monat. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer.

Abs. 3: (...)"

Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Der Widerrufsbelehrung muss eindeutig zu entnehmen sein, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass der Verbraucher im Besitz einer seine eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. Nur, wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht, kann er die die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (vgl. BGH Urteil vom 10.03.2009- XI ZR 33/08). Aus diesen Gründen ist gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB auch auf den Fristbeginn hinzuweisen.

Die Kläger berufen sich darauf, dass die Widerrufsbelehrung nicht eindeutig sei. Dieser Einwand ist nicht zutreffend. Entgegen der Ansicht der Kläger verstößt die Widerrufsbelehrung nicht gegen das Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.03.2009 - XI ZR 33/08 bezieht sich auf eine in wesentlichen Punkten abweichende Widerrufsbelehrung und kann auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden.

Der Entscheidung vom 10.03.2009 lag eine bei Vertragsschluss erteilte Belehrung über den Widerruf zu Grunde, die wie folgt lautete:

"Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag, nachdem dem Darlehensnehmer diese Belehrung mitgeteilt und eine Vertragsurkunde, der schriftliche Darlehensantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Darlehensantrages zur Verfügung gestellt wurde."

Der Bundesgerichtshof führte aus, dass aus Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden der Eindruck entstünde, die Voraussetzungen für den Fristbeginn seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags des Belehrenden erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits einen Tag nach Zugang des Angebots des Belehrenden zu laufen.

Bei der vorliegenden Widerrufsbelehrung heißt es abweichend "mein schriftlicher Vertragsantrag oder eine Abschrift meines Vertragsantrags" und nicht "der schriftliche Vertragsantrag bzw. eine Abschrift des Vertragsantrags". Hierdurch wird deutlich, dass das bloße Antragsformular nicht ausreicht. Es muss vielmehr eine verkörperte Willenserklärung des Verbrauchers vorliegen, also ein ausgefülltes Antragsformular des Antragstellers. Die vorliegende Widerrufsbelehrung weicht also insofern ab, dass die Widerrufsfrist gerade nicht ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers zu beginnen scheint. Sie stellt vielmehr auf die Erklärung des Verbrauchers ab (vgl. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 22.11.2013 - Az.: 2- 25 O 192/13).

Des Weiteren ist ebenfalls von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichend das Angebot der Beklagten nicht mit "Darlehensvertrag" überschrieben, sondern mit "Baufinanzierung", so dass für die Kläger auch nicht hieraus zu schließen war, dass es sich bei dem Antrag unabhängig von ihrer Annahmeerklärung um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde handeln könnte. Dass das Wort Darlehensvertrag im Text fett gedruckt war, ändert hieran nichts.

Auch aufgrund der Einschaltung eines Finanzberaters - dessen Mitwirkung von der Beklagten bestritten wird - kann sich keine abweichende Beurteilung ergeben. Die Kläger haben zeitgleich mit der Widerberufsbelehrung eine Ausfertigung ihres Vertragsantrages für ihre Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen (Bl. # des Klageschriftsatzes). Selbst, wenn der Vortrag der Kläger als wahr unterstellt wird, bedeutet dies folglich keine Unsicherheiten für die Kläger hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist. Einen Tag nachdem die Kläger ein Exemplar ihrer Widerrufserklärung erhalten haben und ihren Vertragsantrag unterschrieben haben - somit ihre Willenserklärung verkörpert haben, begann die Widerrufsfrist. Dass den Klägern eine abschließende Vertragsurkunde nicht übermittelt wurde, ist dabei nicht wesentlich, weil die Voraussetzungen für den Fristbeginn bereits erfüllt waren.

Unabhängig davon, ob ein Widerrufsrecht der Kläger besteht, bleibt es ihnen auch verwehrt, sich auf den Widerruf zu berufen. Der Einwand der Beklagten hinsichtlich der Verwirkung greift vorliegend.

Die Ausübung des Widerrufsrechts stellt eine unzulässige Rechtsausübung in Form der Verwirkung nach § 242 BGB dar.

Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, und der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (Grüneberg in: Palandt, BGB-Kommentar, 73. Auflage, § 242 Rn. 87).

Das Zeitmoment ist erfüllt, da die Kläger am 15.12.2005 über ihr bestehendes Widerrufsrecht belehrt wurden und erst am 26.03.2013 den Widerruf erklärten (bzw. das Darlehen kündigten). Seit der Widerrufsbelehrung waren also über 7 Jahre vergangen.

Das Umstandsmoment ist ebenfalls erfüllt, weil die Kläger erst ca. 6 Monate nachdem sie beide Darlehen zurückbezahlt haben, den Widerruf erklärt haben. Die Beklagte musste nicht damit rechnen, dass die zwischen den Parteien mit dem Darlehensvertrag bestehende Geschäftsbeziehung im Nachhinein noch einmal in Frage gestellt wird. Ihr diesbezügliches Vertrauen war auch schutzwürdig (vgl. LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 22.11.2013 - Az.: 2- 25 O 192/13).

2. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S.1 1. Alt. BGB

Dieser Anspruch scheitert ebenfalls, da es sich nicht um eine Leistung ohne Rechtsgrund handelt. Gem. § 490 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. konnte die Beklagte den durch die vorzeitige Rückzahlung entstehenden Schaden ersetzt verlangen. Da die Kläger den Darlehensvertrag nicht wirksam widerrufen haben, bleibt der Anspruch der Beklagten auf Vorfälligkeitsentschädigung bestehen.

Soweit die Kläger die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung bestreiten, dringen sie mit diesem Einwand ebenfalls nicht durch, da die Kläger die Zahlungen ohne Nachfragen oder Vorbehalt beglichen. Nunmehr tragen sie die Beweislast dafür, dass die Beklagte die Vorfälligkeitsentschädigung falsch berechnet hat. Bzgl. einer falschen Berechnung bringen die Kläger aber nichts vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 22.783,00 EUR festgesetzt.