BGH, Beschluss vom 14.08.2013 - XII ZB 614/11
Fundstelle
openJur 2013, 35388
  • Rkr:
Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Schwetzingen vom 19. Oktober 2011 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 15. November 2011 die Betroffene in ihren Rechten verletzt haben.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 Satz 2 KostO).

Die notwendigen Auslagen der Betroffenen für das Verfahren in allen Instanzen werden der Staatskasse auferlegt (§ 128 b KostO, § 337 Abs. 1 FamFG).

Gründe

Die Rechtsbeschwerde wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

Das Amtsgericht hat für die Betroffene, die an einer paranoiden Schizophrenie leidet, mit Beschluss vom 2. Mai 2011 eine Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherun-1 gen, Renten- und Sozialleistungsträgern angeordnet. Im Wege der einstweiligen Anordnung hat es durch weiteren Beschluss vom 22. Juni 2011 befristet bis 22. Oktober 2011 die Betreuung um die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung erweitert.

Nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. A. zur Frage der Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 8. September 2011 die vorläufige Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer bis längstens 19. Oktober 2011 genehmigt.

Mit Beschluss vom 19. Oktober 2011 hat das Amtsgericht die (weitere) Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB (in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FGG-Reformgesetz - vom 17. Dezember 2008) bis längstens 20. Januar 2012 genehmigt. Es hat sich hierbei auf ein ärztliches Zeugnis der behandelnden Ärztin Dr. B. und der Funktionsbereichsleiterin der Klinik Frau K. vom 13. Oktober 2012 sowie auf die ergänzenden mündlichen Ausführungen von Frau K. im Termin zur Anhörung der Betroffenen am 19. Oktober 2011 gestützt. Danach bedürfe die Betroffene dringend ärztlicher Behandlung mit Psychopharmaka, um die drohende Chronifizierung ihrer Erkrankung zu verhindern. Die medizinisch notwendige Behandlung sei derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht gewährleistet; die Betroffene habe in den vergangenen Wochen jegliche Mitwirkung an der Behandlung verweigert.

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht am 7. November 2011 durch den Berichterstatter als beauftragten Richter eine mündliche 3 Anhörung durchgeführt, bei der die Funktionsbereichsleiterin Frau K. in Abwesenheit der Betroffenen ein mündliches Sachverständigengutachten zur Erforderlichkeit der Unterbringung zu Protokoll erstattet hat. Bei der anschließenden Anhörung der Betroffenen hat der beauftragte Richter dieser das zuvor von Frau K. mündlich erstattete Sachverständigengutachten bekanntgegeben. Am 11. November 2011 (Freitag) hat das Landgericht die Übersendung des Vermerks über die mündliche Anhörung an die Betroffene angeordnet. Mit angegriffenem Beschluss vom 15. November 2011 (Dienstag) hat das Landgericht die Beschwerde gegen die Genehmigung der Unterbringung zurückgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für die Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB seien gegeben. Dem Betreuer der Betroffenen stehe das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Aufgabenkreis zu. Die Betroffene habe aufgrund ihrer Erkrankung immer wieder die mit ihr besprochene und für sie erforderliche medikamentöse Behandlung abgelehnt. Ohne eine Unterbringung sei zu befürchten, dass die Betroffene die für sie erforderlichen Medikamente nicht mehr einnehmen und die notwendige Heilbehandlung abbrechen werde. Außerdem drohe die Gefahr, dass die Betroffene sich selbst töte oder sich einen erheblichen Schaden zufüge. Sie sei krankheitsbedingt in ihrer Kritik- und Urteilsfähigkeit gemindert und nicht in der Lage, im Hinblick auf die Erforderlichkeit der medikamentösen Behandlung und der Unterbringung einen freien Willen zu bilden und danach zu handeln.

Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Betroffene die Feststellung, durch die angegriffenen Beschlüsse in ihren Rechten verletzt worden zu sein.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Hat sich die angefochtene Entscheidung - wie hier - durch Zeitablauf in der Hauptsache erledigt, kann das Beschwerdegericht gemäß § 62 Abs. 1 FamFG aussprechen, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat. Diese Vorschrift ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Das Feststellungsinteresse ist nach § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG in der Regel anzunehmen, wenn ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt. Die gerichtliche Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme bedeutet stets einen solchen Eingriff (Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 9 f. mwN und vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 6 f.).

Nachdem sich die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Hauptsache erledigt hat, kann die Betroffene mit der Rechtsbeschwerde auch die Feststellung verlangen, bereits durch die Genehmigung der Unterbringung durch das erstinstanzliche Gericht in ihren Rechten verletzt worden zu sein (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. März 2010 - V ZB 184/09 - FGPrax 2010, 152 Rn. 14 und vom 7. November 2011 - V ZB 94/11 - juris Rn. 5).

Die Rechtsbeschwerde ist auch ohne Zulassung statthaft, § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG.

2. Die Genehmigung der Unterbringung hat die Betroffene in ihren Rechten verletzt. 8 a) Bereits die Entscheidung des Amtsgerichts war - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - verfahrensfehlerhaft ergangen.

aa) Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Nach § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung durchzuführen. Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 ZPO). Jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen vor der Einholung des Gutachtens, wenn nicht förmlich zuzustellen, so doch zumindest formlos mitzuteilen. Dies dient der Gewährung des rechtlichen Gehörs und ermöglicht dem Betroffenen, gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO Gebrauch zu machen. Ferner hat der Sachverständige den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG vor Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Dabei muss er schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und ihm den Zweck der Untersuchung eröffnen. Andernfalls kann der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben. Schließlich muss das Sachverständigengutachten zwar nicht zwingend schriftlich erfolgen, wenn auch eine schriftliche Begutachtung vielfach in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs durch die beabsichtigte Maßnahme angezeigt erscheint. Jedenfalls aber muss das Gutachten namentlich Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen (Senatsbeschlüsse vom 15. September 2010 - XII ZB 383/10 - FamRZ 2010, 1726 Rn. 19 ff. und vom 21. November 2012 - XII ZB 306/12 - FamRZ 2013, 211 Rn. 9).

bb) Das Amtsgericht hat kein den vorstehenden Anforderungen genügendes Sachverständigengutachten eingeholt.

Das Gutachten des Sachverständigen A. vom 17. August 2011 konnte der angegriffenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 19. Oktober 2011 nicht mehr zugrunde gelegt werden, weil sich daraus die Erforderlichkeit der Unterbringung lediglich für die Dauer von sechs Wochen ergibt, die bereits abgelaufen waren. Die Betroffene war nach der Erstellung dieses Gutachtens aufgrund der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts vom 8. September 2011 bereits nahezu sechs Wochen in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht.

Das ärztliche Zeugnis vom 13. Oktober 2011 erfüllt die Voraussetzungen des § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG nicht. Während die Einholung eines ärztlichen Zeugnisses gemäß §§ 321 Abs. 2, 312 Nr. 2 FamFG für unterbringungsähnliche Maßnahmen im Sinne des § 1906 Abs. 4 BGB und gemäß § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG im Verfahren der einstweiligen Anordnung ausreichend ist, verlangt § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG für das Hauptsacheverfahren im Hinblick auf den schwerwiegenden Eingriff in die Freiheitsrechte des Betroffenen die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten wird das vorliegende ärztliche Zeugnis nicht gerecht, denn es fehlt insbesondere an einer Darstellung der durchgeführten Untersuchungen, an einer Erläuterung des Behandlungskonzepts und an einer entsprechenden wissenschaftlichen Begründung.

Den Anforderungen an ein Sachverständigengutachten genügt auch die Anhörung der Funktionsbereichsleiterin K. im Termin vom 19. Oktober 2011 nicht. Selbst wenn man von deren wirksamer Bestellung zur "Sachverständigen" ausgehen würde, mangelte es jedenfalls an einer entspre-16 chenden Bekanntgabe an die Betroffene vor Beginn der Begutachtung. Außerdem fehlte es an einer Untersuchung der Betroffenen nach Bestellung der Funktionsbereichsleiterin zur Sachverständigen. Die vom Gericht verwerteten Erkenntnisse, die die Sachverständige über die Betroffene gewonnen hatte, beruhen auf ihrer Tätigkeit als Funktionsbereichsleiterin in der Klinik und nicht als Sachverständige. In diesem Fall konnte die Betroffene keine Kenntnis davon haben, dass die von ihren behandelnden Ärzten durchgeführten Untersuchungen einer späteren Begutachtung dienen sollten.

cc) Durch die verfahrensfehlerhafte Vorgehensweise des Amtsgerichts ist die Betroffene in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und auf ein faires Verfahren verletzt worden. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfahrensfehler. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Amtsgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn die Betroffene ordnungsgemäß begutachtet worden wäre.

b) Die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts erweist sich darüber hinaus als fehlerhaft, weil das Amtsgericht die Unterbringung der Betroffenen bis zum 20. Januar 2012 genehmigt hat, obwohl die Betreuung für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung aufgrund der einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts vom 22. Juni 2011 lediglich befristet bis zum 22. Oktober 2011 bestand.

aa) Eine der Voraussetzungen der Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB ist, dass für den Betroffenen ein Betreuer gemäß §§ 1896 ff. BGB bestellt und diesem die Kompetenz eingeräumt ist, im Namen des Betroffenen die Einwilligung in die Freiheitsentziehung zu erklären. Denn der Betreuer ist es, der auf Grund einer ihm zustehenden Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung die Unterbringung vornimmt, während das Gericht das Han-20 deln des Betreuers nur präventiv überprüft und gegebenenfalls genehmigt (MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 5). Die Kompetenz zur Einwilligung in die Unterbringung muss dem Betreuer bei Umschreibung seines Aufgabenkreises ausdrücklich eingeräumt werden, etwa indem für den Fall des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Aufgabenkreise "Befugnis zur Unterbringung" oder "Aufenthaltsbestimmungsrecht" einerseits und "Gesundheitsfürsorge" andererseits zugewiesen werden (vgl. auch Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 1906 BGB Rn. 13 f.; MünchKommBGB/Schwab 6. Aufl. § 1906 Rn. 5).

bb) Nachdem aus der Verfahrensakte erkennbar war, dass dem Betreuer die Aufgabenkreise "Aufenthaltsbestimmungsrecht" und "Gesundheitsfürsorge" lediglich bis zum 22. Oktober 2011 zugewiesen waren, hätte sich das Amtsgericht daran gehindert sehen müssen, die Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer über diesen Zeitpunkt hinaus zu genehmigen. Denn mit dem Wegfall der für eine Unterbringung erforderlichen Aufgabenkreise war auch eine der wesentlichen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB entfallen.

Im Rahmen der nach § 1906 Abs. 1 BGB zu treffenden Prognoseentscheidung hat das Gericht nicht nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung im Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung vorliegen. Vielmehr darf es die Unterbringung durch den Betreuer nur für den Zeitraum genehmigen, in dem voraussichtlich die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein werden. Denn die Unterbringung als freiheitsentziehende Maßnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn und solange die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Bei Erlass der Genehmigungsentscheidung nach § 1906 Abs. 2 BGB darf sich das Gericht auch nicht allein darauf verlassen, dass der Betreuer nach § 1906 Abs. 3 BGB die Unterbringung bei Wegfall ihrer Voraussetzungen beenden wird. Denn neben die Verpflichtung des Betreuers tritt die Verpflichtung des 23 Gerichts nach § 330 FamFG, die Genehmigung der Unterbringung von Amts wegen unverzüglich aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen (Keidel FamFG 17. Aufl. § 330 Rn. 1). Daraus folgt, dass eine Genehmigung nicht für einen längeren Zeitraum erteilt werden kann, wenn absehbar ist, dass sie bereits wenige Tage später wegen eines Wegfalls der Unterbringungsvoraussetzungen von Amts wegen wieder aufgehoben werden müsste.

c) Nach der geänderten Senatsrechtsprechung fehlte es im Zeitpunkt der Entscheidung des Amtsgerichts auch an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Unterbringung zum Zweck einer zwangsweisen Heilbehandlung.

Da die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung mangels gesetzlicher Grundlage nicht genehmigungsfähig war, kam auch die Genehmigung einer entsprechenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF nicht in Betracht, wenn absehbar war, dass die Heilbehandlung wegen der Weigerung des Betroffenen, sich behandeln zu lassen, nicht durchgeführt werden konnte (Senatsbeschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 - FamRZ 2012, 1366 Rn. 13 und vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 12). Die Genehmigung einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. konnte nur in den Fällen ergehen, in denen nicht von vornherein ausgeschlossen war, dass sich der Betroffene in der Unterbringung behandeln lassen würde, sein natürlicher Wille also nicht bereits der medizinisch notwendigen Behandlung entgegenstand und er die Notwendigkeit der Unterbringung nicht einsah (Senatsbeschlüsse vom 8. August 2012 - XII ZB 671/11 - FamRZ 2012, 1634 Rn. 13 und vom 23. Januar 2013 - XII ZB 395/12 - FamRZ 2013, 618 Rn. 11). Nachdem sich die Weigerung der Betroffenen, sich behandeln zu lassen, hier jedoch bereits manifestiert hatte, konnte die Geneh-25 migung der Unterbringung nicht auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF gestützt werden.

3. Diese Rechtsfehler sind auch im Verfahren vor dem Landgericht nicht geheilt worden. Das Landgericht hat mit der Beschwerdeentscheidung die Verfahrens- und materiellen Fehler der erstinstanzlichen Entscheidung nicht behoben, sondern ebenfalls gegen Verfahrensrecht verstoßen.

a) Nachdem die Entscheidung des Amtsgerichts im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis verfahrensfehlerhaft ergangen ist, wäre das Beschwerdegericht gehalten gewesen, die zwingend gebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beachtung der Verfahrensrechte der Betroffenen nachzuholen. Daran fehlt es auch in Bezug auf die erneute Begutachtung der Betroffenen durch die Funktionsbereichsleiterin K. .

aa) Die Sachverständige hat zwar in der Anhörung angegeben, die Betroffene am 2. November 2011 selbst untersucht zu haben. Hieraus ergibt sich aber nicht, ob die Betroffene vor der Untersuchung darüber aufgeklärt worden war, dass und durch wen eine Sachverständigenbegutachtung stattfindet. Allein aus der Untersuchung durch die Funktionsbereichsleiterin der Klinik konnte die Betroffene nicht darauf schließen, dass dies der Begutachtung auch im Beschwerdeverfahren dienen werde. Da das Beschwerdegericht in der Auswahl der Person des Sachverständigen frei ist, war es nicht zwingend, dass dieselbe Sachverständige wie in der ersten Instanz ausgewählt werden würde.

bb) Das Landgericht hat das Recht der Betroffenen auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) auch dadurch verletzt, dass die Anhörung der Sachverständigen, die ihr Gutachten mündlich zu Protokoll erstattete, in Abwesenheit der Betroffenen stattfand und ihr auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Gutachten gegeben wurde. 27

(1) Gemäß § 321 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 4 FamFG ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, soweit dies zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich ist. § 37 Abs. 2 FamFG stellt in Umsetzung der Verfahrensgarantie des Art. 103 Abs. 1 GG klar, dass ein Gericht seiner Entscheidung nur Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde legen darf, zu denen sich die Beteiligten vorher äußern konnten.

Wird im Unterbringungsverfahren nach § 321 Abs. 1 FamFG ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt, so ist dieses dem Betroffenen und den sonstigen Beteiligten zur Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich vollständig und rechtzeitig vor der Anhörung zu übermitteln, damit er dazu Stellung nehmen kann (Haußleiter/Heidebach FamFG § 321 Rn. 2; MünchKomm-ZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 321 FamFG Rn. 17; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 321 FamFG Rn. 35). Hiervon darf lediglich zum Schutz des Betroffenen vor einer Gesundheitsschädigung bzw. -gefährdung abgesehen werden. Dem Antrag auf mündliche Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens ist auch im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren grundsätzlich zu entsprechen (vgl. BVerfG NJW 1998, 2273 f.; BGH Urteil vom 21. Oktober 1986 - VI ZR 15/85 - NJW-RR 1987, 339, 340).

Sofern ausnahmsweise ein mündliches Gutachten eingeholt werden soll, hat der Betroffene im Unterbringungsverfahren im Hinblick auf seine Stellung als Verfahrenssubjekt mit entsprechenden Mitwirkungsrechten grundsätzlich das Recht, an der förmlichen Beweisaufnahme teilzunehmen und, etwa durch Fragen an den Sachverständigen, auf die Beweiserhebung Einfluss zu nehmen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann FamFG 3. Aufl. § 30 Rn. 27; Fröschle/Locher Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren § 280 Rn. 18). Das mündliche Gutachten muss ferner in der Art und Weise ak-31 tenkundig gemacht werden, die den Anforderungen an ein schriftliches Gutachten entsprechen (vgl. Haußleiter/Heidebach FamFG § 321 Rn. 9; Münch-KommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 321 FamFG Rn. 14; Damrau/Zimmermann Betreuungsrecht 4. Aufl. § 321 Rn. 26). Im Anschluss an die Beweisaufnahme wird sicherzustellen sein, dass dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Gutachten gegeben wird, wenn er sich - anders als bei vorheriger Übermittlung eines schriftlichen Gutachtens - nicht ausreichend hierauf vorbereiten konnte (vgl. BGH Beschluss vom 12. Mai 2009 - VI ZR 275/08 - NJW 2009, 2604 Rn. 8; vgl. auch BayObLG BtPrax 2003, 175, 176).

(2) Den vorstehenden Anforderungen hat das Landgericht nicht Rechnung getragen.

Die Sachverständige hat ihr Gutachten im Anhörungstermin ausschließlich mündlich zu Protokoll gegeben. Die Betroffene war ausweislich des Vermerks des Landgerichts über den Termin vom 7. November 2011 aber erst nach der Erstattung des Gutachtens zu der Anhörung hinzugeholt worden, worauf ihr von dem beauftragten Richter das zuvor erstattete Sachverständigengutachten "bekanntgegeben" wurde. Gründe für einen Ausschluss der Betroffenen von der Teilnahme an der Beweisaufnahme ergeben sich aus der Verfahrensakte nicht. Vielmehr hatte die Sachverständige zu Beginn ihrer Ausführungen auf Frage des Gerichts angegeben, dass sowohl eine persönliche Anhörung der Betroffenen als auch die Bekanntgabe der Entscheidungsgründe und des Gutachtens ohne erhebliche Nachteile für deren Gesundheit möglich sei.

Die Verletzung der Mitwirkungsrechte der Betroffenen hätte nur dadurch geheilt werden können, dass der Betroffenen nach der Übermittlung des Vermerks über den Anhörungstermin ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme 34 gegeben und die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, einen Antrag auf mündliche Erläuterung des Sachverständigengutachtens zu stellen.

Dies war hier nicht der Fall. Das Landgericht hat den Vermerk über den Anhörungstermin, in dem die Ausführungen der Sachverständigen niedergelegt sind, erst mit Verfügung vom Freitag, 11. November 2011, formlos ohne Fristsetzung an die Betroffene übermittelt. Bereits am Dienstag, 15. November 2011, hat es die Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen und damit der Betroffenen keine angemessene Zeit zur Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten eingeräumt.

Zugunsten der Betroffenen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeentscheidung auf den Verfahrensfehlern beruht. Denn eine etwaige Heilung der Verfahrensfehler scheidet bereits deshalb aus, weil diese nach der Beendigung der Unterbringung nicht mehr möglich wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 - XII ZB 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 28 ff.).

b) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist es dagegen nicht zu beanstanden, dass die Beweisaufnahme lediglich durch den beauftragten Richter und nicht durch die gesamte Beschwerdekammer vorgenommen wurde.

Auch im Rahmen der förmlichen Beweisaufnahme im Unterbringungsverfahren kann die Beweiserhebung durch den beauftragten Richter vorgenommen werden (vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 27 ff.; BGH Beschluss vom 17. Juni 2010 - V ZB 9/10 - InfAuslR 2010, 384, 385; Fröschle/Buckes Praxiskommentar Betreuungs- und Unterbringungsverfahren § 68 Rn. 16). Die Beauftragung eines Kammermitglieds mit der Beweisaufnahme nach § 321 Abs. 1 FamFG scheidet dann aus, wenn es wegen der Besonderheiten des Falles für die Entscheidung darauf ankommt, dass sich die gesamte Kammer einen persönlichen Eindruck von dem 37 Ablauf der Beweisaufnahme bzw. dem Zeugen oder Sachverständigen macht. Anhaltspunkte dafür, dass es wegen der Besonderheiten des Falles auf den persönlichen Eindruck der gesamten Beschwerdekammer von der Sachverständigen Frau K. angekommen wäre, bestehen nicht.

Nachdem das mündlich erstattete Sachverständigengutachten in dem Vermerk zum Anhörungstermin vom 7. November 2011 schriftlich niedergelegt worden war, konnte die Beschwerdekammer ihre Entscheidung auch auf die Ausführungen der Sachverständigen stützen. Denn Gegenstand der Entscheidung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist in den Tatsacheninstanzen der gesamte Akteninhalt des Verfahrens, so dass auch die urkundlich niedergelegte Beweiserhebung verwertet werden kann.

c) Die materiellen Voraussetzungen für eine Unterbringung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB lagen im Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts nicht vor, so dass das Landgericht die Beschwerde der Betroffenen nicht hätte zurückweisen dürfen.

Im Beschwerdeverfahren findet nicht nur eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung statt. Das Beschwerdegericht tritt vielmehr in vollem Umfang an die Stelle des Erstgerichts (§ 68 Abs. 3 FamFG) und entscheidet unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Sache neu (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 - XII ZB 256/10 - FamRZ 2011, 637 Rn. 10 und vom 21. November 2012 - XII ZB 306/12 - FamRZ 2013, 211 Rn. 11).

Die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 BGB lagen im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung am 15. November 2011 wie oben ausgeführt jedoch nicht mehr vor, nachdem dem Betreuer der Betroffenen die Aufgabenkreise 41

"Aufenthaltsbestimmungsrecht" und "Gesundheitsfürsorge" mit Ablauf des 22. Oktober 2011 nicht mehr zustanden.

Dose Weber-Monecke RiBGH Schilling hat Urlaubund kann deswegen nichtunterschreiben.

Dose Günter Botur Vorinstanzen:

AG Schwetzingen, Entscheidung vom 19.10.2011 - 1 XVII 126/11 -

LG Mannheim, Entscheidung vom 15.11.2011 - 4 T 160/11 -