OLG Bremen, Beschluss vom 01.07.2008 - 4 UF 39/08
Fundstelle
openJur 2010, 38
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 76 F 108/08
Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Bremen – Blumenthal vom 29. April 2008 (Hauptsacheentscheidung) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 3.000 festgesetzt.

Gründe

Die Kindeseltern, die die elterliche Sorge für die im Haushalt der Mutter lebende Tochter N. gemeinsam ausüben, streiten darum, ob die Kindesmutter allein entscheiden kann, wer das Kind vom Kindergarten und demnächst von der Schule abholen darf oder ob darüber eine gemeinsame Elternentscheidung zustande kommen muss. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 29.4.2008 festgestellt, dass die Bestimmung der Personen, die N. vom Kindergarten bzw. Hort und ab Beginn des Schuljahres 2008/2009 von der Schule abholen dürfen, eine Angelegenheit des täglichen Lebens gemäß § 1687 Abs.1 S. 2 BGB ist und die Kindesmutter deshalb berechtigt ist, diese Entscheidung allein zu treffen. Gleichzeitig hat es den Antrag des Kindesvaters ihm Prozesskostenhilfe für das Verfahren zu bewilligen, mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

Hier gegen wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde vom 23.5.2008, mit der er sowohl die Entscheidung in der Hauptsache (4 UF 39/08) als auch die Entscheidung über seinen Prozesskostenhilfeantrag (4 WF 59/08) angreift. Er macht insbesondere geltend, die Frage, wer N. abholen darf, sei wegen der hier hochstrittigen Situation zwischen den Kindeseltern für die Eltern und auch für N. eine wichtige Angelegenheit, die gemeinsam entschieden werden müsse. Denn der Vater spiele für N. eine wichtige Rolle. Wenn er zu diesem Punkt nicht mitbestimmen dürfe, bestehe auf Grund der besonderen Situation zwischen den Eltern die Gefahr, dass es zu einer Entfremdung zwischen Vater und Tochter komme, weil er dann seine Tochter nicht abholen dürfe. Damit werde die gemeinsame Sorge ausgehöhlt.

Die Kindesmutter verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Die Beschwerde des Kindesvaters ist zulässig (§§ 621e, 612 Abs.1 Nr. 1, 517 ff. ZPO), sie hat aber keinen Erfolg. Die Entscheidung darüber, wer das Kind vom Kindergarten, Hort oder Schule abholen darf, ist eine Entscheidung des täglichen Lebens i.S.d. § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB. Sie ist Bestandteil der Alltagssorge, sie kann daher von der Mutter, bei der N. lebt, allein getroffen werden (§ 1687 Abs. 1 S. 2 BGB).

Gemäß § 1687 Abs.1 S.1 BGB ist eine gemeinsame Entscheidung der Eltern nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Handelt es sich nicht um ein alltägliches Problem, ist es eins mit erheblicher Bedeutung für das Kind und umgekehrt (Schilling, NJW 2007, 3233, 3234). Angelegenheiten des täglichen Lebens sind häufig vorkommende Situationen, die zwar eine sorgerechtliche Entscheidung der Eltern erfordern, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes aber ohne Aufwand wieder abänderbar sind (vgl. § 1687 Abs.1 S. 3 BGB). Damit fallen beispielsweise die real im Vordergrund stehenden Fragen der Betreuung im Alltag einschließlich derjenigen, die das schulische Leben betreffen, in die Alleinentscheidungsbefugnis desjenigen Elternteiles, bei dem das Kind rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1687 Rn. 7). Wie die Teilnahme des Kindes an Tagesausflügen und Klassenreisen in Schule und Kindergarten, seine Freizeitgestaltung, die Bestimmung des Urlaubs und der Umgang mit Freunden Angelegenheiten des täglichen Lebens sind (vgl. die Nachweise bei Schilling, a.a.O., S. 3236), ist dies auch die Frage, wer das Kind von Kindergarten, Hort oder Schule in den Haushalt des rechtmäßig betreuenden Elternteiles begleitet. Die Notwendigkeit für eine solche Entscheidung kann sich immer wieder, vor allem oft relativ kurzfristig stellen, wenn die Mutter - aus welchen Gründen auch immer - das Kind nicht selbst abholen kann. Mit der Entscheidung über die Frage der Begleitung werden weder Weichen für die Zukunft des Kindes gestellt (wie etwa bei der Frage der Anmeldung zu einem bestimmten Schulzweig), noch hat sie in anderer Weise schwer abzuändernde Auswirkungen auf seine Entwicklung.

Soweit der Kindesvater darauf abstellen will, dass die Abholproblematik wegen der besonderen Situation zwischen den Eltern gerade kein alltägliches Problem sei, spricht er damit seine Sicht der Dinge an. Die Abgrenzung zwischen gemeinsamer und alleiniger Entscheidungsbefugnis muss aber, soll sie praktisch brauchbar bleiben, nach objektiven Gegebenheiten getroffen werden und sich an der sozialen Bedeutung der Angelegenheit messen lassen (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1687 Rn. 11). Danach ist die Bedeutung der hier angesprochenen Angelegenheit gering, zumal auch nicht zu erwarten ist, dass das vorliegende Problem, das als Alltagsproblem zu bezeichnen ist, unversehens ins Grundsätzliche umschlagen und damit dann auch erhebliche Bedeutung für das Kind gewinnen kann (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rn. 6).

Soweit der Vater eine gemeinsame Entscheidung mit Rücksicht darauf einfordert, dass er anderenfalls N. nicht von Schule und Kindergarten abholen dürfe und der Kontakt des Kindes zu ihm deshalb leide, ist dies in erster Linie ein Problem des Umgangs des Vaters mit seinem Kind (§ 1684 BGB), keine Frage der gemeinsamen Sorge. Insoweit gibt es im Übrigen eine vom Familiengericht genehmigte Elternvereinbarung, die regelt, wann der Kindesvater N. vom Kindergarten abholen darf (Vereinbarung vom 24.4.2008 im Verfahren [...]).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens folgt aus § 13 a Abs. 1 S.2 FGG. Eine Entscheidung über die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst (§ 2 Nr. 1 KostO).