AG München, Urteil vom 07.10.2011 - 173 C 15875/11
Fundstelle
openJur 2012, 670
  • Rkr:

Schmerzensgeldansprüche nach einem Friseurbesuch kommen in Betracht, wenn infolge der Haarbehandlung dauerhafte Schäden am Haar oder der Kopfhaut verursacht wurden oder die betroffene Person durch einen völlig misslungenen Haarschnitt quasi „entstellt“ ist. Die bloße Missachtung eines Wunsches einer Kundin, selbst wenn diese mit Verärgerung oder Enttäuschung verbunden ist, genügt nicht.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 1.500,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeldansprüche nach einem Friseurbesuch.

Die Beklagte zu 1) ist Inhaberin eines Friseursalons. Die Beklagte zu 2) ist Angestellte in diesem Salon.

Am 02.06.10 suchte die Klägerin den Friseursalon der Beklagten zu 1) auf. Die Beklagte zu 2) bediente die Klägerin und fragte nach ihren Wünschen. Die Klägerin wünschte eine Haarfärbung und ein Kürzen der Spitzen. Die Klägerin bat die Beklagte zu 2), vor allem oben am Deckhaar nur einen halben Zentimeter wegzuschneiden. Sie teilte der Beklagten zu 2) mit, dass sie schon mehrmals von Friseuren "verschnitten" worden sei und diesbezüglich auch rechtliche Schritte einleite.

Die Klägerin beobachtete den vollständigen Schneidevorgang. Während des Schneidens erhob sie keinerlei Einwände gegen das Vorgehen der Beklagten zu 2). Im Anschluss zeigte die Beklagte zu 2) der Klägerin das Ergebnis und fragte noch, ob sie die Haare noch föhnen solle. Die Klägerin äußerte sich zu diesem Zeitpunkt zufrieden mit der Haarfarbe und der Haarlänge und verzichtete wegen eines anschließenden Termins bei der Kosmetikerin auf das Föhnen.

Die Klägerin verfügt von Natur aus über sehr feines und dünnes Haar, so dass ihre Kopfhaut grundsätzlich durchscheint. Vor dem Friseurbesuch hatten die Haare der Klägerin eine Länge von 5cm. Nach dem Haarschnitt war die Kopfhaut der Klägerin zu sehen.

Am zweiten Tag nach dem Haarschnitt erschien die Klägerin im Friseursalon und beschwerte sich über das Ergebnis des Haarschnitts.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte zu 2) habe die Haare fehlerhaft zu kurz geschnitten. Es seien mindestens 3cm weggeschnitten worden. Während die Klägerin zunächst noch behauptet hatte, die Kopfhaut wäre bei einem ordnungsgemäßen Haarschnitt überhaupt nicht zu sehen gewesen, trägt sie zuletzt vor, die Kopfhaut wäre nicht so stark sichtbar gewesen, wenn die Beklagte zu 2) lediglich einen halben Zentimeter weggeschnitten hätte. Die Klägerin habe sich entstellt gefühlt. Es habe mindestens 6 Monate gedauert, bis die Haare wieder eine Länge erreichten, dass die von der Beklagten zu 2) verursachten Löcher zugewachsen waren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, das in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, die Beklagte zu 2 ) habe während des gesamten Schneidevorgangs darauf geachtet, die Haare der Klägerin nicht zu stark zu kürzen. Die Beklagte zu 2) arbeite seit 7 Jahren für die Beklagte zu 1). Dabei sei es nie zu Beschwerden gekommen. Sie sei eine zuverlässige und sorgfältige Mitarbeiterin, welche die Regeln der Friseurkunst und den Auftrag der Kundschaft beachte.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Haupthaars der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie durch Inaugenscheinnahme der von der Klägerin als Anlagen K1 und K2 vorgelegten Fotos, die nach Behauptung der Klägerin die Haarlänge darstellen sollen, wie sie sich nach dem Friseurbesuch dargestellt habe (K1) bzw. wie sie sich üblicherweise darstelle (K2). Alle Parteien wurden informatorisch angehört gemäß § 141 ZPO.

Ergänzend wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.09.11 sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Schmerzensgeldanspruch aus § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 611, 280, (278) bzw. i.V.m. § 823 Abs. 1 (§ 831) BGB.

Unabhängig von der Frage, ob die Beklagte zu 2) die Haare der Kläger um mehr als einen halben Zentimeter gekürzt hat, scheitert ein Schmerzensgeldanspruch jedenfalls an der Erheblichkeit der Rechtsgutverletzung. Selbst wenn der gesamte klägerische Vortrag als richtig unterstellt wird, liegt keine, oder allenfalls eine lediglich geringfügige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vor.

a) Es spricht schon viel dafür, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch den Haarschnitt überhaupt nicht beeinträchtigt wurde. Die Rechtsprechung hat bislang Schmerzensgeldansprüche nach Friseurbesuchen in der Regel dann angenommen, wenn infolge einer Haarbehandlung dauerhafte Schäden am Haar oder der Kopfhaut verursacht wurden (Beispiele bei Slizyk, IMM-DAT, 7. Auflage 2011, Stichwort Haar). Eine solche ist vorliegend aber weder vorgetragen noch ersichtlich. Die bloße Missachtung des persönlichen Wunsches der Klägerin, selbst wenn diese mit Verärgerung oder Enttäuschung verbunden ist, genügen jedenfalls nicht (AG Hamburg, Urteil vom 17.02.1993 - 18 C 294/92, zitiert nach beck-online).

Sofern mit einer Haarbehandlung keine Schädigung der verbleibenden Haare oder der Kopfhaut einhergeht, könnte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht allenfalls dann beeinträchtigt sein, wenn durch einen völlig misslungenen Haarschnitt die Klägerin quasi "entstellt" wäre. Dafür ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Die Klägerin empfindet den Haarschnitt lediglich als zu kurz. Dass er ansonsten misslungen wäre, ist jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, an welchen Stellen und in welcher Art und Weise der Haarschnitt fehlerhaft ausgeführt wäre. Der bloße Vortrag, es habe 6 Monate gedauert, bis die "Löcher" wieder zugewachsen gewesen seien, genügt den Anforderungen an eine Substantiierung jedenfalls nicht. Mit Ausnahme der angeblich insgesamt zu kurz geschnittenen Haare sind solche "Löcher" auch sonst aus dem Sachvortrag nicht zu entnehmen.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Haare der Klägerin vorliegend allenfalls geringfügig kürzer geschnitten worden sind, als es dem Wunsch der Klägerin entsprach. Das Gericht ist weiterhin davon überzeugt, dass nach dem Haarschnitt die Kopfhaut der Klägerin nur geringfügig stärker zu sehen war als zuvor.

Diese Überzeugung konnte sich das Gericht bilden, ohne die von der Klägerin angebotenen Zeugen zu hören. Eine Zeugeneinvernahme mit dem Zweck, Fehler der Beklagten erst vorzutragen, wäre ein unzulässiger Ausforschungsbeweis. Die Zeugen könnten daher allenfalls bestätigen, dass die Klägerin nach dem Haarschnitt so aussah wie auf den vorgelegten Fotos. Das vom Gericht gefundene Ergebnis ergibt sich aber bereits, wenn man den klägerischen Sachvortrag - soweit er widerspruchsfrei ist - zugunsten der Klägerin als richtig unterstellt. Ein Vergleich der als Anlagen K1 und K2 vorgelegten Fotoserien zeigt, dass hinsichtlich der Haarlänge ein so gravierender Unterschied zwischen den beiden Aufnahmezeitpunkten nicht besteht. Auch auf den Fotos der Anlage K1 hat das obere Deckhaar der Klägerin ganz offensichtlich noch eine Länge von mehr als 5 cm. Lediglich im Bereich der Schläfen und des Nackens sind die Haare kürzer, dürften aber immer noch eine Länge von mindestens 3-4 cm Länge aufweisen. Der klägerische Vortrag, wonach die Beklagte zu 2) von den ursprünglich 5 cm langen Haaren 3 cm weggeschnitten habe, kann demnach nicht zutreffen. Auch sonst ist aus dem klägerischen Vortrag keine anderweitige substantiierte Sachverhaltsschilderung erkennbar, aus der sich eine ungünstigere Haartracht der Klägerin nach dem Friseurbesuch ergeben würde, als nach den vorgelegten Fotos ersichtlich. Das Gericht geht daher (bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags) davon aus, dass die Haare nach dem Friseurbesuch jedenfalls nicht kürzer waren als bei Aufnahme der als K1 vorgelegten Fotos.

Das Gericht hat sich durch Inaugenscheinnahme des Kopfhaars der Klägerin ein Bild davon verschaffen können, dass die Kopfhaut der Klägerin aus jedem Blickwinkel durchscheint und deutlich sichtbar ist. Von der ursprünglichen Behauptung, die Kopfhaut der Klägerin scheine bei ordnungsgemäßem Haarschnitt nicht durch, ist auch die Klägerin inzwischen abgerückt. Das Durchscheinen der Kopfhaut resultiert daher aus dem individuellen Haarzustand der Klägerin und nicht aus einer etwaigen Pflichtverletzung der Beklagten zu 2). Dass die Kopfhaut nach einem Kürzen der Haare stärker zu sehen ist als vor dem Friseurbesuch, liegt in der Natur der Sache. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist darin aber noch nicht zu sehen.

b) Selbst wenn man eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts annehmen wollte, wäre eine solche allenfalls sehr geringfügig. Nachdem lediglich eine fahrlässige Rechtsgutverletzung im Raum steht, rechtfertigt eine solche geringfügige Beeinträchtigung jedoch kein Schmerzensgeld (Palandt - Grüneberg, 70. Auflage, § 253 Rdnr. 14 m.w.N.).

c) Ergänzend ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden anrechnen lassen müsste, nachdem sie den vollständigen Schneidevorgang beobachtet hat und keinerlei Einwände gegen das Vorgehen der Beklagten zu 2) vorbrachte. Die Beklagte zu 2) musste daher davon ausgehen, dass die vorgenommene Kürzung sich im Rahmen des Wunsches der Klägerin bewegte.. Im Rahmen des § 253 Abs. 2 BGB können zwar bei Mitverschulden keine starren Quoten gebildet werden, die Verschuldensbeiträge sind aber im Rahmen der Frage, inwieweit Genugtuungsbedarf besteht, zu berücksichtigen. Nachdem einerseits der Verschuldensgrad auf Seiten der Beklagten zu 2) sehr gering anzusetzen wäre, andererseits aber sowohl ein erhebliches Mitverschulden als auch die entsprechende "Schadensneigung" der Klägerin infolge ihres ohnehin schon lichten Haarwuchses zu berücksichtigen wären, erfordert die (unterstellte) Rechtsgutverletzung keinen Geldausgleich.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 708 Nr.11, § 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung aus § 3 ZPO, § 63 Abs. 2 GKG.