LG Berlin, Beschluss vom 01.03.2012 - 57 S 350/11
Fundstelle
openJur 2012, 68658
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Oktober 2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 18 C 128/11 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Es ist ferner beabsichtigt den Streitwert für die II. Instanz auf 226,26 Euro festzusetzen.

3. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, innerhalb von zwei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses hierauf Stellung zu nehmen.

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin hat nach Auffassung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Rechtsfortbildung oder die Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern, ferner eine mündliche Verhandlung nicht angezeigt ist, ist beabsichtigt die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück zu weisen.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Veräußerung und Abtretung der Forderungen der zunächst dem Diensteanbieter a... Internet GmbH zustehenden Forderungen gegen den Beklagten an die M... W... (später V... Deutschland GmbH) und von dieser an die Klägerin verstößt gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB und ist damit unwirksam, was zur Folge hat, dass die Klägerin nicht Forderungsinhaberin geworden ist.

1. Ein Verstoß gegen das gemäß Artikel 10 Grundgesetz besonders geschützte und in § 88 TKG geregelte Fernmeldegeheimnis wird durch § 206 StGB sanktioniert, letzterer ist ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB.

Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen gemäß § 88 TKG auch die näheren Umstände der Telekommunikation, also u. a. z. B. ob und zwischen wem ein Telekommunikationsvorgang stattgefunden hat, um welche Zeit dies geschah und welche Dauer sie hatte.

2. Spätestens indem die V... Deutschland GmbH ihre selbst von der a... Internet GmbH erworbenen Forderungen gegen den Beklagten an die Klägerin unter Mitteilung der oben genannten Daten verkaufte und abtrat, verstieß sie gegen die Verbotsnormen der §§ 206 StGB, 88 TKG mit der Folge der Unwirksamkeit der Abtretung gemäß § 134 BGB (vgl. auch OLG München, NJW-RR 98, 758).

Der mit der Abtretung einhergehende Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis ist weder durch eine - nicht ersichtliche - Zustimmung des Beklagten zur Weitergabe seiner Daten gerechtfertigt, noch durch die Vorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG.

a) Diese Vorschrift bestimmt - wie ihre Vorgängerregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 TDSV -, dass eine Datenweitergabe an einen Dritten dann erlaubt ist, wenn der Diensteanbieter - hier unterstellt die V... Deutschland GmbH - mit einem Dritten (hier die Klägerin) einen Vertrag über den Einzug des Entgelts geschlossen hat (Unterstreichung durch die Kammer). Allein der Wortlaut der Vorschrift richtet sich demnach eindeutig auf das Inkasso von Forderungen. Das Wort Inkasso definiert den gewerbsmäßigen Einzug von fremden Forderungen (durch zugelassene Inkassounternehmen). Darunter fallt also per se schon nicht ein Forderungsverkauf mit Abtretung, der die Forderung zu einer eigenen des Zessionars werden lässt, so dass dieser also keine fremde Forderung mehr einzieht.

b) Diese Sichtweise wird durch die amtliche Begründung zu § 7 TDSV bestätigt (abgedruckt in Schmidt/Königshofen/Zwach, Telekommunikationsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 11), in der es u. a. heißt:

"... die in Absatz 1 Satz 3 vorgesehene vertragliche Verpflichtung von Dritten (z, B. Inkassounternehmen) zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ...
Dem Dritten dürfen die Daten übermittelt werden, die für den Einzug des Entgelts bzw. die Erstellung einer detaillierten Rechnung ... erforderlich sind. Die Regelung begründet für den Diensteanbieter kein eigenständiges Recht, die Forderung an das Inkassounternehmen mit der Folge abzutreten, dass dieses die Forderung gegenüber dem Kunden unmittelbar als eigene Forderung geltend machen kann ..."

c) Damit beschränkt sich die Regelung in § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG auf Geschäftsbesorgungsverträge (vgl. auch Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Band I, § 97 TKG, Rnr. 36) in Form einer Tätigkeit im fremden Interesse des Geschäftsherrn, worunter nicht die Führung eigener Geschäfte, z. B. in Form der Einziehung aufgekaufter Forderungen fällt (vgl. dazu Palandt-Sprau, 70. Aufl. § 675 Rnr. 4 m.w.N.).

d) Die Kammer sieht daher keinen Raum für eine Auslegung der o. g. Gesetzesbegründung zu § 7 TDSV dahin, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine nach BGB mögliche Abtretung von dem Begriff "Verträge über den Einzug" erfasst sein sollte. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der Verwendung der Formulierung "kein eigenständiges Recht". Vielmehr handelt es sich nach Auffassung der Kammer hier um eine Klarstellung dahin, dass mit der erlaubten Weitergabe von Daten zwecks Einzuges von Entgelten gerade nicht eine orginäre (= eigenständige) Möglichkeit zur Abtretung von Forderungen insbesondere ohne Zustimmung des betroffenen Kunden getroffen werden sollte, zumal angesichts des grundgesetzlich normierten Schutzes des Fernmeldegeheimnisses ein normierter Er1aubnistatbestand restriktiv und streng am Wortlaut ausgerichtet auszulegen ist.

e) Jedenfalls ergeben Sinn und Zweck der Vorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass den Diensteanbietem die Möglichkeit eröffnet werden sollte, über ein Inkasso hinaus den Verkauf der Forderungen nebst Abtretung zu ermöglichen. Zutreffend stellt die Klägerin darauf ab, dass der Zugang von neuen Diensteanbietern zum ehemals dem Monopol der Deutschen Telekom unterliegenden Markt dadurch erleichtert werden sollte, dass diese neuen Diensteanbieter, die vielfach nicht über ein ausreichendes Rechnungs- und Mahnwesen verfügen, die entsprechenden Aufgaben an Dritte übertragen dürfen. Dem ist aber durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Dritten zwecks Inkasso Rechnung getragen worden und erfordert nicht die darüber hinausgehende Möglichkeit, die Forderungen zu verkaufen, sich damit vom Einzug eigener Forderungen völlig zu befreien und zugleich sofortige Liquidität zu erlangen.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch die Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen e.V. vom 4.7.2011 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen, worin u. a. empfohlen wird, in § 97 TKG eine Regelung für die Forderungsabtretung entsprechend § 49 b Abs. 4 BRAO aufzunehmen, um ein Bedürfnis der Gläubiger nach einer sofortigen Liquidität nachzukommen. Folglich geht auch der Verband davon aus, dass § 97 Abs. 1 Satz 3 TKG Abtretungen nicht erlaubt, schon gar nicht ohne Zustimmung der Kunden.

f) Für die hier getroffene Auslegung spricht angesichts des grundgesetzlichen Schutzes des Fernmeldegeheimnisses sowie des einzuhaltenden Datenschutzes auch der Umstand, dass die Beschränkung des § 97 Abs. 1 TKG auf Netzanbieter, Diensteanbieter und Dritte in Form von Inkassounternehmen den Mindestschutz der Kunden besser gewährleistet, als es die Ermöglichung van Forderungsverkauf und Abtretung an beliebige Dienstleister täte. Denn die oben Genannten unterstehen der staatlichen Kontrolle, insbesondere bedürfen Inkassounternehmen auch einer staatlichen Er1aubnls für das Betreiben ihrer Geschäfte.

II. Im Übrigen wäre die Klage aber auch deshalb unbegründet, weil der Beklagte konkret die Behauptung der Klägerin, es sei der jeweils abgerechnete Preis durch Annahme einer entsprechenden Realofferte vereinbart worden, bestritten und dargelegt hat, dass zu den jeweiligen Tagen die Homepage der a... Internet GmbH einen geringeren Preis ausgewiesen habe. Einen Vertragsschluss zu den abgerechneten Preisen hat die Klägerin sodann nicht mehr ausreichend dargetan. Dazu hätte gehört, die entsprechende Realofferte durch Vorlage entsprechender Internetseiten zu den fraglichen Terminen vorzulegen. Die Berufung der Klägerin auf geänderte Preise ist nämlich widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich, wenn der Diensteanbieter im fraglichen Zeitraum auf seiner Homepage noch geringere Preise anpreist. Soweit die Klägerin behauptet, der Preis sei ab dem 15.6.08 erhöht worden und hierzu einen Ausdruck einer Internetseite vom 5.5.08 einreicht, ergibt sich daraus schon nicht der abgerechnete Preis, aber auch nicht das behauptete Änderungsdatum.

Nach alledem wird der Klägerin anheim gestellt, auch die Rücknahme der Berufung aus Kostengründen zu erwägen.