OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.08.2012 - 1 B 425/12
Fundstelle
openJur 2012, 87680
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

Die gegen den angefochtenen Beschluss vorgebrachten Gründe, auf deren Überprüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, soweit es um die begehrte Abänderung des Beschlusses geht, rechtfertigen es nicht, dem vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren verfolgten, sinngemäßen Antrag,

dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den gemäß § 850 c ZPO pfändbaren Teil der Bezüge (Versorgung) des Antragstellers einstweilen zu hinterlegen und ihn nicht an Dr. T. auszuzahlen,

zu entsprechen.

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, der Antragsteller begehre eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel, von den laufenden Bezügen des Antragstellers lediglich 316 Euro monatlich an dessen Tochter zu zahlen. Es hat diesen Antrag in der Weise verstanden, dass es darum ging, dass die Tochter nicht - wie vorher - noch mehr Geld erhält. Das Verwaltungsgericht hat diesen Eilantrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgelehnt, weil der Antragsgegner schon bei Einreichen des Antrags nur noch 316 Euro monatlich an die Tochter des Antragstellers zahlte.

Während des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller seinen Antrag klargestellt und sinngemäß vorgetragen, es gehe ihm von vornherein ausschließlich darum, dass der Antragsgegner von den Bezügen des Antragstellers nichts mehr an Herrn Dr. T. überweise.

Auch unter Berücksichtigung dieser Klarstellung des Antrags und des Beschwerdevorbringens bleibt die Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg. Denn der Antragsteller hat keine tatsächlichen Umstände gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft gemacht, aus denen ein Anordnungsgrund hergeleitet werden könnte.

Mit seinem Antrag verfolgt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache (keine Zahlung mehr an Herrn Dr. T. ) vorwegnimmt.

Einem solchen, die Hauptsache vorweg nehmenden Antrag ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10. Februar 2011 - 7 VR 6.11 -, juris, Rn. 6, m. w. N.

Hiervon ausgehend hat der Antragsteller entgegen § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei einem Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbare, auch nach einem Erfolg in diesem Verfahren nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen. Der Antragsteller hat pauschal vorgetragen, ihm drohe "ein wesentlicher Nachteil in Form eines Verlustes von über einem Viertel seiner Nettoversorgung, ohne dass ersichtlich ist, dass und wie dieser Verlust wieder ausgeglichen werden kann". Der Antrag auf einstweilige Anordnung solle verhindern, dass "ein Schaden, für den in erster Linie Dr. I. T. haftet, vergrößert wird". Im Übrigen bemängelt der Antragsteller die Art, wie Herr Dr. T. als Insolvenzverwalter handele.

Mit diesem Vorbringen hat der Antragsteller schon nicht substantiiert dargelegt, dass ihm unwiederbringlich erhebliche finanzielle Schäden drohen, wenn das Landesamt weiterhin die pfändbaren Teile der Bezüge an den Treuhänder Dr. T. überweist. Der Antragsteller hat weder konkret vorgetragen noch ist nach Aktenlage ersichtlich, dass Herr Dr. T. den pfändbaren Teil der Bezüge des Klägers in rechtswidriger Weise einsetzt und dass dem Antragsteller dadurch ein erheblicher finanzieller Schaden droht. Der Umstand, dass das Guthaben auf dem Insolvenzanderkonto nach der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht in die Insolvenzmasse fällt, führt als solcher nicht zu einem Schaden des Antragstellers.

Abgesehen davon hat der Antragsteller seine Behauptungen nicht glaubhaft gemacht, etwa durch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (vgl. §§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO).

Ein unzumutbarer Nachteil ergibt sich auch nicht daraus, dass das Existenzminimum des Antragstellers ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung gefährdet wäre. Der Antragsteller macht selbst nicht geltend, auf den pfändbaren Teil seiner Bezüge zwingend angewiesen zu sein. Er will lediglich erreichen, dass Herr Dr. T. nichts mehr erhält.

Soweit der Antragsteller rügt, Herr Dr. T. übe seine Aufgabe als Insolvenzverwalter nicht ordnungsgemäß aus, und einzelne Maßnahmen von Herrn Dr. T. kritisiert, handelt es sich um Einwände, die nicht im vorliegenden Verfahren gegenüber dem Antragsgegner, sondern ggf. in einem Verfahren vor dem Insolvenzgericht geltend zu machen sind. Denn das Amtsgerichts E. hat Herrn Dr. T. durch Beschluss vom 11. Dezember 2006 - 64 IK 160/06 - zum Treuhänder nach den §§ 313, 292 InsO bestellt. Damit nimmt dieser nach § 313 Abs. 1 Satz 1 InsO die Aufgaben des Insolvenzverwalters wahr. Nach Aktenlage führt der Antragsgegner nur aus, was ihm Herr Dr. T. in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter im Februar 2006 aufgegeben hat: den pfändbaren Teil der Bezüge des Antragstellers an ihn auf ein Insolvenzanderkonto zu zahlen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruht auf den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Dabei ist der Senat davon ausgegangen, dass der finanzielle Schaden, den der Antragsteller befürchtet, sich nach Aktenlage derzeit nicht konkret beziffern lässt. Er dürfte sich nicht aus der Höhe der Zahlungen an Herrn Dr. T. ergeben, weil allein aus der Überweisung an diesen nicht automatisch ein Schaden folgt. Der Auffangstreitwert war wegen der beantragten Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu halbieren.

Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung - gemäß den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.