AG Nürnberg, Beschluss vom 25.09.2010 - XVI 57/09
Fundstelle
openJur 2010, 900
  • Rkr:

Zur Anwendbarkeit deutschen Adoptionsrechts bei einer gleichgeschlechtlichen nach belgischem Recht geschlossenen Ehe zwischen dem US-amerikanischen Annehmenden und seinem italienischen Ehegatten bei russischer und italienischer Staatsangehörigkeit des anzunehmenden Kindes.

(Leitsätze: Amtsgericht Nürnberg)

Tenor

Auf Antrag des Annehmenden vom 11.02.2009, eingegangen bei Gericht am 19.02.2009, wird die Annahme des

A. G. B., geboren am .. ,2004

Personenstandsregister des Distrikts L. der Direktion Personenstandsregister ..., Russische Föderation, Geburtsregister Nr. ...

Staatsangehörigkeit: Italienisch und russisch

Familienstand: ledig

wohnhaft ...

als Kind des

M. G., geboren am ... 1962 Staatsangehörigkeit: US-amerikanisch

Familienstand: verpartnert

wohnhaft ...

ausgesprochen.

Der Angenommene führt weiterhin den Geburtsnamen "B."; der Vatersname "G." entfällt.

Gründe

I.

Der Annehmende ist US-amerikanischer Staatsangehöriger, geboren in ... /Florida, derzeit wohnhaft in .../Deutschland. In den Vereinigten Staaten wohnte er zuletzt in .../Kalifornien. Seit mehr als 6 Monaten verfügt er über keinen Wohnsitz mehr in den Vereinigten Staaten.

Der Anzunehmende kam am 2004 in .../Russische Föderation zur Welt. Er besitzt die russische und italienische Staatsangehörigkeit.

Der leibliche Vater des Anzunehmenden, G. B., ist italienischer Staatsangehöriger. Er hat am ... 2003 mit notariellem Vertrag eine Lebenspartnerschaft ("contrat de vie commune") nach belgischem Recht mit dem Annehmenden begründet. Am ... 2004 gaben beide die Erklärung über das gesetzliche Zusammenwohnen vor dem Standesbeamten der Stadt ... /Belgien ab, die noch am gleichen Tage in das Nationalregister eingetragen wurde. Am ... 2005 schlossen die beiden vor dem Standesbeamten in ... /Belgien die Ehe. Die Lebenspartner und der Anzunehmende leben in häuslicher Gemeinschaft in .../Deutschland.

Leibliche Mutter des Kindes ist die russische Staatsangehörige T. O. A., wohnhaft in ... /Russische Föderation. Sie gab am 2004 eine notariell beurkundete Einwilligungserklärung zur Ausreise des Kindes mit dem Ziel, einen ständigen Wohnsitz des Kindes beim Vater zu begründen, ab. Ferner gab sie diesem die Einwilligung, die Verantwortung für das Wohlergehen und die Gesundheit des Sohnes zu übernehmen und sämtliche den Sohn betreffenden Entscheidungen zu treffen.

Der Annehmende beantragt auszusprechen, dass der Anzunehmende von ihm als Kind angenommen wird, so dass er die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes von ihm und G. B. erlangt. Der Geburtsname des Kindes soll nach dem Willen beider Lebenspartner nach der Adoption auf "B." lauten.

Notariell beurkundete Einwilligungserklärungen zu der beantragten Adoption seitens der leiblichen Mutter und des leiblichen Vaters, gleichzeitig in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter des Kindes und eingetragener Lebenspartner des Annehmenden, liegen vor.

II.

1. Das Amtsgericht Nürnberg ist zum Ausspruch der Annahme als Kind sachlich und örtlich zuständig, da der Annehmende im Bezirk des Gerichts seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

2. Die Adoption unterliegt gemäß Art. 22 Satz 1 und 2 EGBGB deutschem Recht.

a)

Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB, wonach die Annahme eines Kindes durch einen oder beide Ehegatten dem Recht unterliegt, das nach Artikel 14 Abs. 1 EGBGB für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist, kommt nicht zur Anwendung.

Die in Belgien geschlossene Ehe des Annehmenden mit G. B. kann in Deutschland nicht anerkannt werden. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist dem deutschen Recht unbekannt. Das Institut der Ehe setzt nach deutscher Auffassung als unantastbaren Ordnungskern voraus, dass die Partner verschiedenen Geschlechts sind (BVerfG NJW 1993, 3058). Ihre Anerkennung würde deshalb zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts offensichtlich nicht vereinbar wäre, Art. 6 EGBGB (vgl. Staudinger/Mankowski, Neubearbeitung 2004, Art 13 EGBGB Rdnr 176 ff mwN).

b) Auch eine analoge Anwendung des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBGB auf die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht möglich.

Eine analoge Anwendung setzt eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke voraus. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15.12.2004 (BGBl. 1 S. 3396) wurden weitgehende Angleichungen zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft in verschiedenen Rechtsbereichen vorgenommen. Insbesondere wurden dabei in Art. 17b EGBGB weitestgehend kollisionsrechtliche Regelungen für die Lebenspartnerschaft getroffen. Regelungen für die Adoption sind jedoch nicht enthalten. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Adoptionen bewusst keine Verweisung auf Art. 22 Abs. 1 EGBGB vorgenommen hat (Staudinger/Mankowski, Neubearbeitung 2004, Art. 17b Rdnr. 94 EGBGB; Heiderhoff, Beck'scher Online-Kommentar, Art. 17b Rdnr 44 EGBGB; aA Coester, Münchner Kommentar, Art. 17b Rdnr, 81 EGBGB).

c) Es verbleibt deshalb bei der Grundregel des Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, dass die Annahme eines Kindes dem Recht des Staates unterliegt, dem der Annehmende zum Zeitpunkt der Annahme angehört, Auf Grund der amerikanischen Staatsangehörigkeit des Annehmenden verweist das deutsche internationale Privatrecht somit auf das amerikanische Recht einschließlich dessen internationalem Privatrecht, Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.

Die Vereinigten Staaten sind ein sog. Mehrrechtsstaat. Das Adoptionsrecht ist Recht der einzelnen Bundesstaaten. Im vorliegenden Fall kommt das Recht des Bundesstaates Kalifomien zur Anwendung. Der Annehmende ist zwar im Bundesstaat Florida geboren, hatte jedoch sein letztes "domicile" im Bundesstaat Kalifornien und ist diesem Bundesstaat damit am nähesten verbunden. Es ist deshalb zu prüfen, ob das kalifornische Recht die Gesamtverweisung annimmt, oder ob es zu einer Rückverweisung kommt (Art. 4 Abs. 1 EGBGB).

Das internationale Privatrecht ist in Kalifornien so gut wie nicht kodifiziert. Generell gilt, dass die Anwendbarkeit materiellen Rechts der Zuständigkeit der Gerichte folgt (lex tori). Die örtliche Zuständigkeit ihrerseits folgt zumeist dem Wohnsitz der Betroffenen (vgl.Bergmann/Ferid, Nr.3 Internationales Privatrecht des Bundesstaates Kalifornien). Speziell im angloamerikanischen Recht existieren auf manchen Rechtsgebieten keine echten Kollisionsnormen im Sinne von Verweisungsvorschriften. Stattdessen wird lediglich die internationale Zuständigkeit der eigenen Gerichte geregelt, die ihr eigenes materielles Recht als lex tori anwenden. Hierin wird in diesem Fall eine versteckte Rückverweisung auf deutsches Recht gesehen (Palandt BGB 69, Auflage 2010 zu Art. 4 EGBGB, Rn 2).

Gemäß § 9210 Familiengesetz des Bundesstaates Kalifornien sind die kalifornischen Gerichte zuständig, wenn der Minderjährige zusammen mit einem gesetzlichen Vertreter oder einem zukünftigen Adoptionselternteil unmittelbar vor Verfahrensbeginn mindestens sechs aufeinander folgende Monate in Kalifornien gelebt hat. Die Zuständigkeit ist auch gegeben, wenn die künftigen Adoptiveltern unmittelbar vor Verfahrensbeginn für mindestens sechs aufeinander folgende Monate in Kalifornien gelebt haben. Da der Annehmende sowie das anzunehmende Kind seit 08.08.2008 ihren Aufenthalt in Deutschland haben, liegt eine Rückverweisung vor, die das deutsche Recht als Sachnormverweisung (ohne Verweisung auf die Regelungen des internationalen Privatrechts) annimmt, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB.

Die Adoption unterliegt somit dem deutschen Recht.

3. Zusätzlich ist nach Art. 23 EGBGB in Bezug auf die Zustimmung des Kindes zur Adoption das Recht des Staates zu berücksichtigen, dem das Kind angehört.

Der Anzunehmende besitzt die italienische sowie die russische Staatsangehörigkeit. Gemäß Art. 5 Abs, 1 Satz 1 EGBGB ist das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Das Kind hielt sich nie längerfristig in der Russischen Föderation oder in Italien auf. Die leibliche Mutter hatte keinen Kontakt zu dem Kind und gab es zur Adoption frei. Das Kind lebt beim leiblichen Vater, der italienischer Staatsangehöriger ist. Deshalb sind die Zustimmungserfordernisse des italienischen Rechts zu beachten.

4. Die Voraussetzungen für die Annahme als Kind nach deutschem Recht unter Berücksichtigung der Zustimmungserfordernisse des italienischen Rechts sind erfüllt.

a) Die Annahme eines Kindes innerhalb einer Lebenspartnerschaft durch den Partner des leiblichen Elternteiles ist zulässig, § 9 Abs. 7 LPartG.

b) Der Antrag auf Annahme des Kindes wurde formgerecht gestellt, § 1752 Abs. 2 BGB.

c) Das Alterserfordernis ist gewahrt, §§ 9 Abs. 7 LPartG, 1743 BGB.

d) Die Zustimmungserfordemisse gemäß Art 23 EGBGB sind erfüllt. Die Zustimmungserfordernisse des italienischen Rechts gehen für den vorliegenden Fall nicht über die des deutschen Rechts hinaus (Art.7 Gesetz Nr. 184 v. 04.05.1983).

e) Die Einwilligung der Kindesmutter wurde erklärt am 29.09.2009, zur Urkunde des Notariats M. S. R. in ... /Russische Föderation, URNr .... , diejenige des Kindesvaters am 11.02.2009, zur Urkunde des Notariats H. in E., URNr. ... .

f) Die Einwilligung für das Kind wurde durch den gesetzlichen Vertreter erklärt am 11.02.2009, zur Urkunde des Notariats H. in E., URNr ... .

g) Die erforderlichen Urkunden wurden dem Amtsgericht Nürnberg formgerecht vorgelegt.

h) Der Annehmende, der Anzunehmende und der leibliche Vater des Kindes wurden persönlich gehört.

i) Ein Bericht der Adoptionsvermittlungsstelle des Landratsamts ... -Amt für Kinder, Jugend und Familie- vom 27.05.2010 und eine Stellungnahme der zentralen Adoptionsstelle des Landesjugendamts vom 27.08.2010 liegen vor.

j) Die Annahme dient dem Wohl des Kindes, da ein Vater-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist. Die Beteiligten leben seit 2004 in einer Familie zusammen. Der Annehmende hat gegenüber dem Anzunehmenden die Elternrolle übernommen. Zwischen den Beteiligten besteht ein enges Vertrauensverhältnis und die Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand in allen Lebenslagen. Dies steht fest auf Grund des Berichtes der Adoptionsvermittlungsstelle sowie der persönlichen Anhörung.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme als Kind vorliegen, war diese auszusprechen.

5. Der Anzunehmende führt künftig den Namen A. B. .

a) Die Lebenspartner führen keinen gemeinsamen Lebenspartnerschaftsnamen nach § 3 Abs. 1 LPartG, Sie müssen deshalb nach §§ 9 Abs, 7 LPartG, 1757 Abs. 2 Satz 1 BGB den Geburtsnamen des Kindes durch Erklärung bestimmen. Die Lebenspartner haben in vorliegendem Fall den Namen "B." gewählt.

b) Der Vatersname nach russischem Recht "G." entfällt auf Grund der Bestimmung des Geburtsnamens "B.".

§ 1757 BGB enthält Bestimmungen zum Geburtsnamen und dem Vornamen des Kindes, nicht jedoch zum Vatersnamen. Es kommt daher darauf an, ob der auf russischem Namensrecht beruhende Vatersname nach den Maßstäben des deutschen Rechts eher als Nachname (Geburtsname) oder eher als Vorname zu qualifizieren ist. Der Vatersname soll auf die Abstammung des Kindes und die familiäre Verbindung des Kindes zum leiblichen Vater hinweisen. § 1757 Abs. 1 BGB, wonach sich der Geburtsname des Kindes bei der Adoption zwingend ändert, will diese Verbindung zur Ursprungsfamilie namensrechtlich lösen. Deshalb soll auch der Vatersname von der Regelung des § 1757 Abs. 1 BGB erfasst werden (StAZ 1998,21), weswegen vorliegend der Vatersname entfällt.

6. Die Annahme als Kind gründet sich auf §§ 9 Abs. 7, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 2 BGB.

7. Die Adoption wird mit der Zustellung dieses Beschlusses wirksam (§ 56e Satz 2 FGG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56e Satz 3 FGG).