VG Köln, Urteil vom 07.05.2013 - 9 K 5759/11
Fundstelle
openJur 2013, 30936
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Gründe

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung durch die Einzelrichterin entscheiden, der die Kammer das Verfahren übertragen hat (§ 6 Abs. 1 VwGO).

Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Zwar ist die von dem Kläger gegen den angefochtenen Beschwerdebescheid vom 8. September 2011, welcher ihm gegen Empfangsbekenntnis am 19. September 2011 zugestellt wurde, erhobene Klage erst am 20. Oktober 2011 bei Gericht eingegangen und damit nicht innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Dem Kläger ist jedoch gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist von Amts wegen zu gewähren. Hierfür ist dann Raum, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist - wie hier die Klagefrist - einzuhalten, die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, offenkundig oder sonst glaubhaft sind und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere trifft den Kläger an der Fristversäumnis kein Verschulden. Der Kläger hat die Klageschrift ausweislich des Briefumschlages und des darauf aufgeklebten Postwertzeichens am Freitag, dem 14. Oktober 2011 um 9:59 Uhr in Wien bei der Österreichischen Post AG mit "Priority" und Luftpost als eingeschriebenen Brief aufgegeben. Bei normalen Postlaufzeiten, die von der Österreichischen Post AG auf ihrer Internetseite für internationale Briefe mit Priority-Aufkleber mit 2-4 Tagen innerhalb Europas angegeben werden, hätte die Klageschrift daher bereits spätestens am Dienstag, dem 18. Oktober 2011 bei Gericht eingehen müssen. Dass die Klageschrift tatsächlich erst am 20. Oktober 2011 und damit einen Tag nach Fristablauf bei Gericht eingegangen ist, kann dem Kläger daher nicht zum Vorwurf gemacht werden.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Beihilfebescheide vom 01. Juli 2011 und vom 26. August 2011 und die hierzu ergangenen Beschwerdebescheide vom 08. und 28. September 2011 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitere Beihilfegewährung in Höhe von 787,50 €. Die Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen für psychotherapeutische Leistungen zu Recht nicht vollständig als beihilfefähig anerkannt, sondern die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf die Sitzungen nach erfolgter Genehmigung durch die Beihilfestelle beschränkt.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Beihilfeanspruch des Klägers ist § 18 der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung) in der Fassung vom 08. September 2012 (BBhV).

Gemäß § 18 Abs. 4 Nr. 3 BBhV sind Aufwendungen für psychotherapeutische Behandlungen beihilfefähig, wenn die Festsetzungsstelle vor Beginn der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf Grund eines Gutachtens zur Notwendigkeit und zu Art und Umfang der Behandlung anerkannt hat. Diese Voranerkennung ist nicht nur ein Ordnungserfordernis, dessen Nichtbeachtung unschädlich wäre, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe gegeben sind, sondern anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal. Sie ist sachlichrechtliche Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen. Die vorherige Anerkennung soll sicherstellen, dass die Notwendigkeit der psychotherapeutischen Behandlung und die Notwendigkeit und Angemessenheit der durch sie bedingten Aufwendungen bereits vor ihrer Durchführung eingehend geprüft und die erforderlichen Feststellungen rechtzeitig getroffen werden können.

Vgl. VG München, Urteil vom 26. Oktober 2006 - M 17 K 05.3170 -,

nachgewiesen in juris, Rz. 14

Entgegen der Ansicht des Klägers war das Vorab-Anerkennungsverfahren nach dem Abbruch der Therapie bei Therapeut 2 und Wechsel zu Therapeut 3 vor Beginn der Behandlung bei ihm erneut durchzuführen. Die Vorab-Anerkennung vom 04. August 2010 bezog sich nach dem eindeutigen Wortlaut des erteilten Bescheides nicht generell auf eine Verhaltenstherapie bei irgendeinem Therapeuten, sondern auf eine Verhaltenstherapie bei einem ganz bestimmten Therapeuten mit einer ganz bestimmten Anzahl von Sitzungen. Schon deshalb konnte sie nach dem Abbruch der Therapie nicht einfach von Therapeut 2 auf Therapeut 3 übertragen und die Therapie bei ihm fortgesetzt werden. Auch nach dem Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens verbietet sich dies. Nach dem Wechsel des Therapeuten kommt es im erneuten Anerkennungsverfahren - wie der Kläger selbst einräumt - auf die Prüfung der Eignung des neuen Therapeuten an. Zudem muss aber auch erneut darüber entschieden werden, ob die vom neuen Therapeuten angegebene Behandlung notwendig und nach Art und Umfang geeignet ist. So sind hier alle drei Therapeuten zu teilweise unterschiedlichen Diagnosen der Erkrankung, zu unterschiedlichen Methoden der Behandlung und zu einer unterschiedlichen Einschätzung der notwendigen Dauer der Behandlung gelangt. Während Therapeut 1 eine psychoanalytisch orientierte Psychotherapie mit 300- 400 Stunden für notwendig erachtete, hielten die Therapeuten 2 und 3 eine Verhaltenstherapie für indiziert, der eine von 60 Stunden, der andere von 40 Stunden Dauer. Entsprechend dieser unterschiedlichen medizinischfachlichen Einschätzung erkannte die Beihilfestelle bei Therapeut 2 lediglich 25 Stunden, bei Therapeut 3 40 Sitzungen als beihilfefähig an. Dafür, dass nach dem Abbruch einer Therapie bei einem Therapeuten vor Ende der Behandlung das Anerkennungsverfahren erneut durchgeführt werden muss, spricht auch der Umstand, dass sich durch die bereits durchgeführte Therapie, auch wenn sie noch nicht beendet ist, der Gesundheitszustand bereits verändert haben kann, so dass nunmehr ein andere Sachlage entstanden ist, die zu einer anderen Einschätzung der Behandlungsbedürftigkeit führen kann. Es stellt daher keinen bloßen Formalismus dar, auch in dieser Situation die Durchführung des Vorab-Anerkennungsverfahrens von dem Beihilfeempfänger zu fordern.

Die vorherige Anerkennung der Beihilfefähigkeit der psychotherapeutischen Behandlung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich bzw. der vorzeitige Behandlungsbeginn entschuldbar, weil es für die Ehefrau des Klägers unzumutbar war, die Anerkennung abzuwarten.

Vgl. zu dieser Ausnahme im Zusammenhang mit der Vorab-Anerkennung der Notwendigkeit einer Kur BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 - 2 A 7/96 -, juris, Rz. 13; BVerwG, Urteil vom 02. September 1999 - 2 C 14/99 -, juris, Rz.

Dies wäre beispielsweise bei einer akuten Krise, Suizidgefahr o.Ä. denkbar.

Die ärztlichen Stellungnahmen, der Inhalt der Behördenakten sowie das Vorbringen des Klägers bieten keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beginn der Psychotherapie der Ehefrau des Klägers bei Therapeut 3 keinen Aufschub duldete und das Fehlen der Voranerkennung der Beihilfefähigkeit aus diesem Grunde als entschuldbar angesehen werden könnte. Allein die für die Beihilfefähigkeit allgemein erforderliche Notwendigkeit der (alsbaldigen) Behandlung reicht dafür ebenso wenig aus wie der Verfall eines möglichen Therapieplatzes, längere Wartezeiten auf einen solchen oder die Notwendigkeit, die Wartezeit durch Wiederaufnahme einer medikamentösen Behandlung zu überbrücken. Zudem bietet die Regelung, dass fünf probatorische Sitzungen ohne das Vorab-Anerkennungsverfahren als beihilfefähig anerkannt werden, eine gewisse Hilfegewährung für eine Übergangszeit, die von der Ehefrau des Klägers auch in diesem Sinn genutzt wurde. Dazu kommt, dass der Kläger die zeitlichen Verzögerungen zwischen dem Abbruch der Behandlung bei Therapeut 2 bis zur Anerkennung der Therapie bei Therapeut 3 zumindest teilweise durch sein eigenes Verhalten verursacht hat. Die probatorischen Sitzungen fanden von Ende November bis Ende Dezember statt, die erste Behandlung am 18. Januar 2011. Bereits in dieser Zeit hätte möglicherweise zwar nicht die Ehefrau des Klägers, jedenfalls aber der Kläger selbst stärker darauf hinwirken können, dass das erforderliche Gutachten durch den neuen Therapeuten umgehend erstellt und der Beihilfestelle übersandt wird. Dies räumt auch der Kläger ein, wenn er erklärt, dass er geeignete Schritte unternommen hätte, wenn er darüber informiert worden wäre, dass die erteilte Anerkennung bei dem Abbruch der Behandlung nicht weiter galt.

Die Beklagte hatte den Kläger nicht darüber zu informieren, dass die bereits erfolgten Sitzungen ihrer Meinung nach nicht beihilfefähig seien. Der Kläger muss sich selbst über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen informieren. Vor dem Hintergrund der Ablehnung von Beihilfen für Sitzungen bei Therapeut 1 durch die Beihilfestelle wegen fehlender vorheriger Anerkennung durch die Festsetzungsstelle konnte der Kläger wissen, dass die vor Anerkennung der dritten Antragstellung durchgeführten Sitzungen möglicherweise nicht von der Beihilfestelle erstattet werden und hätte sich vorab bei der Beihilfestelle informieren können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.