VG Ansbach, Beschluss vom 29.01.2008 - AN 4 K 07.03337
Fundstelle
openJur 2012, 89219
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag der Klägerseite vom 15. Januar 2008 auf Ablehnung der Einzelrichterin der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach, Richterin am Verwaltungsgericht ..., wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt nach vorangegangenen erfolglosen Verwaltungsverfahren im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Verpflichtung des Landratsamtes ... zur Erteilung einer Gaststättenerlaubnis.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Dezember 2007 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO der Richterin am Verwaltungsgericht ... zur Entscheidung als Einzelrichterin übertragen.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der Einzelrichterin des Verwaltungsgerichts Ansbach am 15. Januar 2008 war der Kläger, der nicht zum Termin erschienen ist, durch seinen Bevollmächtigten, Herrn ..., ..., vertreten. Dieser führte unter anderem aus, dass er sowohl die Befassungskompetenz des Gerichts als auch die des Landratsamtes ... bezweifele. Er machte unter anderem geltend, dass das Gaststättengesetz „keinen Geltungsbereich“ habe, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Deutsche Reich fortbestehe.

Ferner beantragte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten, Herrn ..., das Verfahren „bis zur abschließenden Beurteilung der bislang gestellten Anträge“ auszusetzen; dies diene zur Rechtssicherheit aller Beteiligten. Dieser Antrag wurde von der Einzelrichterin mit im Termin bekannt gegebenem Beschluss abgelehnt, da ein Aussetzungsgrund nach der für das vorliegende Verfahren maßgeblichen Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht gegeben sei.

Sodann wurde im Termin vor der Einzelrichterin zur Sache verhandelt.

Schließlich übergab der Klägervertreter ein von ihm handschriftlich unterzeichnetes und vom 15. Januar 2008 datierendes Schreiben mit folgendem Wortlaut:

„Antrag auf Aussetzung des Verfahrens:Gründe:Ablehnung der Richterin ...Wegen Befangenheit und der Verdacht auf Rechtsbeugung.Dies dient zur Rechtssicherheit aller Beteiligten.“Der Klägerbevollmächtigte erläuterte hierzu ausweislich der Sitzungsniederschrift mündlich noch, der Befangenheitsantrag beruhe vor allem darauf, dass die Einzelrichterin zur Rechtsfindung die Abgabenordnung für rechtens halte.

Die Einzelrichterin, Richterin am Verwaltungsgericht ..., erklärte in ihrer vom 16. Januar 2008 abgegebenen dienstlichen Äußerung zum Befangenheitsantrag vom 15. Januar 2008, sie fühle sich nicht befangen im Sinne von § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO und verweise insoweit auf den Inhalt der Akten.

Die dienstliche Erklärung der Einzelrichterin ... vom 16. Januar 2008 wurde den Beteiligten mit einfacher Post zugestellt (Postauslauf beim Verwaltungsgericht Ansbach am 17.1.2008), gleichzeitig wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis spätestens 25. Januar 2008 (Datum des spätestens Eingangs bei Gericht) eingeräumt. Auf das Schreiben des Klägervertreters vom 20. Januar 2008 wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Der Ablehnungsantrag hat keinen Erfolg, da durchgreifende Ablehnungsgründe im Sinne von § 54 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 2 ZPO nicht dargetan und auch nicht ersichtlich sind.

Nach den genannten Bestimmungen kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit durch eine Partei abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters (vgl. etwa den Wortlaut des Richtereides gemäß Art. 5 BayRiG, § 38 Abs. 1 DRiG) zu rechtfertigen.

Die Entscheidung über das gegen die Einzelrichterin gestellte Ablehnungsgesuch obliegt nach - soweit ersichtlich - einhelliger bzw. völlig herrschender Meinung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (auch nach der ständigen Entscheidungspraxis des erkennenden Gerichts, vgl. z.B. Beschluss vom 13.3.2006, Az. AN 4 K 06.00597; Beschluss vom 3.2.2005, Az. AN 4 K 04.02406; Beschluss vom 5.5.2004, Az. AN 4 E 04.00769) der Kammer, der die abgelehnte Einzelrichterin angehört. Dies ergibt sich schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO, auf den § 54 Abs. 1 VwGO verweist. Die abgelehnte Richterin wirkt an der Kammerentscheidung nicht mit, wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut von § 45 Abs. 1 ZPO ausdrücklich ergibt (vgl. zum Ganzen etwa Kopp, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 54, RdNr. 15; Geiger in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 6, RdNr. 7; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, 3. Aufl. 2004/2005, § 6, RdNr. 15; in der zitierten Kommentarliteratur wird jeweils auf entsprechende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Einzelnen hingewiesen).

Das Verwaltungsgericht übersieht nicht, dass in der Rechtsprechung der Zivilgerichte in jüngerer Zeit verschiedentlich - jedoch entgegen der auch dort bisher wohl weitaus überwiegenden Meinung - die Auffassung vertreten worden ist, für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter sei nicht der Spruchkörper zuständig, dem der Einzelrichter angehört, sondern der geschäftsverteilungsplanmäßige Stellvertreter des abgelehnten Einzelrichters (so z.B. für den Fall des so genannten obligatorischen Einzelrichters gemäß § 348a ZPO: OLG Zweibrücken, 3. Zivilsenat, Beschluss vom 18.11.2005, Az. 3 W 220/05, Juris; für den Fall des so genannten originären Einzelrichters gemäß § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO: OLG Oldenburg, 15. Zivilsenat, Beschluss vom 23.5.2005, Az.: 15 W 21/05, Juris, NJW-RR 2005, 931). Diese von Zivilgerichten zum Teil vertretene Rechtsauffassung ist jedoch auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht übertragbar, da die VwGO in ihrer derzeit geltenden Fassung weder den so genannten originären Einzelrichter (entsprechend § 348 ZPO - Fassung 2001/2005 -) noch den so genannten obligatorischen Einzelrichter (entsprechend § 348a ZPO - Fassung 2001/2005 -) kennt. Ein Verfahren nach dem AsylVfG, wo der so genannte originäre Einzelrichter in § 76 Abs. 4 AsylVfG geregelt ist, liegt dem vorliegenden Rechtsstreit nicht zugrunde. § 6 VwGO entspricht am ehesten der - inzwischen nicht mehr gültigen - Bestimmung des § 348 ZPO - Fassung 1992 -, er ist somit weder mit der derzeit gültigen Fassung von § 348 ZPO noch mit der derzeit gültigen Fassung von § 348a ZPO vergleichbar.

Nach den Tatbestandsmerkmalen von § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 1 ZPO kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich „parteiisch“ oder „befangen“ ist oder ob er sich selbst für befangen hält, entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalles Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu zweifeln (BVerfG, Beschluss vom 2.3.1966, Az. 2 BvE 2/65, BVerfGE 20, 1 ff., 5). Eine Besorgnis der Befangenheit liegt damit nur dann vor, wenn einobjektivvernünftiger Grund gegeben ist, der die Partei von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden, wie dies seinen Dienstpflichten gemäß Richtereid nach § 38 Abs. 1 DRiG bzw. Art. 5 BayRiG entspricht. Eine bloße subjektive Befürchtung ist hierfür ebenso wenig ausreichend wie eine etwaige irrige oder von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichende Rechtsansicht eines Richters für sich allein genommen, sofern diese nicht offensichtlich auf Willkür beruht, wesentliche Rechte verletzt oder völlig uneinsichtig ist (BayVGH, Beschluss vom 12.9.1986, Az. 18 B 85 C.810, Juris, VersR 1986, 1133). Für die Beurteilung kommt es mithin wesentlich auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an, insbesondere darauf, ob angesichts besonderer, angebbarer Umstände nach der Verkehrsauffassung bzw. der Auffassung des gerecht und billig denkenden Bürgers die Unparteilichkeit noch ausreichend gewahrt erscheint; also, ob die vom Ablehnenden ins Treffen geführten und glaubhaft gemachten Tatsachen vom Standpunkt einer ruhig abwägenden Partei geeignet erscheinen, begründete Zweifel an der Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu wecken.

Eine etwaige, aus der Sicht des Klägers erfolgte unrichtige Sachbehandlung bzw. Sachentscheidung durch den abgelehnten Richter rechtfertigt, wie vorstehend bereits angesprochen, für sich allein genommen (selbst wenn sie vorliegen würde, was hier nicht ersichtlich ist) nicht die Besorgnis der Befangenheit, denn das Verfahren bezüglich des Antrages wegen Richterablehnung dient nicht unmittelbar dazu, angeblich unrichtige Verfahrenshandlungen und Sachentscheidungen zu korrigieren. Für solche Korrekturen, sollten sie tatsächlich erforderlich sein, stellt die Verwaltungsgerichtsordnung geeignete Verfahrensmöglichkeiten zur Verfügung, z.B. die ordentlichen Rechtsmittel, wie etwa den Antrag auf Zulassung der Berufung.

Unter Würdigung dieser Grundsätze hat der Befangenheitsantrag der Klägerseite vom 15. Januar 2008 keinen Erfolg, wobei dahinstehen kann, ob dieser nicht bereits nach § 54 Abs. 1 VwGO, § 43 ZPO unzulässig ist, weil die Klägerseite im Zeitpunkt der Stellung des Befangenenantrages bereits zur Sache verhandelt hatte.

Irgendwelche fassbaren Anhaltspunkte für eine persönliche Voreingenommenheit der abgelehnten Einzelrichterin sind nicht einmal ansatzweise konkret und substantiiert dargestellt worden, sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere für das schriftliche Ablehnungsgesuch vom 15. Januar 2008. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 15. Januar 2008, Seite 3 unten, hat der Klägerbevollmächtigte zur Erläuterung des Befangenheitsantrages mündlich lediglich noch ausgeführt, der Befangenheitsantrag beruhe vor allem darauf, dass die Einzelrichterin „zur Rechtsfindung die Abgabenordnung für rechtens halte“. Dieses im Ablehnungsantrag somit gerügte Verhalten der Einzelrichterin (sonstiges Verhalten der Einzelrichterin wird nicht gerügt) stellt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Grund für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Einzelrichterin dar, zumal im Übrigen auch keine Rechtsprechung und keine Stimme aus der Rechtsliteratur bekannt ist, die die Rechtmäßigkeit der Abgabenordnung insgesamt pauschal in Zweifel ziehen würde. Konkrete einzelne Bestimmungen der Abgabenordnung, die nach der Rechtsauffassung des Klägerbevollmächtigten etwa nicht rechtens sein sollen, zumal solche, auf deren Gültigkeit bzw. Rechtmäßigkeit es im vorliegenden Fall entscheidungserheblich ankommen könnte (Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis ist im Ausgangspunkt des GastG), werden im Befangenheitsantrag selbst schon nicht genannt. Letztendlich ist unter Bezugnahme auf das oben Ausgeführte nur noch einmal zu wiederholen, dass selbst eine etwaige, hier jedoch nicht im Entferntesten ersichtliche irrige Rechtsauffassung der Einzelrichterin bezüglich der Gültigkeit der Abgabenordnung insgesamt oder in einzelnen Bestimmungen für sich allein genommen jedenfalls die Besorgnis der Befangenheit der Einzelrichterin nicht rechtfertigen würde und dass die Klägerseite insoweit auf die von der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Rechtsmittel verwiesen wäre.

Nachdem das Ablehnungsgesuch der Klägerseite, wie oben bereits ausgeführt, keinerlei Konkretisierung enthält, bestand auch kein Anlass bzw. auch keinerlei Möglichkeit für die abgelehnte Einzelrichterin, in ihrer - nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO verpflichtend vorgesehenen - dienstlichen Äußerung ihrerseits konkrete Ausführungen zu machen, sie konnte sich unter den vorgenannten Umständen auf die Bemerkung beschränken, sie halte sich nicht für befangen (vgl. etwa Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 44, RdNr. 6 ff). Im Übrigen wurde von den Beteiligten auch nichts gegen den Inhalt der von der abgelehnten Einzelrichterin abgegebenen dienstlichen Erklärung erinnert.

Nach alledem war das Richterablehnungsgesuch abzulehnen.

Diese Entscheidung ist gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.