Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 09.03.2009 - 10 UF 204/08
Fundstelle
openJur 2012, 10374
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 2. Dezember 2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am ….11.2007 geborene S. L. ist das Kind des am ….2.1963 geborenen Antragstellers und der am ….12.1972 geborenen Antragsgegnerin. Die Eltern sind nicht verheiratet. Noch vor der Geburt, nämlich am 16.10.2007, erkannte der Antragsteller die Vaterschaft an. Am selben Tag gaben die Eltern eine Sorgeerklärung ab.

Die Eltern haben stets in getrennten Haushalten gelebt. Bei der Antragsgegnerin lebt noch deren Tochter aus einer früheren Verbindung A., geb. am ….9.1991.

Das vorliegende Verfahren hat der Antragsteller eingeleitet, indem er unter dem 30.4.2008 beantragt hat, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. zu übertragen. Am selben Tag hat der Antragsteller einen Antrag auf Umgangsregelung gestellt. Das Umgangsverfahren hat durch eine vom Senat übernommene Umgangsvereinbarung vom 23.9.2008 seinen Abschluss gefunden (10 UF 127/08).

Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit sei er zeitlich flexibel und könne sich ausreichend um S. kümmern. Anders verhalte es sich mit der Mutter. Sie beabsichtige, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und S. zu einer Tagesmutter bzw. in eine Kinderkrippe zu geben. Dies aber sei nach seiner Auffassung für ein so kleines Kind schädlich. Solange ein Elternteil, hier er als Vater, für die Betreuung zur Verfügung stehe, solle das Kind nicht in eine Fremdbetreuung gegeben werden.

Auf Antrag der Mutter hat das Amtsgericht ihr durch einstweilige Anordnung vom 14.10.2008 die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Betreuung des Kindes in der Tagespflege allein übertragen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 2.12.2008 hat das Amtsgericht die einstweilige Anordnung vom 14.10.2008 aufrecht erhalten und unter Abweisung des Antrags des Antragstellers der Antragsgegnerin das alleinige Recht zur Bestimmung des Aufenthaltes des Kindes S. L. übertragen. Wegen der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vater mit der Beschwerde.

Soweit die einstweilige Anordnung betroffen ist, hat sie der Senat durch Beschluss vom 3.2.2009 (10 WF 256/08) aufgehoben.

Zur Begründung seines Rechtsmittels in der Hauptsache trägt der Vater vor:

Ihm gehe es nicht darum, das Kind ganz zu sich zu nehmen und es nur besuchsweise der Mutter zu überlassen. Vielmehr strebe er ein Modell an, bei dem das Kind zwischen den Eltern wechseln und möglichst gleich viel Zeit bei Vater und Mutter verbringen könne. Die Mutter hingegen wolle am liebsten keine Kontakte zwischen Vater und Sohn zulassen, höchstens Besuchskontakte im Rahmen des üblichen Umgangs. Diese eingeschränkte Bindungstoleranz stelle ein Entwicklungsrisiko für das Kind dar.

Er habe sich bewusst dafür entschieden, dem Kind einen großen Raum in seinem Leben zu geben und für seine tägliche Betreuung einzustehen. Er lebe in grüner Umgebung in R., in der Nachbarschaft gebe es Kinder jeden Alters. Er gehe gefühlvoll mit dem Kind um und habe Spaß daran, S. an seinem Alltag teilnehmen zu lassen, mit ihm zu spielen, zu musizieren und Ausflüge ans Wasser zu machen.

Die Mutter sei ebenfalls existenziell wichtig für S.. Auch sie liebe das Kind und habe eine einzigartige und exklusive Beziehung zu ihm. Ein engagierter und liebevoller Vater sei jedoch eine wertvolle Ressource für S., die nicht jedem Kind zur Verfügung stehe. Das von ihm vorgeschlagene Modell erlaube beiden Eltern eine Berufstätigkeit, ohne dass S. bereits jetzt täglich mehrere Stunden außerhalb der Familie betreut werden müsste. Hiervon könne das Kind nur profitieren.

Der Vater beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein zu übertragen.

Die Mutter beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Das Amtsgericht habe ihr zu Recht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. übertragen. Eine wechselnde Betreuung des Kindes, wie sie dem Vater vorschwebe, komme nicht in Betracht.

Der Vater habe im Übrigen durch sein Verhalten dazu beigetragen, dass zwei Tagesmütter, die während ihrer, der Mutter, Berufstätigkeit die Betreuung des Kindes hätten übernehmen sollen, die Betreuungsverträge gekündigt hätten. Auch andere Personen, z.B. Jugendamtsmit-arbeiterinnen, habe der Vater beschimpft.

Wegen des weiteren Vorbringens der Eltern wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Im Termin vom 3.3.2009 hat der Senat die Eltern und die Verfahrenspflegerin angehört.

Der Antragsteller hat erklärt:

S. war zuletzt gestern in der Zeit von 6:45 Uhr bis 17:45 Uhr bei mir. Der Umgang wird so, wie gerichtlich geregelt, durchgeführt.

Wie sich die Betreuung des Kindes während der Berufstätigkeit der Mutter zurzeit gestaltet, weiß ich nicht. Insbesondere weiß ich nicht, ob inzwischen eine dritte Tagesmutter tätig ist. Es gibt keine Kommunikation. Die Mutter informiert mich nicht. Ich unterrichte sie aber über Angelegenheiten des Kindes, schreibe beispielsweise per SMS, wenn S. wenig gegessen hat oder wenn er schon bei mir gebadet worden ist. Eine Rückmeldung bekomme ich nicht.

Die Entfernung zwischen der Wohnung der Mutter und meiner Wohnung beträgt 54 km. Mit dem Auto braucht man für eine Fahrt etwa eine Dreiviertelstunde. Da ich aus Kostengründen überwiegend öffentliche Verkehrsmittel benutze, bin ich noch länger unterwegs. Wenn ich nach einem Umgang am Sonntag am folgenden Tag wieder Umgang mit S. habe, übernachte ich in S. in einem Wohnmobil meiner Eltern.

Seit ich Umgang mit S. habe, habe ich mich höchstens drei bis viermal um mehr als eine Viertelstunde verspätet. Ich habe dann bei der Antragsgegnerin angerufen, beispielsweise, als mein Auto defekt war.

Ich bin von Beruf Finanz- und Versicherungsmakler. Nebenher biete ich Gitarrenunterricht an. Dies greift aber noch nicht so richtig. Bei der Ausübung meiner Berufstätigkeit habe ich keine festen Termine. Die Zahl der Aufträge kann ich nicht steuern. Wichtig ist es, vor Ort, das heißt in meiner Wohnung, zu sein. Die Aufträge kann ich während S. Mittagschlaf oder an den Wochenenden erledigen.

Mein Modell für S. künftige Betreuung sieht so aus, dass ich ihn am Sonntag übernehmen und am Dienstag nach der Arbeit zur Mutter bringe würde. Am Mittwoch würde ich ihn morgens wieder abholen. Am Freitag oder schon am Donnerstag könnte die Mutter ihn wieder übernehmen und ihn auch am Wochenende haben. Auch alle Feiertage außer Weihnachten/Silvester könnte S. bei der Mutter verbringen.

Ich habe die beiden Tagesmütter, Frau S. und Frau Lü., kennengelernt. Das schriftsätzliche Vorbringen der Antragsgegnerin zu meinen Begegnungen mit den Tagesmüttern trifft nicht zu. Ich habe mich mit beiden sachlich unterhalten und sie nicht bedroht oder beschimpft. Frau S. hat auf meine spätere Nachfrage, warum sie S. Betreuung nicht übernehmen wolle, bestätigt, dass sie sich nicht gefährdet gefühlt habe. Sie hat darauf verwiesen, das Jugendamt habe auf Grund meiner Mitteilung erfahren, dass sie, wenn sie ihre eigenen Kinder abhole, die betreuten Kinder in ihrem Auto mitnehme. Sie hat geäußert, wenn das schon so anfinge, könne sie sich vorstellen, wie es weiter gehe. Das Gespräch mit der zweiten Tagesmutter, Frau Lü., habe ich sogar im Hinblick auf S. Reaktion auf Band aufgezeichnet. Wir haben uns entspannt unterhalten. Es ist nicht richtig, dass ich S. bewusst mit Frau Lü. allein gelassen habe. Als S. sich gerade mit einem Staubsauger beschäftigt hat, bin ich nur einen Schritt aus dem Raum getreten. Auch Frau Lü. habe ich nach dem Gespräch noch einmal angerufen. Ich habe sie sogar dazu bewegen wollen, den Betreuungsvertrag aufrecht zu erhalten, damit es nicht schon wieder einen Wechsel in der Betreuung des Kindes gibt. Sie hat sich auf ihre Schweigepflicht berufen. Sie hat dann aber später selbst noch einmal angerufen und nach dem Inhalt der Schriftsätze bezüglich der Begegnung zwischen ihr und mir gefragt. Sie hat in diesem Zusammenhang geäußert, sie wolle rechtliche Schritte einleiten. Als ich sie diesbezüglich um eine schriftliche Bestätigung bitten wollte, war nur noch die Kollegin am Apparat. Man merkte, dass die beiden mit der Sache nichts mehr zu tun haben wollen.

Ich hole S. an den Umgangstagen während der Woche um 6:45 Uhr ab. Er hat dann schon etwas gefrühstückt. Ich selbst kann so früh noch nichts essen. Ich frühstücke dann zu Hause zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr, S. möchte auch etwas essen. Er bekommt ein bis zwei Stullen und Obst. Da er meist morgens im Auto wieder einschläft, ist es um 12:00 Uhr noch zu früh für den Mittagsschlaf. Ich gehe mit ihm noch raus und kaufe beispielsweise mit ihm ein. Ich gebe ihm mittags eine Kleinigkeit zu essen. Gegen 13:00 Uhr lege ich ihn zum Mittagsschlaf hin. Oft wird er nach einer Stunde wach. Ich lege mich dann zu ihm, da ich auch noch Schlaf nachzuholen habe. Wir schlafen meist noch gemeinsam etwa eine Stunde, bis er erneut wach wird. Dann kuscheln wir und er wühlt im Bett herum. Zwischen 15:30 Uhr und 16:00 Uhr ist sein Essen fertig. Ich versuche, mit ihm um 17:00 Uhr aufzubrechen, um rechtzeitig zur Mutter zurückzukommen. Wenn gerade zu der Zeit die Windel voll ist, wechsele ich sie aber noch, so dass es dann zu einer Verspätung kommt. Schon wegen einer zehnminütigen Verspätung hat mir die Mutter nun die Zwangsvollstreckung angedroht.

Wenn ich S. abhole, reagiert er meistens erfreut. Es hat allerdings Übergaben gegeben, bei denen er geweint hat. Dies war immer dann der Fall, wenn gerade eine neue Fremdbetreuung begonnen hat.

Ich habe S. nach seiner Geburt fast täglich gesehen. Die Mutter hat damals noch ausdrücklich nachgefragt, ob S. meinen Nachnamen erhalten solle. Wir haben zunächst beide in B. gewohnt. Die Mutter ist dann nach E., ich bin später nach R. gezogen. Ich wollte Wohn- und Arbeitsstätte zusammenzuführen, da in B. Wohnung und Büro etwa 10 – 15 Minuten voneinander entfernt waren. Außerdem ging es mir darum, mehr Platz für S. zu haben. Ich wohne in R. seit Juni 2008 zur Miete.

Ich habe eine starke emotionale Bindung zu S.. Ich bin neben der Antragsgegnerin eine gleichwertige Bezugsperson für das Kind. S. soll sich nicht noch auf weitere Bezugspersonen, etwa Tagesmütter, einlassen müssen. Die 17jährige Tochter A. der Antragsgegnerin ist zwar auch eine Bezugsperson. Sie geht aber nicht immer kindgerecht mit S. um, wenn sie ihn etwa im Arm hält, während sie im Fernsehen eine Musiksendung sehr laut eingeschaltet hat.

Das von mir angestrebte Wechselmodel würde zu einem geregelteren Tagesablauf für S. führen als die derzeitige Situation. Viele Fahrten mit dem Auto würden entfallen.

Wenn es später zu einer Fremdbetreuung kommen sollte, könnte ich eine lange Eingewöhnungszeit gewährleisten. Ich wäre nämlich immer in der Lage, S. jederzeit vorzeitig aus der Betreuungseinrichtung abzuholen. Die Antragsgegnerin ist zeitlich u.a. dadurch beansprucht, dass sie ihrer schwerbehinderten Mutter zur Hand gehen muss.

Im Gegensatz zur Antragsgegnerin verfüge ich über die nötige Bindungstoleranz. Erhält die Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so wird es für S. niemals eine Entspannung geben. Vielmehr ist für die nächsten 17 Jahre mit einem „Krieg“ zu rechnen. Eine Entspannung kann es nur geben, wenn S. bei mir ist, sonst nicht.

Als ich einmal, weil ich es eilig hatte und das Gartentor geschlossen war, über den Zaun auf das Grundstück der Antragsgegnerin gesprungen bin, habe ich eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs erhalten.

Die Antragsgegnerin hat erklärt:

Dienstags, mittwochs und freitags, wenn S. nicht beim Vater ist, gibt es im Moment eine sogenannte Notbetreuung durch zwei Erzieherinnen. Eine solche Betreuung steht nur für Kinder zur Verfügung, bei denen es Schwierigkeiten gibt. Ich habe, nachdem eine Tagesmutter die Betreuung aus persönlichen Gründen nicht übernehmen wollte und die andere den Vertrag wieder gekündigt hat, Kontakt mit unserem Bürgermeister aufgenommen und so diesen Betreuungsplatz erhalten, und zwar für sechs Monate, obwohl die Höchstdauer in der Notbetreuung drei Monate beträgt. Für die Zeit ab 1.9.2009 habe ich für S. einen Kita-Platz.

In dieser sogenannten Notbetreuung befinden sich ca. zehn Kinder, davon fünf in S. Alter. Die anderen sind zwei bis drei Jahre älter. Die Notbetreuung nehme ich erst seit einer Woche in Anspruch. S. befindet sich in der Eingewöhnungsphase. Im Moment ist er für eine Stunde dort. Ich bin bislang höchstens die Hälfte dieser einen Stunde nicht anwesend gewesen.

Ich habe mit meinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über Teilzeit geschlossen und arbeite nun 34 Stunden in der Woche. Für die Eingewöhnung habe ich Urlaub genommen. Wann S. einen ganzen Tag in der Betreuung bleiben kann, weiß ich noch nicht. Dies entscheiden die Erzieher. Angestrebt ist eine Eingewöhnung zwischen fünf und zehn Tagen.

Mein Arbeitsvertrag erlaubt mir flexible Arbeitszeiten. Montags und donnerstags, wenn S. beim Vater ist, habe ich lange Arbeitstage. An den anderen Tagen arbeite ich höchstens sechs Stunden. Meine Arbeitsstelle befindet sich in B.. Für eine Strecke benötige ich etwa 35 Minuten.

Die Kommunikation mit dem Vater ist sehr schlecht. Es ist richtig, dass ich von ihm SMS erhalten habe, diese bedurften aber keiner Beantwortung. Wenn es zwischen uns Gespräche gibt, dann kommt es immer wieder zu Streit. Deshalb vermeide ich diese Gespräche, zumal S. meistens dabei ist.

Umgang mit dem Vater wird es weiter geben. Ich finde es wichtig, dass S. Kontakt zu seinem Vater behält. Es gab allerdings eine Zeit, in der ich für einen sehr eingeschränkten Umgang plädiert habe. Dies geschah aber aus Angst. Denn der Vater hatte die Frage gestellt, was denn wäre, wenn er S. nicht zu mir zurück bringen würde. Was den derzeitigen Umgang angeht, ist festzustellen, dass die beiden Tage beim Vater zu einer Unterbrechung von S. normalem Tagesablauf führen. Zuerst wusste ich nicht, wann S. beim Vater Mahlzeiten einnimmt. Als ich gehört habe, dass die eigentliche Mittagsmahlzeit erst gegen 16:00 Uhr stattfindet, war ich damit nicht einverstanden.

S. wird morgens und abends noch gestillt. Dies ist für ihn weiterhin wichtig, auch wenn dabei die Nahrungsaufnahme nicht mehr im Vordergrund steht. Manchmal wird S. auch nachts noch wach und möchte gestillt werden.

Morgens nach dem Stillen und Aufstehen gibt es ein normales Frühstück. S. möchte dann meistens noch eine halbe oder eine Stulle essen. Das Mittagessen erhält er zwischen 11:30 Uhr und 12:00 Uhr, dann macht er seinen Mittagsschlaf.

Meine 17jährige Tochter A. hat sich immer ein Geschwisterchen gewünscht. Als S. dann geboren wurde, war sie sehr glücklich. Sie kümmert sich viel um ihn. Sie geht mit ihm spazieren, spielt mit ihm oder badet ihn auch. Ich habe A. aber immer gesagt, dass sie in Bezug auf S. keine Pflichten übernehmen muss. Sie kann sich um ihn kümmern, wenn es ihr gefällt. A. befindet sich in der Ausbildung.

Nach S. Geburt wollte der Antragsteller das Kind schnell über Nacht zu sich nehmen. Die Hebamme und ich haben ihm das verwehrt. Es gab dann einige Nächte, die ich zusammen mit S. beim Vater verbracht habe, obwohl unsere Beziehung keine Zukunft mehr hatte. Der Vater wollte S. weiterhin täglich sehen. Ich habe mich damals zuviel unter Druck setzen lassen.

An die Tagesmutter wurde S. seinerzeit auch gegen 6:45 Uhr übergeben. Ich habe ihn dann gegen 14:30 Uhr wieder abgeholt. Manchmal hat A. ihn schon früher, gegen 14:00 Uhr, abgeholt. Jetzt in der Eingewöhnungsphase der Notbetreuung geht es S. gut. Er spielt, und zwar auch mit anderen Kindern. Allerdings war ich bisher nicht länger als eine halbe Stunde weg.

Die erste Tagesmutter, Frau S., hat erklärt, dass es zu einem Vertragsabschluss nicht kommen werde, weil sie den Vater nach der Begegnung mit ihm als aggressiv eingeschätzt hat. Frau Lü. war dann zur Übernahme der Rolle als Tagesmutter bereit, obwohl ich ihr die Vorgeschichte geschildert hatte. Angst hatte sie nicht, zumal sie mit einer anderen Tagesmutter zusammenarbeitet. Zur Kündigung des Betreuungsvertrages ist es gekommen, weil sich der Vater nach Aussage von Frau Lü. „unmöglich“ benommen hat.

Die Verfahrenspflegerin hat erklärt:

Meinem schriftlichen Bericht habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Eltern sind in wichtigen Punkten unterschiedlicher Meinung, das wirkt sich ungünstig auf S. aus. Allerdings wirkt das Kind zurzeit noch unbelastet. Es ist freundlich und umgänglich. Es wird aber später mitbekommen, dass die Eltern nicht miteinander reden können.

Der unregelmäßige Tagesablauf ist für das Kind auch ungünstig. Zu beachten ist, dass S. sehr auf seine Halbschwester fixiert ist.

II.

Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter übertragen und den Antrag des Vaters, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, zurückgewiesen.

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Fehlt es hinsichtlich des Antrags an der Zustimmung des anderen Elternteils, vgl. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, so ist dem Antrag stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am Besten entspricht, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Vorliegend richten sich die Anträge beider Elternteile allein auf die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teilbereich der elterlichen Sorge (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1671, Rz. 4). Daher hat der Senat auch nur hierüber zu befinden (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1671, Rz. 18).

Die nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorzunehmende Kindeswohlprüfung führt dazu, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter allein zu übertragen ist. Die Aufhebung eines Teilbereichs der gemeinsamen elterlichen Sorge ist mit Rücksicht darauf, dass ein grundsätzlicher Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge im Verhältnis zur Alleinsorge eines Elternteils nicht besteht (vgl. BGH, FamRZ 1999, 1646, 1647; FamRZ 2008, 592), dann angezeigt, wenn die Eltern insoweit nicht objektiv kooperationsfähig bzw. nicht subjektiv kooperationsbereit sind (vgl. KG, FamRZ 2000, 504; Senat, FamRZ 1998, 1047, 1048; FamRZ 2003, 1952, 1953; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 36). Beanspruchen die Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht jeweils für sich, so deuten ihre diesbezüglichen Anträge auf fehlende Kooperationsbereitschaft hin (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 37). Im vorliegenden Fall besteht gerade im Hinblick auf den Aufenthalt des Kindes Uneinigkeit zwischen den Eltern. Während der Vater ein Wechselmodel favorisiert, möchte die Mutter, dass sich S. überwiegend bei ihr aufhält. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge hinsichtlich dieses Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist daher unter Berücksichtigung des Kindeswohls erforderlich.

Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, sind folgende Gesichtspunkte zu beachten, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 84):

- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,

- die Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,

- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung sowie

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt

(vgl. zum Ganzen Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 52, 64 ff., 68 ff., 78 ff.; Palandt/Diederichsen, a. a. O., Rz. 27 ff.).

Der Senat ist bei der unter diesen Gesichtspunkten vorgenommenen Überprüfung nach Einholung von schriftlichen Stellungnahmen des beteiligten Jugendamtes und der Verfahrenspflegerin sowie nach Anhörung der Eltern und der Verfahrenspflegerin zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Wohl des Kindes S. am Besten entspricht, wenn die Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübt.

Ein Kindeswille, der ohnehin regelmäßig erst ab Vollendung des zwölften Lebensjahres eines Kindes eine relativ zuverlässige Entscheidungsgrundlage bildet (vgl. Senat, FamRZ 2003, 1952, 1954; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2008, 1472, 1474; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 81), ist vorliegend angesichts des Alters des Kindes von noch nicht einmal eineinhalb Jahren nicht feststellbar. Diesem Aspekt kommt vorliegend bei der Kindeswohlprüfung daher keine Bedeutung zu.

S. hat starke Bindungen an beide Elternteile. Dies ergibt sich aus dem Bericht der Verfahrenspflegerin. Diese hat im Einzelnen beschrieben, wie ungezwungen und mit welchem Bedürfnis nach körperlicher Nähe sich das Kind sowohl im Umgang mit dem Vater als auch im Umgang mit der Mutter bewegt.

Nach dem Bericht der Verfahrenspflegerin ist ferner davon auszugehen, dass eine beachtenswerte Bindung des fast ein Jahr und vier Monate alten S. auch an seine 17jährige Halbschwester A. besteht. Die Bindungen eines Kindes an seine Geschwister sind bei der Entscheidung über die elterliche Sorge grundsätzlich von großer Bedeutung (vgl. Senat, OLGR Brandenburg 2008, 867; OLG Celle, FamRZ 1992, 465, 466; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 73 f.). Ob die Geschwisterbindung vorliegend mit Rücksicht auf den großen Altersunterschied ausschlaggebend sein kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn, wie noch auszuführen ist, spricht vorliegend der Kontinuitätsgrundsatz entscheidend dafür, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter zu übertragen.

Unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes ergibt sich ein Vorrang des Vaters jedenfalls nicht. Angesichts des liebevollen Umgangs, den die Eltern nach dem Bericht der Verfahrenspflegerin mit dem Kind pflegen, kann angenommen werden, dass beide gleichermaßen erziehungsgeeignet sind. Auch die übrigen insoweit bedeutsamen Umstände sprechen nicht dafür, dem Vater eher als der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Im Übrigen gibt es den vom Antragsteller mit Schreiben vom 4.3.2009 genannten Grundsatz "ein Kind gehört zur Mutter" selbstverständlich nicht.

Beide Elternteile bieten S. ein intaktes Wohnumfeld. Insoweit hat es, insbesondere durch das Jugendamt, keine Beanstandungen gegeben.

Ebenfalls beide Elternteile gehen liebevoll mit dem Kind um, wie dem Bericht der Verfahrenspflegerin zu entnehmen ist. Auch ist davon auszugehen, dass beide gleichermaßen in der Lage sind, dem Kind die notwendigen Anregungen zu geben. Wenn der Antragsteller demgegenüber nach der Anhörung durch den Senat mit Schreiben vom 4.3.2009 pauschal behauptet, in der Familie K. gebe es keine Hobbys, es werde kein Buch gelesen, kein Sport getrieben und keine Urlaubsreise unternommen, so ist dem entgegen zu halten, dass die Anregungen, von denen ein Kind profitieren kann, vielfältig sind und weniger ausgeprägte Fähigkeiten und Neigungen des einen Elternteils in Bezug auf bestimmte Bereiche durch den anderen Elternteil ausgeglichen werden können. Dies gilt auch nach Trennung der Eltern, insbesondere im Rahmen von Umgangskontakten.

Beide Elternteile sind berufstätig. Ein allein aus dem Zeitfaktor resultierender Vorrang des nicht oder nur teilweise berufstätigen Elternteils vor dem voll berufstätigen Elternteil besteht ohnehin nicht (vgl. Fehmel, FamRZ 1983, 971, 972; OLG Dresden, FamRZ 1997, 49, 50). Auch der Umstand, dass die Mutter, nachdem sie nun wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, S. von einer Tagesmutter bzw. ab September 2009 in einer Kita betreuen lassen möchte, während der Vater die Auffassung vertritt, S. solle ungeachtet der Berufstätigkeit seiner Eltern weiter zu Hause betreut werden, vermag keinen Vorrang des Vaters zu begründen.

Zunächst ist schon zweifelhaft, dass der Vater Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit uneingeschränkt miteinander in Einklang bringen kann, weil sich sein Büro in der eigenen Wohnung befindet. Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 2.10.2008 bereits darauf hingewiesen, dass der Vater die Anforderungen, die die Betreuung eines so kleinen Kindes wie S. an ihn stellt, offenbar unterschätzt bzw. nicht realistisch einschätzt. Jedenfalls ergibt sich eine Vereinbarkeit nicht allein daraus, dass sich das Büro in der Wohnung befindet. Zwar hat der Vater bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben, er arbeite nur am heimischen Schreibtisch und könne Aufträge, die er telefonisch erhalte, auch in den Zeiten erledigen, in denen S. schlafe oder sich bei der Mutter befinde. Es dürfte aber erforderlich sein, dass der Vater zumindest während der üblichen Geschäftszeiten durchgängig telefonisch erreichbar und auch in der Lage ist, mit seinen Kunden bzw. Geschäftspartnern längere Gespräche zu führen. Dies wird durch die Anwesenheit eines so kleinen Kindes wie S. und die damit einhergehende, oft nicht planbare Notwendigkeit, dieses zu versorgen, erheblich erschwert.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fremdbetreuung eines Kindes von etwa eineinhalb Jahren während der Ausübung der Berufstätigkeit der Eltern dem Kindeswohl abträglich ist. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass es zu dieser Frage in der Fachliteratur unterschiedliche Auffassungen gibt. Der Gesetzgeber geht demgegenüber davon aus, dass eine Betreuung auch kleiner Kinder durch eine Tagesmutter oder in einer Kinderkrippe mit dem Kindeswohl durchaus in Einklang steht. Hat der Gesetzgeber zunächst einen Kindergartenplatz ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes garantiert (vgl. § 24 SGB VIII in der seit dem 1.1.1996 geltenden Fassung, aber auch das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder - Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG - vom 27. 12. 2004, BGBl. I S. 3852), so ist er nun im Interesse einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie bestrebt, das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren im gesamten Bundesgebiet deutlich auszuweiten (siehe das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 10.12.2008 – Kinderförderungsgesetz – KiföG, BGBl. I, S. 2403).

Anhaltspunkte dafür, dass gerade S. eine Fremdbetreuung nicht verkraften könnte, sind nicht gegeben. Die Verfahrenspflegerin hat S. als ausgeglichen und fröhlich beschrieben. Darauf deutet auch die ungezwungene Kontaktaufnahme des Kindes zu beiden Elternteilen während der Besuche der Verfahrenspflegerin hin. Soweit der Vater von Verlustängsten des Kindes spricht, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass allein infolge der von der Mutter beabsichtigten Fremdbetreuung das Kindeswohl gefährdet wäre. Weil kleine Kinder regelmäßig starke Bindungen an ihre Eltern haben, ist der Versuch, eine weitere Bezugsperson in die Betreuung einzubinden, stets mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden. Gerade deshalb sehen Kindertagesstätten, aber auch Tagesmütter zu Beginn eines Betreuungsverhältnisses eine Eingewöhnungsphase vor.

Der Umstand, dass S., seit die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hat, mit verschiedenen Betreuungspersonen in Kontakt getreten ist, und insoweit stabile Verhältnisse noch nicht eingetreten sind, begründet ebenfalls keinen Vorrang des Vaters. Unabhängig von der zwischen den Eltern streitigen Frage, wie sich die Gespräche des Vaters mit den beiden Tagesmüttern S. und Lü. gestaltet haben, lässt sich jedenfalls feststellen, dass die Mutter für die Ablehnung der Tagesmütter, S. weiter zu betreuen, keine Verantwortung trägt.

Eine eingeschränkte Erziehungseignung der Mutter ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass sie ihrer 17jährigen Tochter A. auf deren Wunsch bestimmte Aufgaben bei der Betreuung und Versorgung S. überlässt. Anhaltspunkte dafür, dass A. diesen Aufgaben nicht gewachsen ist, bestehen nicht. Allein der vom Antragsteller bei seiner Anhörung vor dem Senat hervorgehobene Einzelfall, wonach A., während sie S. im Arm gehalten habe, eine Musiksendung im Fernsehen laut eingestellt gehabt habe, lässt eine ernsthafte Beeinträchtigung S. nicht erkennen. Im Übrigen kommen jüngere Kinder naturgemäß mit der jeweiligen konkreten Lebenswelt ihrer älteren Geschwister recht früh in Berührung.

Schließlich ist eine verminderte Bindungstoleranz der Mutter im Vergleich zum Vater nicht zu erkennen. Dass die Mutter kurzzeitig den Umgang des Vaters mit S. auf ein Minimum reduzieren wollte, hat sie nachvollziehbar mit der Angst, der Vater könne S. ganz bei sich behalten wollen, begründet. Im Übrigen aber hat sie dem Vater durchgängig Kontakte mit S. ermöglicht. Dies betrifft zum einen die Zeit unmittelbar nach der Geburt des Kindes, als die Mutter bereit war, dem Wunsch des Vaters nach möglichst täglichen Kontakten mit dem Kind zu entsprechen. Wenn es dann auch später ein Umgangsregelungsverfahren gegeben hat, so bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es der Mutter letztlich darum ging, den Umgang des Vaters mit dem Kind zu unterbinden. Dass bei einem Streit um die konkrete Festlegung von Umgangszeiten jeder Elternteil auch seinen eigenen Vorteil bzw. die Belange des Kindes, wie sie sich gerade für ihn darstellen, im Auge hat, liegt in der Natur der Sache. Jedenfalls ist es zu einer nachhaltigen Umgangsverweigerung durch die Mutter nicht gekommen. Vielmehr hat der Vater eingeräumt, dass der Umgang durchgängig so, wie er durch die vom Senat übernommene Umgangsvereinbarung vom 23.9.2008 geregelt ist, stattgefunden hat.

Allerdings hat der Vater bei seiner Anhörung überdies darauf hingewiesen, die Mutter schikaniere ihn, indem sie, nachdem er einmal über die verschlossene Gartenpforte gesprungen sei, eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt habe. Die Beanstandung erscheint zwar nicht unberechtigt. Denn ein solches Vorgehen sorgt für eine Belastung des Verhältnisses der Eltern. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass auch der Vater, obwohl er die wichtige Bedeutung der Mutter für das Kind gerade im Beschwerdeverfahren betont hat, seinerseits auch nicht zur Entspannung beiträgt. So hat er sich in einer Multimedia Nachricht (MMS), die im Verfahren 2 F 334/08 UG mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16.5.2008 zur Akte gereicht worden ist, herabwürdigend über die Mutter geäußert. Auch seine Einschätzung vor dem Senat, eine Entspannung für das Kind werde es nur geben, wenn er das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. erhalte, anderenfalls werde es Krieg geben, deutet daraufhin, dass er die Fähigkeiten der Mutter im Hinblick auf die Belange des Kindeswohls abwertet. In Übereinstimmung damit hat das Jugendamt in seiner Stellungnahme vom 2.10.2008 darauf hingewiesen, der Vater werte die Mutter ab und sich dagegen auf.

Daher lassen sich die Probleme der Eltern, miteinander zu kommunizieren, nicht nur auf das Verhalten der Mutter zurückführen. Der Vater ist nicht allein deshalb als eher kooperationsfähig anzusehen, weil er der Mutter bei bestimmten Gelegenheiten SMS schickt. Eine hinreichende Kooperationsfähigkeit erweist sich vielmehr gerade darin, den unmittelbaren Austausch zu suchen und sich im Gespräch selbst ein Stück weit zurücknehmen zu können. Angesichts der dargestellten Abwertungen der Mutter lässt sich diese Fähigkeit beim Vater nicht feststellen. Dass er selbst in der Lage wäre, von seinen Vorstellungen abzurücken, ist nicht erkennbar. So wäre es relativ einfach, den Ablauf an den Tagen, an denen sich S. bei ihm befindet, etwas anders zu organisieren, um sicherzustellen, dass die Hauptmahlzeit vom Kind, wie von der Mutter praktiziert, vor dem Mittagsschlaf eingenommen werden kann. Eine dahingehende Bereitschaft hat der Vater nicht erkennen lassen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es dem Vater bei seinem Begehren, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein zu erhalten, nach eigenem Bekunden nicht darum geht, dass S. weit überwiegend bei ihm lebt und die Mutter Kontakt zu dem Kind nur im Rahmen regelmäßiger Besuche hat. Das Modell, das dem Vater nach den Angaben in seiner Anhörung vor dem Senat vorschwebt, geht vielmehr in Richtung eines Wechselmodells. Gleiches gilt für die nach dem Anhörungstermin mit Schreiben vom 4.3.2009 vorgelegte "Konkrete Regelung, wenn Aufenthaltsbestimmungsrecht bei mir". Ein Wechselmodell aber stellt so hohe Anforderungen an die Kommunikation und Kompromissbereitschaft der Eltern (und je nach Alter auch der Kinder), dass die Initiative hierzu nur von den Eltern selbst ergriffen werden kann (Jaeger, FPR 2005, 70, 72). Entsprechend kann ein Wechselmodell gegen den Widerstand eines Elternteils nicht funktionieren (vgl. OLG Dresden, FPR 2004, 619; Jaeger, FPR 2005, 70, 72; Gutjahr, FPR 2006, 301, 302). Im Hinblick darauf hat der Senat bereits entschieden, dass dann, wenn die Eltern in der Vergangenheit das Wechselmodell praktiziert haben und ein Elternteil hieran nicht mehr festhalten will, das Aufenthaltsbestimmungsrecht unter dem Gesichtspunkt des Förderungsprinzips diesem Elternteil zu übertragen ist, da er eher die Gewähr dafür bietet, dass das bisher praktizierte Wechselmodell beendet wird (Senat, FamRZ 2003, 1949).

Dass das von ihm während der Anhörung durch den Senat vorgeschlagene Modell, bei dem der Vater einen Aufenthalt des Kindes bei der Mutter schon ab Donnerstag bis Sonntag für möglich hielt, nicht so funktionieren kann, wie es sich der Antragsteller vorstellt, wird auch daraus deutlich, dass er der Mutter damit auch unter der Woche einen ganzen Tage, nämlich den Freitag, zugestehend möchte, an dem sich S. bei ihr aufhält. Mit Rücksicht auf ihre Berufstätigkeit wäre die Mutter aber am Freitag doch wieder auf eine Fremdbetreuung, die der Vater ja gerade vermeiden möchte, angewiesen. Nach den Angaben bei ihrer Anhörung durch den Senat hat die Mutter zwar angegeben, gerade an den Tagen, an denen sich S. beim Vater befindet, lange zu arbeiten. Dessen ungeachtet muss sie aber auch an den übrigen Tagen der Arbeitswoche, wenn auch kürzer, an ihrer Arbeitsstelle erscheinen.

Wenn sich nach alledem unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes jedenfalls kein Vorrang des Vaters ergibt, so spricht der Kontinuitätsgrundsatz entscheidend dafür, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter zu übertragen. Das Kind hat seit seiner Geburt durchgehend bei ihr gelebt, insbesondere die Nächte dort verbracht. Die Aufrechterhaltung der bestehenden Situation entspricht, wovon auch das Jugendamt und die Verfahrenspflegerin ausgehen, dem Wohl des Kindes.

Ist somit das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein auf die Mutter zu übertragen ist, ändert dies nichts an der großen Bedeutung, die der Vater für das Kind behält. Entsprechend wird der Vater weiterhin regelmäßigen Umgang mit dem Kind haben. Im Hinblick darauf, dass S. bald abgestillt sein dürfte, rücken Übernachtungen des Kindes, die nach der vom Senat übernommenen Umgangsregelung vom 23.9.2008 noch nicht vorgesehen sind, in den Blick. Insoweit erscheint es wünschenswert, dass die Eltern sich zu einer einvernehmlichen Abänderung ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bereit finden werden. Der Vater wird noch stärker als bisher dafür sorgen müssen, dass die geregelten Übergabezeiten am Ende des jeweiligen Umgangs eingehalten werden. Die Mutter wiederum wird Überschreitungen dieser Zeiten in begründeten Einzelfällen zu akzeptieren haben, ohne sogleich die Verhängung von Zwangsmaßnahmen zu beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.