BVerfG, Beschluss vom 06.09.1999 - 1 BvR 1013/99
Fundstelle
openJur 2011, 25446
  • Rkr:
Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob auch Rundfunkteilnehmer, die ausschließlich Programme privater Veranstalter empfangen wollen, zur Zahlung der Rundfunkgebühr verpflichtet sind.

1. Die Beschwerdeführerin betreibt ein Hotel mit Tagungszentrum. In den Hotelzimmern hat sie Fernsehgeräte aufgestellt. Sie verlangte vom Süddeutschen Rundfunk, dem Gegner des Ausgangsverfahrens, es durch technische Vorkehrungen zu verhindern, daß in den Hotelzimmern Programme öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten empfangen werden können. Der Süddeutsche Rundfunk lehnte dies ab und erließ einen Feststellungsbescheid, demzufolge die Beschwerdeführerin verpflichtet ist, für 114 Fernsehgeräte Gebühren zu entrichten. Der Widerspruch der Beschwerdeführerin war ebenso erfolglos wie die verwaltungsgerichtliche Klage. Das Verwaltungsgericht stützte seine Entscheidung auf §§ 1 und 2 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, die die Gebührenpflicht an das Bereithalten eines Empfangsgeräts knüpfen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschriften bestünden nicht. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung ab. Die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage sei durch das Bundesverfassungsgericht geklärt.

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.

Sie richtet die Verfassungsbeschwerde gegen den Südwestdeutschen Rundfunk (als Rechtsnachfolger des Süddeutschen Rundfunks) und verlangt festzustellen, daß (erstens) der Feststellungsbescheid gegen die genannten Grundrechte verstößt und (zweitens) Art. 3 Abs. 2 Satz 1 (gemeint ist wohl § 2 Abs. 2 Satz 1) des Rundfunkgebührenstaatsvertrages verfassungswidrig ist, soweit er auch Fernsehteilnehmer gebührenpflichtig macht, die keine Programme öffentlichrechtlicher Rundfunkanstalten empfangen wollen.

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch die Gebührenpflicht im ungehinderten Zugang zu dem Informationsangebot privater Veranstalter und ausländischer Programme beeinträchtigt. Ferner werde sie dadurch in ihrem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, weil sie erhebliche Geldbeträge für eine nicht gewollte und nicht genutzte Leistung aufwenden müsse. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Es gehe ihr weder um die Grundversorgung der Bevölkerung mit Rundfunk noch um die Gesamtveranstaltung Rundfunk, sondern um "so banale Dinge wie Konsum, Vergnügen und Komfort".

Die Gründe, mit denen das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 22. Februar 1994 (BVerfGE 90, 60) die geltende Regelung gerechtfertigt habe, bestünden nicht mehr. Ein Gefälle an gegenständlicher Breite und thematischer Vielfalt zwischen den privaten und den öffentlichrechtlichen Programmen sei, namentlich wegen der erheblichen Vermehrung der Programme, nicht mehr vorhanden.

II.

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde nach § 93 a BVerfGG liegen nicht vor.

1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzlich verfassungsrechtliche Bedeutung. Die von ihr aufgeworfene Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt (vgl. BVerfGE 87, 181 <201>; 90, 60 <91>). Es ist auch nicht ersichtlich, daß sich die Verhältnisse im Rundfunkwesen in den vergangenen fünf Jahren derart geändert hätten, daß eine erneute grundsätzliche Klärung erforderlich wäre.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die behaupteten Grundrechtverstöße liegen nicht vor.

a) Die Beschwerdeführerin hat ihre Verfassungsbeschwerde zwar nicht, wie in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG bestimmt, gegen einen Akt der öffentlichen Gewalt, sondern gegen den Beklagten des Ausgangsverfahrens gerichtet. Sie hat außerdem lediglich die Aufhebung des Feststellungsbescheids des Beklagten des Ausgangsverfahrens und die Feststellung, daß § 2 Abs. 2 Satz 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag verfassungswidrig sei, begehrt. Aus ihrem Vorbringen läßt sich aber bei wohlwollender Deutung entnehmen, daß Gegenstand der Verfassungsbeschwerde der Feststellungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids sowie die ihn bestätigenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts sein sollen.

b) Weder die angegriffenen Entscheidungen noch die ihnen zugrunde liegenden Bestimmungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages verstoßen gegen die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Diese Vorschrift gibt jedermann das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Abgesehen davon, daß es der Beschwerdeführerin nach ihrem eigenen Vorbringen nicht auf Information, sondern auf "Konsum, Vergnügen und Komfort" ankommt, behauptet sie auch nicht, an dem Empfang der von ihr bevorzugten Programme privater oder ausländischer Veranstalter gehindert zu sein. Sie macht vielmehr nur geltend, daß sie diese Programme nicht kostenlos empfangen könne. Eine Garantie kostenloser Information enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedoch nicht. Staatlich festgesetzte Entgelte für die Rundfunknutzung könnten das Grundrecht unter diesen Umständen nur dann verletzen, wenn sie darauf zielten oder wegen ihrer Höhe objektiv dazu geeignet wären, nutzungswillige Interessenten von Informationen aus bestimmten Quellen fernzuhalten. Dafür ist nicht das mindeste ersichtlich.

c) Auch Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Abgesehen davon, daß das Bundesverfassungsgericht bislang die Frage, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie einzubeziehen ist, offen gelassen hat (vgl. BVerfGE 51, 193 <221 f.>), schützt dieses Grundrecht nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten, weil diese nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen sind, sondern aus dem fluktuierenden Vermögen, das kein Eigentum im Sinn von Art. 14 Abs. 1 GG ist, bestritten werden (vgl. BVerfGE 95, 267 <300>; stRspr).

d) Die der Beschwerdeführerin auferlegte Geldleistungspflicht berührt jedoch die ebenfalls als verletzt gerügte allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Diese ist allerdings nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gewährleistet. Zu diesen zählen sämtliche mit dem Grundgesetz in Einklang stehende Rechtsnormen (vgl. BVerfGE 6, 32 <37 ff.>; stRspr). Das ist bezüglich der mittelbar angegriffenen Regelung in § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 Rundfunkgebührenstaatsvertrag, soweit sie die Zahlungspflicht an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts zum Empfang anknüpft, der Fall. Wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, hängt die Zulässigkeit privaten Rundfunks in der vom Gesetzgeber gewählten Gestalt von der Funktionstüchtigkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunks ab (vgl. BVerfGE 73, 118 <158 f.>; stRspr). Aus diesem Grund ist es gerechtfertigt, die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus zu knüpfen, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgeräts begründet wird (vgl. BVerfGE 90, 60 <91>). Anlaß, von diesen Grundsätzen abzuweichen, besteht nicht.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.