VG Frankfurt am Main, Urteil vom 19.06.2008 - 1 E 2583/07
Fundstelle
openJur 2012, 30368
  • Rkr:

Ein Handelsteilnehmer (hier: Skontroführer) kann nur für eigenes fehlerhaftes Verhalten mit einer Sanktion nach § 20 Abs. 2 BörsG belegt werden und nicht für das eigenverantwortliche Verhalten des Börsenhändlers, der für ihn tätig ist.Die Verletzung der Handelsrichtlinien für den Freiverkehr im Sinne des § 57 BörsG stellt keinen Verstoß gegen börsenrechtliche Vorschriften im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 BörsG 2004 dar. Allein durch die Unterlassung der Veröffentlichung einer Taxe kann ein Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 2 BörsG 2004 nicht verletzt werden.

Tenor

1. Der Beschluss des Sanktionsausschusses der FrankfurterWertpapierbörse vom 10.08.2007 wird aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. DieBeklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höheder festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Kläger nicht zuvorSicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Die Klägerin zu 1 betreut als Skontroführerin in dem von der Deutsche Börse AG betriebenen Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse u.a. die Aktie der Gondwana Energy Ltd. (Börsenkürzel GFD). Der Kläger zu 2 ist Vorstandsmitglied der Klägerin zu 1 und ist außerdem für diese als skontroführende Person tätig. Am 10.08.2007 erließ der Sanktionsausschuss der Beklagten einen Beschluss, mit dem die Klägerin zu 1 mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 6.000 EUR und der Kläger zu 2 mit einem Ordnungsgeld in Höhe von 3.000 EUR belegt worden sind sowie beiden je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.

Der Sanktionsausschuss macht dem Kläger zu 2 den Vorwurf, er habe am 26.10.2006 ausführbare Order zur Aktie GFD nicht ausgeführt und die veröffentlichte Taxe der tatsächlichen Orderlage nicht angepasst. Damit habe er gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 BörsG sowie gegen Bestimmungen der Börsenordnung und gegen Vorschriften für die Preisfeststellung im Präsenzhandel der Frankfurter Wertpapierbörse verstoßen. Diese Regeln seien auch auf den von der Deutschen Börse AG betriebenen Börsenhandel im Freiverkehr anwendbar, wie sich aus § 57 Abs. 2 BörsG und § 19 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse ergäbe. Der Kläger zu 2 habe die Preisfeststellung zumindest leichtfertig unterlassen und auch die Taxe zumindest leichtfertig nicht angepasst. Seine Unterlassungen seien darauf zurückzuführen, dass er sich in der fraglichen Zeit mit vermuteten Fehlern in der Software des Limit-Kontrollsystems befasst habe, statt die Orderlage zu beobachten und darauf - bei Ausfall der Software ggf. manuell - angemessen zu reagieren. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger zu 2 bisher nicht mit einem Ordnungsgeld habe belegt werden müssen, sei für ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 3.000 EUR angemessen. Die Klägerin zu 1 habe für die Verstöße der für sie tätigen skontroführenden Personen einzustehen, die insoweit als deren Erfüllungsgehilfen tätig würden. Diese Mithaftung sei von eigenem Verschulden unabhängig. Das skontroführende Unternehmen müsse für Verstöße seines Personals neben dem eigentlich Handelnden ebenfalls sanktioniert werden. Dies werde dem Umstand gerecht, dass dem Unternehmen aus dem Handeln des Personals erwachsende Vorteile regelmäßig auch dann zugute kämen, wenn das Personal vorwerfbar regelwidrig handele. Bei der gegen die Klägerin zu 1 zu verhängenden Sanktion sei zu berücksichtigen, dass gleich zwei Verstöße zu beanstanden seien sowie der Umstand, dass die Klägerin zu 1 schon früher für Fehlverhalten habe zwei mal sanktioniert werden müssen, aber gleichwohl keine Einsicht zeige. Dies rechtfertige ein Ordnungsgeld in doppelter Höhe.

Im Einzelnen geht der Beschluss des Sanktionsausschusses von folgendem Sachverhalt aus:

Am 26.10.2006 habe sich um 16:08:27 Uhr im Orderbuch eine Kauforder über 5.000 Stück mit Limit 0,47 € befunden. Der Kläger zu 2 habe zu diesem Zeitpunkt eine maschinelle Taxe 0,47 € (5.000) - 0,50 € (4.000) veröffentlicht. Die Taxe sei durch maschinelle Quotierung um 16:10:35 Uhr auf 0,45 € (5.500) zu 0,46 € (4.000) geändert worden. Um 16:11:35 sei eine Verkaufsorder über 5.500 Stück mit Limit 0,45 € in das Orderbuch eingestellt worden. Etwa acht Minuten später habe der Kläger zu 2 das Orderbuch gesperrt, ohne einen Preis festzustellen. Nach Aufhebung der Sperre sei die Verkaufsorder gelöscht worden. Um 16:36:04 Uhr und um 16:52:07 Uhr habe der Kläger zu 2 das Orderbuch erneut für 67 , bzw. 16 Sekunden gesperrt, ohne die Order auszuführen oder die Taxe anzupassen. Um 17:14:32 Uhr sei eine weitere Kauforder über 10.000 Stück limitiert zu 0,46 € eingestellt worden. Darauf habe der Kläger zu 2 um 17:16:26 Uhr und danach noch zwei Mal das Orderbuch erneut gesperrt, ohne etwas zu unternehmen. Die beiden Kauforder seien um 18:58:04 Uhr gelöscht worden. Gleichzeitig habe der Kläger zu 2 eine neue Taxe mit 0,51 € (2.000) - 0, 58 € (2.000) veröffentlicht.

Gegen den Beschluss des Sanktionsausschusses haben die Kläger am 10.10.2007 Klage erhoben. Sie halten ihn aus folgenden Gründen für rechtswidrig:

Der Sanktionsausschuss der Beklagten sei für Skontroführertätigkeiten im Freiverkehr nicht zuständig. Der Freiverkehr sei privatrechtlich organisiert und würde nicht von der Beklagten (Frankfurter Wertpapierbörse), sondern von der Deutschen Börse AG betrieben. Das öffentlichrechtliche Sanktionsverfahren setze dagegen bereits begrifflich ein öffentlichrechtliches Verhältnis zwischen der sanktionierenden Behörde und dem Betroffenen voraus. Soweit die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hierzu eine andere Meinung vertreten habe (vgl. Urt. v. 28.10.2002 - 9 E 551/02 -, juris, ZIP 2003, 528), könne dem nicht gefolgt werden.

Der vom Sanktionsausschuss zugrunde gelegte Sachverhalt treffe nicht zu. Es werde bestritten, dass nach 16:10:35 Uhr noch eine Kauforder über 5.000 Stück im Orderbuch gelegen habe, dass um 16:11:35 eine Verkaufsorder über 5.500 Stück mit einem Limit von 0,45 € eingegangen sei, die rund 12 Minuten später wieder gelöscht worden sei, dass um 17:14:32 eine Kauforder über 10.000 Stück mit einem Limit von 0,46 € ins Orderbuch eingestellt worden sei und dass alle angeblichen Kauforder bis 18:58:04 gelöscht worden seien. Der Kläger zu 2 könne sich an eine solche Orderbuchsituation nicht erinnern. Ihr stehe auch der Umstand entgegen, dass sich das Limit-Kontrollsystem der Klägerin ausweislich der Unterlagen der Handelsüberwachungsstelle ab 16:10:35 Uhr nur noch am Referenzmarkt orientiert habe, was sich daraus erkläre, dass das Orderbuch leer gewesen sei.

Der Sanktionsausschuss habe die gegenteilige Behauptung nicht beweisen können. Verlässlich wären insoweit nur die von dem System XONTRO erfassten Daten. Diese würden elektronisch archiviert. Die Ausdrucke dieser Daten seien jedoch unverständlich und nicht nachvollziehbar. Der Sanktionsausschuss habe auch nicht diese Datenausdrucke ausgewertet, sondern berufe sich insoweit nur auf Exceltabellen, die von Mitarbeitern der Handelsüberwachungsstelle manuell erstellt worden seien und daher keine Gewähr dafür böten, frei von Übertragungsfehlern zu sein.

Selbst wenn die behaupteten Order jedoch Eingang in das elektronische System der Börse gefunden haben sollten, so sei dem Kläger zu 2 diese Orderlage jedenfalls nicht angezeigt worden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass dies auf einer Störung des von der Klägerin betriebenen Computersystems gelegen habe. Doch schließe ein solcher technischer Fehler jedenfalls einen Rechtsverstoß des Klägers zu 2 aus.

Selbst wenn man jedoch unterstellte, dass die vom Sanktionsausschuss behauptete Orderlage tatsächlich vorgelegen habe und für den Kläger zu 2 auch erkennbar gewesen, bzw. erkannt worden sei, ergebe sich aus seinem Verhalten kein Verstoß gegen börsenrechtliche Vorschriften. Es gäbe nämlich keine Regelung, die den Skontroführer dazu verpflichte, sofort einen Börsenpreis festzustellen, sobald sich eine ausführbare Orderlage einstellt. Vielmehr sei dem Skontroführer ein Beurteilungsspielraum eingeräumt, innerhalb dessen er sich dazu entscheiden könne, zunächst abzuwarten bis sich eine aussagekräftige Orderlage einstelle und mehrere Order zu einer Preisfeststellung zu bündeln. Das habe die Beklagte selbst in einem anderen Rechtsstreit eingeräumt. Dem Kläger zu 2 könne auch nicht vorgeworfen werden, durch sein Verhalten hinsichtlich der Taxenfeststellung Rechtsvorschriften verletzt zu haben. Es gäbe nämlich keine Pflicht, jede Änderung der Orderlage in Echtzeit in seinen Taxen abzubilden. Vielmehr habe der Skontroführer auch insoweit einen Beurteilungsspielraum. Die Rechtsvorschriften verlangten nur, dass der Skontroführer die Orderlage bei der Taxenfeststellung berücksichtige. Eine Anpassung der Taxen sei nur dann angezeigt, wenn sich die Orderlage wesentlich geändert habe. Es unterliege aber der Beurteilung des Skontroführers, ob eine hinreichend nachhaltige Veränderung eingetreten sei, um eine Veränderung der Taxe zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall sei durch die angebliche Kaufordner über 10.000 Stück keine wesentliche Änderung eingetreten. Dadurch habe sich nur das Nachfragevolumen, nicht aber die Markttendenz geändert. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass potentielle Verkäufer, die auf Grundlage der bisherigen Taxe nicht zum Verkauf bereit gewesen seien, durch eine Anpassung der Volumenangabe angelockt worden wären.

Dem Kläger zu 2 könne auch nicht vorgeworfen werden, er hätte umgehend zu einer manuellen Quotierung übergehen müssen. Er habe nämlich keine Änderung der Orderlage erkennen können, und deshalb keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der elektronischen Quotierung haben können.

In jedem Fall könne dem Kläger zu 2 keine Leichtfertigkeit vorgeworfen werden. Es könne keine Rede davon sein, dass der Kläger zu 2 die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem und ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen habe. Ein irgendwie geartetes Verschulden komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger zu 2 die vom Sanktionsausschuss behauptete Orderlage nicht habe zur Kenntnis nehmen können, sei es, weil diese tatsächlich nicht vorgelegen habe, sei es, weil sie ihm durch ein technisches Versagen der Elektronischen Datenverarbeitung nicht angezeigt worden sei. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, dass das elektronische System die behauptete Orderlage angezeigt und der Kläger dies übersehen habe, liege keine Leichtfertigkeit vor, sondern allenfalls ein Fall leichter Fahrlässigkeit. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Skontroführer mehrere Skontren zu betreuen habe und damit nicht allen Skontren gleichzeitig dieselbe Aufmerksamkeit schenken könne. Deshalb werde der Skontroführer ja auch durch elektronische Systeme unterstützt, die ihn auf neu eingehende Order und die aktuelle Orderlage aufmerksam machten und Lösungsvorschläge unterbreiteten. Da die Preisfeststellungstätigkeit ein Massengeschäft sei, könne es gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, dass eine Order übersehen werde oder es zu einer verzögerten Reaktion komme. Hinzu komme, dass das hier streitgegenständliche Skontro im Oktober 2006 unstreitig nahezu umsatzlos gewesen sei. Deshalb habe der Kläger zu 2 auch nicht damit rechnen müssen, dass gerade um die fragliche Zeit eine ausführbare Orderlage eintreten werde.

Schließlich sei die Auferlegung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 3.000 EUR auch unverhältnismäßig. Angesichts des Umstandes, dass der Kläger zu 2 bis dahin noch niemals Beteiligter eines Sanktionsverfahrens gewesen sei, wäre eine Verwarnung oder Abmahnung ausreichend gewesen. Auch der Höhe nach stehe das festgesetzte Ordnungsgeld außer Verhältnis zu dem sanktionierten Pflichtenverstoß und dessen wirtschaftlicher Bedeutung. Die angeblich pflichtwidrig unterlassene Ausführung der Kauforder über 5.000 Stück hätte allenfalls einen Umsatz von 2.350 EUR und eine Maklercourtage von 0,8 Promille (= 1,88 €) generiert.

Die Sanktionierung der Klägerin zu 1 sei darüber hinaus auch deshalb rechtswidrig, weil das haftende Unternehmen nicht härter sanktioniert werden könne wie die eigentlich handelnde Person. Das sei auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Klägerin zu 1 schon früher Beteiligte in Sanktionsverfahren gewesen sei. Abgesehen davon, dass bisher keiner der gegen sie ergangenen Sanktionsbeschlüsse rechtskräftig geworden sei, sei es mit rechtstaatlichen Grundsätzen unvereinbar, die Höhe der Sanktion von dem Gesichtspunkt abhängig zu machen, dass sie „keine Einsicht“ zeige, sondern sich gegen die Vorwürfe der Beklagten verteidige. Schließlich handele es sich bei der Sanktionierung der Klägerin zu 1 neben dem Kläger zu 2 um eine mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Doppelbestrafung.

Die Kläger beantragen,

den Beschluss des Sanktionsausschusses der Beklagten vom 10.08.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt den angefochtenen Bescheid. Sie ist insbesondere der Auffassung, dass die Zuständigkeit des Sanktionsausschusses auch für Verstöße gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Frankfurter Börse AG sich daraus ergäbe, dass auch diese ungeachtet ihrer privatrechtlichen Natur als börsenrechtliche Vorschriften im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BörsG anzusehen seien. Der Sanktionsausschuss sei auch von einem zutreffend festgestellten Sachverhalt ausgegangen. Dieser sei von der Handelsüberwachungsstelle festgestellt worden. Deren Unterlagen seien hinreichend aussagekräftig. Es könne ihnen jedes Detail des dem Sanktionsbeschluss zugrundeliegenden Sachverhalts entnommen werden. Sofern die Kläger vortrügen, die Orderbuchlage könne aus diesen Unterlagen nicht rekonstruiert werden, sei dies unverständlich. Die Exceltabellen würden automatisch aus den XONTRO-Daten generiert. Versehentliche Übertragungsfehler seien deshalb ausgeschlossen. Für absichtliche Manipulationen fehle es an jeglichem Anhaltspunkt. Im Übrigen könne der behauptete Sachverhalt auch durch Vernehmung jener Handelsteilnehmer bewiesen werden, die die besagten Order seinerzeit eingestellt und gelöscht hätten. Die Kläger könnten sich auch nicht schlicht auf Nichtwissen berufen, weil das Orderbuch für den Kläger zu 2 wahrnehmbar gewesen sei. Der Sanktionsausschuss habe den Sachverhalt auch zutreffend gewürdigt und zu Recht die Unterlassung einer Preisfeststellung und die Unterlassung einer Taxenanpassung festgestellt. Zu Recht habe er diese Unterlassungen schließlich auch als leichtfertig qualifiziert.

Das Gericht hat neben der Gerichtsakte einen Ordner Behördenakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere handelt es sich bei den Sanktionsbeschlüssen eines Sanktionsausschusses im Sinne des § 20 Abs. 1 BörsG (i.d.F. 21.06.2002 - BGBl I 2010) um Verwaltungsakte, die mit der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO angefochten werden können. Eines Vorverfahrens bedarf es insoweit nicht (§ 20 Abs. 3 Satz 2 BörsG).

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss des Sanktionsausschusses der Frankfurter Wertpapierbörse ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

1. Zuständigkeit des Sanktionsausschusses für den Freiverkehr

Allerdings erstreckt sich die Zuständigkeit des Sanktionsausschusses grundsätzlich auch auf das Verhalten der Handelsteilnehmer einschließlich der Skontroführer und Börsenhändler im Freiverkehr. Aus § 57 Abs. 2 Satz 2 BörsG, der die im Freiverkehr festgestellten Börsenpreise betrifft und in diesem Zusammenhang nur auf § 24 Abs. 2 BörsG verweist, lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger nicht schließen, dass alle anderen Vorschriften des Börsengesetzes, insbesondere die über den Sanktionsausschuss (§ 20 BörsG) auf den Freiverkehr nicht anwendbar wären. Aus dem Wortlaut des § 57 BörsG lässt sich das nicht entnehmen. Aus der Verweisung auf § 24 Abs. 2 folgt auch nicht im Umkehrschluss, dass alle anderen Vorschriften des Börsengesetzes auf den Freiverkehr nicht anwendbar sind. Die Verweisung auf § 24 Abs. 2 war nur deshalb notwendig, um auch die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 2 im Freiverkehr sicherzustellen. § 24 BörsG bezieht sich nämlich seinem eigenen Wortlaut nach nur auf die Preisfeststellung im amtlichen und geregelten Markt, was ohne die Verweisung in § 57 Abs. 2 seine Anwendbarkeit im Freiverkehr ausgeschlossen hätte. Soweit Vorschriften des Börsengesetzes nicht in dieser Weise eingeschränkt sind, ergibt sich kein Grund zu der Annahme, dass sie für den Handel im Freiverkehr nicht anwendbar wären.

Der Handel mit Wertpapieren im Freiverkehr ist Börsenhandel an einer Wertpapierbörse (§ 1 Abs. 7 BörsG). Wertpapierbörsen und der Handel an ihnen unterliegen den Allgemeinen Bestimmungen über die Börsen und deren Organe nach dem 1. Abschnitt des Börsengesetzes. In diesem Abschnitt findet sich auch die Regelung über den Sanktionsausschuss (§ 20 BörsG). Der Freihandel unterscheidet sich vom Handel im amtlichen Markt und im geregelten Markt dadurch, dass die gehandelten Papiere weder den Zulassungsbedingungen nach § 30 Abs. 2 BörsG unterliegen, noch den Zulassungsvoraussetzungen, die in einer Rechtsverordnung nach § 32 BörsG geregelt sind. Vielmehr unterliegen sie nur den in § 57 Abs. 1 BörsG genannten Handelsrichtlinien, die privatrechtlicher Natur sind. Dies bedeutet aber nur, dass die Vorschriften des 2. und 3. Abschnitts des Börsengesetzes sowie die Vorschriften der §§ 49 bis 56 aus dem 4. Abschnitt auf den Freiverkehr nicht anwendbar sind, nicht jedoch, dass das gesamte Börsengesetz und insbesondere die Vorschriften aus dem 1. Abschnitt nicht anwendbar wären.

Diese Deutung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Die Regelung über den Freiverkehr (§ 57 BörsG) wurde aus der Fassung des Börsengesetzes in der Fassung des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes übernommen (dort: § 78). In dem Börsengesetz, das dieser Novellierung vorausging, war der Freihandel in die öffentlich-rechtliche Selbstverwaltung der Börse integriert. Aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben führte das dazu, dass Emittenten, deren Wertpapiere im Freihandel gehandelt wurden, einer Ad-hoc-Berichtspflicht unterworfen waren, von der sie nur dadurch befreit werden konnten, dass der Freihandel privatrechtlich organisiert wurde und damit nicht mehr dem Regime des Gemeinschaftsrechts unterlag. In diesem Zusammenhang führt die amtliche Begründung im Regierungsentwurf Folgendes aus: „Soweit die Regelung im Börsengesetz [...] nicht greifen, kann der Handel im Freiverkehr an der Börse auf privatrechtlicher Basis geregelt werden.“ (BT-Drs 12/6679, S. 75). Dies bestätigt, dass der Freihandel nicht gänzlich aus dem öffentlich-rechtlichen Regime des Börsengesetzes entlassen werden sollte, sondern nur insoweit, als dies erforderlich war, um die Ad-hoc Berichtspflicht zu vermeiden, also im Hinblick auf die Vorschriften über den Handel und die Geschäftsabwicklung. Von den Vorschriften über das Sanktionsverfahren sollten der Freihandel jedoch nicht freigestellt werden (ebenso VG Frankfurt/M, Urt. v. 28.10.2002 - 9 E 551/02 -, juris, ZIP 2003, 528).

Auch aus dem am 01.11.2007 in Kraft getretenen neuen Börsengesetz (BGBl 2007 I 1330 - im Folgenden: BörsG 2007) ergeben sich keine überzeugenden Gründe dafür, dass nach früherer Rechtslage der Handel im Freiverkehr nicht dem Sanktionsverfahren unterliegen sollte. Allerdings findet sich in der Regelung über den Freiverkehr (§ 48 Abs. 3 BörsG 2007) jetzt erstmals eine ausdrückliche Verweisung auf das gesamte Börsengesetz (mit Ausnahme der Vorschriften über die Skontroführung), die „entsprechend“ anzuwenden sind. Diese Verweisung geht auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zurück (BT-Drs 16/4883, S. 107). In dem dazu vorgelegten Bericht des Finanzausschusses (BT-Drs 16/4899, S. 35) heißt es dazu: „Ferner bestimmt Satz 2, dass das Börsengesetz für den Freiverkehr entsprechend anzuwenden ist. Ausgenommen sind lediglich die Vorschriften über [...] die Verteilung der Skontren, welche im Freiverkehr bereits nach geltender Rechtslage nicht den Beschränkungen des Börsengesetzes unterliegt [...].“ Der Bezug auf die bisher geltende Rechtlage weist darauf hin, dass der Finanzausschuss in der Tat davon ausging, dass die allgemeinen Vorschriften des Börsengesetzes nach früherem Recht nicht auf den Freiverkehr anwendbar waren. Dies wird durch die Empfehlung des Bundesrates bestätigt, auf die die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses zurückgeht. Dort heißt es: „Mit der vorgeschlagenen Formulierung werden zudem die für den gewöhnlichen Börsenhandel geltenden Rechtsvorschriften auch für den Freiverkehr anwendbar“ (BR Drs 833/1/06, S. 24). Offenbar ging also auch der Bundesrat davon aus, dass die allgemeinen für den Börsenhandel geltenden Rechtsvorschriften nach der früheren Rechtslage nicht auf den Freiverkehr anwendbar waren und dies jetzt erstmals mittels Verweisung geändert werden sollte.

Diese Rechtsauffassung des Bundesrates und des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages lassen aber nicht den zwingenden Schluss zu, dass die allgemeinen Regelungen des früheren Börsengesetzes auf den Freiverkehr nicht anwendbar waren, weil es an einer entsprechenden Verweisung fehlte. Zunächst können die Vorstellungen des 16. Deutschen Bundestages nicht mit dem Willen und den Absichten des 12. Deutschen Bundestages gleichgesetzt werden, der die frühere Rechtslage geschaffen hat. Es handelt sich insoweit nicht um die für die Auslegung des Gesetzes relevante Äußerung des gesetzgeberischen Willens, sondern um eine Interpretation des vorhandenen Gesetzes, der als solcher keine höhere Bedeutung zukommt als jeder anderen Gesetzesinterpretation. Im Übrigen kann der Wille des Gesetzgebers, der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt, für die Auslegung des Gesetzes nur dann von Bedeutung sein, wenn der Gesetzeswortlaut selbst verschiedene Auslegungen zulässt und der Inhalt des Gesetzes deshalb weder aus seinem Wortlaut, noch aus seinem systematischen Zusammenhang erschlossen werden kann. Wie oben dargestellt, ergeben sich aber weder aus dem Gesetzeswortlaut, noch aus dem systematischen Zusammenhang und aus den erkennbaren Zwecken der Regelung der geringste Zweifel daran, dass auch der Handel im Freiverkehr den allgemeinen Bestimmungen des Börsengesetzes unterliegen sollte und damit auch den Vorschriften über den Sanktionsausschuss.

2. Sanktionierung der Klägerin zu 1

Soweit der angefochtene Beschluss die Klägerin zu 1 mit einer Sanktion belegt, ist er schon deshalb rechtswidrig, weil der Sanktion kein Verhalten zu Grunde gelegt wird, das der Klägerin zu 1 zuzurechnen ist. Der Sachverhalt, den der Sanktionsausschuss zum Gegenstand des Vorwurfs und der Sanktionierung macht, bezieht sich ausschließlich auf ein (behauptetes) Verhalten des Klägers zu 2. Die Sanktionierung der Klägerin zu 1 beruht einzig und allein auf der Überlegung, dass das Unternehmen, für welches die tatsächlich handelnde Person bei der Skontroführung tätig wird, für dessen Verhalten und neben diesem auch sanktionsrechtlich einzustehen hat. Diese Überlegung hält jedoch einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

In der Rechtsprechung ist die Frage bisher nicht ausdrücklich behandelt worden. In dem Urteil der Kammer vom 16.02.2006 (1 E 2040/05) und dem darauf ergangenen Berufungsurteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs v. 16.04.2008 (6 UE 142/07 - LaReDa) blieb die Frage ebenso unerörtert wie in einigen früheren Entscheidungen der 9. Kammer (Urt. v. 28.10.2002 - 9 E 551/02 -; Urt. v. 17.06.2002 - 9 E 2028/01). In dem Urteil vom 08.11.2004 (9 E 3418/03) wurde dagegen zwischen dem eigenen Verschulden des Handelsteilnehmers (Organisationsverschulden) und dem seines Börsenhändlers deutlich unterschieden.

Die Verhängung einer Sanktion im Sinne des § 20 BörsG ist ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Sie ist nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zulässig und steht infolgedessen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter Gesetzesvorbehalt (BVerfG Urt. v. 16.01.1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 [36ff] - „Elfes“ = juris TZ 17f.). Darüber hinaus handelt es sich bei der Sanktion im Sinne des § 20 BörsG um eine Disziplinarstrafe (zum Begriff vgl. BVerfG, B. v. 02.05.1967 - 2 BvR 391/64 -, BVerfGE 21, 378 [384] = juris TZ 20). Als solche handelt es sich zwar nicht um eine Bestrafung nach den allgemeinen Strafgesetzen, für die das Verbot der Doppelbestrafung nach Art. 103 Abs. 3 GG gilt. Wohl aber handelt es sich um eine Strafe im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG, für die neben dem Grundsatz des Gesetzesvorbehaltes und dem Bestimmtheitsgebot insbesondere auch das Analogieverbot gilt (BVerfG, B. v. 11.06.1969 - 2 BvR 518/66 -, BVerfGE 26, 186 [204] = juris TZ 50).

Es gibt kein Gesetz, das dazu ermächtigt, den Skontroführer für Verfehlungen des für ihn tätigen Börsenhändlers zu sanktionieren. Insbesondere lässt sich dem § 20 Abs. 2 BörsG ein solcher Inhalt nicht entnehmen. Der Sanktionsgewalt des Sanktionsausschusses unterliegen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 BörsG alle Handelsteilnehmer. Handelsteilnehmer sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BörsG die zum Börsenhandel zugelassenen Unternehmen, die Skontroführer und die Börsenhändler. Zum Börsenhandel zugelassene Unternehmen sind solche, die sich mit der Anschaffung und Veräußerung börsenmäßig handelbarer Gegenstände befassen und dafür nach § 16 Abs. 2 BörsG zugelassen sind. Skontroführer sind Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute, die die Vermittlung und den Abschluss von Börsengeschäften im Parketthandel betreiben (§ 27 Abs. 1 BörsG) und dafür eine Zulassung nach § 26 BörsG besitzen. Börsenhändler sind Personen, die für ein nach § 16 Abs. 2 BörsG an der Börse zugelassenes Unternehmen handeln und dafür nach § 16 Abs. 5 BörsG zugelassen sind. Der Skontroführer betreibt als solcher die Vermittlung von Verträgen über die Anschaffung und Veräußerung börsenmäßig gehandelter Gegenstände sowie auch die Anschaffung und Veräußerung für eigene Rechnung. Dazu bedarf er der Zulassung nach § 16 Abs. 2 BörsG. Es handelt sich also beim Skontroführer um eine spezifische Untergruppe der zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassenen Unternehmen. Die natürlichen Personen, die an einem bestimmten Handelstag für dieses Unternehmen tatsächlich die skontroführende Tätigkeit ausüben, sind folglich Börsenhändler im Sinne des § 16 Abs. 5 BörsG. Sie unterliegen deshalb ebenso wie das zur Skontroführung zugelassene Unternehmen der Sanktionsgewalt des Sanktionsausschusses.

Aus dem Umstand, dass sowohl das skontroführende Unternehmen als auch der für dieses Unternehmen tätige Börsenhändler der Sanktionsgewalt des Sanktionsausschusses unterliegen, folgt jedoch nicht, dass der Skontroführer für das Verhalten seines Börsenhändlers, sanktioniert werden darf. Dazu bedürfte es einer diesbezüglich eindeutigen Regelung, wie sie etwa in § 30 OWiG getroffen worden ist, für das börsenrechtliche Sanktionsverfahren aber fehlt. In § 20 Abs. 2 BörsG ist im Gegenteil nur geregelt, dass ein Handelsteilnehmer dann mit einer Sanktion belegt werden kann, „wenn der Handelsteilnehmer ... verstößt ... oder ... verletzt.“ Eine Sanktionierung des zur Skontroführung zugelassenen Unternehmens kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn ein eigenes schuldhaftes Verhalten des Unternehmens sanktioniert werden soll. Zwar kann eine juristische Person als solche nicht schuldhaft handeln. Sie muss sich aber das schuldhafte Verhalten ihrer Organe zurechnen lassen.

Die Entstehungsgeschichte des § 20 Abs. 2 BörsG bestätigt, dass der Gesetzgeber genau ein solches Organisationsverschulden der Organe des Unternehmens zum Gegenstand möglicher Sanktionierung machen und nicht etwa die Möglichkeit schaffen wollte, das Unternehmen für ein Verhalten zu sanktionieren, das allein im Verantwortungsbereich ihres Börsenhändlers liegt. Während das alte Börsengesetz von 1896 (RGBl 1896, 157) vorsah, dass nur natürliche Personen zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassen waren, wurde mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz die Möglichkeit geschaffen, dass auch Unternehmen zum Börsenhandel zugelassen werden konnten. Auch die nach dem alten Recht vorgesehenen Sanktionsmechanismen richteten sich nur gegen natürliche Personen. Mit der Zulassung von Unternehmen zum Börsenhandel ergab sich deshalb die Frage, ob auch Unternehmen einem solchen Sanktionsmechanismus unterworfen werden sollten. Der Gesetzgeber hat dies bejaht (§ 9 BörsG 1995 - BGBl 1994 I 1749). Im damaligen Regierungsentwurf wird zur Begründung hierfür angeführt, dass nicht nur natürliche Personen, sondern auch Unternehmen börsenrechtliche Vorschriften und Anordnungen sowie den Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen verletzen könnten (BT Drs. 12/6679 S. 68). Dies zeigt deutlich, dass das zum Börsenhandel zugelassene Unternehmen sanktionsrechtlich für eigene Verfehlungen einstehen sollte und nicht für Verfehlungen der für es handelnden natürlichen Personen, weil diese ohnehin schon unmittelbar dem Sanktionsregime unterworfen waren und bleiben sollten.

Sofern in dem angefochtenen Beschluss unter Berufung auf eine Literaturmeinung (Schwark/Beck: Kapitalmarktrechtskommentar 3. Aufl. 2004 § 20 BörsG Rn 21) die Auffassung vertreten wird, das eine solche Zurechnung auf der Grundlage einer analogen Anwendung des § 278 BGB zulässig sei, ist dies dogmatisch nicht nachvollziehbar. Die Methodik der Gesetzesanalogie besteht darin, eine gesetzliche Rechtsfolge auf einen Tatbestand anzuwenden, den das Gesetz nicht vorsieht, der jedoch dem gesetzlichen Tatbestand in wesentlicher Hinsicht ähnlich ist. Die Rechtsfolge des § 278 BGB ist die Haftung für fremdes Verschulden. Der Gläubiger kann auf der Grundlage dieser Vorschrift nicht den Geschäftsherrn neben dem Erfüllungsgehilfen in Anspruch nehmen, sondern nur statt des Erfüllungsgehilfen. Diese Rechtsfolge kann also in keinem Falle die Sanktionierung des Skontroführers neben seinem Börsenhändler rechtfertigen, zumal der Tenor des Sanktionsbeschlusses zweifelsfrei auch nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass die Kläger gleichsam als Gesamtschuldner auf ein und dieselbe Schuld in Anspruch genommen werden.

Auch eine analoge Anwendung des § 30 Ordnungswidrigkeitengesetzes kommt nicht in Betracht. Abgesehen davon, dass diese Norm die Sanktionierung einer juristischen Person nur dann vorsieht, wenn jemand als vertretungsberechtigtes Organ oder als sonstige Leitungsperson handelt, nicht aber, wenn jemand wie der Börsenhändler als untergeordnetes Ausführungsorgan handelt, steht jedenfalls das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG einer solchen Bezugnahme auf § 30 OWiG entgegen.

3. Sanktionierung des Klägers zu 2

Dem Kläger zu 2 werden zwei verschiedene Vorwürfe gemacht. Zum einen soll er in der fraglichen Zeit börsenrechtliche Vorschriften dadurch verletzt haben, dass er keine Taxen veröffentlicht hat, zum anderen soll er dadurch gegen börsenrechtliche Vorschriften verstoßen haben, dass er keinen Börsenpreis festgestellt hat, obwohl Angebots- und Nachfrageorder vorlagen, die hätten zusammengeführt werden können.

3.1 Unterlassung der Taxenfeststellung

Die Sanktionierung wegen unterlassener Taxenveröffentlichung ist rechtswidrig, weil der Kläger zu 2 insoweit auch dann nicht gegen börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 BörsG verstoßen hat, wenn er aufgrund der Vorgaben der Handelsrichtlinien für den Freiverkehr und der bestehenden Orderlage gehalten gewesen sein sollte, eine neue Taxe zu veröffentlichen. In einem derartigen Verhalten kann auch nicht die Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 2 BörsG gesehen werden.

Es gibt keine börsenrechtliche Vorschrift oder Anordnung, auf Grund deren der Kläger zu 2 verpflichtet war, vor der Preisfeststellung im Freiverkehr eine Taxe zu veröffentlichen. Unstreitig sind die Regelungen der Börsenordnung über die Taxenfeststellung nur für den öffentlich-rechtlich geregelten Börsenhandel anwendbar, also auf den Handel im amtlichen und geregelten Markt. Für den Freiverkehr bestimmt § 89 BörsO in Übereinstimmung mit § 57 Abs. 1 BörsG, dass die Regelungen über die Durchführung des Handels und der Geschäftsabwicklung im Freiverkehr in den Richtlinien für den Freiverkehr bestimmt werden, welche die Deutsche Börse AG erlässt. Zum Tatzeitpunkt galten insoweit, wie den Veröffentlichungen der Deutschen Börse AG auf ihrer Website (http://deutsche-boerse.com > Regelwerk) zu entnehmen ist, die „Richtlinien für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse“, die aufgrund einer entsprechenden Änderung mit Wirkung ab dem 19.05.2006 die Bezeichnung „Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse“ (AGB DBAG) tragen und in der Fassung der Änderung vom 29.05.2006 anwendbar waren. In den §§ 26, 27 AGB DBAG waren Regelungen über die Taxeneinstellung geregelt. Der Vorwurf des Sanktionsausschusses geht offenbar dahin, dass der Kläger zu 2 diese Regelungen verletzt hat. Zwar zitiert der Sanktionsausschuss insoweit einen § 19 AGB DBAG, der jedoch offensichtlich nicht einschlägig ist, weil er in den damals geltenden AGB das Verbot von Leerverkäufen regelte. Erst die AGB DBAG vom 15.11.2007 regeln in § 19, dass die Regelungen des regulierten Marktes für den Handel und die Geschäftsabwicklung im Freiverkehr („Open Market“) entsprechend anwendbar sein sollen. Das entspricht im wesentlichen der Regelung des § 15 der zur Tatzeit geltenden Fassung der AGB, wonach die Vorschriften des amtlichen Marktes sinngemäß zu beachten sind, soweit nicht Besonderheiten dieser AGB zu beachten sind, was insbesondere hinsichtlich der Taxenfeststellung, wie ausgeführt, zutrifft.

Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Börse AG für den Freiverkehr sind keine börsenrechtlichen Vorschriften oder Anordnungen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 1 BörsG. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Bestimmungen kann deshalb keine öffentlich-rechtliche Sanktion durch Organe der Frankfurter Wertpapierbörse auslösen.

Die Handelsrichtlinien im Sinne des § 57 Abs. 1 BörsG sind privatrechtlicher Natur (vgl. VG Frankfurt, Urt. v. 28.10.2002 - 9 E 551/02 -, ZIP 2003, 528 = juris TZ16; Schwark/Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar 3. Aufl. München 2004 § 57 BörsG Rn 2). Die Deutsche Börse AG handelt im Hinblick auf die Organisation des Freiverkehrs gerade nicht als Frankfurter Wertpapierbörse, also als Anstalt des öffentlichen Rechts (vgl. § 2 BörsG 2007), sondern als privates Unternehmen, das für die von ihm betriebene Handelsplattform Regelungen in Form Allgemeiner Geschäftsbedingungen trifft. Seit den Änderungen des Jahres 2006 kommt dies auch in der Bezeichnung dieses Regelwerkes deutlich zum Ausdruck.

Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten nicht kraft hoheitlicher Rechtsetzung. Sie werden nicht vorgeschrieben, sondern vereinbart. Wenn in § 20 Abs. 2 Nr. 1 BörsG von börsenrechtlichen Vorschriften die Rede ist, so liegt es folglich eher fern, privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen unter diesen Begriff subsumieren zu wollen. Das Börsengesetz verwendet den Begriff der Vorschrift auch sonst nur an Stellen, wo auf öffentlich-rechtliche Regelwerke mit Gesetzeswirkung (Gesetze, Rechtsverordnungen, Satzungen) referiert wird (vgl. Hammen, Sanktionsausschuss einer Börse und Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen. In: FS Hartmut Schmidt, Berlin 2006, S. 327).

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 16.04.2008 (6 UE 142/07 - LaReDa) die Ansicht vertreten, dass darüber hinaus auch Richtlinien und Verwaltungsvorschriften der Geschäftsführung als börsenrechtliche Vorschriften anzusehen sind. Dies hat er wesentlich damit begründet, dass das Börsenorgan Geschäftsführung in der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse ermächtigt werde, ergänzende Regelungen und Einzelheiten (hier: der Preisfeststellung) zu erlassen. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung können zwar auch öffentlich-rechtliche Verwaltungsvorschriften mit norminterpretierendem Charakter als börsenrechtliche Vorschriften angesehen werden, nicht aber die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines privatrechtlichen Akteurs, bei dem es sich gerade nicht um ein Organ der öffentlich-rechtlichen Anstalt handelt. Die Deutsche Börse AG ist auch nicht durch Gesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen ermächtigt, Allgemeine Geschäftsbedingungen zu erlassen, sondern tut dies allein im Rahmen ihrer Privatautonomie.

Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs steht der hier zu Grunde gelegten Rechtsauffassung auch nicht etwa deshalb entgegen, weil es zur Stützung seiner Auffassung u. a. auch ein Urteil der 9. Kammer des VG Frankfurt zitiert, das ausdrücklich zu den Handelsrichtlinien für den Freiverkehr ergangen ist. Dieses Zitat ändert nichts daran, dass sich der HessVGH in diesem Urteil nur mit der Bedeutung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsvorschriften für das Sanktionsverfahren befasst hat und gerade nicht mit den Handelsrichtlinien für den Freiverkehr.

Die erkennende Kammer vermag sich auch nicht den Argumenten der früher zuständigen 9. Kammer dieses Gerichts anschließen, die in dem o.g. Urteil zu dem Ergebnis gekommen ist, dass auch privatrechtliche AGBs des Veranstalters des Freiverkehrs als börsenrechtliche Vorschriften im Sinne des § 20 Abs. 2 BörsG anzusehen sind (VG Frankfurt, Urt. v. 28.10.2002 - 9 E 551/02 -, ZIP 2003, 528 = juris TZ 18ff.). Die 9. Kammer stützt ihre Auffassung zunächst auf die Überlegung, dass nach § 57 Abs. 1 BörsG der Freiverkehr nur stattfinden darf, wenn er vom öffentlich-rechtlichen Betreiber der Börse zugelassen worden ist. Diese Zulassung sei selbst öffentlich-rechtlicher Natur. Sie dürfte nur erfolgen, wenn durch Handelsrichtlinien die ordnungsgemäße Durchführung des Handels gewährleistet erscheine. Folglich seien die Handelsrichtlinien als börsenrechtliche Vorschriften anzusehen. Die Schlüssigkeit dieser Argumentation hängt von der Validität einer unausgesprochenen Prämisse ab, die sich wie folgt formulieren lässt: Immer dann, wenn privatrechtliche Aktivitäten unter dem Vorbehalt einer öffentlich-rechtlichen Zulassung stehen und die Zulassung davon abhängt, dass die Aktivitäten im Rahmen privatautonomer Regelwerke stattfinden, die öffentlich-rechtlich vorgegebenen Standards entsprechen müssen, begründen diese Regelwerke öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten, deren Verletzung öffentlich-rechtlich geahndet werden können. Diese Prämisse ist offenkundig falsch. Wäre sie richtig, dann müssten beispielsweise die Tarifbestimmungen der Anbieter von Post- oder Telekommunikationsdiensten als öffentlich-rechtliche Vorschriften angesehen werden, nur weil das Betreiben solcher Dienste von einer öffentlich-rechtlichen Zulassung oder Genehmigung abhängt und diese auch von der Gesetzmäßigkeit der Tarife abhängig ist.

Das zweite Argument der 9. Kammer stellt darauf ab, dass börsenrechtliche Sanktionen nicht nur im Falle der Verletzung börsenrechtlicher Vorschriften in Betracht kommen, sondern auch im Falle der Verletzung eines Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen. Dieser Anspruch könne aber auch durch die Verletzung privatrechtlicher Regelungen verletzt werden (a.a.O TZ 20). Dagegen ist festzuhalten, dass es sich bei dem Verstoß gegen börsenrechtliche Vorschriften einerseits und bei der Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen andererseits um zwei verschiedene Sanktionstatbestände handelt, die nicht miteinander vermengt werden dürfen. Daraus, dass der Tatbestand einer Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen vorliegt, folgt nicht, dass auch ein Verstoß gegen börsenrechtliche Vorschriften vorliegt.

Die Annahme, dass die AGBs des Betreibers des Freiverkehrs von dem Begriff der börsenrechtlichen Vorschriften in § 20 Abs. 2 BörsG umfasst werden, widerstreitet auch dem Grundsatz der Systemgerechtigkeit, der aus dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG folgt. Dieser Grundsatz fordert die Folgerichtigkeit gesetzlicher Wertungen. Zwar liegt allein in der Durchbrechung eines Systems nicht notwendigerweise schon eine Verletzung des Willkürverbotes (BVerfG, Urt. v. 23.01.1990 - 1 BvL 44/86 -, BVerfGE 81, 156 [207]; juris TZ 170). Der Gesetzgeber ist aber an seine eigene Grundentscheidung in dem Sinne gebunden, dass Durchbrechungen einer folgerichtigen Begründung bedürfen (BVerfG, Urt. v. 27.06.1991 - 2 BvR 1493/89 -, BVerfGE 84, 239 [271] = juris TZ 108). Hinreichende Folgerichtigkeit verlangt plausible Gründe für die Abweichung (BVerfG, Urt. v. 23.01.1990 a.a.O). Es stellt einen Systembruch dar, wenn die Verletzung privatrechtlicher Verträge mit hoheitlichen Sanktionen geahndet wird. Für einen solchen Systembruch fehlt es an jeglicher plausiblen Begründung. Das adäquate Sanktionsinstrument wäre hier vielmehr die Vertragstrafe. Die Deutsche Börse AG ist nicht gehindert, eine solche Vertragstrafe in ihren AGB vorzusehen. In diesem Rahmen könnte auch die Sanktionsgewalt eines Ausschusses vereinbart werden. Dieser würde dabei jedoch stets nur privatrechtlich tätig. Seine Beschlüsse müssen nicht verwaltungsgerichtlich angefochten, sondern zivilrechtlich durchgesetzt werden.

Die Kammer hat schließlich auch erwogen, ob die Unterlassung der Taxenveröffentlichung eine Verletzung der Pflicht zur Preisfeststellung darstellen könnte. Diese Pflicht trifft den Skontroführer und seinen Börsenhändler nicht nur kraft der AGB für den Freiverkehr, sondern unmittelbar durch das Gesetz, nämlich § 24 Abs. 2 BörsG, der gemäß § 57 Abs. 2 BörsG auch im Freiverkehr gilt. Danach müssen Börsenpreise ordnungsgemäß zustande kommen. Wer es unterlässt, passende Kauf- und Verkaufsorder zusammenzuführen und dafür keinen Grund hat, der sich aus dem Regelwerk des Börsenrechts ergibt, der verletzt zweifellos eine börsenrechtliche Vorschrift. Die Kammer hat sich deshalb die Frage gestellt, ob die Taxenausrufung bereits als Bestandteil der Preisfestsetzung anzusehen ist und die unterlassene Taxenausrufung deshalb Teil der unterlassenen Preisfestsetzung ist und als solche geahndet werden kann. Nicht zuletzt auch unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung hat die Kammer diesen Gedankengang jedoch verworfen. Schon § 24 Abs. 2 Satz 7 BörsG macht klar, dass die Bekanntgabe der Taxe ein Vorgang ist, der „vor Feststellung eines Börsenpreises“ stattfindet und damit nicht Bestandteil dieser Feststellung ist.

Die Verletzung der Handelsrichtlinien für den Freiverkehr kann auch nicht etwa deshalb zu einem öffentlich-rechtlichen Sanktionsverfahren führen, weil in einer solchen Vertragsverletzung eine Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen zu sehen wäre (so aber: Schwark/Beck: Kapitalmarktrechtskommentar 3. Aufl. 2004 § 20 BörsG Rn 15).

Dieser Sanktionstatbestand kommt in dem seit 01.11.2007 geltenden neuen Börsengesetz nicht mehr vor, weil der Gesetzgeber Zweifel daran hatte, ob er den rechtsstaatlichen Erfordernissen der hinreichenden Bestimmtheit des Gesetzes entspricht (vgl. BT-Drs. 16/4899 S. 14). Diese Zweifel wird man teilen müssen, wenn man sich die Fälle vor Augen führt, an die der Gesetzgeber der ursprünglichen Regelung im Börsengesetz 1896 (RGBl 1896, 157) gedacht hat, nämlich Kursmanipulationen durch Beeinflussung der Presse, „Anreizung zur Börsenspekulation“ etc. (Hammen a.a.O S. 320). Gleichwohl lässt sich der Tatbestand aber auch in einer Weise deuten, der den Erfordernissen hinreichender Bestimmtheit entspricht.

Der Sanktionstatbestand der Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen weist zunächst einige Unklarheiten auf, die allerdings aus dem Sinnzusammenhang heraus aufgelöst werden können. Kaufmännisches Vertrauen im Sinne des § 20 Abs. 2 BörsG ist nicht das Vertrauen eines Kaufmanns, sondern das Vertrauen in einen Kaufmann. Der Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen setzt also nicht voraus, dass der Vertrauende selbst die Kaufmannseigenschaft hat, sondern vielmehr, dass er einer Person gerade deshalb vertraut, weil es sich bei dieser um einen Kaufmann handelt. Es geht auch nicht um einen Anspruch auf Vertrauen in dem Sinne, dass der Schuldner fordern darf, dass der Gläubiger ihm vertraut. Es geht vielmehr um einen Anspruch des Gläubigers darauf, in seinem eigenen Vertrauen in den Schuldner nicht enttäuscht zu werden.

Die Enttäuschung eines solchen Vertrauens in einen Kaufmann kann nur dann zu einer Sanktion nach § 20 Abs. 2 BörsG führen, wenn der Betroffene einen Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen hatte, d.h. wenn er gegenüber dem jeweiligen Kaufmann ein subjektives Recht darauf hatte, von diesem in seinem Vertrauen nicht enttäuscht zu werden. Das Börsengesetz etabliert einen solchen Anspruch nicht, sondern setzt ihn voraus. Es gibt auch sonst kein Gesetz, das einen solchen Anspruch kodifiziert.

Die Rechtsordnung kennt auch keinen generellen Rechtsanspruch darauf, dass sich ein anderer so verhält wie man es von ihm erwartet. Insbesondere gibt es keinen generellen Anspruch auf Vertrauen darin, dass sich ein anderer rechtmäßig verhält. Vielmehr gibt es solche Ansprüche auf Vertrauen, bzw. auf Vertrauensschutz von Rechts wegen stets nur im Kontext besonderer Rechtsverhältnisse. So kann etwa ein Bürger einen Anspruch auf Vertrauen(sschutz) gegenüber einer Behörde nur dann haben, wenn er im Rahmen eines bestimmten Verwaltungsverfahrens, nach Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit diesem in einem besonderen Rechtsverhältnis steht. Entsprechendes gilt auch im Zivilrecht. Ein Anspruch auf Vertrauen wird hier erst begründet, wenn Vertragsverhandlungen aufgenommen worden sind, ein Vertrag geschlossen worden ist oder durch die Zufügung einer unerlaubten Handlung ein besonderes Rechtsverhältnis begründet worden ist. Dagegen gibt es weder im öffentlichen noch im Privatrecht eine Pflicht zu vertrauenswürdigem Verhalten gegenüber dem Publikum. Folglich gibt es auch keinen Anspruch des Publikums auf den Schutz ihres Vertrauens in bestimmte Handlungen eines Akteurs.

Nichts anderes gilt für das spezifische Vertrauen in einen Kaufmann. Gegenstand des spezifischen Vertrauens in einen Kaufmann ist die Erwartung, dass er sich an die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche hält (§ 346 HGB). Aber auch diese Erwartung ist nicht gegenüber dem Publikum zu erfüllen, sondern nur gegenüber denjenigen, mit denen der Kaufmann ein besonderes Rechtsverhältnis eingegangen ist. Ein anderes spezifisch kaufmännisches Vertrauen ist die Erwartung, dass der Kaufmann auf einen Antrag über die Besorgung fremder Geschäfte unverzüglich antwortet, bzw. sein Schweigen gegen sich gelten lässt (§ 362 HGB). Auch hier wird ein Anspruch auf dieses Vertrauen aber erst dadurch begründet, dass ein entsprechender Antrag dem Kaufmann zugegangen ist und dadurch ein besonderes Rechtsverhältnis begründet worden ist.

Die Veröffentlichung von Taxen richtet sich nicht an Partner eines besonderen Rechtsverhältnisses, sondern an das Publikum. Die Taxe soll einem Handelsteilnehmer nämlich eine sachgerechte Entscheidung darüber ermöglichen, ob er dem Skontroführer eine Kauf- oder Verkaufsordner in bestimmtem Umfang und mit einem bestimmten Limit erteilt. Ein besonderes Rechtsverhältnis zwischen dem Handelsteilnehmer und dem Skontroführer wird jedoch erst durch die Erteilung der Ordner begründet und nicht schon zuvor. Eine Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen durch die Unterlassung der Veröffentlichung korrekter und zeitnaher Taxen kommt deshalb nur in Betracht, wenn ein Handelsteilnehmer im Vertrauen auf eine bestimmte Marktlage eine Order erteilt, die er nicht erteilt hätte, wenn rechtzeitig korrekte Taxen veröffentlicht worden wären. Gegenüber Handelsteilnehmern, die keine Order abgegeben haben und zu denen der Skontroführer deshalb auch nicht in einem besonderen Rechtsverhältnis steht, kommt dagegen eine Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen nicht in Betracht.

Der angefochtene Sanktionsbeschluss stützt sich nicht auf einen Sachverhalt, in dem der Anspruch eines Handelsteilnehmers auf kaufmännisches Vertrauen durch die verspätete Veröffentlichung von Taxen verletzt worden ist.

Einen Anspruch gegenüber dem Skontroführer darauf, in seinem Vertrauen nicht enttäuscht zu werden, hat allerdings auch der Börsenträger als Veranstalter des Freiverkehrs. Denn zwischen diesem und dem Skontroführer besteht ein besonderes Rechtsverhältnis vertraglicher Art, aufgrund dessen der Skontroführer verpflichtet ist, gemäß den Freiverkehrsrichtlinien Taxen zu veröffentlichen. Die Deutsche Börse AG genießt insoweit zwar Vertrauensschutz gegenüber dem Skontroführer. Indessen liegt es außerhalb der Reichweite des Sanktionsverfahrens nach § 20 Abs. 2 BörsG, dieses Vertrauen zu schützen.

Zunächst ist schon fraglich, ob es sich dabei um das spezifische Vertrauen in einen Kaufmann handelt oder nicht vielmehr um das gegenüber jedem Vertragspartner bestehende Vertrauen, dass dieser seine vertraglichen Pflichten erfüllt. Dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ unterliegt jeder Partner eines Vertrages. Eine besondere kaufmännische Pflicht zur Einhaltung von Verträgen gibt es dagegen nicht.

Selbst wenn man jedoch insoweit ein spezifisch kaufmännisches Vertrauen unterstellen will, kommt eine Sanktionierung nach § 20 Abs. 2 BörsG nicht in Betracht. Denn der Sanktionstatbestand referiert seinem Wortlaut nach auf den Anspruch eines Handelsteilnehmers auf kaufmännisches Vertrauen. Der Veranstalter des Freiverkehrs ist aber kein Handelsteilnehmer. Selbst wenn man aber annehmen wollte, dass sich die Worte „eines anderen Handelsteilnehmers“ in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BörsG nur auf die Ehre bezieht, deren Verletzung ebenfalls eine Sanktion rechtfertigen soll, und nicht auf den Anspruch auf kaufmännisches Vertrauen, so bleibt doch festzuhalten, dass das öffentlich- rechtliche Sanktionsregime nicht dem Schutz des Börsenträgers oder des Veranstalters des Freiverkehrs vor Vertragsverletzungen zu dienen bestimmt ist, sondern dem Schutz des Vertrauens „der Anleger, Emittenten und unmittelbaren Börsennutzer in die Funktionsfähigkeit der Börse“ (BT-Drs 12/6679, S. 68).

Die Verletzung der in den Freiverkehrsrichtlinien festgelegten Regelungen über die Taxen durch Unterlassung der Veröffentlichung einer Taxe stellt somit keine Verletzung des Anspruchs auf kaufmännisches Vertrauen im Sinne des § 20 Abs. 2 Nr. 2 BörsG dar und kann deshalb auch nicht unter diesem Gesichtspunkt durch einen Sanktionsbeschluss geahndet werden.

3.2 Unterlassung der Preisfeststellung

Wie oben bereits erwähnt worden ist, bestehen gegen die Ahndung der Unterlassung einer Preisfeststellung im Freiverkehr durch eine öffentlich- rechtliche Sanktion grundsätzlich keine Bedenken, weil es sich dabei um die Verletzung des § 24 Abs. 2 BörsG handelt, der ausweislich des § 57 Abs. 2 Satz 2 BörsG auch für die Preisfeststellung im Freiverkehr gilt. Gleichwohl muss die Kammer der Frage nicht weiter nachgehen, ob insoweit der vom Sanktionsausschuss und der Beklagten behauptete und von den Klägern bestrittene Sachverhalt vorliegt. Vielmehr muss der Sanktionsbeschluss auch insoweit aufgehoben werden, als er sich auf den Vorwurf unterlassener Preisfeststellung bezieht. Der Sanktionsbeschluss weist nämlich keine separaten Sanktionen zum einen für die unterlassene Taxenveröffentlichung und zum anderen für die unterlassene Preisfeststellung aus, sondern ein einheitliches Ordnungsgeld in Höhe von 3.000 EUR, der beide Vorwürfe abdeckt. Da diesem Betrag hinsichtlich der Taxe ein Sachverhalt zugrunde liegt, der nicht geahndet werden darf, beruht die Bestimmung des Ordnungsgeldes sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach auf fehlerhaften Ermessenserwägungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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